Kapitel 28: Heldenmut und unkluge Entscheidungen
EGAL, WIE COOL ich mich im Gespräch mit den Dementoren gegeben hatte, Eds Worte und vor allem seine Andeutung, als er die Verhinderer erwähnt hatte, gaben mir zu denken. Wollte er mich wissen lassen, dass er mich bereits verdächtigte, eine Gefahr zu sein?
In der nächsten Pause hatten wir keine Zeit, unser Gespräch fortzuführen. Ich war während einer langweiligen Stunde mit Greg über die Veränderungen der Landkarte Europas in den letzten 200 Jahren eingenickt, und niemand hatte mich zur Pause geweckt. Als ich aufgewacht war, waren die Dementoren verschwunden gewesen.
Das war nicht ungewöhnlich, denn freitags hatten wir in der letzten Doppelstunde Wahlunterricht. Einige Schüler waren im Filmclub, andere spielten Fußball, wieder andere besuchten im Atelier der Schule Vorlesungen über Kunst. Ich ging in die Werkstatt, um an meinem Begleiterroboter zu arbeiten, aber ich war so müde, dass ich aufhören musste, weil ich mein Projekt sonst verpfuscht hätte.
Ich flog allein nach Hause, denn Eve war in der Klinik. Als ich bei ihr zu Hause anrief, antwortete ihr Vater und sagte, dass sie wahrscheinlich bis zum Ende der nächsten Woche nicht sprechen könnte. Ihre Schönheitsoperation musste umfangreich gewesen sein, denn das war eine lange Erholungszeit. Außerdem konnte ich mir einen weiteren Grund vorstellen, warum sie noch nicht mit mir reden wollte: Kein Mädchen würde in ihrem momentanen Zustand gesehen werden wollen.
Unsere Wohnung war leer. Meine Eltern waren irgendwo unterwegs. Meine Mutter hatte eine Nachricht hinterlassen, die abspielte, als ich die Tür öffnete.
„Dein Vater und ich sind zu einem Treffen mit einem Kunden geflogen. Wir werden dort übernachten und sind morgen Abend wieder zurück. Benimm dich ...”
„Hör nicht auf sie, Alex, nutze deine Chance!”, war mein Vater im Hintergrund zu hören. Meine Mutter hatte ihn angezischt, und dann endete die Nachricht.
Der Ofen in der Küche schaltete sich ein, um das Essen aufzuwärmen, das meine Mutter vorbereitet hatte. Ich zog mir Shorts und ein T-Shirt an, aß eine große Portion, überwand mein Verlangen nach ein paar Stunden Schlaf und stieg in meine Kapsel. Das Duell mit Crag würde in weniger als 4 Stunden stattfinden.
Es wurde kurz dunkel, und die Wände der Kapsel wurden durch die Wände meines persönlichen Zimmers im Gasthaus ersetzt, wo ich das Spiel heute Morgen verlassen hatte. Ich öffnete mein Inventar. Fast 4 vollständige Stapel Veränderte Asche , 1 ungewöhnlicher Gegenstand, Plattenarmpanzer, und 3 seltene Gegenstände von den Bossen des Gefängnisses. Enttäuscht sah ich mir die Loot von Pherax an. Die Beutestücke erforderten alle mindestens Level 10. Es wäre am besten, sie zu verkaufen, um im Inventar Platz zu schaffen.
Gewand des Düsteren Rituals
Selten
Stoffrüstung
Rüstung: 4
+5 Intelligenz
+7 Ausdauer
Haltbarkeit: 110/110
Erforderliches Level: 10
Verkaufspreis: 7 Goldmünzen, 19 Silbermünzen
Chance, den Gegenstand nach einem Tod zu verlieren, reduziert sich um 50 %
Die Schlagwaffe und Stiefel der ersten beiden Bosse legte ich in meine Truhe. Alles, was ich in der Tasche ließ, war Asche, grüne Gegenstände und den blauen Gürtel. Crag würde ihn vor dem Duell sicher sehen wollen.
Ich rannte zur Auktion. Dort wollte ich mein gesamtes Geld für eine Tasche ausgeben, die die Dropchance verringerte. 10 Minuten später hatte ein Alchemist meinen gesamten Aschevorrat gekauft, und ich war der Besitzer eines ausgezeichneten blauen Rucksacks. Er war tatsächlich blau.
Mittelgroßer, blauer Lederrucksack
Selten
Behälter
Kapazität: 32 Plätze
Chance, den Inhalt nach deinem Tod zu verlieren, reduziert sich um 100 %
Der seltene Rucksack kostet mich fast die gesamten 60 Goldmünzen, die ich durch den Verkauf der Asche verdient hatte. Aber er war ziemlich cool, das ließ sich nicht bestreiten. Ich hatte ohnehin begonnen, Geld aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Die 60 Goldmünzen für den Rucksack entsprachen nun den 3 Stunden, die es dauerte, um das Stadtgefängnis von Tristad noch einmal abzugehen. Letztes Mal hatte ich viele grüne Ausrüstungsteile zurücklassen müssen, weil meine Tasche zu klein gewesen war. Sie wären etwa 20 Gold wert gewesen. Das bedeutete, dass ich an der Instanz einschließlich der blauen und grünen Gegenstände gute 100 Goldmünzen oder mehr verdienen könnte.
Ich war bereits auf dem Weg zu Leichtgewicht, als mir plötzlich ein Gedanke durch den Kopf schoss. Wenn ich zwei- oder dreimal am Tag durch eine niedriglevelige Instanz wie das Gefängnis gehen würde, würde ich so viel verdienen wie mein Vater mit seinem Job. Ich konnte mir kaum vorstellen, wie viel Geld ich in der Zukunft kassieren könnte, falls ... Falls ich meine Gefahrenklasse würde beibehalten können. Doch wenn eine Gefahr eliminiert wurde, starb der Charakter für immer. Ich müsste ganz von vorn anfangen, aber ohne die übermächtigen Flüche von Behemoth und der Vernichtenden Seuche.
Ich würde also zu Leichti gehen, den ich nicht besonders gut kannte, um ihm die blauen Gegenstände des Endbosses aus einer Level-10-Instanz zu verkaufen, obwohl ich vor fünf Tagen, als ich das erste Mal bei ihm vorbeigeschaut hatte, erst auf Level 1 gewesen war. Zu der Zeit hatte ich nicht einmal 1 Kupfermünze gehabt und war sehr dankbar für eine graue Keule gewesen, die Schwergewicht mir geschenkt hatte.
„He, Leichti, du hast nicht zufällig etwas Merkwürdiges in der Sandbox bemerkt, oder?”, würde ein Verhinderer ihn vielleicht fragen. „Hat jemand zu schnell gelevelt?”
„Das kann man wohl sagen, Xan”, würde Leichti antworten und sich dabei am Kopf kratzen. „Es gibt einen Typen, er ist ein echter Freak. In fünf Tagen hat er sein Level von 1 auf 6 erhöht, und er verkauft mir ständig blaue Gegenstände aus Level-10-Instanzen.”
„Unglaublich!”, würde der Verhinderer ausrufen. „Und wie heißt dieser Spinner?”
„Scyth alias Alex ... Augenblick ... Sheppard. Ja, das ist sein Name”, würde Leichti erwidern.
„Bingo!” Diesem hypothetischen Xan oder Bill würde ein Licht aufgehen. „Er ist unsere Klasse-L-Gefahr!”
Die Verhinderer würden zwar nicht an mich herankommen, aber niemand könnte sie davon abhalten, Axiom anzuheuern, indem sie dem Clan Schutz im großen Dis versprechen würden. Und falls sie die Belohnung nicht würden teilen wollen, würde ich die Sandbox nicht lebend verlassen. Sie würden meinen Geburtstag herausfinden und um Mitternacht zusätzliche Wachen am Ausgang aufstellen.
Eilig lief ich zur Auktion zurück, bot das Gewand des Düsteren Rituals für 22 Goldmünzen an und bezahlte mit meinen letzten Münzen die völlig überhöhte Kommission für einen anonymen Verkauf. Danach ging ich zum Gasthaus hinüber und setzte mich auf meine Lieblingsbank.
Ich beugte mich nach unten und beobachtete einige Ameisen, während ich überlegte. Falls ich das Duell gewinnen würde, was mit genügend Seuchenenergie leicht möglich wäre, würde es sehr seltsam aussehen. Zu verlieren und an der gleichen Stelle zu respawnen, würde noch mehr Fragen aufwerfen, die ich jedoch mit dem Fluch des Trunkenbolds Patrick würde erklären können. Alle kannten ihn, das war ein Vorteil für mich. Trotzdem sollte ich am besten vermeiden, den Fluch bekannt zu machen.
Wenn ich nicht sterben würde, weil das Mal der Vernichtenden Seuche ausgelöst würde, wäre alles vorbei. Bilder und Videos würden innerhalb von Sekunden im Internet erscheinen. Es wäre so, als ob ich zu den Verhinderern hallo sagen würde. Meine Pläne für ein besseres Leben wären ein für alle Mal ruiniert.
Dann betrachtete ich die Situation aus der Perspektive eines Außenstehenden. Ein mickriger Junge war ausgerastet, hatte einen starken Spieler beleidigt und ihn zu einem Duell herausgefordert, um darum zu kämpfen, wer recht hatte. Wen würde es überraschen, wenn der Schwächling kneifen würde? Niemanden. Die meisten würden es sogar erwarten. Sollte ich ihnen in die Hände spielen? Um sicherzugehen, dass Crag nicht wütend würde, könnte ich ihm den Verdorbenen Schuppengürtel schicken, den er unbedingt haben wollte. Sollte er an ihm ersticken! Wenigstens würde sein Ego befriedigt sein und die Sache würde sich zu meinen Gunsten auswirken, wenn er allen erzählen würde, dass Scyth ein Feigling war. Ich hatte eine Entscheidung getroffen und atmete erleichtert auf.
Sicher, der Gedanke, gegen den Dreckskerl zu verlieren, machte mich wütend, wenn ich bedachte, dass ich eine echte Chance hatte, zu gewinnen und ihm gewissermaßen zu zeigen, wo der Hammer hing. Aber die Leute würden den Vorfall bald vergessen haben, und was bedeutete schon eine vorübergehende Peinlichkeit verglichen mit meinem lebenslangen Traum? Nichts. Kein bisschen. ‚Krieg dich wieder ein, Alex ... ‘
„Natürlich, du bist hier!”, erklang Tissas fröhliche Stimme neben mir. „Du beantwortest deine Nachrichten nicht, dein Kommunikator sagt, dass du in Dis bist ... Die Jungs suchen im Düsterwald nach dir, aber ich wollte erst an deinem Lieblingsplatz nachsehen. Bereitest du dich auf das Duell vor?”
„Ja. Wie du siehst, levele ich die Fertigkeit Auf meinem Hintern sitzen.”
„Okay, im Ernst. Wir haben eine Lösung für die Sache gefunden.”
Ich hatte meine Entscheidung bereits getroffen. Ich rutschte näher an Tissa heran. Zu nahe. Meine Stimme wurde brüchig, entweder weil sie so nahe war, oder weil ich gerade über meine Schwäche und Feigheit nachgegrübelt hatte.
„Ich ziehe es nicht durch. Ich gehe einfach nicht hin. Zum Teufel damit.”
„Ja, die Möglichkeit haben wir auch in Betracht gezogen.” Tissa runzelte die Stirn. „Es war mein Vorschlag. Aber Ed hat gesagt, es würde unserem Ruf schaden, und dass du sowieso irgendwann gegen ihn kämpfen musst.”
„Warum? Ich schulde niemandem in Dis etwas. Tut mir leid, aber das Ansehen eures Clans ist mir völlig egal. Ja, ihr habt mir mit Crag geholfen, und dafür bin ich dankbar, aber das heißt nicht, dass ich euer ... Ich muss nicht tun, was ihr sagt, egal, was Rodriguez denkt. Ich spiele allein. Außerdem werde ich euch mit dem Bösen aus den Tiefen helfen. Damit sind wir quitt.”
Ich wandte mich ab, weil ich nicht länger in ihren Augen versinken wollte. Sie verstand die Geste als Zeichen, dass ich nicht weiter darüber reden wollte. Tissa biss sich auf die Unterlippe.
„Hör bitte zu, Alex. Ed hat eine Idee, bei der du nichts verlieren wirst und vielleicht sogar gewinnst. Außerdem wird niemand Fragen stellen. Bist du interessiert?
„Leg los.” Ich sah sie an und versank erneut in ihren strahlenden Augen.
„Die Arena”, sagte sie einfach. „Bestehe auf einem Duell in der Arena, Alex. Wahrscheinlich hast du noch nichts davon gehört, weil es auf deinem Level bisher nicht interessant war, dort zu kämpfen. Aber jeder Spieler kann sein eigenes Turnier mit eigenen Regeln registrieren. Du kannst ein Zwei-Spieler-Turnier eintragen und ‚Keine Tode‘ und ‚Spieler skalieren‘ aktivieren. Fertig!”
„Spieler skalieren?”
„Ja. Das System bringt Crag automatisch auf dein Level herunter und senkt seine Attribute und Ausrüstungslevel proportional. Nur seine Fertigkeiten bleiben unverändert.” Tissa erhob den Zeigefinger und sah mich von unten an wie unsere Algebralehrerin Frau Uptegrove. „Auf diese Weise kannst du dein Geheimnis behalten und deine Chancen auf einen Sieg erheblich erhöhen.”
„Und ‚Keine Tode‘ bedeutet ...?”
„Es bedeutet, dass du nicht stirbst. Sobald du nur noch 1 % Leben übrig hast, ist das Duell beendet und du kommst mit voller Gesundheit aus der Arena heraus. Was meinst du dazu?”
Alles fügte sich zusammen. Ich war unendlich erleichtert, dass es einen Ausweg aus der Sackgasse gab, dass ich Tissa wichtig war und dass sie so dicht neben mir saß, dass unsere Knie sich berührten. Ich beugte meinen Kopf zu ihr und küsste zärtlich ihre Lippen. Sie öffnete überrascht die Augen und errötete, doch sie zog ihren Kopf nicht zurück. Das bedeutete mir ein paar Sekunden lang mehr als alles andere.
* * *
Die 3 Stunden bis zum Treffen mit Crag vor der Stadtmauer vergingen wie im Flug. Nach dem Kuss war Tissa verlegen aufgestanden und hatte gesagt, sie müsste ihrem Clan Bescheid geben, dass ich mit ihnen durch den Dungeon gehen würde. Unterdessen lief ich zum Dungeon im Gefängnis, der kurz nach meiner Ankunft frei wurde. Ich ging nicht bis zum Ende, sondern generierte nur etwas Seuchenenergie, aber selbst das dauerte ziemlich lange. Ich verbrachte 2 Stunden damit, Fluch der Untoten auszulösen und wieder abklingen zu lassen.
Schließlich besiegte ich die erste Mobgruppe und sammelte die Beute ein. Es war nichts Interessantes darunter, nur Asche und einige Münzen. Darum verließ ich den rechten Flügel des Gefängnisses und rannte erneut zur Auktion, um die Veränderte Asche loszuwerden. Das Geld verwendete ich, um einige Ausrüstungsteile zu kaufen. Nur gut, dass ich gerade noch so daran gedacht hatte, wie dumm und verdächtig es wäre, in meiner Anfängerausrüstung aus Leinen zum Duell zu erscheinen. Schade, dass die Ausrüstungsteile, die ich mir durch Schmerzen und verrottendes Fleisch verdient hatte, zu hochlevelig für mich war.
Wie sich herausstellte, war ich nicht der Einzige, der daran gedacht hatte. Tissa hatte mir ein paar Nachrichten geschickt, die ich verpasst hatte, weil ich zu der Zeit am Boden liegend mit zusammengebissenen Zähnen die Mobs im Gefängnis verflucht hatte. Ihre Nachrichten enthielten Geschenke! Ich fand ein vollständiges Rüstungsset für mein Level mit der Erklärung: „Hier, für dich. Tissa.”
Die Pakete enthielten nichts Außergewöhnliches. Nicht zusammenpassende grüne Gegenstände für Level 5: Leder- und Kettenhemden, einige Ringe und Armbänder und 2 Schlagringe. Doch allein dadurch, dass sie von Melissa Schäfer kamen, waren sie in meinen Augen unbezahlbar. Sofort zog ich die Symbole der Ausrüstung auf die verschiedenen Plätze und bewunderte mich darin. Es war das erste Mal, dass ich in Disgardium voll ausgerüstet war. Ich fühlte mich wie eine echte Person, und das Gefühl überraschte mich sehr.
* * *
Crag akzeptierte die neuen Bedingungen für unseren Kampf. Er war sehr selbstsicher, und da sich nun ein Publikum unser Duell ansehen würde, hatte er sicher nicht vor, sich zu blamieren. Doch er kam zu mir und flüsterte: „Am Ende hattest du also doch zu große Angst, fair zu kämpfen, was, Scythy? So, wie wir vereinbart hatten? Kein Problem, in der Arena kann ich dich ebenso leicht besiegen.”
Ich betrachte meine Ausrüstung mit Besorgnis. Meine grünen Gegenstände würden seiner fast vollständig blauen Plattenrüstung nicht standhalten können, das konnte selbst ich sehen. Aber ich hatte das Gefühl, dass es nicht die Ausrüstung wäre, die diesen Kampf entscheiden würde.
Auf den Tribünen saßen auch einige Gruppen von Arbeitern, und unter ihnen befand sich Manny. Als er mich sah, nickte er mir zu.
„Fans und Zuschauer!”, rief Crag lässig. „Wie wir alle wissen, ist ein Duell gegen Scyth durch meine Überlegenheit im Level nicht fair. Darum habe ich vorgeschlagen, dass wir unseren Kampf mit skalierten Charakteren in der Arena ausführen. In etwa 1 Stunde wird er stattfinden!”
„Platzieren Sie Ihre Wetten, meine Damen und Herren!” Rashidos kam hinter dem Krieger hervor, ging um ihn herum und verkündete die Quote: „3 zu 1 für Crag!”
Danach gingen wir zusammen mit dem Publikum zur Arena hinüber. Es war ein kleines, unscheinbares Gebäude, doch wie sich herausstellte, war es innen um ein Vielfaches größer. Seine zwei großen und vier kleinen Arenen waren von Tribünen umgeben.
Die Zeit vor dem Kampf verbrachte ich damit, Taktiken anderer Kämpfer zu studieren. Duelle wurden in den kleinen Arenen ausgetragen, die nur für schnelle Zweikämpfe reserviert waren.
Ed und die anderen Dementoren saßen neben mir und berieten mich, welche Taktiken ich gegen Crag einsetzen sollte. Sie erklärten mir, dass Drei-gegen-drei-Kämpfe und Fünf-gegen-fünf-Kämpfe bis zu 30 Minuten dauern könnten, die längst mögliche Dauer eines Kampfes in der Arena. Letztendlich würde ein Plötzlicher-Tod-Debuff aktiviert und die Gesundheit der Kämpfer würde sinken.
„Kleine Arena Nr. 3, begrüßt die neuen Kämpfer!”, donnerte die Stimme des Kommentators, als wir an der Reihe waren. „Das nicht bewertete Turnier ‚Arroganz kommt vor dem Fall‘ hat offiziell begonnen! Ausrichter: Scyth. Registrierte Kämpfer: 2. Also dann, kommen wir gleich zum letzten Kampf! Würden die beiden Teilnehmer bitte die Arena betreten? Zuschauer, begrüßt Scyth auf Level 6 ohne Charakterklasse und Crag, den Level-12-Krieger!”
Wir erschienen unter dem Geschrei der vielen Zuschauer an den gegenüberliegenden Enden der ovalen Arena. Crag und ich waren etwa 30 Meter voneinander entfernt. Er deutete auf mich und fuhr sich mit dem Daumen über die Kehle. Dann schloss er das Visier seines Helms.
„Bedingungen des Duells sind ‚Keine Tode‘ und ‚Kämpfer skalieren‘”, verkündete der Kommentator. „Stärkungs- und Verteidigungsbuffs, Tränke, Elixiere und Rollen sind erlaubt. Der Kampf beginnt in 10 Sekunden!”
„Neun! Acht! ...”, schrie die Menge.
Es waren überraschend viele Leute da. Offenbar verbrachten sowohl Arbeiter als auch Spieler ihre Abende oft in der Arena. Es war unterhaltsam und spannend. Viele platzierten Wetten bei den ehrlichen Goblins, die in den Tribünen herumliefen.
„Exklusive Wetten!”, hörte ich von den Tribünen hinter mir. „10 zu 1, dass Scyth zuerst 3 Treffer landet!”
Ich drehte mich um und sah, dass mein Rivale Crag die Menge immer noch aufwiegelte. Ich fragte mich, wie die Goblins reagieren würden. Und ... Augenblick! Der Idiot dachte vielleicht, dass er leichtes Geld verdienen könnte. Er hatte meine Schlagringe gesehen, aber er war sich relativ sicher, dass ich seine Plattenrüstung nicht durchdringen könnte. Gab er mir darum einen Vorsprung von 3 Treffern? Ich musste darüber lachen, und als ich den Kommentator rufen hörte: „Lasst den Kampf beginnen!”, ging ich zuversichtlich auf meinen Rivalen zu.
Crag scharrte mit seinen Stiefeln im Sand und kam mir entgegen. Er breitete die Arme aus. In einer Hand hielt er einen Schild, in der anderen eine kurze Klinge.
„Na los, kleiner Noob! Der alte Crag gibt dir einen Vorsprung!”
Seine 450 Gesundheitspunkte gegen meine 320 – dieser Typ war bis zu den Ohren gebufft. Über seinem Bild häuften sich die Symbole positiver Effekte wie die Kugeln an einem Weihnachtsbaum. Ich lag jedoch nicht weit hinter ihm. Ich hatte Geschwindigkeits- und Regenerationsbuffs von Tissa, einen Feuerschild von Ed, einige Rollen, die Attribute erhöhten, und eine Rolle, die die Abklingzeit für Spezialangriffe schneller ticken ließ. Um ihr Ansehen zu retten, hatten die Dementoren kräftig in mich investiert. Gerüchte gingen um, dass ich bei ihnen in der Probezeit war und deshalb so schnelle Fortschritte machte.
Als ich Crag erreichte, hatte ich bereits alles kalkuliert. Seine Plattenrüstung würde meinen Schaden um etwas mehr als 100 verringern. Um auf der sicheren Seite zu bleiben, plante ich, ihn mit 4 Schlägen zu treffen, die jeweils 250 Schaden zufügen würden. Bei einer gut gelevelten Fertigkeit würde niemand von diesen Zahlen überrascht sein. Und dank dem Elixier würde ich Hammerfaust mit einer Abklingzeit von 2 Sekunden einsetzen können.
„Jetzt wenden wir unsere Aufmerksamkeit der kleinen Arena Nr. 3 zu! Der Krieger sieht sehr selbstsicher aus!”, begann eine Stimme für die ganze Arena zu kommentieren. „Seht ihr, wie er seinen Gegner fast dazu einlädt, den ersten Treffer zu landen?”
Crag verbeugte sich wie ein Hofnarr. Ich war nur noch 10 Meter von ihm entfernt.
„Seht euch Scyth an! Ich habe seine Attribute vor mir liegen. Wow, er hat noch nie einen anderen Spieler besiegt!” Das Publikum johlte nach diesen Worten des Kommentators.
„Noch nie war so ein Verlierer in der Arena! Er ist schon 27 Mal von anderen Spielern getötet worden! Kein einziger Sieg! Lieber Himmel!” Er lachte schallend. „Ich darf es euch nicht verraten, aber die Anzahl seiner Tode würde eure Vorstellungskraft übersteigen! Heute allein ist dieser Kämpfer ... Ähm.” Der Kommentator räusperte sich. „Tut mir leid, das ist vertraulich.”
Ich konnte nur hoffen, dass der Kommentator eine künstliche Intelligenz war und nichts über meine Strategien verraten würde. Trotzdem brachte seine Bemerkung mich dazu, meine Kampftaktik zu ändern. Crag mit 4 Treffern zu töten war zu viel des Guten. Stattdessen würde ich den Schaden in 6 Schläge aufteilen.
Der erste war ein Volltreffer. „Der Verlierer hat einen starken Start! Seht euch das an, eine Hammerfaust ! Die Grundbewegung von Unbewaffneter Kampf ! Die habe ich schon lange nicht mehr in Aktion gesehen. Was? Habt ihr das gesehen? Der Krieger Crag ist gestrauchelt! Ein Krieger in voller Plattenrüstung! Fast wäre er gefallen ... Wow, unglaublich!” Der Kommentator verschluckte sich fast und konnte nicht erklären, was vor sich ging. „Offenbar wollte der Krieger seinem Feind helfen. Scyth hat dreimal angegriffen und jedes Mal getroffen! Der Krieger verteidigt sich nicht mal.”
Zu dem Zeitpunkt war Crag klar geworden, dass etwas nicht stimmte. Er versuchte, meinen dritten Schlag abzuwehren, aber er war zu langsam. Eine Hammerfaust schwang durch die Luft, rutschte vom Rand seiner Brustplatte ab und krachte wie ein Vorschlaghammer in sie hinein. Zu schade, dass sein Gesicht durch das Visier verdeckt war und ich seine Reaktion nicht sehen konnte. Mein vierter Schlag verfehlte sein Ziel.
„Das muss das Ende sein, Leute! Der edle Crag hat seinem schwachen Gegner einen Vorsprung gegeben, doch jetzt steigt er ernsthaft in den Kampf ein!”
Die Leute auf den Tribünen heulten voller Freude. Irgendwo im Hintergrund hörte ich meinen Namen und war abgelenkt. Gleich darauf erhielt ich die Quittung dafür. Der Krieger rammte mich mit einer Attacke , sodass mein Körper 5 Meter weit flog. Der Schaden war nicht besonders hoch, ich verlor etwa 10 %, doch der Angriff betäubte mich kurz und ich verlor für wenige Sekunden die Kontrolle.
Das gab Crag ausreichend Zeit, um sich weit genug zu nähern und meinen rechten Arm aufzuschlitzen, den ich zum Schutz gehoben hatte. Die Lederrüstung reduzierte zwar den Schaden, doch sonst war sie keine große Hilfe. Zudem verringerte die Wunde die Wirksamkeit meiner Angriffe mit dem verletzten Arm ein wenig.
Ich rollte mich weg, um dem nächsten Angriff auszuweichen, sprang aus der Hocke hoch und schlug mit den Schlagringen in sein Bein. Die Plattenrüstung gab nach, das Knie des Gankers brach und gab mir die Chance, eine Reihe von Schlägen zu landen, denen ich etwas Seuchenenergie hinzufügte.
Crags Gesundheit war in den roten Bereich gesunken. Er sprang zur Seite und griff fieberhaft nach einem Gesundheitstrank. Es dauerte nur 1 Sekunde, doch es war lange genug für mich. Ich griff mehrmals an: Hammerfaust , 4 normale Schläge und einen weiteren Spezialangriff.
Sein Lebensbalken war leer, und wir erstarrten. Zu den Klängen einer Fanfare erschien ein Satz in riesigen Buchstaben über dem Stadium:
Scyth hat Crag besiegt!
Einen Augenblick später war ich wieder auf der Tribüne neben Crawler, Tissa, Infect und Bomber. Sie schrien vor Freude und klopften mir auf die Schulter. Bomber klopfte besonders stark, sodass mir fast die Luft wegblieb.
„Wie man sieht, können Selbstsicherheit und das Unterschätzen des Gegners selbst für den stärksten Wettkämpfer den Ruin bedeuten. Der offizielle Champion des Turniers ‚Arroganz kommt vor dem Fall‘ ist der Level-6-Spieler Scyth! Es ist sein erster Sieg, darum wollen wir ihn besonders beglückwünschen! Leider zählt dieser Sieg nicht für sein offizielles Rating. Aber drüben in der großen Arena Nr. 1 wird vor unseren Augen eine neue Sensation geboren ...”
„Okay”, sagte Crawler, als sich alle wieder beruhigt hatten. „Scyth, Tissa, geht ins Gasthaus. Die Jungs und ich lassen uns unsere Wetten auszahlen und kommen dann auch rüber, um den Sieg zu feiern und einen Plan für Das Böse aus den Tiefen zu machen.”
„Die Spieler hatten recht mit ihrer Vermutung”, grinste Bomber. „Dank Scyth haben wir Crag wirklich eine Lektion erteilt.”
Lachend machten sie sich davon, um Crag und seine Partner nicht zu verpassen.
„Sollen wir gehen?”, fragte Tissa. „Es wird nicht lange dauern, falls du es eilig hast. Wir erzählen dir etwas über die Flora und Fauna des Dungeons, schreiben Taktiken auf, sagen dir, wie ...”
„Ich habe es nicht eilig”, unterbrach ich sie. Ich konnte mein Glück nicht fassen. Diese Nacht sollte so lange wie möglich andauern. „Morgen ist Wochenende und meine Eltern sind weggeflogen. Darum ...”
„Was?” Ein kleines Feuer leuchtete aus Tissas Augen. „Lädst du mich ein, zu dir herüberzukommen?”
„Wenn du willst ...” Die ersten Worte brachte ich kaum heraus, aber danach war es einfacher. „Mein Vater hat ein paar Bier im Kühlschrank.”
„Klar”, nickte sie. „Ich fliege rüber. Schick mir deine Adresse in einer persönlichen Nachricht. Aber lass uns zuerst zum Gasthaus gehen, um über den Plan für die Instanz zu sprechen, sonst werden die Jungs wütend.”
„Aber ...”
„Alex ...” Sie runzelte die Stirn. „Es ist besser, wenn sie nichts davon wissen, okay? Besonders Ed. Komm jetzt.”
Ich bekam ein flattriges Gefühl in der Magengegend. Offenbar hatte ich Schmetterlinge im Bauch.