Mauritz sieht Gespenster
Niemand konnte zufriedener mit Mauritz Bielkegren sein als Mauritz Bielkegren selbst. Da der neue Schlossherr auf Kronogården seinem Vater intellektuell weit überlegen war, sah es ganz danach aus, als ob die Kosten des anstehenden Königsbesuchs unter dem Budget von fünfzigtausend Reichstalern liegen würden.
Statt norwegischen Lachs würde es schwedische Forelle geben. Anstatt allenthalben neue Teppiche auszulegen, ließ Mauritz die vorhandenen wenden. Anstatt neue Harken für die Kieswege anzuschaffen, befahl er seinen Tagelöhnern, zu harken, mit was auch immer ihnen gerade in die Hände fiel.
Manches deutete darauf hin, dass von dem kurzfristigen Darlehen, das er Druckermeister Zimmermann hatte abschwatzen können, ganze zehntausend Reichstaler, wenn nicht mehr, übrig blieben. Besonders vorteilhaft war das natürlich hinsichtlich der Zinszahlungen, zu denen Mauritz sich verpflichtet hatte.
Kurz und gut, alles würde sich finden.
Doch seit dem glücklichen Reitunfall seines Vaters hatte er einige Strapazen durchstehen müssen. Nahezu schwindelerregend war es gewesen, und das in mehr als einer Hinsicht. Man denke nur an den Wasserburg Wodka, den sie ihm in Aringsås aufgetischt hatten. Seit Mauritz dem auf den Geschmack gekommen war, brachte er die doppelten Morgenschnäpse aus der Kronogården-Eigenproduktion kaum noch runter. Als annehmbare Alternative blieb ihm, sich in den Keller zu schleichen und einen Krug vom französischen Branntwein abzufüllen, der, den der Vater Cognac genannt hatte. Nicht ganz so wohlschmeckend wie der deutsche, doch mit gewissem Abstand ließ er sich trinken, ohne dass man sich dabei die Nase zuhalten musste.
Im Anschluss an den Königsbesuch musste Mauritz sich unbedingt ein paar Tage erholen. Nicht zuletzt deshalb, weil er mit einem Mal Gespenster zu sehen begann. Denn im Garten neben dem ehemaligen Stall (nunmehr der Spirituosenfabrik) galoppierten zwei arabische Vollblüter umher. Mit Reiterinnen!
»Mutter?«, sagte Mauritz zu sich selbst. »Und Sophia?«
Konnte das sein? Geschah es im Hier? Und Jetzt?
***
Da hätte ihm keine Wundermedizin der Welt gegen finstere Gedanken helfen können.
»Hast du für zwanzigtausend Reichstaler auf Kredit Pferde gekauft, du verfluchte Hexe?«
Er bediente sich der gräflichen Ausdrucksweise, und zwar mit Nachdruck und von Angesicht zu Angesicht.
»So sprichst du nicht mit deiner Mutter!«, sagte Sophia.
»Halt die Klappe!«, beschied Mauritz seine Schwester. »… sonst verheirate ich dich an ein Schwein vom Schweinezüchter!«
Als ob es damit des Ärgers noch nicht genug wäre, tauchte etwas weiter weg auf der Freitreppe des Schlosses urplötzlich der Graf auf, gestützt auf zwei Stöcke.
»Worüber streitet ihr euch da drüben? In fünf Minuten ist Versammlung im Spiegelsaal! Wir haben einen Königsbesuch zu planen!«
Mauritz blieb mit offenem Mund stehen. Der Alte war von den Toten wiederauferstanden! Der Sohn hätte sich in den Allerwertesten beißen können, weil er ihm die Wundermedizin hatte angedeihen lassen, die er zusammen mit dem Darlehen vom Druckermeister und seinem Apotheker bekommen hatte.
»Ja, Vater«, brachte er lahm heraus.
»Selbstverständlich, Vater«, sagte Sophia.
»Wie wundervoll, dass du wieder auf den Beinen bist, geliebter Gemahl«, sagte die Gräfin und meinte es fast so.
Sie lächelte ihrem Ältesten demütig zu. Oder vielleicht eigentlich gar nicht mal so demütig. Vielmehr war es ein Lächeln, das besagte:
Hast du jetzt fertig Graf gespielt?