Kapitel 13: Der Sprudelnde Krug
ICH ZUCKTE ZUSAMMEN.
Es war Schwergewicht, und sie lachte herzlich. Blitzschnell öffnete ich mein Inventar und holte Dargos Amulett heraus.
„Oh, Rita! Ich war gerade auf dem Weg zu dir. Sieh mal, was ich bekommen habe.” Ich zeigte ihr meine Beute. „Was meinst du, sollte ich es behalten?”
„Grün
? Nicht schlecht”, sagte sie interessiert. „+5 Ausdauer auf Level 5 kann nicht schaden. Für 2 ½ Goldmünzen würden die Käufer dir das Amulett aus den Händen reißen. Aber wenn du noch etwas wartest, kannst du wahrscheinlich 3 oder 4 Gold dafür bekommen.”
„Das dachte ich mir.” Ich nickte zufrieden und verstaute den Gegenstand wieder in meiner Tasche. „Dann behalte ich es vorerst.”
„Eine gute Entscheidung. Aber lege es fürs Erste in deine Truhe. Sonst verlierst du es vielleicht, falls du gegankt werden solltest.” Sie betrachte mich genau. „Wie ich sehe, hast du einige neue Ausrüstungsteile. Erfolgreich gefarmt?
”
„Ja. Danke für die Keule, du hast mir echt geholfen.”
„Nicht der Rede wert. Ich wollte sie einfach loswerden.” Sie zuckte die Schultern.
„Übrigens, ich wollte vorbeikommen und mir noch mal die Sachen ansehen, die Leichtgewicht mir angeboten hat. Danach will ich weiter leveln. Kannst du mir sagen, wohin ich auf meinem Level am besten gehen sollte?”
„Ganz bestimmt nicht in den Düsterwald”, lachte Rita. „Nur wenige Leute trauen sich da rein, und wenn sie es doch tun, dann nur in einer organisierten Gruppe. Hast du schon mal von Crusher gehört?”
„Äh ... Nein.”
„Er ist ein seltener Mob, der hier erst vor Kurzem aufgetaucht ist. So etwas wie der hiesige Boss”, erklärte Schwergewicht eifrig. „Ein riesiger Elitewolf auf Level 15. Er ist so groß wie du und jagt Mobs ganz allein. Kurz gesagt: Bis jetzt ist es noch niemandem gelungen, ihn zu besiegen. Er kann einen Angstzauber wirken, indem er heult, und wenn er die Hälfte seines Lebens verloren hat, beschwört er ein Rudel. Dann ist es für seine Gegner vorbei.”
„Alles klar, ich werde weder allein noch in einer Gruppe gegen ihn kämpfen. Aber was ist mit dem Rest?”
„Weißt du, ich kann mich nicht mehr erinnern, wo ich gelevelt habe. Leichti und ich haben die ganze Umgebung hier durchkämmt. Die ersten Levels waren
einfach. Westlich von hier fressen die Murlocks dich auf, also bleibt dir nur der Morast, wenn du keine sozialen Quests erledigen willst. Schau dich etwas um. In der Richtung liegt ein Jagdcamp. Dort geben sie dir vielleicht eine Quest, um Tiere auszurotten. Aber das Wichtigste ist, dich von den Stechern fernzuhalten. Das sind diese riesigen Fliegen. Sie legen ihre Eier unter deiner Haut, und nachdem die Larven geschlüpft sind, fangen an, zu graben. Widerlich!” Sie schüttelte sich. Rita griff in die Tasche ihrer Lederjacke, zog eine Tüte Bonbons heraus und reichte sie mir. „Etwas Süßes für dich.”
„Danke, aber ich mag keine Bonbons.”
„Was? Sie geben 1 Punkt auf ein zufälliges Attribut oder +10 % auf Bewegungsgeschwindigkeit!”
„Ist das dein Ernst?” Ich nahm einen Bonbon aus der Tüte, entfernte das regenbogenfarbene Papier und steckte ihn mir in den Mund. In Sekundenschnelle löste er sich auf meiner Zunge auf und hinterließ einen Nachgeschmack von Erdbeeren und Sahne.
Du hast Süße Freude gegessen.
Erhaltener positiver Effekt: +10 % Bewegungsgeschwindigkeit
„Und was, wenn ...?”
„Lässt sich nicht stapeln”, unterbrach Rita mich. „Es hält 1 Stunde an. Wenn du noch einen isst, ändert sich nur der Bonus.”
„Vielen Dank!”
„Übrigens, Leichti kümmert sich bei uns
ums Kochen
. Falls du Zutaten erhältst, kannst du sie ihm gern bringen. Er kauft alles, was du hast. Du bekommst weniger als bei einer Auktion, aber du kannst schnell alles auf einmal verkaufen.”
„Ich habe zufällig einige ...” Ich wühlte in meinem Inventar und holte die restlichen Ratteneingeweide heraus.
„Igitt, das Zeug ist ja ekelhaft”. Schwergewicht verzog die Nase. „So etwas habe ich noch nie gesehen. Wo hast du denn eine Zombieratte gefunden?” Sie machte große Augen. „Warst du etwa im Düsterwald?”
„Ich? Hältst du mich für einen Idioten?”
„Ehrlich gesagt, ja. Wenigstens die ganze Zeit, als du dir vor dem Gasthaus den Hintern platt gesessen hast. Aber eine Zombieratte ... Mir fällt außer dem Düsterwald kein anderer Ort ein, wo dir eine von denen begegnet sein könnte. Ich habe dort zwar noch nie Ratten gesehen, dafür aber Gespenster.”
„Im ersten Raum der Tempelgruft ist ein Weinkeller, in dem sich diese Ratten aufhalten.”
„Aha, verstehe”, erwiderte Rita. „Prüfe die Auktionspreise. Ich habe keine Ahnung, wie viel die Eingeweide kosten und wozu sie benutzt werden. Oder frage Leichti. Er müsste es auch wissen.”
„Das werde ich tun. Danke für deine Hilfe.”
„Schau mal bei mir vorbei, Scyth. Okay, lange genug geredet. Ich muss mich auf den Weg zur Auktion machen und dann zurück in die reale Welt. Ich habe einige Dinge zu erledigen.
Du weißt, wo du uns finden kannst, wenn du unsere Dienste benötigst.” Schwergewicht stupste mich leicht an der Schulter an, ehe sie sich auf den Weg machte.
Sie sah wirklich gut aus. Merkwürdig, wie so etwas manchmal passierte. Zuerst machte eine Person keinen großen Eindruck auf einen, aber je öfter man sich mit ihr unterhielt, desto anziehender fand man sie. So ungefähr verhielt es sich mit Rita Schwergewicht. Auf einmal hatte sie ein ansteckendes Lächeln, schöne Augen und ein hübsches Gesicht. Und für mich sah sie auch nicht fett aus. Sie war längst nicht auf Eves Level. Ihr Körper hatte die Form einer Gitarre, und wenn ... Teufel noch mal, wo war ich mit meinen Gedanken?
Ich wandte meinen Blick von Ritas Po ab, der in einer engen Lederhose steckte. Sie ging sehr schnell, sodass die Bewegung ihrer Hüften mich hypnotisierte. War Leichti ihr Bruder? Oder ihr Freund? Ich war noch nicht auf die Idee gekommen, ihre Nachnamen zu vergleichen.
An der Anschlagtafel fand ich keine lohnenswerten Missionen, aber nachdem ich in der Instanz so schnell gelevelt hatte, wollte ich sowieso kein Unkraut mehr jäten, nur, um ein paar Kupfermünzen und ein bisschen Erfahrung zu verdienen. Außerdem waren alle Arbeiten bereits vergeben worden, da es schon Abend war, und mein Level war zu niedrig, um entlang des Düsterwaldes patrouillieren zu können.
Nun erschienen mir die Quälerei und
das Leiden der letzten Nacht nur noch halb so schlimm. Sicher, ich war einige Hundert Mal gestorben, doch ich hatte es durch die Instanz geschafft, Ausrüstung und Achievements verdient, neue Fertigkeiten entdeckt, mein Level erhöht und meinen Charakter verbessert!
Auf einmal fiel mir Patrick wieder ein. Ich musste ihn finden und mich bei ihm mit ein paar Kupfermünzen bedanken. Aber zuerst wollte ich zum Gasthaus gehen, um den seltenen Gürtel und das ungewöhnliche Amulett in meine persönliche Truhe zu legen.
Im Gasthaus Sprudelnder Krug, vor dem ich bis vor Kurzem Tag für Tag gesessen hatte, waren immer viele Leute. Bots nach der Arbeit, Nicht-Bürger, die in der Sandbox arbeiteten und sich nach einem langen Tag in den Steinbrüchen erholen wollten, eine Gruppe von Barden, die auf archaischen Instrumenten alte Rocksongs spielten, und natürlich Stammgäste wie Patrick, wenn er Geld hatte, und die Tänzer, die sich im Gasthaus Geld und Erfahrung verdienten.
Im Hinterhof fanden oft Duelle für Geld statt, und ab und zu ließ der NPC-Besitzer Tashot Turniere austragen. Es war nicht mit einer Arena zu vergleichen, aber es gab keine Formalitäten, und es war in der Stadt.
Angesichts der begrenzten Anzahl von Sitzplätzen verkündete der Besitzer mit lauter Stimme das Prinzip „Wenn du nichts bestellst, setz dich nicht
hin!” Daher war es für Noobs wie mich undenkbar, hineinzugehen. Glücklicherweise konnte man die persönlichen Zimmer durch einen anderen Eingang erreichen.
Ich ging in den zweiten Stock und den Flur hinunter, bis ich an meiner Tür angelangt war. Auf jedem Stockwerk befanden sich 12 Zimmer. 11 davon wurden an normale Besucher des Gasthauses vermietet, die etwas Zeit für sich allein verbringen wollten. Sex war zwar nicht erlaubt, doch man konnte so lange rummachen, wie man wollte. Viele nutzten diese Gelegenheit.
Das 12. Zimmer war etwas Besonderes. Persönliche Zimmer wurden wie Instanzen generiert – ein unabhängiger Raum, der für jeden Spieler anders war. Man konnte sein Zimmer von jedem Gasthaus in Disgardium
aus betreten und seine Ausstattung bis „Königlich” erweitern, wodurch es größer und luxuriöser wurde. Außerdem konnte man es dekorieren, wie man wollte, vorausgesetzt, dass man genug Geld hatte.
Da ich noch nie Geld gehabt hatte, sah mein Zimmer entsprechend aus: Ein kleiner Raum, der nur Platz für die einfache 8-Plätze-Truhe, ein knarrendes Bett und einen kleinen Nachttisch aus Holz bot, der beschädigt worden war. Ich hielt mich nicht lange in meinem Zimmer auf, sondern warf nur die Beute, die Dargo gedroppt hatte, in die Truhe, bevor ich mich wieder auf den Weg machte.
Als ich an der ersten Tür vorbeiging,
hörte ich laute Stimmen, die aus der Küche kamen. Interessiert ging ich näher.
„Das habe ich doch gesagt! Ich habe sie auf dem Boden zertreten. Mit diesem Stiefel!”
„Sie haben sie sicher verfehlt, Herr Arno!”, erklang die Stimme eines Mädchens.
„Nein, ich habe sie zerquetscht, aber auf einmal ist sie wieder aufgesprungen, als ob nichts passiert wäre, und ist weggerannt.”
Ich öffnete die Tür einen Spalt breit und warf einen Blick in die Küche. Ein wohlgenährter Koch von etwa 200 Kilogramm wedelte mit einem breiten Messer herum und stritt sich mit einer jungen Köchin. Als er mich sah, öffnete er den Mund, um etwas zu sagen, doch in dem Moment schrie die junge Frau vor Angst auf. Sie sprang auf einen Stuhl und rief: „Da ist sie!”
Der große Kerl und ich drehten uns in die Richtung, in die sie gezeigt hatte. Dort lief eine kleine, graue Ratte ziellos im Kreis. Ihr Kopf war um 180 Grad gedreht, ihr Fell verfilzt, und sie hatte an mehreren Stellen offene Wunden. Aus einer von ihnen steckte ein Knochen heraus.
Eine Level-8-Zombieratte! Wie war dieser feindliche Mob in die Stadt gelangt? Sie musste aus der Tempelgruft gekommen sein, aber das war unmöglich! Eine Instanz war eine Instanz. Mobs konnten nicht aus ihr entkommen ...
„Heiliges Kanonenrohr”, kreischte der Koch, während er sein Messer ungeschickt auf die Ratte
warf. Es fiel mit dem Griff zuerst in der Nähe der Ratte auf den Boden. Sie fletschte die Zähne, quietschte schreckenerregend und rannte auf das Messer zu. Sie biss in die Klinge und versuchte, es zu greifen. Als sie bemerkte, dass es nicht lebendig war, blieb die Ratte auf der Stelle stehen und drehte ihren Kopf, sodass ihre Augen den Koch ansahen. Die Zombieratte hatte ein neues Ziel gewählt und lief darauf zu. Sie quietschte auf einer so hohen Frequenz, dass wir es nicht mehr hören konnten.
Der Koch sauste los, um eine mit kochendem Öl gefüllte Pfanne zu holen.
„Vater Nergal der Leuchtende ...”, murmelte die Frau. „Zeige dein Licht und vernichte diese stinkende Kreatur.”
Arno goss das sprudelnde, zischende Öl über die Zombieratte und sprang schnell zurück. Wie ein Hund schüttelte sie es ab und ging zum nächsten Angriff über. Sie brauchte nur einmal zu springen und befand sich neben dem Koch. Die Ratte sprang hoch und biss den Koch durch seine Hose in den Oberschenkel. Die Küche wurde von seinem Schmerzensschrei, dem Kreischen der Ratte und dem Geschrei der Köchin erfüllt.
Der Koch hörte nicht auf, zu schreien, während er die Ratte von sich stieß. Die Kreatur verdrehte ihren Körper und landete auf den Füßen. Sie drehte ihren Kopf bedrohlich um 45 Grad. Ihr Schwanz zuckte nervös und klopfte auf den Boden.
Ich fing mich wieder und
sammelte meinen Mut. Es war nur eine einzige Ratte. In der letzten Nacht hatte ich eine ganze Gruppe getötet!
Meine Klinge fand ihren Weg in meine Hand, und ich warf mich ins Getümmel. „Stirb!”, rief ich, als ich mein Schwert in die Zombieratte stach.
Du hast der Zombieratte kritischen Schaden zugefügt: 2!
Gesundheitspunkte: 55/60
Mein rostiges Schwert hieb die Ratte mit einem dumpfen Schlag in zwei Stücke und blieb im gut polierten Holzboden stecken. „Zu Befehl”, hörte ich ein Flüstern in meinem Kopf.
Die Zombieratte ist tot.
Moment mal. Was? Ich blickte erstaunt auf den toten Mob. Den Protokollen nach zu urteilen hätte die Ratte genug Leben übriggehabt, um das gesamte Küchenpersonal in die Flucht zu schlagen und mich zu fressen. Außerdem verlieh sie keine Erfahrung.
Wie auf Autopilot hob ich die Beute auf. Noch mehr Eingeweide. Ich verstaute sie in meinem Inventar und wandte mich um, als die Hand des Kochs sanft meine Schulter berührte. Erst jetzt bemerkte ich, dass es vollkommen ruhig war. Selbst das Knistern der Holzscheite im Ofen war verstummt.
„Bist du in Ordnung, Kleiner?”, fragte Arno.
„Ja.” Ich stand auf und ergriff seine ausgestreckte Hand.
„Du bist gerade rechtzeitig gekommen”, sagte der Koch lachend. Er redete schnell, immer noch aufgewühlt durch die gefährliche Situation, die
er überstanden hatte. „Zuerst dachte ich: ‚Was will er hier unten?‘ Alle möglichen Leute tauchen hier auf. Es ist offensichtlich, dass du als Besucher in Tristad bist. Aber du bist ein Gast im Sprudelnden Krug, oder? Fremde sind hier nämlich nicht erlaubt, das ist eine strenge Vorschrift. Und wir zögern nicht, die Wachen zu rufen. Aber zum Glück hat sich alles zum Guten gewendet. Du bist ein guter Krieger, du weißt, was du tust!”
„Ich bin kein Krieger, ich hatte einfach Glück, Herr Arno.”
„Dem Mutigen gehört die Welt”, erwiderte der Koch. Er erhob den Zeigefinger, um diese Weisheit zu teilen. „Vielen Dank, Scyth!”
Rada, die Köchin, stieg vom Stuhl herunter. Sie ging zum Ofen und holte ein großes Blech mit Pasteten heraus. Der Duft des Hefegebäcks stieg mir in die Nase. Geschickt schnitt sie ein Stück ab, kam herüber und reichte es mir.
„Bitte nimm es als Zeichen unserer Dankbarkeit, Krieger”, sagte sie mit gesenkten Augen. „Sie ist mit Haferbrei, Kräutern und Fleisch gefüllt. Nur Herr Arno kann sie so gut zubereiten.”
Ich nahm das Stück Pastete und konnte mich nicht zurückhalten. Ich biss in das heiße Gebäck und genoss den Geschmack.
„Das ist nicht genug”, verkündete Arno. „Ich habe gehört, dass Besucher von Tristad für gewöhnlich nicht abgeneigt sind, ein neues Handwerk zu erlernen. Willst du, dass ich dir das Kochen
lehre?
”
Arno, der Koch des Sprudelnden Kruges, möchte dir die Grundkenntnisse des Handwerks
Kochen
beibringen.
Akzeptierst du?
Begrenzung: Nicht mehr als 1 Handwerk je 10 Levels.
Während der Koch geduldig auf eine Antwort wartete, sah ich mir unauffällig seine Statistik an. Etwas an seinem Status war merkwürdig. Ein Debuff-Symbol?
Arno, Level 22
Koch des Gasthauses Sprudelnder Krug
Infiziert
Ich konzentrierte mich auf das Symbol, und einen Moment später erschien eine Erklärung.
Versteckter Debuff, nur sichtbar für Abgesandte der Vernichtenden Seuche
Effekt wurde ausgelöst. Nach seinem Tod verwandelt er sich in einen Zombie.