Connor war am folgenden Morgen gerade dabei, Nita und Jimmy beim Ausladen des Transporters zu helfen, als Jakes schwarzer Geländewagen in der Einfahrt auftauchte. Da es Jake nicht ähnlich sah, ohne Grund vorbeizuschauen, hatte er zweifellos einen Anruf von ihrem Vater erhalten. „Es ist mein Bruder. Ich werde wohl mit ihm reden müssen“, sagte er zu Nita.
„Geh nur. Wir machen das hier fertig, und dann werde ich mich ums Mittagessen kümmern.“
Connor ging zum Auto seines Bruders.
Jake stieg aus und wirkte irritiert. „Schau dir dich an.“
Connor sah an sich herunter. „Was ist mit mir?“
„Keine Ahnung. Du siehst irgendwie verändert aus. Deine Haare sind länger.“
Er strich sich durch die Haare, die schon seit sechs Wochen nicht mehr geschnitten worden waren. „Ja, ich hatte keine Zeit, zum Friseur zu gehen. Vielleicht werde ich sie künftig ein bisschen länger tragen.“
„Es ist nicht nur das. Du siehst entspannt und glücklich aus.“
„Ich bin glücklich“, sagte Connor.
„Das hat wahrscheinlich eine Menge mit Vaters Anruf gestern Abend zu tun.“
Connor verzog das Gesicht. Er hätte wissen müssen, dass sein wütender Vater bei jemand anderem Dampf ablassen würde, nachdem er gestern Abend sein Handy ausgeschaltet hatte. „Ja, es tut mir leid. Ich hätte dich anrufen und warnen sollen.“
Jake lehnte sich gegen die Motorhaube. „Also hast du ihm endlich Bescheid gestoßen.“
Connor war sicher, Bewunderung in den Augen seines Bruders zu erkennen. „Nein, nicht in dem Sinne. Ich habe ihm lediglich gesagt, dass ich nicht mehr in der Firma arbeiten werde. Ich bin nicht lange genug am Telefon geblieben, um mir seine Tiraden anzuhören. Denn ich hätte meine Meinung ohnehin nicht geändert. Also habe ich mein Handy ausgeschaltet.“
„Das erklärt natürlich, warum er mich angerufen hat.“
„Entschuldige, dass du das ausbaden musstest.“
Jake zuckte mit den Schultern. „Du weißt ja, dass alles, was er sagt, so ziemlich an mir abprallt. Aber ich bin noch aus einem anderen Grund hier. Gavin hat mich darüber informiert, dass Malcolm Durmorr als Hilfspfleger im Krankenhaus Dienst hatte, als Jonathan Devlin die Injektion bekam. Später wurde er auf Empfehlung von Opal Devlin entlassen, die Mitglied im Aufsichtsrat ist.“
„Was bedeutet, dass er mit den Devlins eine Rechnung offen hat. Er hätte also ein Interesse daran, dass die Familienfehde weitergeht?“
„Das ist eine Möglichkeit. Er ist ja bereits mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Und er ist oft mit Gretchen gesehen worden. Sie hat doch ein Pferd hier untergebracht, nicht wahr?“
Connor nickte. „Nita sagt jedoch, dass sie es nicht reitet. Sie war nur einige Male da, um nach dem Pferd zu sehen.“
„Vielleicht ist sie in Begleitung von Durmorr hier gewesen.“
„Denkst du, Gretchen ist in die Sache verwickelt?“
„Das würde ich gern, aber ich bin befangen. Ich will die Wahl gewinnen, jedoch mit fairen Mitteln. Wir müssen erst alle Fakten haben, bevor wir anfangen können, mit dem Finger auf jemand zu zeigen. Ich verliere sonst meine Glaubwürdigkeit.“
„Nita hat nie erwähnt, dass Durmorr mal hier gewesen ist. Aber ich werde sehen, was ich in Erfahrung bringen kann.“ Connor lehnte sich an das Auto. „Dad war bestimmt stinksauer, oder?“
„Zuerst war er eher erstaunt. Er ist es gewohnt, dass du tust, was er dir aufträgt. Aber nach ein paar Minuten ist er sehr wütend geworden. Er erwartete, dass ich deinen Posten übernehme und alles andere stehen und liegen lasse. Als ich mich weigerte, hat er fast einen Schlaganfall bekommen.“
„Wahrscheinlich sollte ich mich schuldig fühlen, aber das tue ich nicht. Es kümmert mich nicht mehr, was er denkt. Ich weiß nicht, warum es das jemals getan hat.“ Er seufzte tief. „Das stimmt nicht. Es war mir nicht egal, weil ich eifersüchtig auf dich war. Du warst immer Vaters Liebling. Egal, was du auch angestellt hast, du hast immer irgendwie gut ausgesehen. Und ich habe stets alles getan, worum unser Vater mich gebeten hat. Doch ich habe nie das Gefühl gehabt, von ihm anerkannt zu werden.“
Jake legte Connor die Hand auf die Schulter. „Das ist der Unterschied zwischen dir und mir. Mir war immer egal, was er dachte. Ich habe in meinem Leben viele Fehler gemacht, aber ich bereue nicht viele davon.“
„Als wir noch jung waren, wünschte ich mir immer, ich könnte nur für einen Tag einmal du sein, um zu wissen, wie man sich dann so fühlt.“
„Wahrscheinlich wärst du enttäuscht gewesen.“ Jake lachte. „Mein Leben war nicht halb so aufregend, wie es den Anschein hatte. Ich war so verwirrt und durcheinander wie die meisten anderen Halbwüchsigen. Ich habe es mir nur nicht anmerken lassen. Doch trotz allem ist heute nur wichtig, dass ich genau da bin, wo ich hingehöre. Wie viele Leute können das schon von sich behaupten?“
Connor blickte zu Nita und bemerkte, dass er das genauso empfand. Er konnte es zwar nicht erklären, aber er wusste, dass hier sein Platz war. Alles andere zählte nicht mehr.
„Ich wollte dich fragen, ob du in sie verliebt bist. Aber ich denke, ich kenne die Antwort schon.“
„Sie will keine Beziehung.“
„Was wirst du also tun?“
„Ich werde sie heiraten.“ Connor sah seinen Bruder an und lächelte. „Sie weiß es nur noch nicht.“
Nita wachte auf und spürte hinter sich einen warmen, sehr erregten Männerkörper. Obwohl sie normalerweise lieber das ganze Bett für sich hatte, mochte Connor es, wenn sie eng beieinanderlagen. In den letzten Nächten hatte sie angefangen, sich daran zu gewöhnen, mit ihm in einem Bett zu schlafen. Er ließ ihr auch keine große Wahl. Denn wenn er einmal in ihrem Bett war, verließ er es nicht wieder.
Und jedes Mal, wenn sie andeutete, dass er aufstehen und in sein Zimmer gehen sollte, begann er erneut, sie zu küssen und zu streicheln. Schließlich war sie so erschöpft und zufrieden, dass es ihr egal war, wo er nun schlief. Und sie musste zugeben, dass es ihr gefiel, in seinen Armen aufzuwachen. Außerdem schien es ihn nicht zu kümmern, dass sie morgens ziemlich verschlafen aussah, wenn sie aus dem Bett stieg.
Es gefiel ihr auch, ihn zu betrachten, wenn er schlief. Seine Gesichtszüge wirkten dann weicher, und er sah jünger aus. Und sie mochte es, wie er sie weckte. Denn dann hatte er seine Hände und seinen Mund an all den Stellen, wo sie es besonders gern hatte. Richtig heißen Sex zu haben war für sie definitiv der beste Start in den Tag. In Wahrheit gab es also kaum etwas, das dagegen sprechen würde, mit Connor das Bett zu teilen. Deshalb war es für Nita höchste Zeit, dem so bald wie möglich ein Ende zu machen. Ganz gegen ihre Gewohnheit fing ihr Herz an, ihr die Regeln zu diktieren, und das erschreckte sie, obwohl sie nicht so leicht zu erschrecken war.
Sie schaute auf den Wecker, der in zwanzig Minuten klingeln würde. Also entschied sie aufzustehen. Wenn sie wartete, würde Connor aufwachen und wieder mit seinen Verführungskünsten dafür sorgen, dass sie bis Mittag kaum etwas erledigt hatte. Sie stand leise auf, schnappte sich die Wolldecke vom Fußende des Betts und wickelte sich darin ein. Sie ging zum Fenster und sah, dass heute wieder ein schöner Tag werden würde. Dann bemerkte sie, dass der zweite Transporter vor dem Haus parkte.
Fünf Tage, nachdem ihr Daddy weggefahren war, war er endlich wieder nach Hause zurückgekehrt. Am Samstag hatte er eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen und angekündigt, dass er mit Nita ein Wörtchen zu reden hätte, wenn er wieder zu Hause wäre. Das bedeutete, dass er ihr auf die Schliche gekommen war.
Sie hatte sich Sorgen gemacht, dass etwas Schreckliches passiert war, und hatte ihrem Daddy viele Male auf die Mailbox gesprochen. Doch er hatte sie nicht zurückgerufen. Auch Jane hatte sie eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Jane hatte sich aber ebenfalls nicht gemeldet. Nita hoffte nur, dass ihr Daddy nicht zu Lucas Devlin gefahren war, um die Angelegenheit unter Männern zu regeln.
„Ist er wieder zu Hause?“
Nita drehte sich um und sah, wie Connor sich im Bett streckte. Sie liebte es, wie er morgens aussah: irgendwie zerknautscht und ziemlich sexy. Und er fühlte sich noch besser an. „Woher weißt du das?“
„Ich habe heute Nacht den Transporter kommen gehört.“
„Du hättest mich wecken sollen.“
„Ich habe es versucht. Aber du hast geschlafen wie ein Stein.“ Er schlug die Decke zurück. „Komm wieder ins Bett. Es ist noch so früh.“
„In einer Viertelstunde wird der Wecker klingeln. Ich muss mich für die Arbeit fertig machen.“
„Du wirst erstaunt sein, was ich in einer Viertelstunde alles machen kann.“
Obwohl ihr ein Dutzend Gründe einfielen, die dagegen sprachen, ging sie automatisch zu Connor. „In Ordnung. Aber nur eine Viertelstunde.“ Nita schlüpfte zu ihm ins Bett. Dann spürte sie seine Hände auf ihrem Körper, und er brachte sie erneut fast um den Verstand. Wie noch kein Mann zuvor. Es ist zu perfekt, dachte sie und wusste, dass sie die Affäre beenden musste. Doch als er mit seinem Mund ihre Brustspitze liebkoste, entschied sie, das auf später zu vertagen.
Nach anderthalb Stunden ging Nita frisch geduscht und angezogen die Treppe hinunter, um ihren Vater zur Rede zu stellen. Es war vielleicht nicht in Ordnung gewesen, ihm vorzumachen, dass Jane mit einem Devlin gemeinsame Sache machte. Aber einfach fünf Tage lang spurlos zu verschwinden war weitaus schlimmer. Energisch klopfte sie an seine Schlafzimmertür. „Daddy, ich möchte mit dir reden.“ Als sie von drinnen aufgeregte, leise Stimmen hörte, konnte sie es nicht glauben. Er hatte jemanden bei sich! Hatte Jane ihn so weit gebracht, irgendein leichtes Mädchen aufzugabeln?
Will machte die Tür einen Spalt auf. „Dafür ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.“
„Hast du etwa eine Frau bei dir?“
„Wenn du es unbedingt wissen willst – ja, das habe ich.“
Nita blieb der Mund offen stehen.
„Guck mich nicht so an. Ich habe es vorher legalisiert.“ Will wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum, um ihr den goldenen Ehering zu zeigen. „Wir sind in Las Vegas getraut worden.“
„Du hast geheiratet?“, fragte Nita fassungslos.
„Ja.“
Das war ja noch schlimmer, als sie angenommen hatte. Nun würde Jane nie mehr zurückkommen. „Und was denkst du, was Jane dazu sagen wird?“
„Ich werde sie fragen. Jane, Liebling, was sagst du dazu, dass ich dich geheiratet habe?“, rief er über die Schulter hinweg.
„Es war höchste Zeit“, rief Jane zurück.
Nita war sprachlos.
„Zufrieden?“, fragte ihr Daddy, und Nita nickte nur. „Dann würde ich gern zurück zu meiner Braut gehen, falls es dir nichts ausmacht. Ich bin nämlich frisch verheiratet.“
Nachdem er die Tür wieder geschlossen hatte, blieb Nita bestimmt fünf Minuten regungslos davor stehen. Ihr Plan hatte funktioniert. Ihr Daddy und Jane waren zusammen, und sie hatte Will noch nie so glücklich gesehen. Genau das hatte sie sich schon lange für die beiden gewünscht. Aber warum war sie dann nur so durcheinander?
Schließlich musste sie sich eingestehen, dass sie nicht nur aufgeregt und froh war, sondern auch eifersüchtig. Sie war es gewohnt, ihren Daddy ganz für sich zu haben, und würde ihn nun teilen müssen. Doch noch mehr schämte sie sich dafür, dass sie eifersüchtig auf das Glück der beiden war. Im Gegensatz zu ihr würde Jane eine perfekte Ehefrau werden.
Zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte sich Nita, anders zu sein. Sie wünschte, sie könnte einen Mann finden, der sie genauso liebte, wie sie war. Einen Mann, mit dem sie ihr Leben verbringen und eine Familie gründen könnte. In diesem Moment wollte sie das so sehr, dass es fast körperlich wehtat. Und sie wollte, dass dieser Mann Connor war.
In den letzten Wochen war irgendwann das passiert, was sie nie hatte zulassen wollen. Sie hatte sich verliebt. Und so wie Connor sie ansah und berührte, nahm sie an, dass er sich ebenfalls in sie verliebt hatte. Nichts konnte schlimmer sein. Denn auch wenn sie sich noch so sehr danach sehnte, wusste sie, dass es nicht funktionieren würde. Männer erwarteten, dass ihre Ehefrauen kochten, sauber machten und sich um sie kümmerten. All das konnte und wollte sie nicht tun, weil sie nicht so unglücklich wie ihre Mutter werden wollte. Sie würde nie die gute Ehefrau werden, die Connor verdiente.
Sie kam also nicht darum herum, bald mit Connor Schluss zu machen. Am besten noch heute Morgen. Schweren Herzens ging sie in die Küche und kochte Kaffee. Einige Minuten später hörte sie Connor hereinkommen und wusste, was sie zu tun hatte.
„Hast du mit ihm geredet?“
„Ja.“ Du kannst es tun, ermunterte sie sich. Sag ihm einfach geradeheraus, dass es vorbei ist. Sie zwang sich, sich umzudrehen und ihn anzusehen. Er trug Jeans und ein Flanellhemd. Seine Haare waren noch feucht, und er war frisch rasiert. Er sah so gut aus, dass ihr das Herz wehtat. Ihre Hände zitterten, so nervös war sie. Das würde wohl wirklich nicht einfach werden.
„War er wütend, weil du ihn wegen Jane und Lucas Devlin angelogen hast?“
„Darüber haben wir nicht gesprochen. Denn er war damit beschäftigt, mir zu erzählen, dass er und Jane in Las Vegas geheiratet haben.“
„Im Ernst? Das sind ja gute Neuigkeiten, oder?“
„Ja, das sind sie tatsächlich.“ Los, jetzt sag es ihm, dachte sie.
„Warum hörst du dich dann nicht glücklich an?“ Er sah sie so ehrlich besorgt an, dass sie seinem Blick keinen Moment länger standhalten konnte. Sie drehte sich um und hantierte mit der Kaffeekanne.
„Ich bin glücklich für die beiden, aber ich werde mich wohl erst noch daran gewöhnen müssen.“ Sag es jetzt, wenn du ihn nicht ansiehst, ermahnte sie sich.
Doch dann schlang Connor von hinten den Arm um sie und zog sie an seine Brust. „Es ist okay, verwirrt oder sogar etwas verstört zu sein.“
Da wusste Nita, dass es hoffnungslos war. Wenn er so nett und verständnisvoll war, konnte sie es ihm keinesfalls sagen. Sie drehte sich in seinen Armen zu ihm und barg ihr Gesicht an seiner Brust, damit er nicht sehen konnte, dass sie Tränen in den Augen hatte. Sie würde einen anderen Weg finden müssen, um mit ihm Schluss zu machen.
„He, ist mit dir alles in Ordnung?“ Er streichelte ihren Rücken.
„Ja“, brachte sie heraus und kämpfte gegen die Tränen an. „Ich bin nur ein bisschen rührselig.“
„Vielleicht sollte ich dich wieder nach oben bringen und sehen, was ich tun kann, damit du dich besser fühlst.“ Und dann umfasste Connor ihr Gesicht und küsste sie sehr zärtlich. Noch einen Tag, entschied sie. Noch einen weiteren Tag, und dann würde sie einen Weg finden, um das Ganze ein für alle Mal zu beenden.