»Ich fasse es nicht, dass er mir das angetan hat.«
Hayley hörte die Worte, doch sie schienen von weit her zu kommen. Sie fühlte sich, als wäre sie … nicht unter Wasser, aber unter irgendetwas anderem. Wobei sie vermutete, das wirkliche Problem war, dass es ihr egal war. Sie konnte sich nicht aufraffen, sich für irgendetwas zu interessieren. Auch nicht für die Probleme ihrer Schwester.
Seit ein paar Tagen war sie nun wieder zu Hause. Rein rational wusste sie, dass der Heilungsprozess in ihrem Körper begonnen hatte. Sie wurde nicht länger so schnell müde. Sie konnte wieder essen. Aber in ihrem Herzen – da war nichts. Nur Leere. Was für ein Versprechen da auch immer gewohnt hatte, was auch immer für ein Kind dort gewartet hatte, es war jetzt weg. Ersetzt von einer Abwesenheit, die sich nie ändern würde.
Morgan saß neben ihrem Bett. Sie hatte die Hände vors Gesicht geschlagen, ließ sie jetzt aber in ihren Schoß sinken. »Was hat er sich nur dabei gedacht? Er hat nicht mal mit mir darüber gesprochen, sondern es einfach gemacht!«
»Vielleicht, weil du damals auch einfach schwanger geworden bist, ohne mit ihm darüber zu sprechen«, sagte Hayley geradeheraus. Sie schätzte, sie sollte etwas sanfter oder diplomatischer sein, aber um ehrlich zu sein war es ihr scheißegal.
»Das ist nicht das Gleiche«, widersprach Morgan. »Er hatte eine Vasektomie. Die kann man nicht rückgängig machen. Die ist für immer.«
»Ist sie nicht. Man kann sie rückgängig machen. Aber ein Kind ist für immer.«
Ein Kind war eine Verbindung, ein Teil von einem, der weiterlebte. Ein Kind war alles.
»Wovon redest du da?«, wollte Morgan wissen. »Ein Kind ist etwas, das wir gemeinsam haben.«
»Ja, und ihr habt bereits drei. Und bei keinem hast du Brent vorher gefragt. Du bist schwanger geworden, und er musste sich mit den Konsequenzen abfinden.«
»Das ist nicht das Gleiche. Wie soll ich ihn halten, wenn ich kein weiteres Baby mehr bekommen kann?«
Glaubte sie wirklich, dass Brent nur wegen eines weiteren Kindes bei ihr blieb? Hayley wollte sagen, dass das nicht stimmte, aber sie fragte sich, ob es vielleicht doch zutraf. Denn Rob war auch nur zu ihr zurückgekommen, weil sie im Krankenhaus gewesen war.
Laut Dr. Pearce hatte Rob sie nicht eine Sekunde allein gelassen. Als sie aus dem OP gekommen war, war er da gewesen. Er hatte in ihrem Zimmer geschlafen. Er hatte sie nach Hause gebracht und war wieder eingezogen. Allerdings nur ins Gästezimmer, dachte sie traurig. Nur damit er sich um sie kümmern konnte. Er war vorher nicht gewillt gewesen, mit ihr über die Schweiz zu sprechen. Und jetzt, wo sie keine Kinder mehr bekommen konnte, war er wieder da.
Sie war immer davon ausgegangen, dass sie und Rob zu diesen Paaren gehörten, die noch mit Mitte neunzig verliebt waren. Aber was, wenn das nicht stimmte? Was, wenn das, was sie hatten, zerbrochen war? Er hatte seine Grenzen für ihre Beziehung deutlich gemacht. Er hatte sie verlassen. Jetzt war er wieder da, aber aus den vollkommen falschen Gründen.
Denk nicht darüber nach, sagte sie sich. Im Moment konnte sie sich nur darauf konzentrieren, wieder gesund zu werden. Mehr nicht. Alles andere würde sich ergeben. Oder nicht?
»Du hörst mir gar nicht zu«, beschwerte sich ihre Schwester.
»Stimmt.« Hayley sah sie an.
Selbst ungeschminkt und nur in Shorts und T-Shirt sah Morgan gut aus. Lebendig, sexy. Sie war eine unglaubliche Zicke, aber aus irgendeinem Grund betete Brent sie an.
»Dein Ehemann ist ein wirklich guter Kerl«, sagte Hayley ausdruckslos. »Er liebt dich und die Kinder. Er kommt immer rechtzeitig nach Hause, hilft mehr als nötig im Haushalt, engagiert sich bei den Aktivitäten der Kinder.«
Morgan schniefte. »Bei dir klingt es, als wäre das etwas Besonderes. Wir sind verheiratet. Da gehört es sich, dass er diese Dinge tut.«
»Ja, und es gehört sich auch, dass du ihn wie den Schatz behandelst, der er ist. Aber das tust du nicht. Du behandelst ihn wie Dreck.«
Ihre Schwester funkelte sie wütend an. »Stehst du unter Drogen? Warum redest du so mit mir? Was stimmt nicht mit dir?«
Die Frage wäre lustig, wenn sie nicht so traurig wäre, dachte Hayley. Wann war ihr Leben zum Stoff für Tragödien geworden?
»Ich bin müde«, gab sie zu. »Und ja, ich nehme immer noch Medikamente. Die mich glauben lassen, es wäre in Ordnung, die Wahrheit zu sagen. Du bist eine Zicke. Das warst du schon immer. Du warst dein gesamtes Leben eine Zicke, was okay ist, aber so ein Verhalten hat Konsequenzen. Brent verdient etwas Besseres als dich, und das weißt du auch. Also fang an, dich so zu verhalten. Er unterstützt dich und ist großzügig, und du bist nicht mal dankbar. Du bist nie zufrieden. Ehrlich, ich verstehe nicht, warum er dich nicht schon vor Jahren verlassen hat.«
Morgan stand auf und sah ihre Schwester zornig an. »Ich werde dir verzeihen, weil du nicht du selbst bist. Aber lass mich eines klar sagen: Ich werde das nie vergessen.«
»Das wissen wir, Honey. Du vergisst nie etwas.«
»Hayley!«
Das Wort war ein schriller Schrei. Hayley zuckte zusammen, fand aber, dass es das wert gewesen war. Es hatte sich verdammt gut angefühlt, Morgan endlich mal zu sagen, was sie wirklich dachte. Das hätte sie schon vor Jahren tun sollen.
»Ich wusste, dass du diese dunkle Seite hast«, erklärte ihre Schwester. »Ich wusste es. Du hast sie hinter deiner Opferrolle versteckt, aber das hier ist dein wahres Ich. Egoistisch und gemein. Weißt du, wie viel Extraarbeit ich deinetwegen habe? All die Vorbereitungen. Alle! Aber du konntest es ja nicht gut sein lassen. Du musstest ja unbedingt an deiner Obsession, ein eigenes Baby zu bekommen, festhalten.«
Hayley sah ihre Schwester an. »Es tut mir leid, dass meine Not-OP und mein Beinahe-Ableben deinen Terminplan durcheinandergebracht haben.«
»Du bist so eine Zicke!«
»Das reicht.«
Die Frauen drehten die Köpfe und sahen Rob in der Tür zum Schlafzimmer stehen.
»Morgan, ich habe dir gesagt, dass Hayley sich noch erholen muss. Wenn du dein Temperament nicht zügeln und dich wie ein normaler Mensch verhalten kannst, musst du gehen.«
»Wie bitte? Ich war das nicht. Du hättest hören sollen, was sie gesagt hat. Sie hat angefangen.«
»Sehe ich so aus, als würde mich das interessieren?« Er schob seine Brille hoch. »Ich fand nicht, dass dein Besuch eine gute Idee wäre. Und ich hatte recht. Nimm deine Sachen und geh. Und komm nicht wieder, ohne vorher mit mir zu sprechen. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Hayley verspürte den Drang, ihrer Schwester die Zunge herauszustrecken, beherrschte sich aber. Morgan schnappte sich ihre Tasche und stolzierte hinaus.
»Ich werde sehr lange nicht wiederkommen«, rief sie über ihre Schulter. »Du wirst herausfinden müssen, wie du ohne mich überlebst.«
Hayley ließ sich in die Kissen sinken. Wenn das nur wahr wäre, dachte sie. Aber Morgan würde zurückkommen – hauptsächlich, weil sie keine anderen Freundinnen hatte.
Sie schaute auf die Uhr. Es war beinahe drei Uhr am Nachmittag. Zeit, aufzustehen und ein wenig im Haus herumzugehen. Sie musste sich regelmäßig bewegen, um keine Thrombose zu entwickeln. Außerdem sollte sie essen, viel Wasser trinken und sich ausruhen. Eins von dreien, dachte sie. Das war doch schon mal was.
Rob kehrte ins Schlafzimmer zurück. Als er sah, dass Hayley aufstehen wollte, eilte er an ihre Seite, um ihr zu helfen. Sobald sie sicher stand, nickte sie, und er ließ sie los.
»Besser?«, fragte er.
Sie war nicht sicher, was er meinte. Ob sie sich körperlich besser fühlte? Ja, das tat sie. Aber was den Rest anging, stand ein Urteil noch aus.
Sie ging in den Flur hinaus und wandte sich in Richtung Küche. Zum Glück war ihr Haus eingeschossig, sodass sie sich nicht Treppen hinauf- und hinunterquälen musste. Sie schob die Glastür in der Küche auf und trat auf die Terrasse hinaus.
Es war warm und sonnig – ein starker Kontrast zu dem, wie sie sich innerlich fühlte. Der Streit mit Morgan war das Erste, was sie seit ihrer Heimkehr aus dem Krankenhaus ein wenig genossen hatte. Aber das war die einzige Aufheiterung gewesen. Ansonsten umgab sie Düsternis. Sie wollte nicht mehr in ihrer eigenen Haut stecken, ganz zu schweigen von ihrem Leben. Und doch war sie hier und setzte einen Fuß vor den anderen.
Sie schaute in den Garten hinaus. Der Rasen war kürzlich gemäht worden, und einige der abgestorbenen Büsche waren durch neue ersetzt worden.
»Du warst fleißig«, sagte sie.
»Ich kann ja nicht ständig nach dir schauen. Ich musste mich irgendwie beschäftigen.«
»Du solltest wieder arbeiten gehen.«
»Das werde ich auch. Ab Montag.«
Hayley hatte noch ein paar Wochen, bevor sie selber wieder arbeiten durfte. Und was dann? Sollte sie in ihrem Job weitermachen, bis sie in Rente gehen konnte? Sich auf einen Urlaub alle paar Jahre freuen? Das Wohnzimmer neu streichen?
Die verzweifelte Traurigkeit stieg wieder in ihr auf, verfolgte sie, füllte sie aus, lastete schwer auf ihr, bis ihr das Atmen unmöglich wurde. Sie setzte sich in einen der wackeligen Korbstühle und kämpfte gegen die Tränen an.
Rob kam zu ihr. »Es tut mir leid.«
»Tut es nicht.«
»Es tut mir leid, dass du das durchmachen musst. Es tut mir leid, dass du die OP haben musstest. Es tut mir leid, dass du beinahe gestorben wärst.«
Okay, das konnte sie glauben. Aber den Rest? »Es tut dir nicht leid, dass ich aufgeben musste.«
»Nein. Das tut es nicht. Ich bin froh, dass ich mir keine Sorgen mehr darum machen muss, dass du versuchen wirst, ein Baby zu bekommen. Du wirst gesund und stärker werden, und dann überlegen wir, was als Nächstes kommt.«
»Wir?«
»Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben, Hayley.«
Vielleicht nicht. Aber er hatte sie verlassen. Hatte ihre Ehe im Stich gelassen. »Wie soll ich dir vertrauen?«, fragte sie. »Wie soll ich an dich glauben?«
»Ich bin hier.«
»Bis ich irgendetwas tue, das dir nicht gefällt.«
»So war das nicht, und das weißt du. Du warst dabei zu sterben.«
»Aber ich bin nicht gestorben. Du bist gegangen, weil ich nicht das gemacht habe, was du wolltest. Ich weiß nicht, was ich deswegen unternehmen soll.«
»Sprich mit mir.«
Sie schaute zu den neuen Pflanzen. »Was gibt es da noch zu sagen?«
»Das heißt, nach alldem habe ich dich trotzdem verloren?«
»Ich weiß es nicht.«
»Du warst unvernünftig. Niemand ist zu dir durchgedrungen.«
»Du willst also sagen, egal, was passiert, du wirst mich nie wieder verlassen? Ich kann mich auf dich verlassen?«
»Du bittest um blindes Vertrauen.«
Sie sah ihn an. »Genau wie du. Ich soll über das hinwegkommen, was passiert ist, und dich gleichzeitig willkommen heißen, obwohl ich weiß, dass du jederzeit wieder gehen könntest. Ich hatte eine Hysterektomie, Rob. Ich werde niemals Kinder bekommen. Mein Traum ist vorbei und tot, und nun sind wir hier. Du bekommst, was du willst, aber was bekomme ich? Was hat sich für mich verändert? Nichts.«
»Das denkst du also? Dass ich keine Kinder haben will?«
»Nicht so sehr wie ich.«
Er musterte sie lange. »Du hast recht. Ich wollte sie nicht so sehr wie du. Ich war nicht gewillt, dich sterben zu lassen. Wenn mich das zu einem schlechten Menschen macht, kann ich damit leben.«
Eines der Kennzeichen einer erfolgreichen Ehe war die Fähigkeit, fair streiten zu können. Das stand in jedem Zeitschriftenartikel, in jedem Buch. Gabby wusste, dass es stimmte. Und dass es wichtig war, dass beide Parteien stets respektvoll blieben. Jeder sollte offen reden können und wissen, dass ihm zugehört wurde. Es sollte davon ausgegangen werden, dass beide Seiten nur das Beste wollten. Die Stimmen sollten ruhig bleiben, man sollte seine Meinung und die Fakten miteinander teilen, um dann einen Konsens zu erreichen. Weil es einfach das Richtige war.
Nur wollte Gabby nicht das Richtige tun. Sie wollte immer noch schreien und mit dem Fuß aufstampfen. Sie wollte Andrew mit einem Stock in die Brust piken. Nicht, um ihn schwer zu verletzen – eine kleine, leicht entstellende Wunde würde ihr reichen.
Da sie das aber nicht tun würde, bereitete sie ihre Argumente sorgfältig vor. Sie hatte sie alle niedergeschrieben und an ihrer Zen-Atmung gearbeitet. Zumindest soweit das jemand konnte, der keine Ahnung von Zen hatte.
Am Vorabend war Andrew von seiner Geschäftsreise nach Hause gekommen. Sie hatten beschlossen, ihre Unterhaltung auf den Morgen zu verschieben, wenn sie beide ausgeschlafen und die Kinder im Camp waren. Denn egal, welche Krise gerade anstand, das Leben ging weiter.
Während Andrew tief und ruhig neben ihr geschlafen hatte, hatte Gabby sich hin- und hergewälzt. Jetzt waren die Kinder aus dem Haus, und sie saß in Andrews Büro und schaute den Mann an, den sie liebte.
Sie sagte sich, dass sie das durchstehen würden. Aber ehrlich gesagt war sie sich dessen nicht mehr so sicher.
»Andrew, ich denke, du verstehst, dass wieder zu arbeiten für mich sehr wichtig ist«, fing sie in neutralem Ton an. »Du hast mich darin immer unterstützt.«
»Ich bin froh, dass du das so siehst. Ich weiß, du liebst die Zwillinge und wolltest mit ihnen zu Hause bleiben, aber du liebst es auch zu arbeiten. Den ganzen Tag mit den Kindern zusammen zu sein war nicht leicht. Du bist eine sehr gute Mutter.«
Kurz überlegte sie, ob sie, was den Ort ihres Gesprächs anging, einen taktischen Fehler begangen hatte. Andrews Büro war zu sehr seine Machtzentrale. Wobei … sie hatte nichts Entsprechendes im Haus. Sollten sie sich etwa in der Küche unterhalten?
Wenigstens hatte sie die Haustiere auf ihrer Seite. Boomer lag ausgestreckt neben ihr, den Kopf auf ihren Schoß gebettet, während Jasmine es sich auf der Sofalehne gemütlich gemacht hatte. Das war nur ein kleiner Trost, aber sie würde alles nehmen, was sie kriegen konnte.
»Danke.« Sie lächelte und warf einen Blick auf ihre Notizen. »Andrew, ich muss arbeiten. Ich liebe unsere Mädchen, aber ich kann nicht für immer zu Hause bleiben. Ich muss mein Gehirn benutzen. Ich brauche Herausforderungen, die nichts damit zu tun haben, die Zwillinge zu beschäftigen und ihnen die Farben beizubringen. Ich brauche mehr.«
Seine dunklen Augen wirkten warm, als er langsam nickte. »Ich weiß, Gabby. Ich habe sehr viel darüber nachgedacht. Du gibst alles auf. Ich wünschte, es wäre anders. Das meine ich ernst. Wenn ich mit Makaylas Baby zu Hause bleiben könnte, würde ich es tun. Immerhin wäre ich jetzt mal dran, nicht wahr? Aber du verdienst nicht annähernd genug, um unsere Familie zu versorgen.«
Er klingt so rational, dachte sie verbittert. So nach »Ich bin genauso wie du«.
»Natürlich verdiene ich nicht genug. Als wir uns kennenlernten, habe ich für eine Non-Profit-Organisation gearbeitet, und jetzt bin ich seit fünf Jahren raus aus dem Beruf.« Selbst wenn sie einen Job in einer großen Anwaltskanzlei bekommen würde, müsste sie ganz unten anfangen. Andrew war Senior-Manager in einer erfolgreichen Firma. Seine Erfahrungen wurden ihm gut bezahlt.
»Ich sage nur, dass es keine Option ist, dass ich zu Hause bleibe.«
»Das habe ich verstanden«, sagte sie bitter. »Du kannst der Held sein, während ich die Zicke bin, die nicht auf die Stimme der Vernunft hört.«
»Gabby! Das habe ich nie gesagt.«
»Nein. Musstest du auch nicht. Das ist, als würdest du deine Niere jemandem anbieten, obwohl du weißt, dass du als Spender nicht infrage kommst. Es klingt großartig, ist aber vollkommen risikolos.«
»Das denkst du wirklich von mir? Dass ich das nur sage, aber nicht meine?«
»Ich denke, du willst jedem sagen können, dass du das Richtige getan hast.« Sie beugte sich vor. »Warum bin ich die Einzige, von der erwartet wird zu leiden? Ich bin nicht schwanger geworden, aber mein Leben wird sich verändern.«
»Ich denke, unser aller Leben wird sich verändern.«
»Du weißt, was ich meine. Ja, es wird ein Baby im Haus geben. Das wird uns alle beeinflussen. Aber wenn ich dich richtig verstanden habe, wird Makayla ihr Leben unbelastet von dem Baby weiterführen.«
»Das wird nicht passieren.«
»Wirklich? Also wird sie sich hauptsächlich um das Baby kümmern? Abgesehen von der Zeit, wenn sie in der Schule ist, wird sie es füttern und nachts mit ihm aufstehen? Sie wird die Windeln wechseln und es anziehen, während du oder ich sie beaufsichtigen?«
Er runzelte die Stirn. »So genau habe ich das noch nicht durchdacht. Ist es wirklich nötig, die Details jetzt schon festzulegen?«
»Ja, ist es. Ich will wissen, was du glaubst, wie es ablaufen wird. Ich will wissen, was du glaubst, wofür ich mit dem Baby verantwortlich sein werde. Wie viel ich tue und wie viel sie.« Denn sie alle wussten, dass er es nicht sein würde, doch das konnte sie nicht laut aussprechen.
»Wird von ihr erwartet werden, direkt nach der Schule nach Hause zu kommen, um sich um das Baby zu kümmern? Wird sie ihre außerschulischen Aktivitäten oder die Zeit mit ihren Freundinnen aufgeben müssen?«
Sein Stirnrunzeln vertiefte sich. »Du bist sauer.«
»Ach, das fällt dir erst jetzt auf?« Sie atmete tief ein. »Bitte beantworte meine Fragen.«
»Ich weiß nicht, warum du darauf bestehst, dieses Baby zu einer Bestrafung für sie zu machen.«
Gabby stand auf und trat ans Bücherregal, dann drehte sie sich zu Andrew um. Tränen brannten in ihren Augen, doch sie hielt sie zurück.
»Das tue ich nicht«, sagte sie leise. »Ich versuche wirklich nicht, sie zu bestrafen, Andrew. Aber ich versuche auch, nicht mich zu bestrafen. Makayla hat Entscheidungen getroffen. Das muss für sie Konsequenzen haben. Doch nach deinem Vorschlag bin ich die Einzige, die die Konsequenzen tragen muss. Und das erscheint mir nicht fair.«
»Das Baby wird Teil der Familie sein. Wir werden alle mithelfen. Ich, wenn ich zu Hause bin, Makayla, wenn sie …«
Da war sie. Die ungeschönte Wahrheit. Fett und hässlich und real.
Gabby drehte sich auf dem Absatz um und verließ das Büro. Sie konnte das nicht. Sie konnte sich nicht rational unterhalten. Nicht jetzt. Und nicht über dieses Thema.
Andrew kam auf den Flur hinaus. »Gabby? Was ist los?«
»Du hast es gesagt. Endlich hast du es ausgesprochen. Ich habe es natürlich gewusst. Wie hätte ich auch nicht?«
»Ich habe bei Gott keine Ahnung, wovon du da redest.«
Sie hielt inne und drehte sich zu ihm um. Während sie in die Augen des Mannes schaute, den zu lieben sie geschworen hatte, fragte sie sich, ob ihre Ehe das hier überleben würde.
Während das Problem nicht etwas so Offensichtliches wie eine Affäre oder Spielsucht war, klaffte nun doch ein tiefer Abgrund zwischen ihnen. Es war nicht so sehr das, was Andrew von ihr verlangte. Viel mehr erzürnte sie seine Unfähigkeit, den eigenen Part in diesem Problem zu verstehen.
»Du hast gesagt, Makayla würde helfen«, sagte sie leise. »Nicht, dass es Makaylas Baby ist und ich ihr helfe, sondern andersherum. Soweit es dich betrifft, wird sie das Baby zur Welt bringen und dann mit ihrem Leben weitermachen. Nichts wird sich für sie ändern. Aber für mich ändert sich alles. Das ist falsch, Andrew. Schlimmer noch, du siehst es nicht. Darüber komme ich nicht hinweg. Dass du nicht in der Lage bist, das zu sehen.«