Kapitel 27: Janika
Sie sah das Leuchten aus der Ferne. Ein Doppelstern. Die beiden Teile kreisten umeinander wie knisternde Funken in der Dunkelheit aus simplem Code.
Kein simpler Code,
korrigierte sie sich, ohne dass es einer Korrektur bedurft hätte. Was war, konnte sie sehen, verstehen, durchdringen. Es gab nichts zu hinterfragen, nur zu erkennen.
Es war dieser Stern, der sie anzog wie ein mächtiger Magnet, nachdem sie seine Signatur verinnerlicht hatte. Sie war ihr zugeflogen als winziger Codefetzen mit nur einer Zeile Inhalt. Es war ihr Stein der Weisen, ihr Anker für die Rückkehr aus dem Dickicht dichten Codes, der immer feindseliger wurde, je näher sie der Backdoor kam, diesem winzigen Tunnel, in dem sich die ganze Welt auf ein paar Symbole reduzierte.
Wie durch Treibsand kämpfte sie sich weiter, angezogen von dem Doppelstern, diesem Echo, das zu ihrem Daseinszweck wurde. Tief in sich verschlossen spürte sie das Kleinod, das sie mitgebracht hatte und unbedingt bergen musste, wenn sie wieder aufgetaucht war. Doch der Code um sie führte ein Eigenleben, schien aus Myriaden schnüffelnder Insekten zu bestehen, die nur eine Sache aufspüren wollten: sie.
Mit jeder Bewegung ihres Binärleibes wurde sie langsamer, kam immer schleppender voran, während der aggressive Code auf ihr herumkrabbelte, ihre Struktur abscannte, Kopien anlegte, sie wieder zerlegte und mit neuer Härte angriff. Sie hatte etwas gefunden und gestohlen und jetzt zahlte sie den Preis. Das, was zuvor als Meer aus unbegrenztem Code vor ihr lag, war jetzt zu einem Vulkan geworden, über den sie mit blanken Füßen laufen musste, ohne zu verbrennen.
Sie ist so nah,
dachte sie. So nah. Ich kann sie sehen!
Die Backdoor. Sie war zum Greifen nah, nur einen Befehl entfernt, öffnete sich vor ihr wie ein gigantischer Trichter, in den sämtlicher Code gesaugt wurde. Sie war so nah und doch hätte sie nicht weiter entfernt sein können. Die automatischen Sicherheitsroutinen hielten sie fest umschlungen, hatten sich zu unnachgiebigen Schraubzwingen um ihre digitale Entität zusammengezogen.
Ich schaffe es nicht,
jagte die Erkenntnis durch ihr Bewusstsein. Da war keine Emotion, weil sie keinen Körper besaß, der chemische Reaktionen hätte auslösen können, und doch war da ein verstörendes Bedauern, als wollte sie einen körperlosen Schrei ausstoßen. Dann begann der feindliche Code sie langsam zu zersetzen wie Säure einen Körper.