4. Kapitel
Am Montag nach der Dienstbesprechung versuchte Pia erneut, einen Kollegen in Eutin zu erreichen, und hatte Glück.
»Peer Suder«, meldete sich ein Mann am Telefon.
Pia nannte ihren Namen und stellte sich ihm als eine Kollegin aus Lübeck vor. »Ich bin außerdem eine Freundin von Kirsten Welling«, sagte sie dann. »Ich war am Freitag auf ihrer Beerdigung.«
»Du kanntest Kirsten Welling? Dann war das sicher ein Schock, von ihrem plötzlichen Tod zu erfahren. Das tut mir leid«, erwiderte er. Polizisten duzten sich zumeist untereinander. So wechselte auch der Kollege aus Eutin sofort zum vertraulicheren »Du«, als er hörte, mit wem er sprach.
»Auf der Beerdigung ist etwas Seltsames passiert«, sagte Pia. Sie schilderte ihm, was sie beobachtet hatte.
»Ich verstehe«, antwortete Peer Suder, nachdem er ruhig zugehört hatte. »Du überlegst nun natürlich, ob an der Behauptung etwas dran sein könnte.«
»Ich kann mir den Unfall, so wie er mir beschrieben wurde, nur schwer vorstellen. Kirsten war immer sehr sportlich.«
»Ja, das sagte man uns ebenfalls.« Er schwieg eine Weile, sodass Pia schon dachte, das Gespräch sei unterbrochen. »Kannst du vielleicht herkommen?«, fragte er.
Sie schaute auf ihren Terminkalender. »Ich kann am späten Nachmittag bei euch auf der Dienststelle sein.«
»Das passt bei mir. Ich bin heute sowieso länger hier. Melde dich einfach unten, wenn du da bist. Die geben mir dann Bescheid, und ich hol dich ab. Bis dann.« Peer Suder hängte ein.
Sie schien mit ihrem Anruf offene Türen eingerannt zu haben. Oder aber Suder wollte sie lieber in einem persönlichen Gespräch davon überzeugen, dass sie falschlag. Wie auch immer. Später würde sie mehr wissen …
»Ein heimlicher Liebhaber?«, fragte Broders, der zur Tür hereinkam, als Pia den Telefonhörer noch in der Hand hielt. Er war ihr langjähriger Teamkollege, mit dem sie sich auch das Büro im siebten Stock des Polizeihochhauses teilte.
»Wie kommst du darauf?« Pia legte auf. »Noch dazu am Polizeitelefon.«
»Du siehst so aus, als hättest du etwas aus der Speisekammer stibitzt.«
Pia lächelte. »Meinst du deinen heimlichen Vorrat an Katzenzungen in der Schublade? Keine Sorge. Die mag ich nicht.«
»Mit wem hast du denn gesprochen?« Er setzte sich und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
»Das war die Polizeidienststelle in Eutin. Ein Kollege namens Peer Suder. Kennst du ihn?«
»Nicht, dass ich wüsste. Was willst du von ihm?«
»Ein paar Informationen über eine Ermittlung von denen. Es geht um meine frühere Schulfreundin.«
»Lass mich raten: die, auf deren Trauerfeier du warst? Warum erkundigst du dich danach?«
Pia schilderte ihm, was sich auf der Beerdigung zugetragen hatte.
Broders nahm die Arme wieder herunter. »Na gut. Das war sicher unschön. Aber glaubst du, da ist etwas dran? Wir können doch nicht jedem Spinner hinterherjagen, der sich wichtigmachen will. Und wenn die Kollegen in Eutin die Sache untersucht haben und es ein Unfalltod gewesen sein soll …«
»Peer hat sich sofort bereit erklärt, mit mir zu reden«, sagte sie.
»Das kann tausend Gründe haben«, versetzte Broders. »Vielleicht möchte er dich nur mal kennenlernen.«
Peer Suder war ein durchtrainierter Mittdreißiger mit hellblondem Haar und grauen Augen. Sein Händedruck war fest, sein Lächeln offen und sympathisch. Er trug Jeans und ein weißes Hemd. Peer führte Pia in sein Büro, von dem man einen Blick auf hohe, dicht im Laub stehende Bäume hatte. Die Aussicht war unwahrscheinlich grün.
»Kann ich dir was anbieten? Wasser und Cola sind im Angebot.«
»Ein Wasser wäre toll«, sagte Pia. Die Zunge klebte ihr nach der Fahrt über die Autobahn am Gaumen. Sie hatte heute nichts als Kaffee getrunken. Das konnte kaum gesund sein.
Peer stellte ein Glas vor sie hin und holte sich selbst eine kleine Flasche Cola. »So lerne ich dich endlich auch mal persönlich kennen«, meinte er.
Pia sah ihn überrascht an. Sollte Broders mit seiner Vermutung gar recht behalten? »Ich verstehe nicht …«
»Du hast einen gewissen Bekanntheitsgrad in unseren Kreisen. Ist dir das nicht bewusst?«
»Nein. Wir sind so viele Leute.«
»Nun, ein paar deiner Aktionen waren recht spektakulär. Die Festnahme auf der Fehmarnsundbrücke damals. Daran waren auch Eutiner Kollegen beteiligt, die immer noch davon erzählen. Oder die nächtliche Aktion am Weißenhäuser Strand. Und der Fall, als du im Alleingang die Cannabis-Scheune am Hemmelsdorfer See gefunden hast.«
»Damit hab ich mir nicht gerade Freunde unter den Kollegen gemacht«, unterbrach Pia seine Aufzählung.
»Mag sein.« Er grinste freundlich. »Aber man muss auch nicht jedermanns Freund sein, oder?«
Pia verdrängte die Erinnerungen. »Ich bin hier, weil ich über Kirsten Welling mit dir sprechen möchte«, sagte sie schnell.
»Ja, genau. Ich habe mir die Akte deswegen schon herausgesucht. Wir sind von den Kollegen vor Ort über den Todesfall informiert worden. Der Arzt, der den Totenschein ausgestellt hat, hat ›nicht natürlicher‹ Tod angekreuzt. Die Kollegen wollten, dass wir bei der Todesermittlung mit draufschauen. Die hatten zu dem Zeitpunkt sehr viel zu tun und haben sich wohl von den besonderen Umständen dieses Falls etwas überfordert gefühlt.«
»Bist du gleich am Fundort gewesen? Hast du Kirsten Wellings Leiche noch dort gesehen?«
»Ja. Die Kollegen haben gut reagiert, uns schnell informiert und alles sehr zügig abgesperrt. Ich kam etwa zwei Stunden, nachdem ihr Tod entdeckt worden war, dort an.«
»War ein Rechtsmediziner vor Ort?«
»Nein, das nicht. Das Opfer ist erst im Institut für Rechtsmedizin in Lübeck untersucht worden.«
»Von Kinneberg?«
Er nickte.
Pia kannte Dr. Enno Kinneberg von zahllosen Todesermittlungen und hielt viel von seinem Urteil. »Schildere mir bitte erst einmal die Auffindesituation«, bat sie.
»Also, ich fange vorne an: Wir wurden zu einem Bauernhof im Rande von Düstersee gerufen. Bei dem Hof der Wellings handelt es sich um ein altes Bauernhaus mit einem neuen Stallgebäude daneben. Die Zufahrt zum Hof befindet sich neben dem Haupthaus und führt auf einen rechteckigen Hofplatz, der abgesehen vom Stall noch von anderen Wirtschaftsgebäuden umgeben ist. Das Opfer hat dort zusammen mit dem Ehemann und den Schwiegereltern gewohnt. Der Ort, an dem Kirsten Welling tot aufgefunden wurde, liegt etwa drei Kilometer vom Haus entfernt. Man kann ihn von dort erreichen, indem man zu Fuß oder mit dem Rad einen unbefestigten Feldweg nutzt, der an einem Bach entlang zu einer Mühle und einem Teich führt. Außerdem gelangt man außen herum über die Landstraße zu dieser Mühle. Für die Strecke fährt man dann aber ungefähr fünf Kilometer. Hier ist die Lageskizze, die uns ein Kollege vor Ort angefertigt hat.« Er schob Pia einen Bogen hinüber. »Auf den Luftaufnahmen ist nämlich beinahe nur Grün zu sehen. Die Skizze hilft einem beim Verständnis der örtlichen Gegebenheiten.«
Pia betrachtete die detaillierte, beschriftete Skizze. »Das Kreuz hier kennzeichnet die Stelle, wo Kirsten gefunden wurde?«, fragte sie.
»Ja. Im Bach hinter einem Wehr, direkt an der alten Mühle. Das Gebäude ist nicht mehr in Betrieb und auch unbewohnt. Möchtest du alle Fotos sehen?«
»Wenn ich wissen will, was genau dort passiert ist, führt wohl kein Weg daran vorbei«, sagte Pia.
Er schob ihr einen Stapel mit DIN -A4-großen Abzügen herüber.
Sie konzentrierte sich zunächst auf den Fundort selbst. Links befand sich ein Stausee, der über ein Wehr in den Mühlbach abfloss. Über das Wehr hinweg spannte sich ein Betonsteg ohne Geländer, der zu einem schmalen Weg führte, der weiter zwischen der Mühle und dem Ufer des Sees entlang verlief. Rechts auf dem Foto war die Außenwand der Mühle mit einer Öffnung für die Befestigung des Mühlrads zu sehen. Vom Standpunkt des Fotografen fiel die Böschung steil zum Bach hin ab. Es gab mehrere Detailaufnahmen, auch von dem Betonsteg, der mit Moos bedeckt war und rutschig aussah. Pia blätterte durch die Fotos. Das Gras an der Uferböschung war niedergetrampelt, das Wasser im Bach sah tiefschwarz aus, mit abgerissenen Grashalmen und Zweigen darin. »Das Wehr dient der Wasserregulierung?«
»Ja. Hinter dem Wehr liegt das Tosbecken. Dort entsteht eine starke Sogwirkung. Eine Wasserwalze, die alles herunterzieht, was dort hineinfällt.«
»Wie war die Auffindesituation?«
»Das Opfer lag angeblich hinter dem Wehr in dem Bach im Wasser. Kirsten Welling trieb mit dem Gesicht nach unten. Harro Welling, ihr Ehemann, hat sie seinen Angaben zufolge so aufgefunden. Er kam um zwanzig nach neun aus dem Stall ins Haus und wunderte sich, dass seine Frau nicht zur Arbeit gefahren war. Ihr Auto stand noch auf dem Hofplatz. Er hatte noch gesehen, dass sie joggen gegangen war, aber sie hatte danach wie immer ins Büro fahren wollen. Als seine Frau nirgends aufzufinden war und ihre Joggingschuhe auch nicht, ist er um kurz vor halb zehn losgegangen, um sie zu suchen. Er dachte, sie sei vielleicht umgeknickt oder etwas anderes habe sie aufgehalten. Er machte sich Sorgen um sie.«
»Hat er nicht versucht, sie anzurufen?«
»Doch. Aber das Handy seiner Frau schaltete sofort auf die Box. Wir haben den Anruf nachgeprüft. Die angegebenen Zeiten stimmen.«
»Wie und wann hat Harro Welling Kirsten dann gefunden? «
»Er hat sie im Wasser liegend entdeckt, als er an der Mühle ankam. Man braucht zu Fuß etwa zehn Minuten bis zu der Stelle. Harro Welling sagte aus, er habe seine Frau aus dem Bach gezogen, was an der steilen Böschung wohl sehr schwierig gewesen ist, bis sie nur noch bis zu den Knien im Wasser lag. Er dachte, er könne sie noch wiederbeleben. Als er merkte, dass sie tot war und er ihr nicht mehr helfen konnte, ist er ein Stück in Richtung Hofplatz gelaufen, bis zu einer Stelle, wo er mit seinem Handy wieder Empfang hatte. Von dort hat er um neun Uhr zweiundfünfzig die Einsatzleitstelle angerufen. Die haben einen Notarzt, einen Rettungswagen und die Polizei geschickt.«
»Keinen Hubschrauber?«
»Nein. Das hätte in dem Fall wohl länger gedauert.«
»Was hat Harro Welling dann unternommen?«
»Er ist zurück zur Mühle gelaufen und hat dort auf die Rettungskräfte gewartet. Die waren schon nach knapp zehn Minuten dort. Harro hatte ihnen die Stelle genau beschrieben.«
»Aber für Kirsten Welling kam jede Hilfe zu spät?«
»Ja. Der Rechtsmediziner schätzt, dass der Tod schon zwischen halb acht und halb neun eingetreten ist. Sie konnten recht schnell die Temperatur der Leiche, des Wassers und der Umgebung messen. Die Berechnung ist ziemlich genau.«
Pia betrachtete mit plötzlicher Mutlosigkeit die gesammelten Ermittlungsergebnisse und seufzte. »Wie schrecklich! Und das in ihrem Alter! Was, denkt ihr, ist da genau vorgefallen, das zu ihrem Tod geführt hat?«
»Das Opfer trug Joggingkleidung. Eine lange Laufhose, einen Sport- BH , Unterhose und ein Laufshirt. An den Füßen Söckchen und Laufschuhe, am linken Arm eine Tasche für ein Handy mit einem extra Reißverschlussfach. Ihr Mobiltelefon war noch darin, aber das Fach mit dem Reißverschluss war offen. Im Wasser haben wir einen Ring mit zwei Schlüsseln gefunden. Der eine war der zu ihrer und Harro Wellings Wohnung, die sich in dem Bauernhaus befindet. Der andere Schlüssel ist eine Art Generalschlüssel für Haustür, Schuppen, Werkstatt und Stallgebäude.«
»War das alles?« Pia dachte an ihren Schlüsselbund mit so vielen Schlüsseln daran, dass sie bei einigen nicht mehr sagen konnte, wozu sie gehörten.
»Harro Welling hat ausgesagt, dass das die Schlüssel waren, die seine Frau nur zum Joggen oder Spazierengehen mitgenommen hat. Ihr normaler Schlüsselbund mit dem Autoschlüssel befand sich am Schlüsselbrett.«
»Hat Kirsten in der Zeitspanne von frühmorgens, als Harro sie noch gesehen hat, bis zu ihrem Tod telefoniert oder etwas anderes mit ihrem Mobiltelefon gemacht? Textnachrichten geschrieben zum Beispiel?«
»Nein. Sie hatte allerdings eine App installiert, mit der sie ihre Läufe aufzeichnen konnte. Doch die hatte sie an diesem Morgen nicht aktiviert. Bei einigen Läufen zuvor hatte sie sie genutzt. Sie ist die Strecke am Wehr entlang häufiger gelaufen.«
Pia zog die Augenbrauen zusammen. »Moment! Sie zieht sich ihre Joggingsachen an, nimmt sogar ihre Armtasche und das Handy mit, doch sie aktiviert ihre Lauf-App nicht?«
»Nun ja. Ich habe selbst diverse Fitness-Apps heruntergeladen, die ich aber nicht mehr regelmäßig nutze. Man lädt sich was runter, hat beste Vorsätze, ist dann jedoch zu faul, etwas zu aktivieren, oder sieht den Sinn darin nicht mehr.«
»Ja, das ist natürlich möglich. Aber wie ist ihr Schlüssel überhaupt ins Wasser gefallen, wenn er sich mutmaßlich in der Reißverschlusstasche befand?«, fragte Pia .
»Wir vermuten, dass Kirsten Welling ihr Telefon aus der Armtasche holen wollte, als sie gerade am Wehr vorbeikam. Möglicherweise um die App doch noch zu aktivieren? Oder aber sie wollte etwas fotografieren oder jemanden anrufen oder einen Text schreiben, sich etwas notieren? Dabei fielen die beiden Schlüssel an dem Ring heraus und landeten im Bach. Kirsten könnte versucht haben, sie wieder herauszufischen. Dabei fiel sie von dem Steg ins Wasser, schlug sich den Kopf an. Sie war entweder sofort bewusstlos, oder sie ertrank wegen des starken Sogs.«
»Das würde die Auffindesituation erklären«, bestätigte Pia. Es klang beinahe zu stimmig … hätte sie Kirsten früher nicht so oft klettern sehen. Sie warf einen Blick aus dem Fenster, schaute in die Baumkrone und überlegte, wie sie weiter argumentieren könnte. Ein Eichhörnchen saß auf den Hinterbeinen in einer Astgabel. Es blickte in ihre Richtung. »Aber niemand hat Kirsten an dem Morgen draußen joggen gesehen?«
»Höchstens die Kühe auf der Weide«, bestätigte Peer. »Doch das sind ziemlich schweigsame Zeugen.«
»Was genau steht im Obduktionsbericht über die Todesursache? War es tatsächlich das Ertrinken, oder war es die Kopfverletzung?«
»Sie ist eindeutig ertrunken. Das Wasser in ihrer Lunge weist Spuren von Sedimenten und Algen auf, die mit dem Wasser im Bach übereinstimmen. Aufgrund der Kopfverletzung war sie aber höchstwahrscheinlich bewusstlos, als es passiert ist.«
»Ein Trost, immerhin«, sagte Pia. Sie starrte auf die Fotos vor sich auf dem Tisch. Wenn sie schon hier war und ihr Kollege Peer sich so viel Zeit für sie nahm, sollte sie die Aufnahmen auch bis zum Schluss durchsehen.
Sie blätterte die Bilder der Reihe nach durch. Es war wie eine langsame, ruckartige Kamerafahrt, ein Zoom, bis hin zu den Großaufnahmen von Kirstens Körper und ihrem vertrauten Gesicht, nass und zerschunden … Pia schluckte und legte die Fotos zur Seite. Sie trank einen Schluck Wasser. »Die Kopfverletzung ist natürlich von Kinneberg untersucht worden«, sagte sie. »Was hat sie verursacht?«
Peer zögerte. »Kinneberg meint, bei dem Aufprall, der die Bewusstlosigkeit verursacht hat, muss das Opfer mit dem Kopf seitlich gegen eine rechtwinklige Kante geprallt sein.«
»Rechtwinklig. Seltsam. Und gab es noch mehr Verletzungen?«
»Ja. Das Opfer ist mit der rechten Seite des Oberkörpers und der Hüfte immer wieder gegen das Gitter im Wehr gedrückt worden, vor und nach seinem Tod.«
»Wo im Wehr ist eine rechtwinklige Kante?«, wollte Pia wissen.
»Das ist ein guter Punkt«, bestätigte Peer. »Genau das haben wir uns auch gefragt. Schau hier.« Er schob eines der Fotos zu ihr herüber. »Sie ist wahrscheinlich auf die Oberkante der Einfassung aufgeschlagen, hinuntergefallen und anschließend bewusstlos von der Strömung unter Wasser gegen das Gitter gedrückt worden. Der Sog hat sie unten gehalten. Dabei ist sie ertrunken.«
»Wie tief ist das Wasser dort?«
»Siebzig bis achtzig Zentimeter. Bei Hochwasser bis zu einem Meter.«
»Kirsten ist in siebzig Zentimeter tiefem Wasser ertrunken?«
»Ja.«
»Habt ihr denn Gewebespuren oder Haare an der Oberkante der Mauer sicherstellen können? Diese Kante ist doch sicherlich rau. «
Peer zögerte. »Die Bergung und die Erste-Hilfe-Maßnahmen hatten Vorrang vor der Spurensicherung. Dabei haben sich so viele Menschen am Fundort bewegt, sind am Wehr und auf der Böschung herumgeklettert, dass die Spurenlage nicht mehr eindeutig war.«
»Nicht eindeutig …«, wiederholte Pia. »Aber irgendwo an der Oberkante der Einfassung müssten Spuren des Aufpralls zu finden sein.«
»Nein, wir haben nichts Derartiges sicherstellen können. Was nicht heißt, dass es nichts gab, bevor die Rettungskräfte da waren.«
»Gibt es Spuren an ihrem Körper, die auf menschliche Gewalt hindeuten?«
Peer lächelte schwach. »Das haben wir uns natürlich auch gefragt. Falls das Opfer solche Verletzungen erlitten hat, wurden sie von den anderen überlagert, die es später im Wasser davongetragen hat.«
»Mit anderen Worten: Wir können nicht ausschließen, dass Kirsten Welling womöglich einen Schlag auf den Kopf bekommen hat, anschließend ins Wasser gestoßen und vielleicht sogar unter Wasser gedrückt wurde, bis sie ertrunken ist?«
»Nein, das können wir nicht«, sagte Peer. »Aber wir können auch nicht beweisen, dass es so war. Und es fehlt außerdem das Wichtigste: ein Motiv.«