28. Kapitel

Hayley saß im Versammlungsraum der örtlichen Kirche und lauschte den Geschichten, die die anderen erzählten. Shannon hatte ihr von der Gruppe berichtet – Frauen, die versuchten, ein Baby zu adoptieren. Das hier war ihr zweites Meeting, und es war genauso deprimierend wie das erste.

Bisher hatte sie Geschichten von gescheiterten Adoptionsversuchen in verschiedenen Ländern gehört. Von Leihmüttern, die nicht schwanger wurden oder rechtliche Probleme machten. Von IVF-Behandlungen und davon, zuerst ein Pflegekind aufzunehmen.

In den letzten Wochen hatte sie sehr viel im Internet recherchiert, bevor sie der Gruppe beigetreten war. Sie wusste, unzählige Leute wollten ein Baby, und über die staatlichen Kanäle zu gehen, konnte Jahre dauern. Bei einer privaten Adoption ging es darum, die richtigen Leute zu kennen, und sie war nicht sicher, ob das auf Rob und sie zutraf.

Das Meeting endete, und Hayley ging, ohne mit jemandem gesprochen zu haben. Es war Donnerstag, und aus Gründen, die sie nicht erklären konnte, fuhr sie zu Supper’s in the Bag. Vielleicht brauchte sie eine Dosis Morgan, um ihre Welt wieder geradezurücken.

Der Laden würde erst in einer Stunde aufmachen, aber Morgans SUV stand schon vor dem Eingang. Hayley parkte daneben, ging zur Glastür und klopfte. Ein paar Sekunden später tauchte Morgan auf und ließ sie herein.

»Was machst du hier?«, fragte sie anstelle einer Begrüßung.

»Ich dachte, ich komme mal vorbei und sage Hallo.«

»Kannst du reden, während du schnippelst? Ich bin nämlich im Verzug.«

»Klar.«

»Ich nehme an, du willst deinen alten Job nicht zurück?«, fragte Morgan.

»Nicht wirklich.«

»Ja. Das dachte ich mir. So viel Glück habe ich nicht.«

Morgan schloss die Tür ab, und gemeinsam gingen sie zu den Tischen, an denen die Vorbereitungen stattfanden. Hayley wusch sich die Hände, zog sich Handschuhe über und gesellte sich zu ihrer Schwester, die gerade Gemüse in verschiedene Schüsseln füllte.

»Wie läuft’s mit Brent?«

Morgan rümpfte die Nase. »Gut. Er nervt mich. Er ist ein Mann, und ich sage mir, er kann nicht anders. Die Kinder laugen mich aus. Ich muss hier mal weg.«

»Du warst doch gerade weg.«

»Für drei Tage.«

»Wie viel Zeit willst du dir denn freinehmen?«

»Ich weiß nicht. Ein Jahr?«

Hayley starrte ihre Schwester an. »Du bist eine Idiotin.«

Morgan starrte zurück. »Hey, wag es bloß nicht, so mit mir zu sprechen. Du bist diejenige, die hergekommen ist. Ich habe dich nicht darum gebeten.«

Sie fuhr mit ihrer Tirade fort, aber Hayley hörte nicht zu. Sie kannte den Trick: ablenken und angreifen. Nur nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Aber das machte ihre Schwester immer. Sie ignorierte die Frage und veränderte den Fokus. Das war clever, wenn auch nicht sonderlich hilfreich. Denn auch wenn sie so vielleicht nicht über Morgans Probleme sprachen, war ihre Schwester am Ende des Tages trotzdem noch unglücklich.

»Ist das Rumgezicke eine schlechte Angewohnheit von dir, oder widert dich dein Leben wirklich so an?«, unterbrach Hayley die Tirade.

»Wie bitte?«

»Ich weiß, dass du die Frage verstanden hast. Dein Gehör ist nämlich vollkommen in Ordnung.«

Morgan riss die Augen auf. »Was ist nur in dich gefahren?«

»Ich bin es leid, diese Spiele zu spielen. Du bist meine Familie, und ich will, dass wir uns nahestehen, aber ich werde mir deinen Mist nicht mehr gefallen lassen. Sei nett, oder wir beide sind fertig miteinander.«

»Das hast du nicht zu bestimmen.«

»Oh doch. Zumindest, was mich angeht.« Hayley nahm einen kräftigenden Atemzug. »Brent könnte nicht liebevoller zu dir sein. Warum schätzt du ihn nicht mehr?«

»Ich schätze ihn doch«, murmelte Morgan und widmete sich wieder dem Gemüse. »Warum musst du so eine große Sache daraus machen? Das ist ermüdend. Liegt das an der OP? Nimmst du immer noch Pillen?«

»Und du tust es schon wieder – du weichst der Frage aus. Das hast du schon immer getan, oder? In schwierigen Unterhaltungen ausweichen. Bist du deshalb nie wirklich erwachsen geworden?«

Morgan zeigte auf die Tür. »Raus.«

Hayley schüttelte den Kopf. »Nein. Du bist nicht meine Chefin. Wir werden diese Unterhaltung führen, ohne dass du schreist oder dich wie eine Irre benimmst. Beantworte einfach meine Frage.«

»Welche?«, kreischte Morgan. »Welche gottverdammte Frage?«

»Bist du glücklich mit deinem Ehemann und den Kindern?«

»Ja!«

Das Wort kam scharf und laut heraus, aber Hayley hörte die Wahrheit darin und lächelte. »Das freut mich. Du hast Glück. Du hast irgendwie alles.«

Morgan öffnete den Mund und schloss ihn wieder. »Ich hasse dich«, murmelte sie dann.

»Nein, tust du nicht. Du liebst mich. Auf deine verdrehte Art.«

»Du nervst.«

»Du auch.«

Morgan nahm eine Tüte mit Brokkoliröschen in die Hand. »Ich fühle mich aber nicht so, als hätte ich Glück. Ich bin dauernd am Kämpfen. Ich habe keine Sekunde für mich. Weißt du, wie viel Wäsche ich in einer Woche waschen muss?«

»Du solltest das wertschätzen, was du hast.«

Zu ihrer Überraschung nickte Morgan. »Ich weiß. Es tut mir leid. Du bist immer noch traurig wegen der Hysterektomie, oder?«

Traurig trifft es nicht ganz, dachte Hayley. Aber für diese Unterhaltung reichte es.

»Ja. Jeden Tag. Ich versuche, nicht daran zu denken, aber es ist immer da.«

»Werdet ihr ein Kind adoptieren?«

»Ich denke darüber nach. Aber eine Adoption ist nicht leicht. Vor allem für Babys gibt es lange Wartelisten.«

»Was ist mit Gabbys Stieftochter? Die ist doch schwanger. Will sie ihr Kind zur Adoption freigeben?« Morgan hielt inne. »Vergiss es. Das wäre zu schwer. Ihr wohnt im gleichen Viertel. Du würdest nie das Gefühl haben, dass das Baby deins ist, oder?«

»Wow, das ist ziemlich verständnisvoll von dir.«

»Ich bin nicht verständnisvoll.«

»Nein. Du bist egoistisch und zickig.«

Morgan zog eine Augenbraue in die Höhe. »Besser als scheinheilig und selbstgefällig.«

»Ich bin nicht selbstgefällig.«

»Bist du doch. Ständig. Schließlich hast du ja die perfekte Ehe mit einem perfekten Mann. Und dazu noch die perfekten Freundinnen. Aber ich liebe dich trotzdem.«

Hayley konnte sich nicht erinnern, das jemals zuvor von ihrer Schwester gehört zu haben. »Ich liebe dich auch.«

Morgan funkelte sie an. »Ich bin nicht daran interessiert, einer dieser absolut grauenvollen Menschen zu werden, der anderen immer sagt, dass er sie liebt. Nur damit das klar ist.«

Hayley grinste. »Kein Problem. Solange wir beide nicht vergessen, dass du es zuerst gesagt hast.«

»Du bist so eine Nervensäge.«

»Gleichfalls. Und jetzt gib mir den Sellerie.«

Nicole reichte den mit Tortenguss verzierten Cupcake weiter, und Jairus gab ein paar Streusel darauf, bevor er ihn zu den anderen stellte. Tyler bekam am nächsten Tag Besuch von ein paar Freunden, und Nicole wollte das Backen heute schon hinter sich bringen. Jairus hatte angeboten, ihr zu helfen.

Er musterte die fertigen Cupcakes. »Schick. Wir sind ein gutes Team.«

»Wenn du nur Fenster putzen könntest«, zog sie ihn auf. »Dann wäre es perfekt.«

»Ich habe die Nummer von einer guten Fensterputzfirma. Zählt das auch?«

»Leider nein.«

Sie trug die leere Tortenguss-Schüssel zur Spüle und ließ Wasser einlaufen. Von den zwölf Cupcakes waren acht für morgen und vier für sie. Nun ja, drei und einer extra, den sie Jairus mit nach Hause geben wollte.

Denn obwohl sie nun seit ein paar Wochen ein Paar waren, blieb er nicht über Nacht. Da war Nicole noch vorsichtig. Egal, wie sehr sie Jairus’ Gesellschaft genoss, sie wollte nicht, dass Tyler sich zu sehr an ihn gewöhnte – für den Fall, dass es nicht funktionierte.

Immer wenn sie sich bei dem Gedanken ertappte, dass sie eine echte Chance hatten, dass das hier etwas Besonderes war, erinnerte sie sich daran, was mit Eric passiert war. Eric, der so wenig Interesse an seinem Sohn hatte, dass er gewillt war, seine väterlichen Rechte komplett abzutreten.

Nicole war bei einer Anwältin gewesen und hatte mit ihren Freundinnen gesprochen, doch trotzdem hatte sie noch keine Antwort gefunden. Nächste Woche würde sie mit einer Kinderpsychologin reden, um zu hören, was die für richtig hielt. Eric zu zwingen, ein Vater zu sein, wenn er es nicht wollte, war nicht richtig. Aber ihn einfach abtauchen zu lassen … war das so viel besser?

Sie wollte glauben, dass sie seine Meinung ändern konnte. Dass er diese Entscheidung eines Tages bedauern würde. Aber sie war nicht sicher, ob sie sich nicht nur etwas vormachte.

»Woran denkst du?«, fragte Jairus sanft.

»An die Sache mit Eric. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Und bisher hat niemand eine Antwort für mich gehabt.«

»Du suchst nach jemandem, der dir sagt, was du sagen musst, um Erics Meinung zu ändern. Du glaubst, es gibt spezielle Worte, die ihn in jemanden verwandeln, der so viel Zeit wie möglich mit seinem Sohn verbringen will.« Er legte einen Arm um sie. »Das ist wirklich nett von dir, aber es wird nicht passieren. Eric ist, was er ist.«

»Ein egoistischer Arsch?«

»Ja, das trifft es ziemlich gut.«

Sie wusste, dass Jairus recht hatte. Es gab keine Zauberformel. Es gab nur das, was für Tyler am besten war.

»Wo wir gerade von meinem Sohn reden – er ist verdächtig lange verdächtig ruhig.« Sie machte sich auf in Richtung Kinderzimmer.

Jairus folgte ihr. »Er hat gesagt, er wolle an ein paar Zeichnungen arbeiten.«

»Dank dir ist er inzwischen wirklich gut darin, Brad zu malen.«

»Vielleicht hat er eine Zukunft als Cartoonist.«

»Mein Sohn als Azubi im Brad-Imperium? Ich weiß nicht, wie ich das finden soll«, erwiderte sie lachend. »Dieser Drache verfolgt mich schon jetzt überall.«

»Er ist ein guter Kerl, und du kommst damit klar.«

Sie betraten Tylers Zimmer. Er saß an seinem kleinen Tisch, um sich herum lauter Wachskreiden. An der Wand strahlte das beinahe vollendete Wandgemälde in bunten Farben. Ein wirklich beeindruckendes Kunstwerk, dachte Nicole. Das hier war ein Geschenk von jemandem, der Kinder aufrichtig mochte. Jairus würde sein Kind nie im Stich lassen, sondern immer hundert Prozent geben.

»Woran arbeitest du gerade?«, fragte sie ihren Sohn.

Tyler grinste sie an. »Ich habe ein Bild von uns allen gemalt«, sagte er stolz und zeigte es ihnen.

Das Bild war eindeutig. Tyler und Nicole standen mit Jairus und Brad zusammen, und sie hielten einander alle an den Händen.

»Wie toll.« Sie ging neben ihm in die Hocke. »Die Farben gefallen mir besonders gut.«

Brad war in seinem üblichen Rot, während die anderen normale Kleidung anhatten.

»Du wirst jedes Mal besser«, versicherte Jairus ihm. »Die Bäume im Hintergrund sind super.«

»Danke.« Tyler zeigte auf die Zeichnung. »Hast du gesehen, dass wir eine Familie sind, Mommy? Du und ich und Jairus und Brad. Brad ist wie mein Bruder.«

Nicole nickte und lächelte. Was sie nur tat, weil sie sich nicht rühren konnte, aber schon vor Tylers letztem Satz gelächelt hatte. Ein Gefühl der Kälte breitete sich in ihr aus. Es machte sie ganz taub und so schwer, dass sie sich wie eine Statue anfühlte. Nur ihre Gedanken rasten. Stolperten übereinander.

Bedauern. Angst. Das Wissen, dass sie diese Katastrophe hätte kommen sehen müssen.

Sie war so sehr darauf bedacht gewesen, alles leicht und unverbindlich zu halten. Tyler nicht wissen zu lassen, dass sie und Jairus sich ineinander verliebt hatten. Aber ihr Sohn hatte es nicht hören müssen, um es sich vorzustellen. Denn auch wenn er seinen Vater vielleicht nicht vermisste, war es natürlich, dass er eine Vaterfigur in seinem Leben haben wollte.

Nicole versuchte, sich einzureden, dass nichts Schlimmes passiert war. Jairus würde ihrem Sohn niemals wehtun. Doch was wäre, wenn die Beziehung irgendwann zerbrechen würde? Tyler wäre am Boden zerstört. Das hatte sie ihm ersparen wollen – und kläglich versagt. Sie hatte ihren Sohn in Gefahr gebracht. Und das nur, weil sie Jairus sexy fand.

Jairus zog sie auf die Füße. »Wir haben Cupcakes.« Seine Miene war angespannt, aber seine Stimme freundlich. »Soll ich dir einen bringen?«

Tyler nickte. »Oh ja, gerne. Danke.«

Jairus zog Nicole auf den Flur hinaus und dann in die Küche.

»Tu das nicht«, flüsterte er eindringlich. »Es hat sich nichts verändert. Interpretiere nicht mehr in das Bild hinein, als da ist. Ich liebe dich, Nicole. Ich werde nirgendwohin gehen.« Er fasste sie an den Oberarmen und schaute ihr in die Augen. »Unternimm nichts. Bitte. Ich liebe dich.«

Sie nickte. »Ich weiß. Ich liebe dich auch.«

»Dann lass zu, dass das reicht.«

Darauf erwiderte sie nichts. Denn das hier war weder der Zeitpunkt noch der Ort für diese Unterhaltung. Doch sie wusste, was sie wusste: Auf lange Sicht reichte es nicht, jemanden zu lieben.

Am Freitagnachmittag arbeitete Gabby lange. Die Zwillinge hatten eine Verabredung, was bedeutete, sie konnte ein paar Extrastunden im Büro einlegen. Etwa fünfzehn Sekunden vor der Magen-Darm-Grippe war sie auf dem aktuellen Stand gewesen. Nun musste sie wieder Arbeit mit nach Hause nehmen, um dann in zwei Wochen vielleicht ansatzweise wieder auf dem neuesten Stand zu sein.

Sie war erschöpft, weil sie jede Nacht nur vier bis fünf Stunden Schlaf bekam. Ihr Chef hatte sie sehr dafür gelobt, was sie alles leistete, und er hatte angedeutet, dass er Gabby gerne eine Vollzeitstelle anbieten würde. Der Gedanke daran, noch mehr Verantwortung zu übernehmen, hatte sie beinahe zum Weinen gebracht.

Wenn sie vierzig Stunden arbeiten musste, um zwanzig Stunden bezahlt zu bekommen, was würde es dann bedeuten, für den Output von vierzig Stunden verantwortlich zu sein? Eine Achtzigstundenwoche? Zum halben Gehalt? Wenn ihr Job sie begeistert hätte, hätte es ihr vermutlich gar nicht so viel ausgemacht. Aber das tat er nicht. Sie wollte sich auf das freuen, was sie machte. Sie wollte sich darauf freuen, ins Büro zu gehen. Und verdammt, sie wollte für ihre Arbeit bezahlt werden.

Da es in ihrem Auto trotz der gründlichen Reinigung immer noch nach Erbrochenem roch, ließ sie es mit heruntergelassenen Fenstern auf der Einfahrt stehen und ging ins Haus.

Fünf Sekunden lang herrschte selige Stille im Wohnzimmer. Einfach nur ihr eigener leiser Atem. Dann bellte Boomer irgendwo im Haus, und die Zwillinge kamen angerannt, um sie zu begrüßen. Sie umarmte die beiden.

»Wann seid ihr denn nach Hause gekommen?«, fragte sie. »Ich dachte, ich sollte euch um fünf abholen.«

»Daddy hat Cece geschickt, um uns abzuholen«, erklärte Kennedy ihr. »Sie bleibt heute über Nacht bei uns.«

Wie bitte? Cecelia? Das bedeutete ja, dass Andrew heute mit ihr ausgehen wollte. Hatte sie irgendeine Veranstaltung vergessen? Ein geschäftliches Treffen oder eine Wohltätigkeitsveranstaltung, für die sie sich hübsch machen musste?

Bei dem Gedanken wollte sie sich auf dem Teppich zusammenrollen und schluchzen. Sie war todmüde. Und sie hatte sich noch immer nicht ganz von der Krankheit erholt, bevor sie sich wieder kopfüber in ihr Leben gestürzt hatte. Es kam ihr vor, als hätte sie ihre Kinder seit Wochen nicht gesehen. Sie wollte sich einfach mit ihnen hinsetzen und ihnen etwas vorlesen, mit Makayla und den Zwillingen Kekse backen. Wo sie gerade an Makayla dachte – da war immer noch nichts geklärt. Und jetzt sollte sie ausgehen? Das hätte auf ihrer Prioritätenliste nicht weiter unten stehen können.

»Wo ist euer Dad?«, fragte sie.

»In seinem Büro.«

Gabby ließ Hand- und Einkaufstasche auf dem Sofa stehen und ging den Flur hinunter. Alle trotteten ihr hinterher, einschließlich Jasmine, die die Parade anführte und miaute, um hochgehoben zu werden.

Gabby gab nach. Das weiche Fell zu streicheln, half ihr immer, sich besser zu fühlen. Und das sanfte Schnurren sorgte dafür, dass ihre Anspannung nachließ. Sie betrat Andrews Büro.

Ihr Mann hob den Kopf. »Du bist zu Hause. Wie war dein Tag?«

»Gut. Warum kommt Cecelia heute?«

Er erhob sich lächelnd. »Ich führe dich zum Essen aus. Du hast in letzter Zeit so hart gearbeitet. Ich dachte, du könntest mal eine Pause gebrauchen.« Er zwinkerte den Zwillingen zu. »Es sollte eine Überraschung sein. Danke, Mädchen, dass ihr es Mommy nicht erzählt habt.«

»Ja, danke, Mädchen«, sagte sie. »Könntet ihr bitte mal nach Makayla sehen? Wir wollen morgen doch zusammen backen. Fragt sie bitte, ob sie mitmachen will.«

Bei der Aussicht auf eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen grinsten die Zwillinge breit. Dann rannten sie den Flur hinunter, dicht gefolgt von Boomer. Gabby hielt Jasmine weiter auf dem Arm, während sie die Bürotür schloss und sich zu ihrem Ehemann umdrehte.

»Hi«, sagte sie angespannt. »Ich will keine Überraschungen mehr. Das meine ich nicht böse, Andrew. Ich kann nur nicht mehr.« Sie dachte an das Angebot einer Vollzeitstelle und wusste, dass jetzt nicht der Zeitpunkt war, um darüber zu sprechen.

»Willst du nicht essen gehen?«, fragte er. »Tut mir leid. Ich wollte dir nur helfen.«

»Ich weiß.« Sie seufzte. »Hör mal, das ist wirklich süß von dir, und ich weiß die Mühe zu schätzen, aber ich habe eine Frage. Warum buchen wir Cecelia?«

»Weil die Zwillinge zu jung sind, um allein zu bleiben.« Er runzelte die Stirn. »Ich …« Es dämmerte ihm. »Das ist nicht wirklich deine Frage, oder? Du willst wissen, warum Makayla nicht ab und zu auf sie aufpasst?«

»Ja. Sie ist fünfzehn. Und ihre Schwester. Sie soll ein Teil der Familie sein. Also muss sie auch mal mithelfen. Ich will mich nicht beschweren, es läuft in letzter Zeit besser. Ich weise nur darauf hin, dass sie mehr tun könnte.«

Gabby setzte die Katze ab und sah wieder ihren Mann an. »Andrew, mir geht es nicht gut. Die Zwillinge und das Baby, meine Arbeit und deine Geschäftsreisen – ich werde ständig in siebenundvierzig Richtungen gezogen. Ich brauche eine Pause. Ich brauche Hilfe. Ich schaff das nicht allein.«

»Also soll ich Cecelia absagen.«

Gabby wollte schon Ja sagen, schüttelte dann aber den Kopf. »Nein. Sie soll kommen. Und bestell Pizza für alle.«

»Ich verstehe das nicht. Gehen wir nun doch aus?«

»Nein. Ich gehe ins Bett. Ich muss schlafen. Du kannst dich mit Cecelia um die Zwillinge kümmern. Ich beschäftige mich morgen wieder mit allen.« Sie wandte sich zum Gehen, drehte sich dann aber noch einmal um. »Weißt du, was die Tiere zu fressen bekommen?«

»Äh …«

Es ist nicht seine Schuld, sondern meine, sagte sie sich. Weil sie nie um mehr gebeten hatte. Weil sie ihm keine Verantwortung übergeben hatte. Das ist wie mit Makayla, dachte Gabby. Auch an sie hatte sie nie irgendwelche Ansprüche gestellt – immerhin war sie Andrews Tochter.

Aber nicht seine einzige Tochter, dachte sie. Die Dinge hatten sich verändert, und sie würden sich noch mehr verändern. Es gab so viel, worüber sie nachdenken musste, aber das konnte alles bis zum nächsten Morgen warten.

»Makayla weiß es. Frag sie.«

»Gabby, geht es dir gut?«

»Das wird schon wieder. Gönn mir einfach diesen einen Abend«, erwiderte sie. »Bitte. In zwölf Stunden ist alles wieder in Ordnung.«

Sie ging, bevor er noch etwas sagen konnte. Nachdem sie ihren Pyjama angezogen hatte, zog sie die Vorhänge im Schlafzimmer zu, schaltete den Deckenventilator an und kletterte ins Bett. Aus der Ferne drangen Unterhaltungsfetzen an ihr Ohr. Sie stellte sich vor, dass Kennedy fragte, warum Mommy nicht bei ihnen war. Das Bedürfnis zu schlafen kämpfte mit dem Drang, ihre Tochter zu trösten. Gleich, sagte sie sich, gleich stehe ich auf und rede mit meiner Tochter.

Als Gabby das nächste Mal die Augen öffnete, war es zwei Uhr nachts, und sie musste mal dringend. Danach kehrte sie ins Bett zurück. Gefühlte Sekunden später war es halb acht, und das Licht drang durch den Spalt in den Vorhängen.

Sie rollte sich auf den Rücken und streckte sich. Ich fühle mich besser, stellte sie fest. Nicht toll, aber definitiv auf dem Weg der Besserung. Ihr Körper schmerzte nicht mehr so sehr. Und ihr Kopf war wesentlich klarer.

Andrews Bettseite war leer. Stattdessen lag Jasmine auf seinem Kissen. Gabby wusste, dass er nachts da gewesen war, also machte sie sich keine Sorgen, dass er auf dem Sofa geschlafen hatte. Trotzdem war es ungewöhnlich, dass er zuerst aufstand.

Sie schlüpfte in ihren Morgenmantel, putzte sich die Zähne und ging nach unten. Von dort hörte sie das Lachen der Zwillinge und das leise Summen des Fernsehers. Als sie in die Küche kam, sah sie, dass die Mädchen bereits angezogen waren. Andrew auch, aber er hatte noch nicht geduscht. Auf dem Tisch stand ein offener Karton mit Donuts, dazu ein paar Pappbecher mit Kaffee und heißer Schokolade.

»Guten Morgen«, sagte Andrew, als er sie sah. »Wie geht es dir?«

»Mommy!«

Die Zwillinge kamen zu ihr und schlangen ihre Arme um sie. Gabby erwiderte die Umarmung und genoss das Gefühl der kleinen Körper so nah an ihrem. Meine Babys, dachte sie glücklich. Sie waren das, was zählte. Ihre Kinder und ihr Ehemann.

Sie ging zu Andrew und gab ihm einen Kuss auf den Mund. »Sehr viel besser. Vielen Dank, dass du mich hast schlafen lassen. Das habe ich gebraucht.«

»Das habe ich gemerkt. Du hast dich die ganze Nacht kaum gerührt. Ich hab immer wieder geguckt, ob du noch atmest.«

»Hattest du Angst, ich würde dich mit alldem hier allein lassen?«, zog sie ihn auf.

Andrew erwiderte ihr Lächeln nicht. »Nein. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Ich liebe dich.«

Diese Aussage überraschte sie. Sie streckte die Arme für eine Gruppenumarmung mit den Mädchen aus.

Nach dem Frühstück duschte Andrew schnell und ging dann mit den Zwillingen in den Park. Makayla kam gegen neun Uhr herunter. Gabby saß gerade am Küchentisch und plante die Mahlzeiten der kommenden Woche.

»Hey«, sagte sie und hob den Kopf. »Wie geht es dir?«

»Es tut mir leid«, sagte Makayla. »Ich meine, dass ich nicht mehr helfe. Dad hat gestern Abend mit mir gesprochen.« Sie wandte kurz den Blick ab. »Ich habe nicht absichtlich nicht geholfen. Ich liebe Kenzie und Kennedy, weißt du. Sie sind so süß und lustig. Aber selbst wenn sie das nicht wären, würde ich helfen wollen.« Sie reckte das Kinn. »Ich gehöre auch zu dieser Familie.«

Tausend Gedanken schossen Gabby durch den Kopf, und sie erkannte, dass Makayla nicht sicher war, wo sie hingehörte. Die Ablehnung durch ihre Mutter war ein herber Schlag gewesen, und mit dem Baby und ohne Freunde und ohne Boyd war sie wirklich allein.

Gabby nahm ihre Hand und drückte sie. »Nein, mir tut es leid. Ich liebe dich. Ich hoffe, das weißt du. Und es tut mir leid, dass ich das nicht oft genug gesagt habe.« Oder überhaupt einmal, dachte Gabby und fühlte sich schrecklich. »Makayla, wir beide haben zusammen viel durchgemacht. Du warst das erste Kind in der Familie. Mit dir habe ich gelernt, eine Mutter zu sein. Ich weiß, ich habe viele Fehler gemacht.« Sie lächelte. »Und du hast recht. Wir sind eine Familie, und manchmal ist das chaotisch und manchmal nervig, aber es ist für immer. Dein Dad und ich werden immer für dich da sein.«

Makaylas Augen füllten sich mit Tränen. »Ich weiß. Es ist nur … Im Moment ist alles so schrecklich. Gabby, bitte zwing mich nicht dazu, dieses Baby zu bekommen.«

Gabby zog sie an sich. »Es tut mir leid, aber das geht nicht anders. Du bist nicht allein, aber du wirst das Baby zu Ende austragen.«

Makayla weinte heftiger. »Ich will nicht.«

»Ich weiß. Gemeinsam stehen wir das durch.«

Makayla richtete sich auf und wischte sich die Tränen ab. »Das ist echt schwer.«

»Ich weiß.« Gabby zögerte. »Ist es dir ernst damit, dass du das Baby nicht behalten willst?«

Makayla nickte. »Ich möchte es zur Adoption freigeben.«

»Wenn du das tust, musst du dir ganz sicher sein. Du kannst nicht einem anderen Paar Hoffnungen machen und das Baby dann in letzter Sekunde doch behalten.«

»Ich bin fünfzehn. Ich will wieder ein normales Leben haben. Ich will in die Schule gehen und mit meinen Freundinnen abhängen und meine Hausaufgaben machen. Das kann ich mit einem Baby nicht. Ich kann es ja nicht einmal jetzt.«

»Hast du darüber schon mit deinem Dad gesprochen?«

Makayla senkte den Kopf. »Ich dachte, vielleicht könntest du mit ihm reden.«

»Das mache ich. Und dann gehen wir gemeinsam zu einem Anwalt. Du kannst dir eine Familie aussuchen, wenn du willst. Also die Eltern des Babys.«

»Ich will nichts damit zu tun haben. Ich will einfach, dass das alles nie passiert ist.«

»Okay. Wenn dein Dad wieder zu Hause ist, spreche ich mit ihm.«

Makayla nickte, schnappte sich einen Donut und ging wieder nach oben. Gabby sah ihr nach. Sie verstand die Hoffnung des Mädchens, dass nach der Geburt alles wieder so sein würde wie zuvor. Aber so einfach war das im Leben nicht. Es würde Komplikationen geben. Auch darüber würde Gabby mit Andrew reden. Makayla brauchte jetzt keinen Elternkurs mehr, sondern eine psychologische Betreuung. Vielleicht brauchten sie die alle.

Später, als Makayla draußen mit den Zwillingen spielte, ging Gabby in das Büro ihres Mannes.

Er stand auf und setzte sich zu ihr aufs Sofa.

»Wie geht es dir?«, fragte er.

»Gut. Ich war müde, aber jetzt fühle ich mich besser.«

Er wirkte nicht überzeugt. »Ich habe Angst, Gabby. Was auch immer passiert, ich will dich nicht verlieren.«

»Bitte, hör auf damit. Ich bleibe bei dir. Wir stehen das gemeinsam durch.«

Nervös fuhr er sich mit der Hand durch die Haare. »Ich war so ein Arschloch. Ich habe versucht, Candaces Ablehnung dadurch wiedergutzumachen, dass ich Makayla alles erlaubt habe. Das hat niemandem geholfen. Sie hat dadurch eine falsche Lektion gelernt, und dich habe ich damit frustriert. Meine Einstellung, was die Schwangerschaft angeht, war vollkommen unvernünftig. Du kannst nicht einfach so dein Leben aufgeben.«

»Lustig, dass du das jetzt sagst.« Wenn das nicht ironisch war.

»Weil sie das Baby aufgeben will?«

Gabby sah ihn verblüfft an. »Woher weißt du das? Sie hat mich gebeten, mit dir zu sprechen, aber bisher hatten wir dafür noch keine Zeit.«

»Sie will lieber, dass du mit mir sprichst, als es selbst zu tun?« Er fluchte. »Okay. Klar. Sie hat Angst, dass ich von ihr enttäuscht bin. Was die Adoption angeht – es war nicht sonderlich schwer zu sehen, worauf das alles hinausläuft. Sie hat keinen Spaß mehr in der Schule, sie hat ihre Freundinnen verloren. Meinst du, wir sollten sie in eines dieser Wohnheime für unverheiratete Mütter schicken? Dort würde sie wenigstens von niemandem verurteilt.«

»Ich glaube, so etwas ist das Letzte, was Makayla jetzt gebrauchen kann«, sagte Gabby entschlossen. »Dann würde sie sich nur noch mehr zurückgewiesen fühlen. Ich denke, wir kriegen das hier hin.«

»Aber wie?«

»Gib mir ein paar Tage, um es mir zu überlegen.« Sie schaute den Mann an, den sie liebte, und wusste, dass er nicht der Einzige war, der es vermasselt hatte. »Ich habe mich auch falsch verhalten. Ich hätte mich dir gegenüber mehr behaupten müssen. Ich hätte mehr mit dir reden, mich für mich starkmachen müssen, anstatt dich einfach gewinnen zu lassen.«

»So wie mit den Sitzerhöhungen. Ich dachte, ich wäre nett, aber stattdessen habe ich dich unterminiert. Es tut mir leid, Gabby. Das habe ich so nie gewollt.«

Mit einem tiefen Seufzer rutschte sie näher an ihn heran und schlang die Arme um ihn. Sein warmer, vertrauter Körper spendete ihr Trost. Andrew hatte seine Fehler, aber mit denen konnte sie leben. Im Herzen war er ein guter Mann und Vater, der seine Mädchen liebte.

»Wir werden mehr miteinander reden«, versprach er ihr. »Und ich werde daran arbeiten, nicht mehr automatisch davon auszugehen, dass ich immer recht habe.«

Sie lachte. »Ach, wäre das schön.«

Er gab ihr einen innigen Kuss.

»Heute Nacht?«, fragte er.

Sie lächelte. »Jederzeit.«