Freudiges Wiedersehen

Im waldreichen Schweden verhielt es sich so, dass fast alle Häuser, Katen und Scheunen aus Holz gebaut waren. Holz brannte ja von eh und je besser als Steine (bedeutend besser). Schlug der Blitz ein – wozu es gerne im Sommer kam –, wurden immer wieder ganze Städte zum Raub der Flammen.

Wenn es auf den Herbst und Winter zuging, wurde es hingegen so früh dunkel, dass man schon um vier Uhr nachmittags die Öllampen anzünden und gegebenenfalls bis acht Uhr morgens am Folgetag brennen lassen musste. Eine wohlfeilere Alternative waren Talgkerzen, die nur den Nachteil hatten, dass sie rußten und feuergefährlich wurden, wenn man den Docht nicht regelmäßig kappte. Die kleinste Unachtsamkeit, und ein Unglück konnte geschehen.

Falun brannte 1761 ab, Kalmar 1765. Gefolgt von unter anderem Uppsala, Varberg, Mjölby, Ägelholm, Filipstad, Askersund und Gävle.

Zu der Zeit saß König Gustav III . in seinem gänzlich aus Stein erbauten Schloss in Stockholm und ärgerte sich über die Verluste in der Staatskasse, wenn in seinem Reich eine Stadt abbrannte. Denn jedes Feuer verlangte staatliche Unterstützung in Form von Steuerbefreiung, bis die Stadt wieder aufgebaut war.

Im ausgehenden achtzehnten Jahrhundert ergriff der König folglich die Initiative und führte eine Feuerversicherung ein. Und setzte die Städte ringsum im ganzen Land unter Druck, sich der Maßnahme anzuschließen. Zusätzlich erließ er Direktiven, wie gebaut werden sollte: Häuser und Höfe sollten nicht zu dicht beieinanderstehen, und Torf war zum Dachdecken ungeeignet, es gab ja Ziegel. Zwar wesentlich teurer, aber immerhin.

Nichts davon hinderte indes weite Teile von Växjö daran, 1843 abzubrennen. Am letzten Oktobertag jenes Jahres rüttelte ein Sturm an Dächern und Wänden. In einem städtischen Kuhstall löste sich die Befestigung einer Öllampe, und schon breitete sich das Feuer in alle Richtungen aus. Einen knappen Tag später lagen achtundachtzig von einhundertfünfzig Höfen in Schutt und Asche.

Auf ebendiese Asche folgten jahrelange Zwistigkeiten, wer die Schuld daran trug, wer was unternommen hatte, um das Feuer einzudämmen, und wer ein Recht auf Entschädigung hatte. Nicht lange, und der Beschluss stand fest, dass die begüterten Einwohner finanzielle Unterstützung für den Wiederaufbau verdienten, während diejenigen, die wirklich Hilfe brauchten, das Nachsehen hatten. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis aus den Mittellosen etwas anderes wurde als das, was aus ihnen geworden war.

Doch der junge, eifrige Rechtsanwalt Elias Henriksson aus Växjö ergriff nach einigen Jahren Partei für sie und erzielte weithin beachtete Erfolge sowohl vor dem Stadt- als auch vor dem Landgericht. Indessen wurde Växjö wieder aufgebaut. Und zwar ganz fortschrittlich, nach Plan vom Reißbrett, sodass sich jeder zurechtfand. Und dazu mit breiteren Straßen, damit das Feuer nicht mehr so leicht von Haus zu Haus übergreifen konnte.

Auch wenn Elias erst seit drei Jahren in dem Beruf tätig war, hatte er sich doch schon einen Namen gemacht. Einige Zeit nach den Brand-Urteilen hatte er einen so gut wie aussichtslosen Fall gewonnen und den Freispruch eines verdächtigen Pferdediebs erwirkt, obgleich vier Zeugen den fraglichen Delinquenten identifiziert hatten. Ein Richterspruch, der niemanden außer den Freigesprochenen froh machte, denn als der Anwalt nach Verhandlungsende und Urteilsverkündung zusammengepackt hatte und ging, war sein Pferd verschwunden.

***

Frau Mellgrens Konditorei hatte sich in kurzer Zeit zu einem allgemeinen Treffpunkt im wachsenden Växjö gemausert. Hier kehrten die Bürgersfrauen nach ihren Markteinkäufen ein, gefolgt von den Marktfrauen, wenn das Tagesgeschäft beendet und die Verkaufsstände ordnungsgemäß abgebaut waren. Hierher zog es auch den jungen Anwalt Henriksson regelmäßig auf eine Tasse Kaffee in Begleitung einer aktuellen Ausgabe der Tageszeitung. Und hier ließen sich Algot und Anna Stina vor ihrer Rückfahrt nach Aringsås auf ein stärkendes Tässchen nieder.

Im allgemeinen Gewühl landeten sie direkt neben dem Tisch des Anwalts, und nun entspann sich das Folgende:

»Herr Kandidat?«, sagte Algot unsicher.

Er erkannte den Mann.

Elias Henriksson strahlte über das ganze Gesicht!

»Heutzutage Herr Rechtsanwalt, lieber Algot! Aber wie schön, dich wiederzusehen!«

Schüler und Lehrer sahen sich nach Jahren zum ersten Mal wieder!

Auf Betreiben des Kandidaten rückten sie ihre beiden Tische zusammen.

»Wie ich sehe, hast du eine Verlobte«, stellte er mit Blick auf Anna Stina fest.

»Gut möglich«, sagte die Tochter des Druckermeisters. »Aber an diesem Tisch sitzt sie nicht.«

»Wir sind noch nicht richtig verlobt«, bestätigte Algot. »Aber es heißt ja, man soll die Hoffnung nie aufgeben.«

Anna Stina nahm das gnädig auf.

»Was nichts daran ändert, dass er vorhin beim Buchhändler recht anstellig war, als wir Bücher verkauft haben.«

Und, der anschließenden Frage des Kandidaten zuvorkommend:

»Und dass er im Großen und Ganzen recht anstellig ist. Wie sehen Eure Erfahrungen mit ihm aus, Herr Rechtsanwalt?«

***

Die drei unterhielten sich angeregt in Frau Mellgrens Konditorei. Anna Stina erfuhr alles über Algots Lehrjahre beim Kandidaten, und zwar (zu Algots Freude) auch, welch hohe Meinung dieser von dem Verstand und der Auffassungsgabe seines Schülers hatte.

»Ich habe ja gesagt, dass er anstellig ist«, lautete Anna Stinas Kommentar.

Aber am Tisch ging es noch weiter mit den freimütigen Bekenntnissen. Der Kandidat, nun Anwalt, erfuhr wiederum, dass sein einstiger Schüler Algot in Aringsås wohnte, Vater Svens Destillierapparat nutzbringend anwendete und zudem innovative Experimente mit einem Wundermittel gegen finstere Gedanken im Sinn hatte.

»Ach wirklich?«, sagte Anna Stina und hörte sich an wie ihr Vater, als das Thema zum ersten Mal auf den Tisch gekommen war.

Algot hingegen erzählte weder etwas von dem neuen Destillierapparat, der aus Frankreich im Anmarsch war, noch von der Kate oder dem Umstand, dass er die Identität gewechselt hatte. Auch wenn man den Kandidaten als einen Freund betrachten konnte, war er trotz allem immer noch Rechtsanwalt und pflegte sicherlich Umgang mit piekfeinen Herrschaften in Växjö. Ein gewisses Maß an Vorsicht konnte nicht schaden.

»Mehr Kaffee!«, verlangte Anna Stina, der das Gespräch zusagte. »Ihr auch, Herr Kandidat?«

Dazu sagte er nicht Nein, doch er schlug ehrerbietigst vor, das Fräulein Anna Stina möge doch stattdessen Anwalt zu ihm sagen. Oder Herr Henriksson. Oder noch besser Elias, jetzt, nachdem sie aus ihren Herzen keine Mördergruben gemacht hatten.

Anna Stina überraschte Algot am laufenden Band, so auch diesmal. Sie befand, Herr Rechtsanwalt klinge zu hochtrabend, Herr Henriksson zu unpersönlich und Elias zu persönlich.

»Solange Algot den Herrn Kandidaten Kandidat nennt, schließe ich mich dem an.«

Der Kandidat lächelte.

»Halte dich an sie, Algot, wenn du kannst.«

»Hier wollen wir nichts weiter ausschließen, außer dass wir jemals Propst Sikelius zum Essen einladen werden«, sagte Anna Stina, woraufhin Algots Herz zum zweiten Mal am selben Tag schneller schlug.

***

Nach dem Kaffee und dem Treffen mit dem Kandidaten legten sie fast die gesamte Rückfahrt in geselligem Schweigen zurück. Irgendwann ergriff Anna Stina das Wort:

»Du warst recht anstellig beim Buchhändler. Hab ich das schon gesagt?«

»Ich glaube schon, aber trotzdem danke«, sagte Algot.

Worauf sie nach kurzer Pause ergänzte:

»Du bist im Großen und Ganzen recht anstellig. Hab ich das auch schon gesagt?«

»Ich glaube schon, aber danke noch mal«, sagte Algot und kostete den Moment aus.

Wieder Schweigen.

»Aber glaub ja nicht, dass …«, setzte Anna Stina an.

»Was?«, fragte Algot.

»Pf!«, machte die Tochter des Druckermeisters.

Da waren sie auch schon daheim.

»Darf man vorschlagen, dass du absteigst und die Zusammenkunft in der Küche vorbereitest, während ich Brunte abschirre und ihm Futter und Wasser gebe?«, sagte Algot.

Anna Stina ging zum ersten Mal auf Algots Vorschlag ein.