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Wir gaben unser Bestes, waren aber mit der Größe der Situation überfordert. Ich hatte noch nie so viel Platz zum Tanzen gehabt. Der Appelkorn ließ mich Dinge tun, die zwar zwanzig Jahre später jeden Tag auf MTV laufen würden, aber zu dem Zeitpunkt war das Publikum noch nicht bereit. Außerdem vergaß ich manchmal, wieder aufzustehen, wenn ich eigentlich gerade einen Mikrofoneinsatz hatte.

Schocker ging es ähnlich. Sein Gitarrenkabel war zu kurz, und da er trotzdem bis zum Bühnenrand tanzte, spielten wir zwischenzeitlich ohne Gitarre, bis er sein Kabel wiederfand. Ingo stand einfach da, spielte Bass und schaute auf seine Schuhe, um sich nicht die Reaktionen der Jazzfreunde reinziehen zu müssen.

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Das alles fand ich noch echt giftig - das Problem hieß eindeutig Kurt. Besoffen hämmerte er auf alles ein, was nach Krach aussah, und als nach der ersten Nummer kein richtiger Applaus aufkommen wollte - heute weiß ich, dass das Publikum die Pause einfach für einen weiteren Verspieler hielt -, bot Kurt den Jazzfreunden an, mal runterzukommen und für Stimmung zu sorgen. Stimmung kam auf.

Mitten im fünften Lied winkte der Veranstalter uns aufgeregt zu. Durch die Pannen und improvisierten Tanzeinlagen hatten wir die Zeit überzogen. Nach der dritten Aufforderung, die Bühne zu verlassen, wurde uns der Strom abgestellt. Ein ganz normaler Vorgang, den ich noch oft erleben sollte, aber das wussten wir damals noch nicht und Kurt wurde zickig. Er schmetterte eine Attacke auf der Fanfare, sprang von der Bühne und stürmte auf das Mischpult zu, wo der Veranstalter ihn daran zu hindern versuchte, seinen Todesgriff an dem Techniker anzuwenden - es gab ein ziemliches Durcheinander. Schocker, Ingo und ich standen auf der Bühne und schauten zu, wie Kurt die Leute niedermetzelte. Wir fanden, dass wir einen ziemlich interessanten Liveact ablieferten, zogen aber in Betracht, uns nach einem neuen Schlagzeuger umzuschauen.

Im Nachhinein habe ich an diesem Tag alles gelernt, was man übers Showbiz wissen muss, denn wir gewannen den Nachwuchspreis. Die Jury war sich zwar einig, dass andere Bands weitaus bessere Musiker hatten, aber im Unterhaltungswert hatten wir sie wohl irgendwie abgehängt.

Mit einem Schlag waren wir stadtbekannt, spielten aber nur noch drei Auftritte in dieser Formation. Beim letzten Auftritt spielten wir in einer 1000-Mann-Halle vor sieben zahlenden Zuschauern, die sich allesamt weit entfernt von der Bühne aufhielten, um nicht in Kurts Reichweite zu gelangen. Diese Entwicklung gefiel mir nicht, aber keiner traute sich, Kurt aus der Band zu schmeißen.

Schließlich löste das Leben das Problem: Ingo wurde als Koch gekündigt und ging nach München zurück, Schocker schwängerte Sabine und hatte plötzlich keine Zeit mehr, Kurt ließ sich wieder mal erwischen und bekam ein Jahr ohne Bewährung und mich rief ein stadtbekannter Gitarrist an. Er fragte mich, ob wir eine neue Band gründen wollten, er hätte auch schon einen Schlagzeuger.

Nachdem ich mich überzeugt hatte, dass der neue Schlagzeuger kleiner war als ich, stimmte ich zu.