Kapitel 8: Skelette und Zombies
ICH BRAUCHTE über 1 Stunde, um den nächsten Raum, einen Weinkeller, auszuräumen. In dem Gang, in dem ich auf das erste Skelett gestoßen war, hatte ich eine Tür in der Wand entdeckt. Sie war jedoch verschlossen gewesen, und egal, auf welche Art ich versucht hatte, sie zu öffnen, ich hatte sie nicht aufbekommen. Ich hatte mir überlegt, dass sie vielleicht nur zur Dekoration gehören könnte, genau wie die rauchenden Fackeln, die nicht zu entfernen waren – ein Detail der Erscheinung dieser Spielwelt.
Vielleicht hätte ich sie ignorieren sollen, aber der Gedanke, dass sich etwas Interessantes dahinter verbergen könnte, hatte mich nicht losgelassen. Außerdem hatte ich ein Rascheln gehört.
Also hatte ich mir zuerst die nächste Wache im Gang vorgenommen. Dabei handelte es sich nicht um einen Krieger, sondern um einen Wiedererweckten Skelett-Schlüsselmeister. Ihn zu töten war viel einfacher. Ich musste nur eine Viertelstunde beständig respawnen und erhielt 11 Erfahrungspunkte und 1 Schlüsselring.
Verschlossene Tür, gedroppte Schlüssel ... Ich musste kein Genie sein, um herauszufinden, was ich tun sollte. Ich ging zurück und probierte einen Schlüssel nach dem anderen, bis ich den passenden fand. Sobald ich die Tür geöffnet hatte, hörte ich ein schrilles Kreischen, das mir fast das Trommelfell platzen ließ. Einige Ratten rannten an mir vorbei, die verwesende Fleischfetzen verloren und die ganze Zeit schrien. Als ich etwas später darauf wartete, wieder respawnen zu können, sah ich, dass es sich um 5 Ratten in verschiedenen Stadien der Verwesung handelte. Die endlose Folge von Leben zwischen meinen Toden wurde von ihrem ständigen Kreischen begleitet.
Da es sich um mehrere Ratten handelte, war es äußerst schwierig, auch nur einen einzigen Treffer zu erzielen, ohne sofort zu sterben. Außerdem gelang es mir nicht, jedes Mal die gleiche Zombieratte zu treffen, aber ich wollte wenigstens einer von ihnen Schaden zufügen. Zum Glück konnte ich mit Hammerfaust nicht nur 1 kümmerlichen Punkt, sondern jedes Mal 2 bis 4 Schaden verursachen. Die Ratten hatten zwar weniger Gesundheit als der Skelettkrieger, dennoch war es ein harter Kampf.
Die letzte Ratte beendete ihre Angriffe, als sie nur noch 10 % Leben übrighatte, und versuchte, sich hinter Weinfässern zu verstecken. Dadurch hatte ich ein wenig Zeit, meine Gesundheit wiederherzustellen, die Keule aufzuheben und in aller Ruhe den tö dlichen Schlag auszuführen.
Das Kreischen der riesigen Zombieratte hörte endlich auf, als ich ihren Schädel mit der Keule gegen die Wand schmetterte. Stille kehrte ein. Ich konnte meinen Herzschlag hören, eine Ader pulsierte an meiner Schläfe, und ich keuchte. Abgesehen davon herrschte Grabesstille.
Es war Zeit, die Beute einzusammeln. Angewidert wühlte ich mich durch die Rattenkörper, doch außer Zombieratten-Eingeweiden fand ich weder ihre Felle, die sowieso minderwertig waren, noch ihre erschreckend starken Krallen. Münzen oder andere Gegenstände waren genauso wenig gedroppt worden.
Die einzigen Verwendungszwecke wurden in ein paar kurzen Zeilen beschrieben: „Alchemistische Zutat, Kochzutat, Wert: 2 Kupfermünzen.” Kochzutat? Ich machte mir eine Gedankennotiz, herauszufinden, welche Speisen die Zutat enthielten, und sie niemals zu probieren. Aber was ihren Wert betraf ... Die Eingeweide von 50 Ratten würden 1 Silbermünze wert sein. Das könnte ein ziemlich gutes Geschäft werden.
Ich sah auf die Uhr. Es war fast Mitternacht. Ich hatte beschlossen, heute Nacht nicht zu schlafen. Ich hatte mich in meinem Zimmer eingeschlossen und meine Eltern würden denken, dass ich bereits schlief. Morgen früh würde ich duschen, durch die Unterlagen für den Test gehen, frühstücken und zur Schule fliegen.
Doch fürs Erste musste ich damit fortfahren, die Instanz auszuräumen, denn mir war klar, dass mir nun wegen des Fluchs des Trunkenbolds Patrick keine andere Wahl blieb, außer die Quest des Ersten Stadtrats abzuschließen. Ich wusste nicht, wie lange der Fluch anhalten würde, aber die Gelegenheit, in einer Nacht einen Haufen Erfahrung und Geld durch Farmen zu verdienen, lohnte sich. Außerdem würde ich Unbewaffneter Kampf leveln, eine Fertigkeit, die sich viel schneller als gewöhnlich verbesserte, weil ich gegen Gegner kämpfte, deren Level fünfmal höher war als meins.
Nachdem ich die vierte Ratte getötet hatte, hatten die Fertigkeit und der Spezialangriff gelevelt. Mein Schaden und meine Angriffsgenauigkeit bei Unbewaffneter Kampf waren um 15 % erhöht, während Hammerfaust meinen normalen Schaden um weitere 200 % verbessert hatte. Beim Kampf mit den Ratten hatte ich gelernt, Tritte auszuteilen, wenn ich nicht mit den Fäusten schlug, aber dafür hatte ich noch keinen Angriff erhalten. Entweder hatte ich meine Beine noch nicht ausreichend eingesetzt – beim Barfußtreten erlitt man mehr Schaden als der Feind – oder neue Angriffe waren mit den Fortschritten der Fertigkeiten verbunden.
Die Ratten aus dem Weinkeller beseitigt zu haben, gab mir ein seltsam befriedigendes Gefühl. Mir schoss der Gedanke durch den Kopf, dass ich auf meine Rückendeckung achten musste – vermutlich ein Gedanke aus meinem genetischen Gedächtnis. Zudem sagte mir mein gesunder Menschenverstand, vor meinem ersten Tod im nächsten Kampf die Lederschulterpanzer anzulegen, um besser geschützt zu sein, und ich würde zweifellos ein paar Mal sterben.
Als ich das Ende des engen Gangs erreicht hatte, hörte ich auf einmal eine Stimme. „Boo-uh.” Und einige Sekunden später: „Yghgh-uh ...” Füße tapsten über den Boden, unterbrochen von einem Geräusch, das klang, als ob jemand würgte, um sich zu erbrechen. Der nächste Raum war dreimal so groß wie der vorherige. Die Fackeln beleuchteten ihn nur in einem kleinen Umkreis, sodass ich so nahe wie möglich herankommen musste, um zu sehen, wer sich dort befand. Dann flackerte der Name des nächsten Mobs auf.
Hirnloser Zombie, Level 6
Eine Gruppe wiedererweckter Leichen trottete wie Sträflinge im Gefängnishof in der Mitte des Raums im Kreis herum. Anders als die Skelette konnten sie ihre Bewegungen sehr schlecht koordinieren und humpelten, schwankten, stießen einander an und stritten sich deshalb ständig in Zombiesprache. Einem der Mobs steckte ein Pfeil in der Stirn, mit dem er dauernd an den Lumpen des Zombies vor ihm hängenblieb.
Ich beobachtete sie und überlegte mir, wo ich am besten sterben sollte und ob ich mich zurückziehen und sie näher an den Ausgang der Instanz würde kiten können. Falls es mir gelingen würde, sie aus diesem Raum herauszulocken, würden sie nach meinem Tod vielleicht verschwinden und ich würde meine Gesundheit in Ruhe wiederherstellen können. Gleichzeitig reifte ein neuer Plan in mir. Es wäre zwar mühsamer, aber falls er funktionieren würde, würde ich nicht so oft sterben müssen.
Mit einem kritischen Blick sah ich an mir herunter. Außer den Boxershorts, die ich nicht entfernen konnte, war ich nackt. Mein erstes Hemd hatte schon lange alle Haltbarkeitspunkte verloren und verrottete langsam zu Staub. 3 oder 4 Tode später, als ich gegen das erste Skelett gekämpft hatte, war meine Hose ebenfalls erledigt gewesen. Darum sahen die Schulterpanzer äußerst komisch an mir aus. Zur Hölle damit. Es war besser, sie abzunehmen, sonst würde ich sie vielleicht auch noch verlieren. Als ich sie in meinem Inventar platzierte, fiel mein Blick auf die Ratteneingeweide. Was wäre, wenn ...?
Ich nahm eine Einheit von Zombieratteneingeweiden heraus, hielt die Luft an, damit mir nicht übel würde, und warf sie in die Gruppe der wandelnden Toten. Normalerweise aßen Zombies keine Zombies, aber was, wenn doch?
Der erste, der auf die Eingeweide aufmerksam wurde, war der Zombie mit dem Pfeil im Kopf. Als er hörte, wie das Fleisch auf den Boden klatschte, hielt er an, drehte den Kopf und starrte auf den Köder. Der Zombie hinter ihm rannte in seinen Kameraden hinein, hielt ebenfalls an und fragte: „Oowuh-uh?”
„Hoo-wuh”, antwortete Pfeilkopf und trat auf die Kutteln zu. Sein Kumpel zischte und ging weiter, doch Pfeilkopf näherte sich vorsichtig den Eingeweiden. Ich ging auf ihn zu, und als er mich sah, vergaß er sie, keuchte erfreut und beschleunigte! Er humpelte zwar immer noch, aber er machte viel schnellere Schritte.
Langsam ging ich zurück zum Gang und hoffte, dass ich ihn von seinen Kumpels weglocken könnte, doch mein Versuch war umsonst. Pfeilkopf stieß einige besonders laute „Boo-wuh”-Rufe aus, und einen Moment später kamen alle Leichen auf mich zu.
„Frische Gehirne! Frisches Fleisch!” Das war sicher alles, an das diese Monster denken konnten.
Pfeilkopf war an der Spitze dieses Rennens, doch egal, wie schnell er seine verwesenden Beine bewegte, ich war schneller. Nachdem ich den Weinkeller erreicht hatte, schlug ich die schwere Eichentür zu und verschloss sie.
„Eeugh-woo!” Eine wandelnde Leiche kam von der anderen Seite und hörte sich besonders enttäuscht an.
Während sie zusammen „überlegten”, wie sie die Tür aufbrechen könnten, hatte ich plötzlich den Eindruck, dass ich eine fast intelligente Sprache heraushören konnte – eine Sprache ohne Lippen und Zungen, denn die waren schon lange verrottet. Die Zombies konnten nur wenige Laute produzieren, doch ich war in der Lage, eine gewisse Logik in ihrem Stöhnen zu erkennen.
Während ich darüber nachdachte, rollte ich ein volles Weinfass nach dem anderen auf dem Boden entlang und verbarrikadierte die Tür. Ich schaffte es, mehrere Reihen der schweren Fässer davor aufzustellen, und ich hoffte inständig, dass sie ausreichen würden, um meinen Plan auszuführen.
Bumm! Bumm! Knirsch! Die Zombies schlugen immer noch gegen die Tür und kratzten auch daran. Ich schloss sie mit dem Schlüssel auf und trat etwas zurück. In dem engen Spalt erschienen sofort mehrere Hände und Füße. Es konnte losgehen!
Mit voller Kraft schlug ich durch den Türspalt und traf die Hände zweier lebender Toter. Sie verloren je 2 oder 3 Gesundheitspunkte. Die Zombies standen sich gegenseitig im Weg, während sie versuchten, in den Weinkeller zu gelangen. Was Pfeilkopf betraf, so steckte er im Türspalt fest und blockierte den Weg für alle anderen.
Ich blickte auf die Keule und überlegte dann, ob ich mit bloßen Händen zuschlagen sollte, um die Fertigkeit zu leveln, doch mein gesunder Menschenverstand siegte. Sie würden mich greifen und zu sich ziehen können, und mit meinen schwachen Attributen würde ich nicht entkommen können. Nein, ich blieb bei der Keule.
Du hast dem Hirnlosen Zombie kritischen Schaden zugefügt: 5!
Gesundheitspunkte: 43/50
Die Zombies drehten durch. Es hörte sich an, als ob Pfeilkopf nun Beleidigungen ausstoßen würde.
„Boo-wuh?”
„Hoo-wuh!”, presste ich bei meinem nächsten Schlag heraus. Und so ging es weiter ...
Mit seinen letzten Gesundheitspunkten versuchte Pfeilkopf, aus dem Spalt herauszukommen, aber seine Kameraden waren im Weg.
Du hast dem Hirnlosen Zombie Schaden zugefügt: 3
Der Hirnlose Zombie ist tot.
Der Körper der nun zweifach toten Kreatur brach mit einem zerschmetterten Schädel zusammen. An seiner Stelle erschien ein weiterer Zombie, der meine Keule testen wollte. Er hatte bereits ein paar Beulen abbekommen, als ich sie zufällig geschwungen hatte. Nun streckte er eine Hand aus und hätte mich fast mit seinen versteinerten Fingernägeln erwischt, die eine dickflüssige, schwarze Substanz absonderten. Ich musste vorsichtiger sein. Das Letzte, was ich gebrauchen konnte, war ein Debuff durch irgendwelches Leichengift.
Mein nächster Hieb war ein besonders guter Treffer. Ein kraftvoller Schlag auf die Nase drückte das Fleisch in seinen Schädel.
Fertigkeit „Schlagwaffe” erhalten!
Zugefügter Schaden mit einer Schlagwaffe erhöht sich um 10 %.
Angriffsgenauigkeit erhöht sich um 10 %.
Aktuelles Level: 1
Verbessere diese Fertigkeit, indem du gegen Gegner deines Levels oder höher kämpfst, um zusätzliche Boni und neue Spezialangriffe zu erhalten.
Du hast einen neuen Spezialangriff erlernt: Rammbock!
Nutzungspreis: 2 Manapunkte
Fügt 150 % des normalen Schadens zu.
Du hast für die Entdeckung einer neuen Fertigkeit Erfahrungspunkte erhalten: 10
Erfahrungspunkte auf derzeitigem Level (1): 126/400
Ich grinste, packte die Keule fester und aktivierte Rammbock . Dadurch verbesserte sich meine Lage etwas. Ich verfehlte immer noch ziemlich oft mein Ziel und fügte wenig Schaden zu, aber es war etwas besser. Mana stellte sich im Kampf nicht wieder her, sodass ich meine Angriffe und normale Schläge abwechselnd einsetzen musste. Doch zu wissen, dass jeder erfolgreiche Angriff einige Punkte auf meinen Fertigkeitsfortschritt gab, motivierte mich ungemein.
Es dauerte weniger als 30 Minuten, bis ich die Gruppe von 6 Zombies ausgeschaltet hatte. Nachdem sie verschwunden waren, fühlte ich mich sicher genug, um die Beute einzusammeln. Als ich mich hinunterbeugte, ergriff mich etwas bei den Haaren und sagte freundlich: „Oh-wah-ya? Ah-ah-ah!”
Ich versuchte vergebens, zu entkommen. Als ich den Kopf drehte, sah ich einen Zombie, den ich übersehen hatte. Er bleckte vor Freude die Zähne und wiederholte: „Oh-wah-ya! Oh- wah-ya!”
War es möglich, dass er „Hab dich!” meinte?
„Hab dich?”
Der Zombie nickte begeistert. „Oh-wah-ya!”
Es wäre fast freundlich gewesen, wenn er mich nicht gleichzeitig in die Schulter gebissen hätte.
Der Hirnlose Zombie hat dir Schaden zugefügt: 8
Gesundheitspunkte: 15/23
Der Schmerz trieb mich an. Kraftvoll stieß ich mich mit den Beinen von der Wand ab und schrie dabei vor Schmerz und Wut. Das Monster steckte im Gang fest, aber es hatte einen Teil meiner Haare und meines Fleisches. Ich rollte mich in die Mitte des Weinkellers und ließ meine Waffe fallen. Die wandelnde Leiche kaute auf dem Fleisch herum, das sie abgebissen hatte, und sah enttäuscht zu mir hinüber, doch sie versuchte nicht, sich durch den engen Spalt zu zwängen. Ein merkwürdiger Mob.
Ich hob die Keule auf und näherte mich vorsichtig der Tür. Ein verfehlter Schlag. Der Zombie zog sich zurück und verschwand hinter der Tür. Ich fragte mich, ob er wirklich hirnlos war.
Als ich den Sichtwinkel änderte, sah ich, dass er außerhalb meiner Reichweite kaum erkennbar im Gang stand. Offensichtlich würde es nicht so einfach sein, diese Kreatur zu töten. Ich würde wohl mal wieder sterben müssen.