Carly lächelte wie ein Automat und ging höflich auf alle Gesprächsthemen ihres Begleiters ein. Doch sie war angespannt und ärgerlich. Sie musste unbedingt ein ernstes Gespräch mit ihren Tanten führen. Auch wenn die beiden es nur gut meinten, sie konnte ihnen nicht länger erlauben, Verabredungen für sie zu arrangieren. Es waren zwar durchaus ansehnliche Männer in guten Positionen, doch ihre unverfroren-eindeutigen Hinweise über die weitere Gestaltung des Abends waren unter aller Würde.
Dieser spezielle Herr zum Beispiel hatte schon mehrfach versucht, seine Hand über ihr Knie den Oberschenkel hinaufgleiten zu lassen. Inzwischen war sie weit genug von ihm weggerückt, doch wenn er es noch einmal versuchen sollte, musste sie ihm deutlich sagen, dass er ab sofort auf ihre Anwesenheit verzichten müsse. Auf keinen Fall wollte sie mit ihm nach dem Essen noch in die Bar gehen, wie es ursprünglich geplant war.
„Carly?!“
Dankbar für die Unterbrechung blickte Carly auf – und stellte schockiert fest, dass Peter Cade vor ihr stand. Er sah anbetungswürdig aus in seinem perfekt geschnittenen Smoking, doch die hinreißende Blondine, die sich so anmutig an seinen Arm schmiegte, schien sich trotzdem zu langweilen.
„Hallo, Herr Nachbar, wie geht’s?“, lächelte Carly steif.
„Bestens – wie es mir zusteht.“ Er spießte den Mann an ihrer Seite förmlich mit seinem Blick auf, bevor er ihn begrüßte. „Guten Abend, Terrence. Geht’s gut?“
„Danke, danke. Ein Abend mit einer schönen Frau ist mir immer ein Vergnügen.“ Terrence lachte spürbar irritiert auf. „Ihr beiden kennt euch?“
Carly registrierte, dass Peters Miene kühl und distanziert blieb. „Sehr gut, ja.“
Ihr Begleiter lachte wieder unmotiviert und meinte trocken: „Ich hoffe, du brauchst dir um deine Geschäfte keine Sorgen zu machen. Mit Nächstenliebe und großzügigen Spenden sieht es in dieser Saison düster aus, hörte ich. Und dann die Haushaltskürzungen der Regierung …“
„Wir kommen bestens zurecht, wie gewohnt, Terrence.“ Peters Ton blieb souverän. „Castaways wird von Menschen unterstützt, die es ehrlich meinen mit ihrem sozialen Engagement. Die Sparmaßnahmen der Regierung tangieren uns nicht.“
Carly war überzeugt, dass dies nicht ganz der Wahrheit entsprach. Doch sie hütete sich, etwas dazu zu sagen. Dies war eine spezielle Angelegenheit zwischen Peter und Terrence.
Peters Begleiterin erinnerte ihn dezent daran, dass sie mit dem Paar am Tisch bekannt gemacht werden wollte. Ihr Name war Pamela, und sie war eine offene, liebenswerte Person. Carly wünschte, sie fände einen Grund, Pamela nicht zu mögen.
Nach einem weiteren kleinen Geplänkel mit Terrence hatte Peter erfahren, dass er nach dem Essen mit Carly in die Restaurantbar gehen wollte. Zum ersten Mal nach der Begrüßung blickte Peter Carly wieder an. „Wirst du mir einen Tanz reservieren?“
Carly wollte spontan Nein sagen. Warum sollte sie sich das antun? Peter und sie hatten keine Gemeinsamkeiten. So weh es auch tat, es war bei ihrem letzten Zusammentreffen deutlich geklärt worden. Doch ihr Mund formte die Worte: „Ja, gern“. Und sie strahlte ihn an.
„Ich danke dir. Bis später.“ Peter maß Terrence mit einem eigentümlich warnenden Blick, deutete eine knappe Verbeugung an und strebte mit seiner hinreißenden Begleiterin dem Ausgang zu.
„Woher kennen Sie denn den großen Peter Cade?“ In Terrences Frage schwang deutlich ein aggressiver Ton mit.
„Er ist ein Nachbar. Er hat bei uns in der Nähe einen alten Herrensitz gekauft.“
Terrence runzelte die Stirn. „Ja, jetzt erinnere ich mich. Er hat das alte Barnheart-Anwesen übernommen und von Grund auf renoviert. Wussten Sie, dass er für eine der bedeutendsten sozialen Einrichtungen tätig ist?“
„Ja.“
„Für alleinstehende Mütter mit Kindern, nicht wahr?“
„Ich denke ja.“ Mit vorgetäuschter Konzentration säbelte Carly sich ein Stück Fleisch ab. „Sie wissen darüber gewiss besser Bescheid als ich.“
„Wie ich hörte, erwägt der Präsident, ihn zum Vorsitzenden einer Kommission zu ernennen.“
„Wie interessant.“ Carly schob ein Stückchen Fleisch in den Mund.
„Er ist ein begehrter Junggeselle. Es soll ja Frauen geben, die halten ihn für recht charmant.“
Mit diesem Statement konnte Terrence glatt den Preis für die Untertreibung des Jahres gewinnen. Doch wenn er einen Kommentar von ihr erwartete und sie aus der Reserve locken wollte, musste sie ihn enttäuschen.
Das Gespräch quälte sich hin. Nach dem Essen führte Terrence sie in die Bar und forderte die weiterhin einsilbige Carly zum Tanzen auf. Sie nickte. Es war besser, als mehr oder minder stumm neben Terrence auszuharren.
Doch sie bereute ihren Entschluss schon bald, denn Terrence presste sie mit eisernem Arm an sich und ignorierte ihr Zurückweichen.
„Sie sind so einfühlsam, Carly. Ich kann wohl darauf hoffen, dass wir den heutigen Abend auch weiterhin so harmonisch verbringen?“
Sie sah ihn konsterniert an.„Nein!“
Terrence war so verblüfft, dass er seinen Griff ein wenig lockerte und Carly endlich wieder durchatmen konnte. Schweigend und verkrampft bewegten sie sich über die Tanzfläche. Schließlich erklangen die letzten Töne des Liedes, und einen zweiten Tanz mit Terrence wollte Carly nicht riskieren. Sie lächelte höflich und wollte an ihren Tisch zurückkehren.
Plötzlich stand Peter neben ihnen. Er ignorierte Terrence und lächelte Carly an. „Darf ich um meinen Tanz bitten, Mrs Michaels?“
„Es ist mir ein Vergnügen, Mr Cade.“
Ihr trockener Ton zeigte nicht, wie erleichtert sie war, Terrence für einen Moment losgeworden zu sein. Da Peter wie ein rettender Engel aufgetaucht war, war sie ihm durchaus wohlgesonnen. Die Band stimmte eine langsame Ballade an – und es war so herrlich, in Peters Armen zu liegen.
Das ist eine pure körperliche Anziehung, kommentierte ihre innere Stimme. Mehr nicht!
Peter umfasste ihre Taille und zog Carly mit sanftem Druck an seinen schlanken, muskulösen Körper. Sie schmiegte sich an ihn und passte sich seinen Schritten mühelos an. Seine Nähe und seine Wärme berauschte ihre Sinne.
„Oh, verdammt!“, entfuhr es ihr zu ihrem eigenen Entsetzen.
„Verdammt wer und warum und wieso?“ Peters Atem streifte ihre Wangen, seine Lippen waren nur einen Hauch von ihrem Ohr entfernt.
„Ach, nichts Wichtiges.“
Carly wollte jetzt nicht sprechen. Die Welt um sie herum sollte ruhig versinken.
„Verdammt, verdammt.“ Das war jetzt Peter, der leise fluchte.
„Warum und wieso?“
„Wir hätten es nicht tun sollen.“
Sie wusste, was er meinte. Wie sollten ihren heißen Träume verfliegen, wenn sie Dinge tat, die ihre Sinne dermaßen reizten.
Ihre Wangen berührten sich, und Peter glitt mit seinem Kinn kaum spürbar über ihre Schläfen, und am liebsten hätte Carly ihr Gesicht in seiner Halsbeuge geborgen. Seine leise, raue Stimme ließ ihre Nerven vibrieren. „Beim Tanzen zeigt sich, ob zwei Menschen beim Liebesspiel miteinander harmonieren. Wusstest du das?“
„Wie aufregend“, hauchte Carly atemlos.
Seine Hand glitt über ihren Rücken, seine Lippen streiften ihre Wangen. „Es ist, als ob ein unsichtbarer Strom zwischen ihnen fließt, der sie zu neuen Ufern trägt. Es wird wundervoll mit uns werden, wenn wir uns lieben, Carly. Ich weiß es.“
Peter sprach aus, was auch sie empfand. Doch es durfte nicht sein. „Und genau deshalb sollten wir es besser lassen.“
Verdutzt lehnte er sich ein wenig zurück, um ihr besser in die Augen sehen zu können. „Warum? Du fühlst doch auch, dass wir nicht voneinander lassen können.“
„Wir haben aber keine gemeinsame Zukunft.“
„Kannst du nicht die Gegenwart genießen, ohne Fragen zu stellen?“
„Nein.“
Er zog sie wieder eng an sich, und willig schmiegte sich Carly wieder an ihn, suchte Sicherheit und Geborgenheit in seinen Armen. Doch was sie fand, war pure erotische Spannung, wie sie schöner nicht sein konnte.
„Du bist so hinreißend und so begehrenswert“, seufzte Peter.
„Das ist Pamela auch.“
„Wer?“
„Pamela, deine Begleiterin.“
„Ach ja.“ Wieder seufzte er. „Ein Mann begehrt eine Frau, und er denkt nur daran, wie er dieses Begehren erfüllen kann. Warum muss eine Frau dagegen den Mann erst auf seine Beziehungstauglichkeit prüfen, bevor sie zugibt, dass sie ihn will?“
„Ein echtes Rätsel“, murmelte Carly und lächelte.
Sein Verlangen stärkte ihr Selbstbewusstsein. In seinen Armen fühlte sie sich attraktiv und begehrenswert, auch wenn sie das nie laut zugeben würde. Die hübsche Pamela war gewiss einige Jahre jünger als sie und war bestimmt noch nicht schwanger gewesen. Carly musste ganz schön trainieren, um ihren Bauch halbwegs straff und die abrundenden Pfunde an den Hüften unter Kontrolle zu halten.
Da Peter nicht blind war, blieb nur die Erklärung, dass es ihn nicht interessierte. Seine Zuneigung war nicht abhängig von einer Modelfigur. Wenn ein Mann wie Peter sie begehrte, dann war sie eine attraktive Frau! Auf einmal fühlte sie sich sexy und verführerisch und genoss dieses berauschende Gefühl – das sie mit Peter aber nicht auskosten durfte.
„Ich bedauere es“, meinte Peter nachdenklich.
„Ich auch.“
„Können wir nicht so tun, als gäbe es zwischen uns beiden keine Differenzen?“
„Nein!“
„Das scheint dein Lieblingswort zu sein.“
Sie schwieg. Se konnte ihm doch nicht eingestehen, dass sie zutiefst bedauerte, abweisend bleiben zu müssen!
„Versprichst du mir, wenigstens über unsere geschäftsähnliche Beziehung noch einmal nachzudenken? Mit mir auszugehen, das kann doch nicht so schrecklich sein … zumindest nach den Erfahrungen, die du bestimmt mit Terrence gemacht hast.“
„Ich erinnere mich an ein Gespräch in einer Bar, als ich einen ähnlich schlechten Eindruck von dir bekam.“
„Ich habe mich für mein unglückliches Benehmen an diesem Abend entschuldigt. Ich war abgespannt, und ich habe nach einer Möglichkeit gesucht, mit dir zusammen zu sein. Das ist die Wahrheit und meine ehrliche Entschuldigung. Für deine Verabredung mit diesem Unhold Terrence aber gibt es keine einleuchtende Entschuldigung.“ Ohne die Miene zu verziehen, fügte er hinzu: „Ich kenne ihn doch. Ich habe ihm selbst schon ein Dutzend Mal sagen müssen, er soll seine Hände von mir lassen.“
Carly lachte laut, und auch Peter grinste amüsiert. Beide fühlten sich wie befreit. Doch ihre Heiterkeit verflog schnell wieder. Das mutwillige Funkeln wich aus Peters Augen und machte unverhülltem Begehren Platz. Er zog Carly fest an sich. Weich schmiegte sie sich an ihn. Es war gut und richtig so …
Terrence fuhr Carly höflich nach Hause und verabschiedete sich mit einem Hauch von Kuss auf ihre Wange und der nicht ernst gemeinten Ankündigung, er würde in den nächsten Tagen anrufen. Erleichtert schloss sie die Haustür hinter sich und ging leise in den Wintergarten und hinaus auf die ummauerte Terrasse. Sie brauchte frische Luft, um ihre aufgewühlten Gedanken und Gefühle zu ordnen.
Die Arme vor der Brust verschränkt, starrte Carly auf das Waldstück, hinter dem Peters Haus lag. Am Weg, der durch das Wäldchen führte, stand eine Bank, auf der sie oft gesessen hatte. Trotz der kühlen Luft verspürte sie plötzlich den Wunsch, dort hinzugehen und in den Frieden des Waldes einzutauchen.
Die Situation war einfach lächerlich. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich an unrealistische Träume geklammert. Doch hier stand sie nun und sehnte sich nach einem Mann, der absolut nicht der Richtige für sie war.
Nach wenigen Minuten hatte sie die Bank erreicht. Sie setzte sich und konnte Peters Haus durch den herbstlich-kahlen Wald zum ersten Mal deutlich erkennen. Aus hohen Bogenfenstern und weiten Flügeltüren strömte warmes Licht auf die Terrasse, und ein Außenlicht erhellte einen Teil des hinteren Gartens. Es sah fast überirdisch schön aus. Carly blinzelte und konnte sich Peters Haus unschwer als mittelalterliches Anwesen im englischen Sherwood Forest des Robin Hood vorstellen. Kein schlechter Platz, um wie im Märchen bis ans Ende seiner Tage glücklich und zufrieden zu leben.
Es war schon verquer. Obwohl Peter es sich nicht eingestand, schien er sich doch viel mehr als sie selbst nach einem liebenden Menschen zu sehnen. Er war aus dem Tritt geraten und brauchte einen Anker, eine Familie oder eine Frau, für die er wieder leben konnte, die er lieben und umsorgen konnte.
Doch gleich darauf tadelte Carly sich wegen dieser Überlegungen. Diese Schlussfolgerung zog sie doch nur, weil sie wünschte, dass es so wäre!
Ein leichtes Knacken von Zweigen schreckte sie auf, und sie blickte alarmiert in die Richtung, aus der die Geräusche gekommen waren. Da stand Peter. Er hatte sich an einen Baum gelehnt und blickte sie an.
„Du hast mich erschreckt.“
„Ich weiß.“ Er nickte. „Aber wie auch immer ich mich bemerkbar gemacht hätte, du hättest dich erschreckt. Es gab keinen anderen Weg, dir zu sagen, dass ich hier bin.“
Er trug noch seinen maßgeschneiderten Smoking, der seine breiten Schultern und die schmalen Hüften betonte. Ein weißer Schal unterstrich seinen leicht gebräunten Teint. Sein dunkler Blick schien sie zu bannen und zu durchdringen, als könnte er ihre Gedanken lesen.
Er kam langsam auf sie zu und blieb einen Schritt vor ihr stehen. Carly versuchte gar nicht erst, etwas zu sagen. Sie erwiderte nur seinen Blick, erfüllt von der Erinnerung an seine Umarmung und seine Wärme während des Tanzens.
„Ich habe darauf gehofft, dich hier draußen zu finden“, sagte er leise.
„Warum?“
„Weil ich dich wiedersehen wollte.“
„Hier bin ich“, flüsterte sie.
Er streckte ihr seine Arme entgegen. „Komm zu mir, bitte.“
Carly reichte ihm ihre Hände und ließ sich von der Bank und in seine Arme ziehen. Sie fühlte sich warm und geborgen, als er seine Hände unter ihren Mantel schob und um ihre Taille legte.
„Seitdem ich dich im Herbstlaub gesehen habe, wollte ich dich küssen.“
„Ich wollte dich auch küssen“, gestand sie. Sie umfasste sein Gesicht und spürte die winzigen Bartstoppeln auf seinen Wangen.
„Was ist denn das?“ Peter tat schockiert. „Kein mädchenhaftes Erröten, kein naives Erschrecken, keine Verwirrung?“
„Nein.“
„Endlich einmal benutzt du das Wort in einem Zusammenhang, der mir gefällt.“
„Ja.“ Sie lächelte.
„Und kein Einwand, dass wir es nicht tun sollten? Dass wir nicht füreinander bestimmt sind?“
„Nein.“ Mit einem leichten Kopfschütteln bestätigte sie ihre Antwort. „Jetzt zählt nur, dass wir hier beisammen sind.“
„Aber …“
Sanft legte sie ihm einen Finger auf die Lippen. „Nicht jetzt. Sie lächelte weich. „Was ist nun? Willst du mich nun endlich küssen? Oder muss ich die Sache selbst in die Hand nehmen?“
„Ich warne dich. Wenn ich einmal anfange, wird es Stunden dauern, bis ich genug habe.“
Carly hob ihr Gesicht, ihre Lippen glitten wie ein verführerischer Hauch über seinen Mund. „Du scheinst immer die richtigen Worte zu finden“, murmelte sie. „Ich wünschte, ich würde endlich auch die richtigen Taten erleben.“
„Was ist wann richtig?“
„Der richtige Moment ist wichtig. Du musst es fühlen, hier.“ Sie schob eine Hand unter seinen Schal und legte sie ihm auf sein Herz.
„Ich glaube, ich verstehe.“ Seine Stimme war weich, dunkel.
Carly schmiegte sich an ihn. „Gib einfach deinen Gefühlen nach. Das sage ich mir auch gerade.“
„Lady, du hast es so gewollt. Und ich sage dir, ich will es mehr als du.“ Sein Mund eroberte ihre Lippen in einem verlangenden, endlos scheinenden Kuss.
Tief einatmend versank Carly in diesen schmelzenden Kuss. Peters Hände strichen über ihren Rücken, umfassten ihre Taille und folgten der Rundung ihrer Hüften. Ihre Arme glitten von seinem Nacken über seine Schultern, und ihre Hände schoben sich unter seine Smokingjacke und streichelten ihn.
Seine Zunge erkundete abwechselnd sanft und fordernd ihren Mund, spielte mit ihrer Zunge, neckte sie, bis Carly weder atmen noch denken konnte. Als Peter den Kuss beendete, fühlte Carly Enttäuschung aufwallen.
Er senkte den Kopf und rieb seine Stirn an ihrer Stirn. „Du wirkst wie eine Ladung Starkstrom auf mich“, murmelte er. Die kalte Nachtluft ließ seinen Atem in kleinen Wölkchen aufsteigen.
„Das Kompliment kann ich dir zurückgeben.“
„Wie reagieren andere auf deine Küsse? Oder bin nur ich so empfänglich?“
Das Gleiche konnte sie von seinen Küssen sagen. Doch sie hütete sich, das zuzugeben. „Sie sind sich alle einig“, antwortete sie leichthin. „Ich bin eben ein Paket Dynamit.“
Peter lächelte vielsagend. „Kein Zweifel, da stimme ich zu.“
„Du glaubst mir nicht?“ Ihre Hände glitten sanft über seine Schultern, während sie mit großen Augen die Ungläubige spielte. „Warum nicht? Ich lüge nie mit Absicht.“
Seine Hände umfassten ihre Hüften. „Jede Frau lügt“, sagte er härter, als er wollte. Doch als er sah, wie sie ihre Augenbrauen missbilligend zusammenzog, fügte er sofort mäßigend hinzu: „Hin und wieder. Irgendwann. Ebenso wie Männer auch lügen.“
Carly atmete tief durch. „Unglücklicherweise haben Männer und Frauen manchmal eine verdammte Art, sich gegenseitig wehzutun.“
„Frauen scheinen darin aber erfolgreicher zu sein als Männer.“
„Machst du Witze? Nimm zum Beispiel Pamela. Ich habe den Ausdruck in ihren Augen gesehen, nachdem wir getanzt haben. Sie ist diejenige, der heute wehgetan wurde.“
„Pamela hat nichts mit uns zu tun. Wir sind locker miteinander befreundet. Mehr nicht.“
Ganz offensichtlich wollte er dieses Thema nicht vertiefen. Vielleicht war es gut so, überlegte sie. Sie wollte im Augenblick nicht an seine Ansichten über Beziehungen erinnert werden. Und sie wollte ihm auch nicht wehtun. Selbst während dieses Geplänkels offenbarten seine Augen für einen Moment wieder seine Trauer und Verzweiflung.
Carly war sicher, wenn sie sich beide Zeit lassen würden, konnten sie das, was zwischen ihnen war, zu einer ganz speziellen Beziehung wachsen lassen. Doch das wollte er nicht. Und wenn sie versuchen würde, ihn gegen seinen Willen dahin zu lenken, würde es am Ende böse ausgehen.
Mit aller Kraft, die sie ihrem Verstand abringen konnte, trat sie einen Schritt zurück. Es wurde höchste Zeit, Abstand zu gewinnen und sich nicht von diesem wunderbaren Beisammensein im Mondlicht mitreißen zu lassen.
„Ich danke dir“, sagte sie höflich und fand sich dumm, weil ihr nichts anderes einfiel.
„Oh, es war mir ein Vergnügen“, gab Peter zurück. „Willst du noch einen Versuch starten?“
„Bitte was?“
„Noch einen Kuss“, erwiderte er. „Der erste Versuch war vielleicht noch nicht ganz zufriedenstellend?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Oder soll ich meine Technik verbessern? Hilf mir dabei. Übung macht bekanntlich den Meister.“
Verflixt, er machte sich lustig über sie. „Stimmt, praktische Übungen sind immer gut. Mein Rat, such dir eine Frau, an der du ehrlich interessiert bist, und übe mit ihr.“
„Ich möchte aber dich küssen.“
„Nimm dir nicht die Chance, dich auf eine andere Frau zu konzentrieren. Das ist wie im Baseball. Warum solltest du mit Amateuren spielen, wenn du stattdessen mit einem Profiteam aufs Feld laufen kannst. Ich wünsche dir viel Glück, Peter Cade.“
Er rührte sich nicht. „Bleib bitte noch.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Du bedeutest eine hochgradige Gefahr für mich.“
„Carly, es ist etwas ganz Besonderes zwischen uns.“
„Es war“, korrigierte sie. „Anders dürfen wir nicht denken. Ich werde es nicht zulassen, und du solltest es auch nicht. Es würde zu schmerzlich werden.“
„Wollen wir wenigstens Freunde sein?“
„Ja, gern.“
„Dann komm wieder zu mir, damit wir darüber sprechen.“
Carly trat einen weiteren Schritt zurück. „Über Freundschaft braucht man nicht zu sprechen. Man ist ganz einfach ein Freund oder nicht.“
„Kann ich dich als Freund um etwas bitten?“ Peter sprach so leise, sie wäre fast wieder einen Schritt vorgetreten, um ihn besser zu verstehen.
Sie lächelte. „Solange du beachtest, dass ein Freund nicht alle Bitten zu erfüllen hat.“
„Versprich mir, dass du dich nie wieder mit diesem Schuft Terrence verabredest.“
„Warum?“
„Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass du mit ihm zusammen bist. Du verdienst Besseres.“
„Danke für das Kompliment.“ Sie war gerührt über seine Fürsorge, doch so schnell wollte sie nicht zustimmen. „Ich werde darüber nachdenken.“
„Und entscheide dich richtig.“ Seine Stimme klang warnend und bestimmt.
Eine Windbö verfing sich in seinem Schal. Carly spürte den Drang, zu Peter zu eilen, ihn zu umarmen und die Einsamkeit, die aus seiner Miene sprach, zu vertreiben. Es überraschte sie, wie übermächtig dieses Gefühl war. Es machte sie aber zugleich ärgerlich, weil es ihr zeigte, wie wenig Kontrolle sie über sich hatte. „Gute Nacht, Peter.“
Sie wandte sich ab und ging.
„Carly?“
Sie blieb stehen und drehte sich um. „Ja?“
„Ich habe das verdammte Gefühl, dass ich heute Nacht von dir träumen werde.“
Eine heiße Welle durchströmte ihren Körper von den Zehenspitzen bis zu den Haarwurzeln. „Das ist nicht meine Schuld.“
„Träum du auch von mir!“ Es klang wie ein Befehl.
„Gute Nacht.“ Sie ging weiter und wünschte sich bei jedem Schritt, sie hätte den Mut umzukehren und sich in seine Arme zu werfen.
Doch ihre Vernunft war stärker als ihre Sehnsucht.