Der Warteraum war ihr bestens bekannt. Hayley wusste nicht, wie viel Zeit sie und Rob hier schon verbracht hatten. Geredet hatten. Gehofft hatten. Dazu kamen die Termine, die sie allein absolviert hatte. Manchmal waren die Nachrichten gut gewesen, manchmal nicht. Sie hatte hier geweint, gebetet.
Sie kannte jedes Bild an den Wänden. Alles Landschaften. In diesem Wartezimmer gab es keine Fotos von Familien, von Kindern. Das wäre zu hart. Die Zeitschriften waren Reise- oder Koch- oder Sportmagazine. Keine lächelnden Babys auf Elternzeitschriften.
Die Termine dauerten meist sehr lang, sodass man nur selten auf ein anderes Paar traf. Der Prozess, mithilfe der Wissenschaft ein Baby zu bekommen, war nicht leicht.
Rob saß neben ihr, sein linker Knöchel ruhte auf seinem rechten Knie. Sein Fuß wippte auf und ab, während er selbst blind auf das Magazin schaute, das er aufgeschlagen in der Hand hielt. Hayley war zwar diejenige, die die Prozeduren über sich ergehen lassen musste, aber Rob hatte Dr. Pearces Praxis noch nie gemocht. Vielleicht mochte er auch einfach nicht den Grund, aus dem sie hier waren.
In den letzten vier Jahren hatte dieser Ort ihr Leben bestimmt. Nach ihrer zweiten Fehlgeburt war Hayley hierher überwiesen worden. Es hatte Tests und Diskussionen gegeben. Ihr Problem war nicht, dass sie nicht schwanger wurde, sondern dass sie das Kind nicht austragen konnte. Ihr Körper stieß den Fötus ab, und auch wenn es dafür viele Erklärungen gab, schien es keine Lösungen zu geben.
»Es ist in Ordnung«, sagte sie zu Rob. »Du kannst dich entspannen.«
»Nicht an diesem Ort.«
Sie nahm seine Hand. »Wir werden einen guten Termin haben. Das spüre ich.«
Er wirkte nicht überzeugt, sagte aber nichts. Alice, eine der Arzthelferinnen, rief sie in Dr. Pearces Büro.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte sie Hayley auf dem Weg den Flur hinunter.
»Gut. Ich nehme jeden Tag meine Eisentabletten.«
Das musste sie. Bei ihrer letzten Fehlgeburt hatte sie sehr viel Blut verloren. Außerdem hatte sie immer wieder Zwischenblutungen. Wäre gerade Halloween gewesen, hätte sie ohne Make-up problemlos als Vampir durchgehen können. Der Gedanke ließ sie lächeln, aber sie bezweifelte, dass Rob darüber lachen könnte.
Dr. Pearce erwartete sie bereits. Sie war groß, Anfang vierzig mit kurzen roten Haaren und unzähligen Sommersprossen. Sie sah genauso aus, wie sie war: eine praktische, mitfühlende Frau. Hayley hatte sie von Anfang an gemocht. Dr. Pearce hielt sich über die neuesten Fruchtbarkeitsverfahren auf dem Laufenden und war gewillt, auch ungewöhnliche Therapieansätze in Betracht zu ziehen.
Sie schüttelte Rob die Hand und umarmte Hayley dann.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte sie.
»Gut. Stark.«
Dr. Pearce hob die Augenbrauen. »Sie sehen aber nicht stark aus, Hayley.«
»Okay. Es geht mir besser als zuvor. Ich esse ausreichend und nehme meine Vitamine.«
»Gut. Ihr Körper hat viel durchgemacht. Er braucht Zeit, um sich zu erholen.«
Die Zeit war nicht Hayleys Freund. Sie wusste, dass die Fruchtbarkeit im Laufe der Jahre immer mehr nachließ, aber da sie keine Informationen über die medizinische Vorgeschichte ihrer Familie hatte, wusste sie nicht, ob sie einer langen Reihe von fruchtbaren Frauen entstammte oder einer, wo die Menopause schon mit Mitte dreißig einsetzte.
Sie und Rob nahmen auf den bequemen Stühlen Platz. Dr. Pearce setzte ihre Lesebrille auf und tippte etwas in ihren Computer.
»Wir haben die Blutergebnisse von Ihrem letzten Besuch. Die sind besser als vorher.«
Hayley zog ein paar Papiere aus ihrer Handtasche. »Schön, denn ich wollte hierüber mit Ihnen sprechen.« Sie reichte die Papiere über den Tisch. »In der Schweiz leisten sie großartige Arbeit. Die Klinik hat unglaublichen Erfolg bei Frauen, die Probleme damit haben, die Schwangerschaft zu Ende zu bringen. Es gibt eine neue Therapie mit Medikamenten und eine besondere Überwachung. Es ist zwar teuer, aber wir würden einen Weg finden. Das tun wir immer.«
Sie sprach schnell. Obwohl sie den Blick auf die Ärztin gerichtet hielt, spürte sie, wie Rob sich neben ihr verspannte. Sie wusste auch, warum – er hatte bisher noch nichts von dieser Klinik in der Schweiz gehört. Hayley hatte sie nicht erwähnt, weil sie nicht die ganzen Gründe hören wollte, warum das keine gute Idee war. Rob verstand es einfach nicht. Er dachte, sie hätten genug getan. Hätten genug durchgemacht. Er wollte eine Pause einlegen. Oder ein Kind adoptieren. Egal, wie oft sie ihm erklärte, dass für sie keine dieser Optionen infrage kam, er hörte einfach nicht zu.
Dr. Pearce ignorierte die Informationen und setzte ihre Brille ab. Dann sah sie von Hayley zu Rob und atmete tief durch.
»Nein«, sagte sie leise. »Ich kann Sie nicht empfehlen, Hayley. Der Grund, warum ich mich heute mit Ihnen treffen wollte, ist, dass Sie Ihre Grenze erreicht haben. Ihr Körper kann damit einfach nicht mehr umgehen. Die letzte Blutung war bei Weitem die schlimmste. Ich mache mir große Sorgen um Ihre Gesundheit.«
»Mir geht es gut. Ich fühle mich super.« Das war übertrieben, aber sie fühlte sich besser.
»Die ganzen Medikamente und Behandlungen fordern ihren Tribut«, fuhr Dr. Pearce fort. »Es tut mir leid. Ich weiß, wie sehr Sie sich ein Baby wünschen. Es gibt andere Optionen, bei denen Sie nicht darauf angewiesen sind, eine Schwangerschaft bis zum Ende auszutragen.«
Hayley wurde eiskalt. Sie musste sich verhört haben. »Ich muss das machen«, flüsterte sie. »Wir können keine Leihmutter nehmen.«
Das hatten sie versucht, doch Hayleys Eierstöcke hatten nicht auf die Medikamente reagiert, und der Versuch, Eier zu ernten, war fehlgeschlagen.
»Hayley, hör Dr. Pearce zu«, sagte Rob und griff nach ihrer Hand. »Die Blutung letztes Mal hat uns Angst gemacht. Du kannst nicht deine Gesundheit, dein Leben riskieren. Ich will nicht, dass du stirbst.«
Sie entzog ihm ihre Hand und schaute die Ärztin an. »Ich möchte in die Schweiz. Die kriegen das hin, Sie werden schon sehen.«
»Das ist keine Option. Nicht für Sie, Hayley. Es fällt mir schwer, das zu sagen, und es ist bestimmt noch schwerer, es zu hören. Aber Sie brauchen eine Hysterektomie. Die Blutungen könnten jederzeit wieder einsetzen. Und ich fürchte, wenn es das nächste Mal losgeht, werden wir sie nicht mehr aufhalten können.«
»Nein.« Hayley hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten. Sie wollte das nicht hören. Sie konnte es nicht. Sie würde nicht aufgeben. Niemals. Es gab eine Lösung. Die musste es einfach geben. »Nein. Sie verstehen das nicht. Ich muss ein Baby haben. Es geht nicht anders.«
»Süße, nicht …« Rob griff erneut nach ihr und berührte ihren Arm. »Es ist okay. Wir stehen das durch …«
Sie schob ihn von sich und stand auf. »Eine Hysterektomie? Nein. Das lasse ich nicht zu.« Das wäre das Ende. Sie würde niemals ein eigenes Kind haben. Nie eine eigene Familie. Etwas, das ihr gehörte. Doch das brauchte sie. Sie brauchte die Verbindung, die Zugehörigkeit. Warum verstanden die anderen das nicht? Warum verschworen sie sich gegen sie?
Sie wandte sich an Rob. »Hast du davon gewusst? Hast du mit ihr gesprochen?« Sie wirbelte zur Ärztin herum. »Haben Sie hinter meinem Rücken mit ihm geredet?«
»Nein«, sagte Dr. Pearce schnell. »Natürlich nicht. Hayley, ich weiß, das ist schrecklich für Sie. Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen, aber das kann ich nicht. Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: Wenn Sie wieder schwanger werden, werden Sie verbluten und sterben. Meine Empfehlung ist, dass Sie noch heute ins Krankenhaus fahren und sich operieren lassen. Aber ich verstehe, dass Sie darüber nachdenken müssen. Verarbeiten Sie das erst einmal.«
»Ich will in die Schweiz.« Sie musste sich auf diese Möglichkeit konzentrieren. Ansonsten würde sie das alles nicht durchstehen.
Rob stand auf und sah sie an. »Du gehst nirgendwohin«, brüllte er. »Du wirst nicht schwanger werden. Lass es los. Verdammt, Hayley.« Tränen füllten seine Augen. Dann schüttelte er den Kopf und verließ den Raum.
Hayley starrte ihm nach, folgte ihm aber nicht, sondern ließ sich wieder auf den Stuhl sinken. »Es muss doch irgendetwas geben«, flüsterte sie. Ihr war so kalt. So unglaublich kalt. Ihr Magen brannte.
Dr. Pearce kam um den Schreibtisch herum und nahm Robs Platz ein. Dann griff sie nach Hayleys Hand.
»Das ist wirklich schlimm«, sagte sie. »Sie haben alles medizinisch Mögliche getan, um ein Baby auszutragen. Ich weiß, wie wichtig Ihnen das ist. Ich wünschte, Sie wüssten, wie sehr ich es hasse, Ihnen das sagen zu müssen. Es tut mir leid, Hayley. Wenn es für mich schon so schmerzhaft ist, muss es für Sie fast unerträglich sein. Aber Sie müssen das durchstehen. Die Operation ist notwendig, um Ihr Leben zu retten.«
Sie nahm eine Visitenkarte von ihrem Schreibtisch und reichte sie Hayley. »Wenn Sie nicht sofort ins Krankenhaus gehen, möchte ich wenigstens, dass Sie noch eine weitere Spezialistin aufsuchen. Sie arbeitet an der University of California in Los Angeles. Holen Sie sich eine zweite und auch eine dritte Meinung ein. Aber bitte warten Sie nicht zu lang.«
Denn die Zeit ist nie auf meiner Seite, dachte Hayley. Die Kälte in ihrem Inneren verstärkte sich, bis sie nichts anderes mehr fühlen konnte.
Sie stand auf und sammelte die Papiere ein, die sie mitgebracht hatte. Obwohl sie spürte, dass sie sich bewegte, fühlte sich irgendetwas nicht richtig an. Es war, als wäre sie unter Wasser oder befände sich leicht außerhalb von Zeit und Raum. Die Kälte war die einzige Konstante.
»Es tut mir so leid«, sagte Dr. Pearce noch einmal. »Hayley, Sie haben meine Handynummer. Rufen Sie mich jederzeit an. Das meine ich ernst.«
»Klar. Das mache ich.«
Sie verließ das Büro und kehrte in das Wartezimmer zurück, wo Rob auf und ab lief.
»Wirst du Dr. Pearces Rat befolgen?«, fragte er. »Hast du gehört, was sie gesagt hat? Ich will nicht, dass du stirbst. Du musst dir einen OP-Termin geben lassen.«
So kalt, wie ihr war, wunderte sie sich, dass ihre Zähne nicht klapperten. Sie konnte weder ihre Hände noch ihre Füße fühlen. Ihr Herzschlag dröhnte laut in ihren Ohren und machte es ihr schwer zu hören, was ihr Ehemann sagte.
Vielleicht ist das der Schock, dachte sie. Vielleicht war das alles nur ein schlechter Traum.
»Wir sollten gehen«, sagte sie. »Wir sind hier fertig.«
Er sah sie lange an. »Ich wünschte, ich könnte das glauben.«
Gabby hatte Nicole vor etwas mehr als einem Jahr über ihre Schwägerin Shannon kennengelernt. Nach ein paar lockeren Treffen hatten sie beschlossen, gemeinsam zu Supper’s in the Bag zu gehen, woraus dann schließlich eine Freundschaft erwachsen war. Gabby wusste, dass Nicole ein Pilates-Studio im Ort leitete. Sie hatte ihre Freundin in verschiedenen Outfits gesehen und wusste damit auch, in was für einer hervorragenden Form sie war. Aber dieses Wissen hatte sie nicht auf ihre erste Stunde bei Mischief in Motion vorbereitet.
Pilates auf der Matte hatte so leicht geklungen. Nach auf dem Boden liegen – beziehungsweise auf der Matte. Aber ihre erste Stunde war noch nicht zur Hälfte vorbei, als Gabby erkannte, dass die Matte sich über sie lustig machte. Hier wurde vielleicht nicht gerannt und gesprungen, aber es gab größere Schmerzen, als sie sich je hatte vorstellen können. Nicole verlangte von ihr, Dinge zu tun, für die der menschliche Körper einfach nicht gemacht war. Zumindest ihrer nicht.
»Noch fünf Sekunden.« Nicole klang eher wie ein Drill-Sergeant als wie ihre Freundin. »Und halten. Drei, zwei, eins, entspannen.«
Gabby fiel auf den Rücken. Sie schwitzte und zitterte am ganzen Körper. Das Schwitzen war zwar fies, aber zu erwarten gewesen. Gegen das Zittern hingegen hatte sie wirklich was. Die Übung war zwar vorbei, aber ihre Bauchmuskeln zuckten weiterhin. Das konnte nicht gut sein.
Nicole, schlank und fit in schwarzen Pilates-Leggins und einem pink-schwarzen Tanktop, kniete sich neben ihre Matte.
»Geht es dir gut?«, fragte sie.
»Nein. Ich kann mich nicht bewegen.«
»Mach einfach das mit, was du kannst. Das ist ein ziemlich fortgeschrittener Kurs. Wenn wir hier fertig sind, schauen wir uns mal den Stundenplan an und finden eine Klasse, die dir mehr zusagt.«
»Du meinst, eine Klasse mit dicken, aus der Form geratenen Menschen mit emotionalen Essstörungen?« Gabby versuchte, lustig zu sein, hatte aber das Gefühl, einfach nur weinerlich zu klingen.
»Ich dachte eher an einen Kurs, der sich an Leute richtet, die mit ihrer Familie viel um die Ohren haben, aber du kannst es natürlich nennen, wie du willst.« Nicole erhob sich. »Okay, Leute. Wir beenden die heutige Stunde mit der Planke.«
Alle rollten sich auf den Bauch und begaben sich dann in die Planken-Pose. Alle außer Gabby. Sie versuchte, sich aufzurichten, doch ihr Körper ließ sie im Stich. Zum Zittern gesellte sich Schmerz. Sie drehte sich auf die Seite und schaffte es, sich so hochzudrücken, dass sie wenigstens saß.
Dann sah sie zu, wie die anderen Teilnehmerinnen ihre Planke hielten, während Nicole die Zeit raufzählte. Drei der Frauen gaben nach einer Minute auf, womit nur noch Shannon und Pam übrig blieben. Bei zwei Minuten merkte Gabby, dass ihr der Mund offen stand. Shannon war in verdammt guter Form, aber Pam war über fünfzig. Sie sah super aus und trieb offensichtlich viel Sport. Gabby nahm an, dass sie das entweder als Ansporn nehmen oder sich deswegen verbittert fühlen konnte. Im Moment gewann die Verbitterung.
»Drei Minuten«, sagte Nicole.
»Bist du bereit aufzugeben?«, fragte Pam und klang etwas außer Atem.
»Ja. Eins, zwei, drei.«
Bei drei ließen sich beide auf die Matte fallen. Alle applaudierten. Gabby schwor, sich an diesen Moment zu erinnern, wenn sie mal wieder Kekse oder Brownies vor sich hatte. Ja, dann würde sie an Pam denken. Vielleicht würde sie auch einen Keks essen, aber dann würde ihr Pam vor Augen stehen.
Shannon stand auf und kam zu ihr herüber. »Wie schlägst du dich?«, fragte sie.
»Ich habe keine Ahnung«, gestand Gabby.
Shannon hielt ihr die Hand hin, um Gabby aufzuhelfen. Sie ergriff sie und zwang sich, sich hinzustellen. Ihre Beine zitterten, und ihr war ein wenig übel.
»Ich hasse Sport«, murmelte sie, während die anderen Schülerinnen ihre Sachen zusammensuchten und das Studio verließen.
Nicole brachte ihr eine Flasche Wasser. »Trink. Und dann schauen wir uns den Kursplan an.«
»Du hast das super gemacht«, versicherte Pam ihr. »Das hier ist eine extrem harte Klasse. Dass du sie überstanden hast, zeigt, dass du Ehrgeiz hast. Als ich hier angefangen habe, hatte ich die Ausdauer einer Nudel.«
»Pasta mochte ich schon immer«, erwiderte Gabby.
Ihre Freundinnen lachten.
Pam ging zu ihrer großen Tasche, aus der ein Kopf herauslugte. Gabby musterte die zierliche Chinesische Schopfhündin und verglich sie mit Boomer. Es war kaum zu glauben, dass die beiden der gleichen Spezies angehörten.
Lulu wirkte eher wie ein Alien als wie ein Hund. Ihr nackter Körper war gräulich mit weißen und rosafarbenen Flecken. An der Schwanzspitze, auf dem Kopf und an den Pfoten hatte sie weißes, fluffiges Fell. Heute trug sie ein blaues T-Shirt mit kleinen Herzen darauf.
Die Hündin sah zwar seltsam aus, war aber sehr wohlerzogen. Boomer hätte von ihr noch das eine oder andere lernen können. Wobei der Mangel an Manieren nicht seine Schuld war, wie Gabby zugeben musste. Sie hatte sich nicht genügend Zeit genommen, um ihn gründlich zu erziehen. Pam streckte die Hände nach Lulu aus, und die kleine Hündin sprang ihr in die Arme.
Dann kehrte Pam zu der Gruppe zurück, und alle setzten sich auf die Matten. Gabby gesellte sich zu ihnen, weil sie keine nachfolgenden Termine hatte.
»Wann geht die nächste Reise los?«, wollte Shannon von Pam wissen.
»Im September.« Sie wandte sich an Gabby. »Ich habe ein paar Freundinnen, mit denen ich regelmäßig auf Kreuzfahrt gehe. Dieses Mal führt die Reise nach Spanien und Portugal.«
»Das sind ganz schön wilde Frauen«, warf Nicole ein. »Ich warte ständig darauf zu hören, dass ihr irgendeiner Insel euren nackten Hintern gezeigt habt.«
»Ich glaube nicht, dass mein Hintern groß genug ist, um ihn einer ganzen Insel zu zeigen«, entgegnete Pam, während sie Lulu streichelte. »Vielleicht reicht er für einen Strand. Hm, ich werde mich diesbezüglich bei dir zurückmelden.«
Shannon klopfte auf ihre Oberschenkel, und Lulu sprang elegant zu ihr herüber. »Du bleibst dieses Mal bei mir, meine Süße, oder?«
»Das wird Char und Oliver bestimmt gefallen«, sagte Gabby. »Die Zwillinge beten Lulu an.« Lulu hatte eine ziemlich umfängliche Garderobe und freute sich immer, wenn die Kinder mit ihr Verkleiden spielten.
»Wie lange wirst du weg sein?«, wollte sie von Pam wissen.
»Knappe zwei Wochen. Die Kreuzfahrt dauert eine Woche, danach bleibe ich noch ein paar Tage bei Freunden.«
»Hat eine von euch mit Hayley gesprochen?«, fragte Nicole. »Ich habe ihr vor ein paar Tagen eine Nachricht hinterlassen, aber noch nichts von ihr gehört.«
»Ich auch nicht«, sagte Gabby. »Ich schicke ihr eine Nachricht, wenn ich wieder zu Hause bin.«
Für einen Moment herrschte ein unbehagliches Schweigen. Die Frauen schauten einander an, als überlegten sie, was sie sagen sollten.
»Wenn es ein Problem geben würde, hätten wir davon gehört«, versicherte Gabby ihnen. »Rob würde eine von uns anrufen.«
»Und selbst wenn nicht, würde Steven es wissen«, ergänzte Pam. »Er hätte etwas gesagt. Er weiß, dass er so etwas vor mir nicht verheimlichen sollte.«
Obwohl Mischief Bay zum Großbereich von Los Angeles gehörte, war es im Herzen ein Dorf. Hayley arbeitete für Pams Sohn Steven Eiland, dem eine Firma für Sanitärinstallationen gehörte.
»Arme Hayley«, murmelte Nicole. »Ich mache mir Sorgen um sie.«
»Ich auch.« Gabby wusste, wie verzweifelt ihre Freundin sich ein Baby wünschte. Aber sie hatte schon so viel durchgemacht.
»Jeder hat seinen eigenen Weg.« Pam streckte die Beine vor sich aus.
»Das stimmt. Diese Babysache ist kompliziert.« Shannon drückte Lulu an sich. »Vielleicht sollte ich mir einen Hund zulegen.«
»Dafür arbeitest du zu viel«, erwiderte Pam.
Gabby beobachtete Shannon und fragte sich, ob ihre Schwägerin jemals Reue oder Bedauern empfand. Sie hatte eine wahnsinnige Karriere hingelegt, war Finanzvorstand einer erfolgreichen Software-Firma. Aber sie war einundvierzig und hatte erst im letzten Jahr geheiratet. Sie und Adam, Gabbys älterer Bruder, hatten keine gemeinsamen Kinder, jedoch gerade den Prozess abgeschlossen, um Pflegeeltern zu werden. Was für ein großer Schritt. Das würde ihr Leben stark verändern. Sie würden etwas in der Welt bewirken, aber Gabby war nicht sicher, ob das für eine Frau genug war, die wirklich Kinder haben wollte. Sosehr sie ihre Schwägerin um ihre berufliche Karriere beneidete, so wenig würde sie die Zwillinge für irgendetwas auf der Welt hergeben. Sie hatte immer beides gewollt.
Aber sie fragte sich so langsam, ob alles zu haben, nicht bedeutete, vieles davon nur mittelmäßig zu machen.