Prolog

Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Warum musste es so enden? Er wollte schreien, sich die Haut vom Leibe reißen, auf jemanden einschlagen. Jemandem gegen den Kopf treten, bis das Leben aus ihm entwich. Es musste nicht einmal unbedingt er sein, Hauptsache, es war jemand, der es verdient hatte. In diesem Moment kam es ihm so vor, als hätte es die ganze Welt verdient zu sterben.

Er lief schneller. Die Wiese war nass und matschig wie immer, er hasste diesen Ort. Es war dunkel und kalt und feucht. Immer dasselbe, zum Kotzen. Ohne zu wissen, warum, rannte er weiter in Richtung Wasser. Konnte bereits die Wellen hören. Je näher er kam, desto größer wurde die Lust, ins Meer zu springen und das Ganze einfach zu vergessen. Er wollte weg von hier, hasste das Dorf und alle seine Bewohner. Er fror. War ohne seine Jacke gegangen, so aufgewühlt war er gewesen. Kurz dachte er darüber nach umzukehren, doch dann würde er sein Gesicht verlieren. Und das war das Letzte, was er wollte. Er wollte über sie alle siegen, sie hinter sich lassen und das Leben erobern, zurückkehren und ihnen zeigen, was aus ihm geworden war. Fuck them . Er war jetzt fast ganz unten am Meer, konnte das Salz schon schmecken. Er leckte sich über die Lippen, spürte, dass er alles konnte. Er konnte sich selbst das Leben nehmen, jemanden umbringen, egal. Er war etwas wert, er hatte die Macht, er konnte tun, was auch immer er wollte. Er hielt inne, riss sich das Shirt herunter, stand mit nacktem Oberkörper da und merkte, wie die Novemberkälte sich in seine Haut fraß. Es tat weh und würde bald lebensgefährlich werden. Wieder dachte er darüber nach, in die Wellen zu springen, dem Ganzen ein Ende zu setzen. Doch dann sank er mit einem Brüllen in sich zusammen, rang nach Atem, schluchzte, schrie. Es kümmerte ihn nicht, dass er im feuchten Gras saß. Auch wenn es für die Jahreszeit mild war, kroch die Kälte durch seinen ganzen Körper bis in sein Herz. Es war so ungerecht! Alle anderen saßen im warmen Wohnzimmer und hatten keinerlei Probleme, während er hier hockte wie ein Tier, mitten im Nichts. Sein Leben war zerstört. Er schluchzte, merkte, wie Selbstmitleid ihn erfüllte. In diesem Moment wollte er nur eines: umarmt werden. Und er wusste, wer ihn jederzeit bereitwillig umarmte – selbst, wenn er sie erst kurz zuvor abgewiesen hatte. Allein der Gedanke tröstete ihn etwas, er hörte auf zu weinen. Er schüttelte sich vor Kälte; er wollte nur nach Hause zu ihr, wollte nur eine Umarmung und eine Tasse Tee.

Plötzlich sah er etwas in der Ferne, die Scheinwerfer eines Autos. Der Wagen näherte sich, und er erkannte die speziellen Scheinwerfer, selbst aus dieser Entfernung. Niemand sonst im Dorf hatte solche weißen, blendenden Scheinwerfer. Scheiße. Das war das Letzte, was er jetzt brauchen konnte. Unter keinen Umständen würde er mit diesem Idioten reden. Er stand auf, zog sein Shirt an. Am besten sah er zu, dass er nach Hause kam – er wollte leben, nicht sterben. Doch im selben Augenblick hörte er eine Stimme hinter sich, jemand sagte seinen Namen. Konnte das sein? Er wollte sich gerade umwenden, doch da spürte er ihn schon. Den Schlag. Es fühlte sich an, als stürzte ihm der Himmel auf den Kopf. Er fiel zu Boden, nahm gerade noch das nasse Gras und das Blut wahr, das ihm durch die Haare lief. Jemand zog an seinen Beinen, schleifte ihn zum Wasser hinunter, er versuchte sich zu bewegen, aber es gelang ihm nicht. Dann verlor er völlig das Bewusstsein. Merkte nicht, dass ihn jemand in etwas hineinzog, von dem er kurz zuvor noch geträumt hatte. Das eiskalte, dunkle und todbringende Wasser.