Nichts als Nichtsnutze!
Mauritz schlief gut in der nächsten Nacht. Und wachte bereits um halb neun Uhr auf. Wenn auch nicht aus eigenem Antrieb. Der Graf brüllte sich aus seinem Ohrensessel heiser. Doch der Sohn erhob sich aus den Federn und zog sich an. Sollte der Vater doch so viel herumschreien, wie er wollte, zuerst hatte Mauritz noch etwas zu erledigen.
An diesem Tag sah der Plan folgendermaßen aus: Algot Olsson in Aringsås endlich ausfindig machen und ihm ein für alle Mal die Nase oder ein Ohr lang ziehen! Und zuvor eine rasche Inspektion dessen, was die Tölpel im Sägewerk trieben, um sie bei Bedarf anzuleiten.
Zuallererst jedoch Frühstück.
Mauritz nahm wie tags zuvor auf dem Stuhl des Grafen Platz. Er saß allein am Tisch. Die Haushälterin teilte ihm mit, dass sich sowohl die Gräfin als auch Fräulein Sophia entschieden hätten, das Frühstück im je eigenen Gemach einzunehmen.
»Gut«, sagte Mauritz und schickte hinterher: »Vorderhand wünsche ich, dass du meinen doppelten Frühstücksschnaps an diesen Platz stellst, damit ich mir nicht mehr den Arm verrenken muss.«
Alle, ob hoher, ob niedriger Stellung, mussten schließlich wissen, wer jetzt der Herr im Haus war.
Mauritz begriff, dass Mutter und Tochter ihn durch ihre Abwesenheit bei Tisch deutlich auf sein gestriges energisches Auftreten hinweisen wollten. Das waren typische weibische Alllüren. Die ihren Zweck verfehlten. Ein Morgen in himmlischer Ruhe war ihm mehr als recht. Besonders an diesem Tag, an dem er so viel um die Ohren hatte.
Nach seinem Kaffee mit zugehörigem Doppelten stand die Sägewerksinspektion an.
Als Mauritz auf den Innenhof hinaustrat und sich auf den kurzen Spaziergang zum Sägewerk machte, war es mit der Ruhe vorbei, denn er musste unverzüglich wegen eines Schuh-Schauers in Deckung gehen. Sophia bewarf ihn aus einem Fenster im Obergeschoss mit ihren vierzig Paar Schuhen und kreischte, lieber werde sie den König barfuß empfangen!
Sie zielte schlecht, nur ein Paar ging knapp daneben. Aber Mauritz verstand, dass jemand vom Hofpersonal die Dinger aufheben konnte und der Schwester womöglich zurückbrachte, woraufhin sich das Manöver bei seiner Rückkehr wiederholen würde. Er dachte, dass der Vater Gemahlin und Tochter gegenüber wahrhaftig viel zu lange viel zu nachgiebig gewesen war. Aber auch: Dass sie wahrlich nicht leicht zu bändigen waren.
Das Sägewerk stand still, als Mauritz eintraf.
»Was in Dreiteufelsnamen ist hier los?«, brüllte er, weil ihn der Ehrgeiz gepackt hatte und er sich ebenso herrisch geben wollte wie sein Vater.
Von den Arbeitern kam keine Antwort. Mauritz war sofort klar, warum: Sie hatten keinen Wortführer. Also zeigte er auf den, der am nächsten stand.
»Du da! Antworte!«
Der ausgewählte Tagelöhner hatte schon vorher unglücklich ausgesehen. Jetzt noch mehr. Doch er gab sein Bestes:
»Wir haben kein Wasser für die Sägeblätter, Herr Leutnant.«
Mauritz zeigte auf das Flüsschen, das in wenigen Metern Entfernung vorbeifloss.
»Und was sagt ihr dazu? Limonade?«
»Aber das Wasser muss über so Dinger … geleitet werden und in irgend so ein … Dingens fließen. Und der, der sich drum kümmert, hat Wundbrand im Fuß gekriegt.«
Mauritz dachte, wegen so ein bisschen Gangrän brauchte der sich nicht so anzustellen, sagte aber stattdessen:
»Dann muss sich ja wohl ein anderer von euch drum kümmern! Ist das denn wirklich so schwer zu begreifen?«
»Und wer?«, fragte der ausgewählte unfreiwillige Anführer.
»Du zum Beispiel!«
»Aber dann fehlt einer am Sägeblatt … Björk hat immer …«
Der Anführer wurde unterbrochen.
»Ich will den Namen von diesem Sausack nicht mehr hören!«
Weil Mauritz das Gefühl hatte, dass seine Autorität noch nicht vollends ins Bewusstsein der Tagelöhner eingedrungen war, betonte er seine nächsten Worte noch gebieterischer:
»Du kümmerst dich also um die Wassereinleitung, und du da übernimmst seinen Platz am Sägeblatt! Wird’s bald!«
Der Mann, der soeben ans Sägeblatt beordert worden war, hob nach kurzem Zögern die Hand.
»Herr Leutnant, darf ich etwas sagen?«
»Wenn’s denn sein muss«, antwortete Mauritz.
»Ja, also, wenn Sven sich ums Wasser kümmert und ich mich ums Sägeblatt … dann muss Gösta ganz allein das Sortieren übernehmen.«
Der Mann, der Gösta hieß, wagte es, sich ungefragt am Gespräch zu beteiligen:
»Der, dem seinen Namen wir nicht mehr aussprechen dürfen, hat immer gesagt, ich bin der Schnellste von allen … aber so schnell, dass einer allein alles sortieren könnte … nein, das geht gar nicht.«
Mauritz kochte innerlich. Herrgott, er wusste doch schließlich nicht, wie man in der Produktion die Arbeit am besten aufteilte – aber warum auch?
»Macht es jetzt so, wie ich es gesagt habe!«, herrschte er die Leute an. »Oder denkt selbstständig!«
Worauf er umkehrte und zu den Stallungen ging, um sich Pferd und Wagen zu besorgen. Zeit, nach Aringsås zu fahren und sich diesen … ja, wie hieß er noch mal? Diesen Algot Olsson vorzuknöpfen.
Zurück blieb der unfreiwillige Anführer, der Gösta ansah, der Sven ansah.
»Was meint ihr?«, fragte der. »Machen wir es so, wie der Leutnant gesagt hat, oder denken wir selbstständig?«
Der Unfreiwillige wusste keine Antwort, Gösta hingegen schon:
»Weil wir nun mal ein Mann zu wenig in der Kette sind, geht das hier sowieso übel aus, egal, wie wir es machen. Dann besser so, wie der Leutnant es will, als auf unsere Art.«