Mauritz bekommt einen Auftrag
In den fünf Jahren, in denen der gräfliche Sohn es landesweit mit einem Regiment nach dem anderen aufgenommen hatte, hatte Antoinette Bielkegren ihr bereits recht ausgeklügeltes Verhaltensrepertoire gegenüber ihrem schwedischen Ehegatten weiter verfeinert. Mithilfe der arabischen Vollblutpferde, der französischen Bibliothek und des Zustroms an Weinen aus der Loire während und nach den Mahlzeiten war das Dasein in Schweden für sie schon fast erträglich geworden. Sophia, die Jüngste, wuchs ja auch heran und wurde älter. Die beiden waren nicht mehr nur Mutter und Tochter, sondern auch allerbeste Freundinnen.
Doch nun war Mauritz aus heiterem Himmel zurückgekehrt, natürlich auch er ein wenig älter geworden. Aber klüger? Da konnte sie lange warten. Plötzlich plagten sie Gedanken an die Zukunft, die ihr – wenn auch nicht direkt beängstigend, so doch unsicher vorkam. Antoinette musste sich der traurigen Wahrheit stellen, dass Gustav, falls er vor ihr das Zeitliche segnen sollte, von dem Sohn ersetzt werden würde, für den ihr jegliches Verständnis fehlte. Ob er sich zumindest selbst verstand? Sofern es da überhaupt etwas zu verstehen gab.
Auch wenn Gustav beträchtlich älter als Antoinette war, musste man doch damit rechnen, dass er ihr noch einige Jahre erhalten bleiben würde. Allerdings spornte die Rückkehr des Sohnes nach Kronogården ihren Eifer erneut an, Mauritz rechtzeitig nach ihrem eigenen Willen zu formen. Je zeitiger sie sich dieser Aufgabe widmete, desto trefflicher würde das Ergebnis ausfallen.
Folglich fasste sie den Vorsatz, den Sohn bei jedem sich bietenden Anlass über den grünen Klee zu loben, ihn damit auf ihre Seite zu ziehen und dranzubleiben. Außerdem musste Sophia nichts von ihren Sorgen und Nöten erfahren. Freilich hielten sie beide gegen die ganze Welt zusammen, doch Gustav war nun einmal Sophias Vater und Mauritz ihr Bruder. Und Sophia noch keine achtzehn.
***
Der Graf quälte sich durch ein schauderhaftes Familienfrühstück. Da saßen sie wie die Orgelpfeifen: die einfältige Gattin, die Tochter ohne Ausstrahlung und der Nichtsnutz von einem Sohn, dem es gelungen war, zum dritten Mal in ebenso vielen Versuchen vom Militär unehrenhaft entlassen zu werden. Keiner der drei brachte es fertig, bei Tisch den Mund zu halten.
»Vater, bist du schon dazu gekommen, dir Gedanken über meine Zukunft zu machen?«, sagte der Sohn.
»Wäre es nicht fantastisch, wenn Mauritz als künftiger Graf, der er ja nun ist, eingearbeitet werden könnte, meinst du nicht auch, Gustav?«, warf die Gräfin ganz im Sinne ihrer angestrebten Taktik ein.
»Ich brauche immer noch neue Schuhe«, ließ die Tochter verlauten.
Der Graf ertrug alle drei nicht, auch wenn er das so nicht sagen konnte. Schließlich ging es ja leider nicht an, Mauritz auszutauschen (oder etwa gar die anderen); blieb also nur, den Nichtsnutz einzuarbeiten, soweit das überhaupt möglich war.
»Da ja nun einmal mit sämtlichen Generälen des ganzen Landes etwas nicht stimmt, dünkt es mich, dass deiner militärischen Karriere wenig Aussicht auf Erfolg beschieden ist, Mauritz. Daher muss es so kommen, wie deine Mutter es vorschlägt: Du wirst mir eine Zeit lang zur Seite stehen, um zu sehen und zu lernen.«
In Ermangelung der Vernunft, sich auf Nicken und ein Dankeschön zu beschränken, sagte Mauritz:
»Wer weiß, vielleicht kann ich ja sogar etwas von dir lernen, Vater.«
»Du liebe Güte, wie tüchtig du bist, Mauritz!«, flötete die Gräfin, beide Hände an die Wangen gelegt.
Tüchtig?, dachte Gustav. Selbst der Überzeugung zu sein, er tauge zu etwas, hatte doch wohl noch lange nicht zu bedeuten, dass dem auch so war?
Doch da fiel ihm etwas ein, womit er seinen Sohn beschäftigen konnte.
»Ich habe einen Auftrag für dich. Etwas, das einen Mann von deinen Fähigkeiten erfordert.«
Der Graf hatte schon von jeher jede sich bietende Gelegenheit genutzt und Mauritz mit anschaulichen Worten geschildert, wie begabt er wäre. Kein Wunder, dass sein Sprössling bei dem, was ihn nun erwartete, etwas von seiner Selbstsicherheit einbüßte.
Gustav holte aus:
»Unter meinen Pächtern gab es einen ganz bestimmten, den rauszuwerfen ich mich genötigt sah. Dieser Flegel hat die Kate mir nichts, dir nichts mitgenommen und in einem Garten in Aringsås neu aufgebaut.«
Mauritz sah seinen Vater verblüfft an und sagte: »Wie stiehlt man eine Kate?«, ermahnte sich indes alsbald selbst, nicht Schwäche, sondern Entschlusskraft zu demonstrieren:
»Ich kümmere mich darum, Vater.«
»Freilich hat der Hausdieb vorerst den Kronolänsman auf seiner Seite. Die Sache ist … heikel, kann man so sagen. Aber wie bereits erwähnt, bei deinen Talenten …«
»Ein Hoch auf Mauritz!«, rief die Gräfin.
»Was du nicht sagst«, freute sich der Sohn.
»Was ist mit meinen neuen Schuhen?«, fragte die Tochter.