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DIE SCHLAFKAMMER DES CONDE
Diago Vela · Im Jahr des Herrn 1192 , Winter
»Das Fieber sinkt nicht, seine Haut brennt regelrecht. Die Wunde in der Seite hat sich entzündet. Ich glaube nicht, dass er überlebt. Das ist sein Schicksal. Ihr wisst ja, was man sagt: Ein Conde Vela wird nicht alt«, flüsterte der alte Medicus der Frau zu, die mich mit einer Kerze in der Hand betrachtete.
Wie betäubt lag ich auf meiner Bettstatt. Am Rücken verspürte ich einen stechenden Schmerz, und die Binde um meinen Rumpf drückte. Onneca wartete, bis der Medicus fort war, dann setzte sie sich auf mein Bett. Wir hatten es schon oft geteilt, und immer unter glücklicheren Umständen. Mein Schlafgemach war geräumig, und das Feuer im Kamin hielt die steinernen Wände warm. Doch als ich ihr in die Augen sah, fand ich darin keine Wärme.
»Du hast mir nichts gesagt. Wir waren in der alten Mühle, und du hast mir nicht gesagt, dass mein Vater ermordet wurde.«
Das klang vorwurfsvoll. Verärgert und gekränkt.
»Es waren Vermutungen, nur Vermutungen«, brachte ich hervor, obwohl es mich Mühe kostete, zu sprechen und mich nicht in meinen Fieberträumen zu verlieren. »Just heute Morgen war ich unterwegs zum Gasthaus der Romana, um meine Nachforschungen anzustellen, als ich dir begegnete.«
»Früher haben wir alles geteilt, auch Vermutungen. Vor allem Vermutungen.«
»Früher war früher, wir waren einander versprochen, und nichts stand zwischen uns. Jetzt ist jetzt, jetzt bist du meine Schwägerin, und Nagorno wird für immer zwischen uns stehen.«
Onneca erhob sich und schlug mit der Faust gegen die Wand. »Seit Vaters Tod schicken meine Schwestern keine Briefe mehr. Ich habe ihnen geschrieben, um sie zu benachrichtigen, ich dachte, vielleicht verlassen sie ihre Inklusorien, aber sie kamen nicht zur Beerdigung. Ich bin allein, Diago. Ohne sie und ohne dich habe ich niemanden, mit dem ich reden kann.«
Ich wollte ihr antworten oder es zumindest versuchen, aber in diesem Augenblick trat Nagorno ein. Schwer zu sagen, wie lange er bereits hinter der Tür gelauscht haben mochte.
»Wie sehr du bestrebt bist, mich zum nächsten Conde Vela zu machen, Bruder«, sagte er anstelle einer Begrüßung. »Willst du noch häufiger versuchen zu sterben?«
Ich schloss die Augen. Für eine passende Antwort fehlte mir die Kraft.
»Lass mich mit ihm allein. Onneca, Liebste, dies ist kein Ort für dich«, befahl er seiner Frau.
Onneca erhob sich. Sie war größer als er. Eine der wenigen Frauen, die sich nicht fügten, sobald Nagorno die Stimme erhob. »Im Gegenteil. Ich bleibe. Dein Bruder hat viel zu erklären. Diago, wie verhält es sich damit, dass mein Vater vergiftet wurde?« Onneca näherte sich meinem Gesicht und sah mir fest in die Augen.
Ich konnte mich nicht einmal aufrichten. Mein Körper brannte, und in meinem Kopf schwankte alles wie damals, als ich mit Gunnarr segelte. »Die Anzeichen dafür entdeckte ich beim ersten Blick auf seine Leiche, und … verzeih mir die Schändung, aber ich öffnete sie und strich mit Kaninchenfell über seine Gedärme. Der Balg überzog sich mit Blasen. Deinen Vater hat man mit dem Pulver des Ölkäfers ermordet.«
Nagorno beobachtete Onneca aus dem Augenwinkel. Sie ballte die Fäuste und wandte sich ab.
»Das kann man noch immer beweisen?«, fragte sie dann, ohne mich anzusehen.
»Ich habe die Kaninchenhaut in dieser Truhe verwahrt, sie wird halb verwest sein, aber ihren Zweck erfüllen. Auch kann man deinen Vater ausgraben, sollte das nötig sein, um sich zu vergewissern. In den letzten Tagen war es sehr kalt, die Leiche müsste gefroren sein.«
»Ich hoffe, das wird nicht nötig sein«, murmelte sie.
»Man wird für die Gerichtsverhandlung Zeugen vorbringen müssen«, fuhr ich fort. Ich sprach langsam. »Alix de Salcedo ist mir zur Hand gegangen. Sie ist sicher bereit auszusagen. Und Nagorno, du musst zum Gasthaus der Romana gehen. Der Sohn der Wirtin ist derjenige, der Ruiz vor vier Tagen drei Krümel Ölkäfer verkauft hat.«
»Wird der Junge denn reden wollen?«
»Ruiz hat sich weder seinen Tanten noch ihm gegenüber gut verhalten«, entgegnete ich. »Und sämtliche Männer in der Stadt werden danach wissen, dass seine Pulver wirksam sind. Das wird ihm Kundschaft bringen, und das weiß der Bursche. Er wird freudig reden.«
»Hast du gesehen, wer dich geschlagen hat?«, fragte Nagorno. »Das war nicht nur einer, ich kenne dich im Kampf.«
»Es war kein Kampf, wir haben zu Sankt Agatha die unverheirateten Frauen umworben. Ich war nicht auf der Hut und rechnete nicht damit, dass der niederträchtige Kerl mich angreifen würde. Aber du hast recht, er stieß einen Pfiff aus, und daraufhin kamen noch zwei. Jeder schlug mich von einer Seite. Ruiz trat mir gegen den Kopf, und ich sah nur Stiefel und Stöcke.«
»Dieser Hurensohn!«, flüsterte mein Bruder, »und ich habe ihn im Rat noch begünstigt.«
»Das hat man mir erzählt«, erwiderte ich, »aber ich wollte es aus deinem Mund hören. Warum hast du das getan? Diese Familie hatte hier in der Stadt noch nie einen guten Ruf.«
»Er ist ein Hidalgo, ein Lehnsherr. Von seines Hosenstalls Gnaden zwar, aber dennoch. Eine Stadt kann nicht gedeihen, wenn sie nur aus Handwerkern und Händlern besteht. Man muss die Adeligen aus den umliegenden Dörfern anlocken, damit sie hier ihre Häuser bauen und ihr Geld ausgeben. Nur so wird dieses von Stadtmauern umgebene Dorf nicht dem Vergessen anheimfallen.«
»Aber wähle deine Verbündeten besser aus, Nagorno! Siehst du, wohin dich die Verbindung mit ihm geführt hat?«, schrie ich, obwohl es schmerzte. »Sieh, was er deiner Frau angetan hat!«
»Sie haben es dem Conde de Maestu angetan, der die Handwerker bevorzugte, genau wie du. Die reine Unbedarftheit. Und jetzt greifen sie dich an. Du wirst Vorsicht an den Tag legen müssen.«
»Ich will keine Vorsicht an den Tag legen auf diesen Straßen, die zu pflastern ich geholfen habe. Lasst uns über die Verhandlung sprechen: Wie stellt es sich dar, liebe Schwägerin?«
Onneca pflegte gemeinsam mit den Töchtern der Mendozas und der Iruñas am Spinnrocken ihres Hauses zu sitzen. Was die Männer nicht laut zu sagen wagten, darüber sprachen die Frauen. Sie stifteten Frieden, glätteten die Wogen, ehe sie zu hoch schlugen.
»Die Händler fordern, die Probe mit heißem Wasser oder glühendem Eisen wieder einzuführen. Sie wollen, dass Gott entscheidet, ob Ruiz verbrannt wird. Die Gemüter sind sehr erregt, mein Vater war bis zu Eurer Rückkehr ihr Hauptfürsprecher.«
»Das wird nicht möglich sein«, antwortete ich. »König Sancho hat die Gottesurteile in Vitoria vor elf Jahren verboten.«
»Und soll es keine Gerechtigkeit geben für meinen Vater, deinen treuen Freund?«, fuhr Onneca mich an.
»Es wird Gerechtigkeit geben, das verspreche ich dir, Schwägerin. Aber es wird aus Tudela ein Ermittlungsbeamter des Königs kommen, der ihn davon in Kenntnis setzt, wenn wir gegen seinen Willen handeln. Dieses Wagnis dürfen wir nicht eingehen.«
»Mein Bruder hat recht, geliebte Frau.«
»Und was bleibt dann? Eine Geldbuße, eine einfache Entschädigung für Totschlag?«, fragte Onneca erregt. »Das Leben meines Vaters war mehr wert als fünfhundert Sueldos.«
»Da ist noch eine Sache«, warf Nagorno ein. »Gemäß unseren Gesetzen verliert jeder, der in der Stadt sein Schwert zieht, um einen Mann oder eine Frau zu verletzen, die rechte Hand.«
»Soweit ich mich erinnere, hat da niemand ein Schwert gezogen«, sagte ich.
»Das würde ich nicht sagen, wenn ich mir ansehe, wie du deine Decke vollblutest.«
Bisher war es mir entgangen, aber aus meiner Seite quoll Blut, und die Decke aus Albinobärenfell, die Gunnarr mir aus Friesland mitgebracht hatte, war rotgetränkt.
Nagorno hob sie an und entblößte meinen nackten und zerschlagenen Körper mit den blutgetränkten Binden.
»Onneca, hilf mir, ihn anzuheben. Wir werden nach einer Stichverletzung am Rücken suchen.«
Wir sahen einander ein wenig verlegen an, Onneca und ich.
»Meine geliebte Frau, da ist nichts, was du nicht schon gesehen hättest. Du willst doch jetzt nicht die sich grämende Betschwester spielen. Hilf mir, deinen Schwager anzuheben und herauszufinden, was sich unter diesen Verbänden befindet.«
Allein indem sie mich aufrichteten, verstärkte sich mein Schwindelgefühl. Außerdem hätte ich schwören können, dass mir ein köstlicher Duft in die Nase stieg. Gleich darauf meinte ich, Alix de Salcedo mit einer Fleischpastete hereinkommen zu sehen. Hastig stellte sie sie ab und eilte herbei, um meinem Bruder und meiner Schwägerin zu helfen, damit ich nicht der Länge nach auf den Bauch fiel.
»Was macht Ihr mit dem Conde? Es heißt doch, er sei halb tot? Wer kommt auf die Idee, ihn aufzusetzen?«, fragte Alix überrascht.
»Haltet jede einen seiner Arme«, befahl Nagorno ungerührt, »ich werde diese Tücher abnehmen.«
»Und kann denn niemand die Scham dieses Mannes bedecken?«, beklagte sich Alix. »Ich habe gehört, der Priester von Santa María will kommen, um ihm die letzte Ölung zu geben. Wenn er uns drei und den nackten Conde so antrifft, werden wir alle der Unzucht angeklagt.«
»Umso mehr Grund, uns zu beeilen. Eure Haube hat drei Spitzen – das sind also nicht die ersten Testikel, die Ihr zu sehen bekommt«, versetzte mein Bruder.
Mittlerweile schmerzten mein Kopf und meine Seite zu sehr, als dass es mich gekümmert hätte, ob Onneca und Alix mich nackt sahen.
Nagorno nahm die Tücher ab, die teilweise an der Haut klebten. Er tauchte einen frischen Lappen in die Waschschüssel und reinigte mein geschwollenes Fleisch.
»Das Leben verlässt Euch«, murmelte Alix. »Esst meine Pastete mit Wildschwein und Lavendel, sie wird Euch Kraft geben.«
»Ich habe keine Kraft zum Essen.«
»Großmutter Lucía hat darauf gedrängt, dass ich ein Wildschwein jage und Euch diese Pastete backe. Sie sagte, sie selbst werde sie Euch in den Mund stecken, solltet Ihr Euch weigern zu essen.«
»Ihr habt ein Wildschwein gejagt?«
»Mein dritter Mann arbeitete in der Schmiede und stellte Fangeisen her. Er hinterließ mir genügend, um eine ganze Rotte zu erledigen.«
»Großmutter Lucía will also unbedingt, dass ich lebe. Dann werde ich mich überwinden müssen.« Ich versuchte zu lächeln.
»Hier haben wir sie: eine Stichwunde«, sagte mein Bruder mit seiner heiseren Stimme. »Sehr lang, sehr gerade. Das war kein Dolch. Jemand hat ein Schwert benutzt.«
»Ein paar unverheiratete Burschen, die zu Sankt Agatha auf Brautwerbung gehen, haben ein Schwert getragen? Es ist verboten, innerhalb der Stadt blankzuziehen. Wer würde dieses Wagnis eingehen?«, fragte Alix.
Besorgt sah sie mich an. Sie stützte mich, so gut sie konnte, hatte sich meinen Arm um die Schultern gelegt, und ihr Kopf befand sich auf Höhe meiner Brust.
»Und wenn es nun nicht zwei Burschen auf Brautsuche waren, Diago? Und wenn sie es von Anfang an auf Euch abgesehen hatten?«