36. KAPITEL
Drei Jahre später …
Willow
Ich erwachte an einem schwülen Sommermorgen in Indiana, die Hitze lag auf mir wie eine feuchte zweite Decke. Eine Klimaanlage stand auf der langen Liste von Verbesserungsplänen für mein gemietetes Haus in The Cottages. Ich war erst seit drei Monaten wieder in Harmony, und Lebensmittel und Miete verbrauchten fast den gesamten kleinen Lohn, den das Harmony-Community-Theater mir zahlte. Für Renovierungen blieb nicht viel übrig.
Ich warf die Decke zur Seite, um etwas Luft an meine Haut zu lassen. Mein Bett war das große Himmelbett aus dem Haus meiner Eltern in Emerson Hills. Zuerst war es mit mir nach Kanada umgezogen, dann nach Billings, Montana, und schließlich nach Austin, Texas. Mein Vater war in drei Jahren dreimal versetzt worden, um den Ölprofiten hinterherzujagen. Meine Mutter hatte das Packen schließlich aufgegeben und bestand bei jedem Umzug auf einem möblierten Haus. Es war dumm und verschwenderisch, aber so protestierte sie dagegen, in Nordamerika herumgeschubst zu werden.
Ich protestierte nicht. Ich hatte keine Stimme. Kein Geld. Nichts. Ich bat nur um mein Bett, einschließlich der Laken und Decken. Wenn ich meine Nase an das Bettzeug hielt und einatmete, stellte ich mir vor, immer noch Isaac riechen zu können – Benzin und Rauch, Pfefferminz und Aftershave.
»Isaac.«
Ich seufzte den Namen, als ich in meinem Cottage auf dem Bett lag, die Hand auf dem Herzen. Egal, wie oft ich an ihn dachte – und ich tat es ständig –, der Schmerz in meiner Brust ließ nicht nach. Es war nie leichter geworden, ihn zu vermissen.
Ich schüttelte die Traurigkeit ab, bevor sie mich runterzog, und stand auf. Ich ging über den Hartholzboden durch den Wohnbereich, den ich mit eigenen kleinen Ideen dekoriert hatte. Auf einem Flohmarkt in Texas hatte ich Theatermasken – Komödie und Tragödie – aus Holz gefunden. Auf dem Weg in die Küche spürte ich den farbenprächtigen Teppich der Cheyenne, den ich in Montana gekauft hatte, weich unter meinen Füßen.
Ich machte die Kaffeemaschine an, und mein Blick fiel auf das gerahmte Gedicht, das neben dem Küchenfenster hing. Angie hatte es in Mr Paulsons Englischkurs in der Highschool für mich geschrieben. Bevor sie nach Stanford gegangen war, hatte sie es mir nach Kanada geschickt.
Willow – Weide
Ihre Zweige das lange Haar
eines traurigen Mädchens,
das nach dem Boden greift.
»Unbeugsam wie eine Eiche«, sagt man.
Eine Weide ist stärker.
Sie biegt sich im Sturm,
Gepeitscht von rauen Winden.
Ihre Blätter werden abgerissen
und weggeweht.
Sie biegt sich, aber bricht nicht.
Sie trauert,
aber sie
fällt
nie
um.
Lächelnd hob ich die Kaffeetasse an die Lippen und empfand Dankbarkeit und Freude. Ich zählte die Minuten bis zum Wochenende, wenn Angie zur letzten Vorstellung von Nora oder Ein Puppenheim im HCT kommen würde.
Ich hatte meine beste Freundin seit drei Jahren nicht gesehen.
Ich duschte, flocht mein langes Haar zu einem Zopf, der mir über den Rücken fiel, und zog ein hellgrünes Sommerkleid mit Gänseblümchen an. Obwohl Marty für die Arbeit im Büro des HCT keinen Dresscode vorschrieb, sah ich trotz meines kleinen Budgets gern so professionell wie möglich aus.
Nach einem schnellen Frühstück mit Toast, Saft und Kaffee nahm ich mein Fahrrad, das auf der vorderen Veranda stand, und machte den Helm unter dem Kinn fest. Greta, meine Nachbarin, war schon in Kittel und Handschuhen im Vorgarten und jätete Unkraut.
»Morgen, Greta.«
»Guten Morgen, Kindchen.« Sie stand auf und dehnte ihren Rücken. »Ich habe frische Erbsen für dich«, sagte sie mit breitem deutschen Akzent. »Wenn du von der Arbeit zurückkommst.«
»Ich tausche Limonade dagegen«, sagte ich.
»Ja, das wäre schön.«
Ich hatte in meinem hinteren Garten einen kleinen Zitronenbaum im Topf. Er war mein ganzer Stolz, und es machte mir Freude, wie er wuchs und Früchte trug. Helle gelbe Sonnen in einer Galaxie aus grünen Blättern. Greta meinte, er würde den Winter nicht überleben, aber ich hatte ihn genau aus diesem Grund in einen Topf gepflanzt. So konnte ich ihn reinholen, wenn es kalt wurde.
Ich würde ihn nicht draußen in Eis und Schnee sterben lassen, sondern aufpassen, dass er es immer schön warm hatte.
An diesem Nachmittag schien die Sonne hell und wohltuend auf mein Gesicht. Die Leute schimpften über das schwüle Wetter im Mittleren Westen, aber ich genoss es. Ich sehnte mich nach Wärme. Ich hielt also mein Gesicht in die Sonne, ließ sie meine Knochen wärmen und die schrecklichen Erinnerungen an Kanada verjagen, wo ich so verzweifelt gewesen war.
Alles, was ich liebte – Harmony, Isaac, Angie –, hatte man mir entrissen und zertrampelt. Während langer, quälender Monate war ich nur ein Passagier in meinem eigenen Körper gewesen. Ich hatte nichts gefühlt, denn es hatte zu sehr wehgetan, Gefühle zuzulassen. Das dumpfe Taubheitsgefühl war leichter, und ich war zu der dunklen Kälte zurückgekehrt, die in dem Sommer, nachdem Xavier mich vergewaltigt hatte, alles bestimmt hatte.
Meine Eltern hatten nicht gewusst, was sie mit mir machen sollten. Mein achtzehnter Geburtstag kam und ging, aber ich hatte kein Geld, keinen Job und keine Kraft, um irgendetwas zu tun. Ich blieb drei ganze Monate in meinem Zimmer, aß kaum, duschte selten und schlief nicht viel. Meine Mutter bettelte und flehte mich an. Mein Vater sagte streng, ich solle mich nicht länger aufführen, als wäre es »das Ende der Welt« und mich endlich »zusammenreißen«.
Ich wusste nicht mehr, was ich zusammenreißen sollte. Ich war zerbrochen, und die Einzelteile waren auf dem Grund eines kalten Ozeans verteilt. Mehr als einmal stellte ich mir vor, wie meine Beine mich roboterartig auf den kleinen See hinter unserem Haus in Edmonton trugen. Vielleicht war das Eis noch nicht dick genug, und ich würde unter mir ein Knacken hören – wie ein Schuss in der stillen, kalten Luft. Einen Sekundenbruchteil später würde das Eis nachgeben und mich ins schwarze Wasser sinken lassen.
Bonnie McKenzie rettete mich.
Mein Vater hatte monatelang mein Telefon und meinen Laptop konfisziert und mich von der Außenwelt abgeschnitten. Als er mir endlich erlaubte, wieder ein Telefon zu haben, rief ich in einer kalten Novembernacht Angie an. Sie war wegen Thanksgiving zu Hause. Ich sagte nur ein einziges Wort mit meiner gebrochenen und zitternden Stimme, und sie übergab das Telefon ihrer Mutter.
Es brauchte Monate nächtlicher Telefongespräche und geheimer Skype-Sitzungen, um die Gefühllosigkeit zu durchbrechen. Um mich zusammenzureißen. Im Januar hatte ich einen Job in einem Klamottenladen in Edmonton, und ich sparte jeden Penny von diesem ersten Lohn bis zu dem letzten in einer Boutique in Austin, um nach Harmony zurückzukehren.
Jetzt traf ich Bonnie zweimal die Woche in ihrer Praxis im Zentrum in der Juniper Street. Sie war so nett, mir ihre Zeit nicht zu berechnen, und ich schwor, es irgendwie wiedergutzumachen. Allein. Und wenn ich verhungern müsste, ich würde meine Eltern um keinen Cent bitten. Nie wieder wollte ich von ihnen oder ihrem Geld abhängig sein.
Ich fuhr mit dem Fahrrad in die Innenstadt. Vorbei am Scoop, in dem jeder Sitzplatz mit Touristen und Anwohnern besetzt war, bis zum Theater. Ich schloss mein Fahrrad an eine Parkuhr vor dem Gebäude und blickte hoch zur Ankündigung.
Henrik Ibsen: Nora oder Ein Puppenheim
Letzte Vorstellung dieses Wochenende!
Als ich vor drei Monaten nach Harmony zurückgekehrt war, hatte ich gleich als Erstes Martin besucht. Das Theater wieder zu betreten war, wie nach Hause zu kommen, und Marty schloss mich in die Arme wie ein gütiger, wohlwollender Vater. Er stand kurz vor dem Vorsprechen für Nora oder Ein Puppenheim , ein Stück über eine junge Frau, die es satthat, von ihrem älteren Mann wie eine kostbare Puppe behandelt zu werden, sich den Konventionen des neunzehnten Jahrhunderts widersetzt und ihn verlässt, um sich selbst zu finden.
Martin fand mich perfekt für die Rolle. Nora war das Gegenteil von Ophelia. Ihr Vater und ihr Ehemann behandelten sie wie ein hübsches Spielzeug, aber anstatt nachzugeben, wehrte sie sich. Und auch ich lernte langsam, mich zu wehren. Das Stück diente mir als Wegweiser. Die Therapie bei Bonnie baute mein kaputtes Selbstwertgefühl wieder auf. Und Harmony gab mir den Frieden, der dafür nötig war.
In der kühlen, dämmrigen Lobby winkte ich Frank Darian, unserem Inspizienten. Er winkte vom Kassenschalter zurück, wo er sich auf die Aufführung am Freitagabend vorbereitete.
Im Theatersaal waren die Lichter über der Bühne gedimmt und warfen unheimliche Schatten auf das Bühnenbild. Die Stühle und Tische eines vermögenden Heims im neunzehnten Jahrhundert wirkten wie ein Spukhaus, das darauf wartete, dass Len, Lorraine und ich ihm Leben einhauchten.
Marty war im Büro und hatte einen Stapel Papiere vor sich.
»Hallo, mein Schätzchen«, sagte er. Aus professioneller Höflichkeit nannte er mich nur dann Schätzchen, wenn wir allein waren. Mir machte das väterliche Kosewort nichts aus. Marty war mir ein besserer Dad gewesen als mein eigener.
Auch für Isaac.
»Hi Marty. Gibt’s was Neues?«
»Nichts Gutes, fürchte ich«, sagte er. »Der Stadtrat scheint den ganzen Block, einschließlich des Theaters, zusammenlegen zu wollen. So will man Investoren für die Sanierung anlocken.«
»Glaubst du nicht, du hast vielleicht Glück, und ein wohlwollender Investor lässt dich das Theater so leiten, wie du willst?«
»Das wäre wirklich Glück«, sagte er. »Aber ich fürchte, wir könnten eine hartherzige Kapitalgesellschaft bekommen, der egal ist, was ich hier mache, oder die es nicht versteht. Das wäre uncool, wie ihr jungen Leute sagt. Vor allem, da wir dank Isaac endlich wieder auf einem guten Weg sind.« Er sah mich an. »Es tut mir leid. Stört es dich, wenn ich ihn erwähne?«
»Du fragst mich das jedes Mal, und die Antwort ist jedes Mal Nein«, sagte ich.
Es tat entsetzlich weh, seinen Namen zu hören, als bohrte man in einer Wunde, die nie heilen würde. Gleichzeitig liebte ich es zu hören, dass Isaac sich aus der Ferne um das HCT kümmerte.
Wie vorhergesagt war Isaac in Hamlet von einem Agenten entdeckt worden und direkt nach Kalifornien gegangen. Er hatte eine kleine Rolle in einem großen Film bekommen, und mithilfe seiner Gage hatte das HCT einen Teil der Steuerschulden und die rückständigen Mietzahlungen getilgt.
Ich nahm mir ein paar Rechnungen, um sie abzuheften, senkte den Blick und fragte beiläufig: »Wie geht es ihm? Noch keine Nachricht?«
»Kein Wort«, sagte Marty. »Vielleicht sollten wir in eine Klatschzeitschrift schauen. Nur so erfahre ich Neuigkeiten von ihm.«
»Sein letzter Film ist gut gelaufen. Begeisterte Rezensionen.«
»Hast du ihn gesehen?«
Long Way Down war wochenlang im Guild Movie House gelaufen, aber ich hatte nicht den Mut aufgebracht, mir eine Karte zu kaufen.
»Nein«, sagte ich. »Ich bin noch nicht bereit. Du?«
Er lächelte traurig. »Sechsmal.« Er tätschelte mir die Hand. »Er spricht mit keinem von uns, Schätzchen. Du, ich, Brenda und Benny. Ich kann ihm nicht einmal für das Geld danken. Eine GmbH überweist es jeden Monat, und alle Briefe oder Mails, die ich geschickt habe …« Er zuckte mit den Achseln. »Nichts.«
»Es tut mir leid«, sagte ich. »Ich wusste, dass er … auf mich böse sein würde, aber ich hätte niemals erwartet, dass er auch den Kontakt zu dir abbricht.«
»Es ist nicht deine Schuld, Liebes«, sagte Marty. »Er macht es eben so. So kommt er mit Verlusten zurecht. Er macht völlig dicht und lässt die Gefühle nur auf der Bühne raus. Oder jetzt bei den Dreharbeiten.«
Er sah den Schmerz in meinem Gesicht. »Ich weiß, dass es wehtut. Du hast getan, was deiner Meinung nach nötig war, um Isaac zu beschützen. Und jetzt hat er eine brillante Karriere vor sich und verdient viel Geld, genau wie er wollte. Und du, meine Liebe, hast auch eine brillante Karriere vor dir. Deine Nora ist wunderbar.«
»Nein.«
»Du musst mir nicht glauben.« Er warf mir die heutige Ausgabe der Harmony Tribune auf den Schoß. »Vera Redding sagt, dein Spiel ist eine Glanzleistung, und diese Frau hasst alles und jeden.«
Ich lächelte und legte die Zeitung beiseite. »Es ist ein gutes Stück für mich. Genau, was ich gebraucht habe.«
Das Stück, das Theater und Marty Ford waren, was ich brauchte: weitere Schritte in meinem Heilungsprozess. Die Angst, ihn oder das HCT möglicherweise durch die Sanierungspläne des Stadtrats zu verlieren, ging mir richtig nah.
»Wir müssen das mit dem Stadtrat klären, Marty.« Ich räusperte mich. »Kann Isaac helfen?«
»Der Stadtrat meint, das Projekt kann Millionen kosten. Ich glaube nicht, dass er so viel hat.« Er lächelte traurig und hob die Hände. »Und selbst wenn ich wollte, ich habe keine Möglichkeit, ihn zu fragen.«
Als ich mit dem Fahrrad nach Hause fuhr, hatte ich einen Kloß im Hals. Der Schmerz, Isaac zu vermissen, hämmerte mir mit jedem Herzschlag auf die Brust. Ich hatte heute keinen Termin bei Bonnie, aber ich wünschte, es wäre anders.
Zu Hause setzten Greta und ich uns auf meine kleine Veranda. Wir tranken einen Krug selbst gemachte Limonade und aßen Erbsen direkt aus der Schote. Die Sonne ging in Harmony unter, und die Glühwürmchen leuchteten auf und flogen durch die Wacholderbüsche zwischen meinem und Gretas Haus. Die Zikaden waren ohrenbetäubend – ein Surren, das kam und ging wie Ebbe und Flut. Kinder spielten in den Gärten. Die Katzen der Nachbarschaft schlichen herum oder dösten in den letzten Sonnenstrahlen. Greta und ich sprachen nicht viel. Das mussten wir nicht. Der Abend war ruhig. Warm. Friedlich. Alles, was ich brauchte.
Fast.
Als die Sonne ganz weg war, packte Greta ihre Körbe zusammen und sagte Gute Nacht. Im Haus lag mein Handy auf der Arbeitsplatte in der Küche. Eine Benachrichtigung leuchtete auf dem Display: Ich hatte einen Anruf von meinem Dad verpasst, und er hatte auf die Mailbox gesprochen. Nach Texas hatte Ross Wilkinson ihn wieder nach Manhattan versetzt. Meine Eltern waren wieder da, wo sie angefangen hatten, nur diesmal ohne Tochter.
»Hallo Willow.« Dads Stimme klang auf der Mailbox immer angestrengt. Als würde er sie über einen Riesenbrocken Schuld wälzen. »Mom und ich wollten wissen, wie es dir geht. Sie hat mir erzählt, dass du im Theater arbeitest, es zu restaurieren versuchst und … so. Eine wertvolle Aufgabe.« Er hustete. »Wir freuen uns darauf, für die letzte Aufführung deines Stücks nach Harmony zu kommen. Und ich hoffe, es ist nicht zu anmaßend, aber wir hatten danach eine kleine Feier geplant, für dich, die anderen Schauspieler und den Regisseur. Im Renaissance Hotel in Braxton.« Eine Pause. »Ich hoffe, du kommst. Bitte gib mir Bescheid. Okay. Wiederhören.«
Ich legte das Telefon hin. Ich wollte keine Party. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich wollte, dass meine Eltern zur Vorstellung kamen. Wir bauten langsam eine vorsichtige Beziehung auf, aber tief in mir hatte ich den Verdacht, dass es nie wieder wie vorher sein würde. Bonnie hatte gesagt, dass Vergebung dazu da ist, dem Frieden zu geben, der vergibt, nicht dem, dem vergeben wird, aber ich war noch nicht so weit.
Dads Stimme zu hören türmte noch mehr schmerzhafte Erinnerungen auf das Chaos in meinem Herzen und machte Isaacs Schweigen umso ohrenbetäubender.
Ich setzte mich auf meine kleine blaue Couch, klappte meinen Laptop auf und googelte seinen Namen. Ich scrollte an den Artikeln über Long Way Down vorbei. Alle sprachen über die bahnbrechende Darbietung von Isaac Pearce – »ein mitreißendes Talent von unglaublicher Kraft«, schrieb die Los Angeles Times begeistert. Der Text war mit Szenenbildern aus dem Film illustriert. Er war jetzt zweiundzwanzig und auf seine raue Art noch attraktiver als früher.
Ich las ein paar Artikel von Klatschseiten. Ich musste es wissen.
Ich fand mehr Fotos von Isaac, in Bars und Clubs und auf Veranstaltungen in Los Angeles. Immer allein, eine Zigarette im Mundwinkel, ein hartes Funkeln in den Augen. Man nannte ihn einen dunkelhaarigen James Dean und spekulierte sogar, ob er schwul war. Hollywood hatte das Fehlen weiblicher Begleitung durchaus bemerkt.
Genau wie ich.
Es war verrückt anzunehmen, dass er meinetwegen nichts mit anderen Frauen anfing. Ich hatte ihm das Herz gebrochen. Wahrscheinlich achtete er einfach nur auf seine Privatsphäre. Schützte sie gegen Bedrohungen von außen.
Wer sollte ihm das vorwerfen?
Trotzdem brannte Hoffnung in mir, klein und zerbrechlich. Mit zitternden Händen nahm ich mein Telefon und scrollte durch die Kontakte nach Isaacs Nummer. Es klingelte einmal, bevor eine elektronische Ansage kam: Es tut uns leid, die von Ihnen gewählte Rufnummer ist nicht vergeben .
Auch wenn es dumm und hoffnungslos war, tippten meine Finger eine Nachricht.
A2, S2.
»Zweifle an meiner Liebe nicht«, flüsterte ich wie ein Gebet.
Dann schickte ich sie ab.
Das kleine rote Ausrufezeichen erschien sofort.
Die Nachricht konnte nicht versendet werden.
Die Nachricht war versendet worden. Sie konnte nur nicht empfangen werden. Seit drei Jahren nicht.
Trotzdem brannte die Hoffnung.
Ich rief immer weiter nach ihm, schickte meine Bitte in die Leere.
Keine Antwort.