Räumungstag
Der Druckermeister bekam zwei Krüge als Abschiedsgeschenk (einen für das Möhrenbeet und einen für das verlorene Spiegelei). Damit waren noch hundertachtundsechzig übrig, deutlich mehr, als sich an die Gleisbauer während ihrer kurzen Mittagspause verkaufen ließ. Außerdem würde Algot erst gegen Ende ihrer Pause eintreffen, weil er sie zunächst zu weit südlich gesucht hatte. Das Schienenverlegen hatte mit dem Frühlingsanfang neue Fahrt aufgenommen. Nicht mehr lange, und die Gleisbauer würden gefährlich nahe an den Verwaltungsbezirk Jönköping heranrücken und damit an die Grenze, die der Pächter von Schloss Kronoberg nicht passieren durfte, solange er keine gültigen Reisedokumente vorzuweisen hatte.
Der Schwarzbrenner suchte zuerst den allerhärtesten der harten Männer auf, den man zum Vorarbeiter bestimmt hatte, wofür er doppelt so viel Lohn bekam wie die anderen.
»Da bin ich wieder«, sagte Algot.
»Er hat drei Minuten zum Verkaufen«, sagte der Harte. »Dann blase ich in die Pfeife.«
»Zwanzig Minuten gegen einen Krug für Euch«, sagte Algot.
»Zwei Krüge«, sagte der Harte.
»Zwei Krüge und dreißig Minuten, mein letztes Angebot«, sagte Algot.
»Geht klar.«
Eine halbe Stunde darauf waren sämtliche Gleisbauer nicht nur ärmer, sondern auch fideler. Am allerfrohesten waren sie darüber, dass sie offenbar nicht mehr an die Arbeit mussten, weil der Vorarbeiter mit der Pfeife im Mund eingeschlafen war. Gut dreihundertdreißig Reichstaler eingenommen. Kann nicht schaden , dachte Algot. Denn jetzt erwarteten ihn finstere Zeiten.
Zeiten, die noch finsterer waren.
***
Durch den unfreiwilligen, aber angenehmen Umweg über Anna Stinas und Helmut Zimmermanns Möhrenbeet kam Algot in seiner Kate eben erst zur Tür herein, als der Graf schon wieder davorstand. Diesmal in Gesellschaft des königlichen Bezirks-Amtmanns Rask.
»Soso«, sagte Bielkegren hinterhältig. »Hat Er jetzt endlich vor, mir seine neue Verlobte vorzustellen, Olsson?«
Er hielt einen Lupinenstrauß hoch, den er unterwegs gepflückt haben musste, um ihn dem, wie er wohl wusste, nicht vorhandenen weiblichen Wesen zu überreichen.
»Hm, ja«, sagte Algot in einem letzten Versuch, Zeit zu schinden. »Ich habe da vielleicht etwas mit einem Mädel in Aringsås eingefädelt, aber sie ist anspruchsvoll. Ich brauche noch ein paar Wochen, um sie mit allen Mitteln zu bearbeiten.«
Vor seinem geistigen Auge sah er eine aberwitzige Kombination von Anna Stina und Maja vor sich.
Dann trat er einen Schritt vor und hielt dem Grafen einen Geldbeutel hin.
»Hier ist jedenfalls die Monatspacht. Der Herr Graf haben gestern vergessen, sie mitzunehmen. Für die Umstände, die ich Euch gemacht habe, habe ich einen Reichstaler obendrauf gelegt.«
Aber Bielkegren hatte nicht allein seinen Wunsch, alle Personen mit Namen Olsson aus seinem Leben zu verbannen, sondern auch die Rückendeckung der Kirche. Und noch dazu den Amtmann dabei. Jetzt konnte er keinen Rückzieher mehr machen, selbst wenn er gewollt hätte.
»Sag Er nicht, ich hätte Ihn nicht gewarnt, Olsson. Hiermit ist die Pacht mit sofortiger Wirkung gekündigt. Nach geltendem Vertrag darf Er zwei Wochen pachtfrei wohnen bleiben, aber am fünfzehnten dieses Monats muss er mit Sack und Pack von hier fort sein.«
Der Amtmann nickte zur Bestätigung, dass alles mit rechten Dingen zuging. Dem schloss sich der Graf nickenderweise an.
»Da sieht Er es! Ich habe das Gesetz auf meiner Seite. Und die Kirche. Zum Propst laufen und sich beklagen wird Ihm nichts helfen!«
»Und was ist mit dem zusätzlichen Reichstaler?«, fragte Algot.
Es war das Erste, was ihm in den Sinn kam.
»Den behalte ich. Hat Er ja selbst gesagt: für die Umstände!«
Erst da ging dem ehemaligen Bauernsohn auf, dass wirklich alles verloren war. Das machte ihn regelrecht wütend.
»Der Herr Graf nehmen mir also die Kate, das Feld und den Kartoffelacker weg, nur weil ich mich noch nicht verheiraten konnte? Verzeiht meine ungehobelte Ausdrucksweise, aber die Kate bestand aus nichts als vier verrotteten Wänden, als ich einzog, bedeckt von einem löchrigen Dach. Alles, was der Herr Graf jetzt sehen, habe ich mit eigener Hände Arbeit gebaut!«
Bevor Bielkegren antworten konnte, fiel Algot auf, dass er in der Aufregung ganz vergessen hatte, zu fluchen.
»Verdammt noch mal!«, schickte er hinterher.
Der Graf amüsierte sich königlich über die ganze Situation.
»Ich muss einräumen, dass Er im Wesentlichen eine neue Kate anstelle der alten gebaut hat. Allein, es bleibt dennoch dabei. Mit dem Zusatz, dass Er sich seine Kate nach Belieben unter den Arm klemmen und mitnehmen kann, wenn Er von dannen zieht. Der Amtmann ist mein Zeuge. Aber der Grund und Boden, auf dem sie steht, gehört mir!«
»Untern Arm?«, sagte Algot.
»Oder wie es Ihm beliebt. Vielleicht kann das königliche Postamt zu Diensten sein?«
Der Graf lachte. Der Amtmann lächelte still vor sich hin.