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Hannah hat sich gerade eine blaue King’s angezündet, als Bastian sie in einem abgelegenen Raum aufspürt. Der Stille nach zu urteilen, hat er alle Verfolger abgehängt.

»Das ist der beste Marketingtrick, den ich je erlebt habe! Von diesem Buch haben sich ja schon hunderttausend Exemplare verkauft, bevor es überhaupt erschienen ist!«

Hannah blickt Bastian an.

»Scheiße!«

Sie drückt die Zigarette aus, ohne ein zweites Mal daran gezogen zu haben.

Bastian holt tief Luft. Er kennt sie.

»Du willst ihn nicht schreiben?«

»Ich kann das doch gar nicht. Einen Krimi. Ich schreibe introspektive Prosa. Ich kann noch nicht mal eine einfache Liebesgeschichte erzählen.«

»Aber stell dir vor, du könntest es doch!«

»Ja, was dann? Dann gäbe es noch einen schlechten Krimi mehr auf der Welt.«

»Keinen schlechten. Das kannst du nicht.«

»Deine Schmeichelei entspringt der Hoffnung auf Profit.«

Bastian legt eine Hand auf Hannahs Schulter.

»Du schreibst einen guten Krimi, nichts Alltägliches. Innerhalb eines Monats. Er verkauft sich bestens, du hast Jørn und der ganzen Buchwelt gegenüber deinen Standpunkt bewiesen und eine Debatte angestoßen. Dann kannst du dich wieder deinen Romanen widmen, die inzwischen ein breites Interesse bei der Allgemeinheit gefunden haben. Alles, was von dir herauskommt, wird besprochen und gelesen. Die Leute fangen an, deine früheren Bücher zu lesen, Ich komme in Stille wird wieder aufgelegt. Du drückst der dänischen Literaturgeschichte deinen Stempel auf.«

Hannah blickt vor sich hin. Beginnt, sich selbst langsam in einem neuen Licht zu sehen.

»Vielleicht könnte ich einen guten Krimi schreiben, aber nicht in einem Monat. Das ist ja gerade der Kern der Sache – die schlechten Krimis sind schlecht, weil sie in großer Eile produziert werden und sprachlich und inhaltlich oberflächlich bleiben. Das kann ich vielleicht in einem Monat bieten.«

»Die Qualität ist nicht so wichtig, sondern dass du es durchziehst. Es geht um die Bestätigung der Behauptung: Jeder Idiot kann innerhalb eines Monats einen Krimi schreiben. Das rückt das Genre ins richtige Licht.«

»Aber soll man wirklich Papier verschwenden, um einen schlechten Text zu drucken? Das ist es nicht wert, dafür Regenwald zu opfern.«

»In hundert Jahren werden deine Romane Pflichtlektüre an allen Gymnasien sein.«

Hannah denkt nach.

»Ich hab eine Schreibblockade.«

Bastian mustert sie.

»Du brauchst neue Inspiration, eine neue Umgebung, in der du schreiben kannst.«

»Ich war gerade in Berlin. Da hab ich vier Seiten in vierzehn Tagen geschrieben.«

»Was du jetzt nötig hast, ist etwas ganz anderes – Natur, Stille. Du musst nach Island fahren.«

Hannah sieht ihn an.

»Warum gerade Island?«

»Ich hab einen Kontakt da oben, eine Freundin der Familie. Bei ihr kannst du wohnen, sie hat ein großes Haus in einem kleinen Dorf. Du bist ganz weg von allem, kannst dich isolieren, hast Zeit und Ruhe zum Schreiben. Und in einem Monat kommst du mit deinem Krimi zurück.«

»Und was, wenn nicht?«

»Dann hast du dich jedenfalls ehrlich bemüht.«

Bastian tippt etwas in sein Handy, Hannah wägt die Situation ab. Sie hat das Gefühl, an einem entscheidenden Punkt in ihrem Leben zu stehen. Warum sollen Entscheidungen immer im Vorhinein getroffen werden? Das hier könnte eine riesengroße Chance sein. Oder der Fehler ihres Lebens. Bastian blickt von seinem Telefon auf.

»Fahr heim und pack deinen Koffer, in vier Stunden sitzt du in einem Flugzeug nach Reykjavík.«