Joseph Wright, Das Experiment mit dem
Vogel in der Luftpumpe (Detail), 1768.
Öl auf Leinwand, 183 x 244 cm.
National Gallery, London.
Von der Ausführung her zeigt das Gemälde keine Zeichen von Schwäche, ja, bei Weitem nicht. Man bemerkt, mit welch vollendeter Geschicklichkeit der Künstler mischte, abwechselnd schattierte und die weißen, neutralen und rötlichen Farbtöne zur Geltung brachte, aus denen sich das Bild ausschließlich zusammensetzt. Reynolds hat die Verwendung einer großen Anzahl von Farben in seinen Bildern immer vermieden, drei oder vier Töne – oder sogar weniger – unendlich oft gemischt und vervielfältigt, sind ihm genug; er hat eine große Vorliebe für rot, aber in diesem Porträt hat er sich seine Lieblingsfarbe in großem Maße verweigert. Dieses seinen Anspruch auf größten Ruhm untermauernde Meisterwerk konnte nur von der Hand eines Mannes geschaffen werden, der sowohl im Norden wie im Süden und damit in jedem Land, in welches das Genie der Kunst seinen göttlichen Fuß gesetzt hatte, so viele der sublimen Realisierungen der großen Meister gesehen und studiert hatte. Alles in diesem exzellenten Gemälde gehört ganz zu Reynolds, der immer behauptete, alle Ideen während seiner Reisen von Leonardo da Vinci, Antonio da Correggio (1489-1534), Diego Velázquez (1599-1660) und Rembrandt van Rijn (1606-1669) ausgeliehen zu haben.
Aber wenn man dieses exquisite Gesicht unparteiisch beurteilen will, muss gesagt werden, dass diese Nelly O’Brien im Vergleich zu irgendeinem italienischen Meisterwerk eine unbefriedigende Arbeit eines ungestümen Geistes ist. Es ist das in der Temperatur eines Treibhauses entstandene Ergebnis einer äußerst verfeinerten Zivilisation, eine Schöpfung, die Gainsborough, schließlich ein Sohn der gleichen Erde und gestärkt durch den anregenden Duft der Wälder, sich nie hätte vorstellen können und die er glücklicherweise auch nie in der Lage war zu verstehen.
Gainsborough hat auch seine Meisterwerke geschaffen, etwa Knabe in Blau (1770; Huntington Art Gallery, San Marino, Kalifornien) und andere große Werke, die in der Rangordnung über die von Reynolds eingeordnet werden können. Aber wie kann man der mächtigen und geheimnisvollen Anziehungskraft widerstehen, die uns vor dem Bild der Nelly O’Brien in Bann schlägt? Gainsborough hat nur einen Jungen gemalt, und warum hat er keine Frau gemalt? Doch sollten wir ihm zweifellos gerecht werden, vielleicht sollten wir ihn mit Reynolds gleichsetzen, vielleicht sollten wir Gainsborough sogar als Reynolds überlegen betrachten. Gainsborough beschränkte sich allerdings nicht darauf, mit Reynolds in der Darstellung der überheblichen Charaktereigenschaften der englischen Aristokratie zu rivalisieren, er war auch ein großer Landschaftsmaler.
Trotz der zahlreichen Aufträge, denen Gainsborough, nachdem er beschlossen hatte, nach London zurückzukehren, seinen rasch erworbenen Ruhm verdankte, und obwohl er kaum die Bestellungen seiner aristokratischen Kunden befriedigen konnte, hatte er doch seinen ersten Lehrer, die Natur, nie vergessen. Er ist ihm häufig gelungen, freie Zeit für Wanderungen zu finden. Er wird etwas später als Landschaftsmaler vorgestellt werden, aber jetzt soll schon gesagt werden, dass er der Urheber, der Vater der modernen Landschaft war. Glücklich über die Schönheiten, die er in seinem Landhaus entdeckte, studierte er sie in all ihrer Einfachheit, was ihm erheblich hilfreicher war als die schönsten Erfindungen der akademischen Geometrie. Darauf hinzuweisen, ist wichtig, da es zeigt, in welcher Hinsicht sich Gainsborough als Porträtmaler von seinem Rivalen unterscheidet. Ihre Unterschiede sind in ihren Ergebnissen kaum bemerkbar und nicht von der Art, die jedem ins Auge fallen, sodass zwischen den Künstlern ein Antagonismus entsteht.
Beide waren mit Talent gesegnet, die Familienähnlichkeit in ihren Modellen jedoch – alle waren englisch – hat viele oberflächliche Beobachter enttäuscht. Dennoch sind die Unterschiede zwischen ihnen, deren Ursache ein ganz andersartiges, in direktem Widerspruch stehendes Wertesystem war, fundamental.
Reynolds erreichte in seinen Porträts die so aufsehenerregenden Effekte durch den Kunstgriff einer ausgereiften Technik. Er schuf für seinen eigenen Gebrauch ein komplettes Arsenal, eine ganze Reihe von Regeln und bewährte Systeme, die er dank seines sorgfältigen Studiums der alten Meister ausgewählt und gesammelt hatte. Er musste so viel Licht oder so viel Schatten haben, er vermied systematisch diesen oder jenen Farbton, und nur durch sein außerordentliches Geschick in der Ausführung gelang es ihm, die Dürftigkeit der Konzeption zu verbergen.