Tomasino Cinquemani kratzte sich mit einer Hand die Rippen und hielt mit der anderen ein Whiskyglas umklammert. Es war spät, drei Uhr morgens vorbei, und er saß in einer Nische Giuseppe Mariposa, Emilio Barzini und Tony Rosato gegenüber. Emilios und Tonys jüngere Brüder, Ettore und Carmine, die noch in ihren Zwanzigern waren, hatten sich neben Tomasino in die Nische gequetscht. Frankie Pentangeli, der Mitte vierzig war, saß rittlings auf einem Stuhl am Tischende, die Arme auf der Lehne verschränkt. Sie befanden sich im Chez Hollywood, einem von Phillip Tattaglias Clubs im Zentrum von Manhattan. Das Lokal war riesig, und überall auf der weitläufigen Tanzfläche standen Töpfe mit Palmen und Farnen. Ihre Nische war eine von mehreren, die sich im rechten Winkel zur Bühne an einer Wand entlangzogen. Auf der Bühne unterhielten sich ein paar Musiker mit einer Sängerin, während sie in aller Ruhe ihre Instrumente zusammenpackten. Die Sängerin trug ein rotes, mit Pailletten besetztes Kleid, und der Ausschnitt reichte ihr bis zum Bauchnabel. Sie hatte onduliertes, platinblondes Haar und dunkle, rauchgraue Augen. Giuseppe erzählte mal wieder Geschichten, und hin und wieder verstummte er und starrte eine Weile das Mädchen an, das so aussah, als wäre sie noch keine zwanzig.
Mariposa war wie immer adrett gekleidet; er trug ein rosenfarbiges Anzugshemd mit einem weißen Kragen und einer goldenen Anstecknadel anstatt einer Krawatte. Das schneeweiße Haar, das zu dem schwarzen Jackett einen markanten Kontrast bildete, hatte er in der Mitte gescheitelt. Er war schlank und Anfang sechzig, sah aber jünger aus. Tomasino war vierundfünfzig, ein behaarter, schwerfälliger Koloss, der wie ein herausgeputzter Affe wirkte. Neben ihm sahen Ettore und Carmine wie hagere Schulbuben aus.
Frankie Pentangeli beugte sich über den Tisch. Er wurde allmählich kahl und hatte ein rundliches Gesicht mit buschigen Augenbrauen und einem Oberlippenbart. Seine Stimme klang, als käme sie aus einer Kiesgrube. »Hey, Tomasino«, sagte er, öffnete den Mund und deutete auf einen seiner Backenzähne. »Ich glaube, ich hab da ein Loch.«
Alle am Tisch lachten.
»Soll ich das in Ordnung bringen?«, erwiderte Tomasino. »Du musst es nur sagen.«
»Nein, danke. Ich hab schon einen Zahnarzt.«
Giuseppe griff nach seinem Drink und deutete auf die Sängerin auf der Bühne. »Meint ihr, ich sollte die heute Nacht mit nach Hause nehmen?« Seine Frage galt dem ganzen Tisch.
Frankie drehte sich um und sah sich das Mädchen genauer an.
»Kann sein, dass ich eine Rückenmassage brauche«, sagte Giuseppe und massierte sich die Schulter. »Ich hab mich da irgendwie verspannt.« Wieder lachten alle.
»Ihrem Freund wird das nicht gefallen«, gab Emilio zu bedenken. Mit der einen Hand spielte er mit seinem Bourbonglas, das er nun schon seit einer Stunde anstarrte, mit der anderen zupfte er an dem Eckkragen seines Hemdes und zog die schwarze Fliege gerade. Emilio war ein gutaussehender Mann mit dunklem Haar, das sich in einer Schmalzlocke über seine Stirn ringelte.
»Welcher ist denn ihr Freund?«, wollte Giuseppe wissen.
»Der kleine Kerl da«, erwiderte Carmine Rosato. »Der mit der Klarinette.«
»Aha …« Mariposa musterte den Klarinettisten, wandte sich dann unvermittelt zu Emilio um und fragte: »Was tut sich in dieser Sache mit Corleone?«
»Ich hab ein paar von meinen Jungs zu Clemenza geschickt«, sagte Emilio, »und …«
»Und trotzdem ist wieder eine unserer Lieferungen überfallen worden.« Mariposa packte sein Whiskyglas, als wollte er es nach jemandem werfen.
»Sie schwören, dass sie nichts damit zu tun haben.« Emilio nahm einen Schluck von seinem Bourbon und sah Mariposa über den Rand des Glases hinweg an.
»Da steckt entweder Clemenza dahinter oder Vito selbst. Einer von beiden auf jeden Fall«, sagte Giuseppe. »Wer sonst?«
»Hey, Joe«, sagte Frankie. »Hast du nicht mitgekriegt, dass unser paisan’ als Bürgermeister kandidiert? Das Verbrechen greift immer mehr um sich.« Tomasino quittierte die Bemerkung mit einem Lachen.
Mariposa schaute von Tomasino zu Frankie. Er lächelte erst und lachte dann. »Fiorello LaGuardia. Das fette neapolitanische Schwein kann meinen sizilianischen Arsch lecken.« Er schob seinen Drink beiseite. »Wenn ich mit LaConti fertig bin, kümmere ich mich um dieses Stück Scheiße Corleone.« Er hielt inne und blickte in die Runde. »Corleone und Clemenza werde ich möglichst bald erledigen, bevor sie so groß werden, dass sie mir ernsthafte Schwierigkeiten machen.« Mariposa blinzelte einmal, zweimal, was er immer tat, wenn er nervös oder wütend war. »Die kaufen Bullen und Richter, als gäb’s die im Dutzend billiger. Eine solche Organisation hat einiges vor.« Er schüttelte den Kopf. »Aber daraus wird nichts.«
Ettore Barzini warf seinem älteren Bruder über den Tisch hinweg einen fragenden Blick zu. Emilio nickte kaum merklich, und Ettore sagte: »Kann auch sein, dass Tessio hinter den Überfällen steckt, Joe.«
»Um Tessio kümmere ich mich auch noch«, erwiderte Mariposa.
Tony Rosato, der neben Emilio saß, räusperte sich. Er hatte fast den ganzen Abend geschwiegen, und die anderen wandten sich alle zu ihm um. Er war ein Schrank von einem Kerl, mit einer athletischen, muskulösen Figur, kurzem, dunklen Haar und blauen Augen. »Verzeihen Sie mir, Don Mariposa, aber das verstehe ich nicht. Warum zwingen wir diesen Hosenscheißer Brasi nicht, uns zu verraten, was er weiß?«
Frankie Pentangeli schnaubte, und Mariposa antwortete schnell: »Mit Luca Brasi möchte ich mich nicht anlegen. Ich hab da Geschichten gehört, von wegen dass er mehrere Kugeln abbekommen hat, ohne dass ihm das etwas ausgemacht hätte.« Er trank sein Glas leer, und als er fortfuhr, flatterten seine Augenlider. »Mit dem will ich nichts zu tun haben.«
Giuseppe hatte mit so lauter Stimme gesprochen, dass die Musiker aufhorchten. Sie hielten inne und schauten zu der Nische hinüber, bevor sie merkten, was sie taten, und sich wieder ihrer eigenen Unterhaltung widmeten.
Tomasino knöpfte seinen Kragen auf, lockerte seine Krawatte und kratzte sich am Hals. »Ich weiß, wo ich Luca Brasi finden kann«, sagte er und legte sich die Hand aufs Herz, als schmerzte ihn etwas. »Agita«, sagte er auf die fragenden Blicke der Männer am Tisch hin. »Ich kenne da so ein paar Vögel, die mit ihm Geschäfte machen. Wenn ihr wollt, rede ich mit ihm.«
Mariposa sah ihn einen Moment an und wandte sich dann Emilio und Tony zu. »Corleone und Clemenza – und Genco Abbandando. Die werde ich gleich erledigen, solange das noch ohne Schwierigkeiten möglich ist. Ein Großteil ihres Einkommens kommt von anderen Dingen als Schnaps. Und damit werden sie zu einem Problem, sobald das Gesetz außer Kraft ist.« Er schüttelte noch einmal den Kopf, um anzudeuten, dass es so nicht kommen würde. »Ich möchte ihre sämtlichen Geschäfte, Vitos Olivenölfirma eingeschlossen. Wenn dieser Mist mit LaConti erst mal vorbei ist, sind sie als Nächstes dran.« Er wandte sich an Frankie Pentangeli. »Du kennst Vito. Du hast doch eine Weile mit ihm zusammengearbeitet, oder?«
Frankie schloss die Augen und drehte leicht den Kopf, eine Geste, mit der er eingestand, dass er Vito kannte, dieses Eingeständnis aber gleich wieder einschränkte. »Klar kenn ich Vito.«
»Hast du ein Problem mit dieser Sache?«
»Vito ist ein arroganter Hurensohn. Er ist hochnäsig, als wäre er etwas Besseres als wir anderen. Der Dummkopf glaubt, er wäre der italienische Vanderbilt oder irgend so einen Blödsinn.« Frankie rührte mit dem Finger in seinem Drink. »Der kann mir gestohlen bleiben.«
»Gut!« Mariposa schlug auf den Tisch, und damit war das Thema beendet. An Tomasino gewandt sagte er: »Und du stattest diesem Teufel Luca Brasi einen Besuch ab. Aber nimm ein paar von den Jungs mit. Die Geschichten, die ich über diesen bastardo gehört habe, gefallen mir nicht.«
Tomasino zog seinen Kragen nach unten und kratzte sich an den Trägern seines Unterhemds. »Ist so gut wie erledigt.«
Giuseppe deutete auf Carmine und Ettore. »Seht ihr? Da könnt ihr noch was lernen.« Er schenkte sich aus einer Flasche mit kanadischem Whisky nach. »Emilio, tu mir einen Gefallen. Knöpf dir doch mal den kleinen Klarinettisten vor.« Er deutete über den Tisch. »Und du, Carmine. Hol mir die Mieze her.« Zu den Übrigen sagte er: »Also gut, Jungs. Ihr habt bestimmt noch anderes zu tun.«
Während alle aufstanden, nippte Giuseppe an seinem Drink. Er beobachtete, wie Emilio mit dem Klarinettisten durch einen Hinterausgang verschwand. Carmine redete mit der Sängerin in dem roten Kleid, die sich daraufhin suchend nach ihrem Freund umsah. Carmine sagte noch etwas zu ihr. Als sie zu seinem Tisch hinüberschaute, hob Giuseppe sein Glas und lächelte. Carmine legte dem Mädchen die Hand auf den Rücken und führte sie durch den Raum.
Donnie O’Rourke wartete unter dem grünen Dach von Paddy’s Bar, während ein plötzlicher Wolkenbruch den Gehsteig unter Wasser setzte. Ein kleines Flüsschen strömte den Rinnstein entlang und ergoss sich in einen Abwasserkanal, der zunehmend mit Zeitungen und Abfällen verstopfte. Donnie nahm seinen Derby ab und wischte sich Wassertropfen von der Stirn. Auf der anderen Straßenseite hielten zwei ältere Frauen mit braunen Papiertüten auf den Armen in einem Hauseingang ein Schwätzchen, während hinter ihnen ein Kind die Treppe auf und ab rannte. Eine der Frauen schaute in seine Richtung und wandte sofort wieder den Blick ab. Allem Anschein nach würde sich die Sonne, die noch vor Kurzem geschienen hatte, den Himmel zurückerobern, sobald sich die Gewitterwolken verzogen hatten. Als Donnie seinen Bruder sah, der um die Ecke bog und unter einem schwarzen Regenschirm auf ihn zugetrottet kam, stemmte er die Hände in die Hüften und blickte ihm entgegen. »Du würdest noch zu deinem eigenen Begräbnis zu spät kommen«, sagte er, sobald sein Bruder unter dem Vordach stand.
Willie O’Rourke faltete den Regenschirm und schüttelte ihn. Er war nur wenige Zentimeter kleiner als sein Bruder und so dünn und zerbrechlich, wie Donnie dick und kräftig war. Als Kind und junger Mann war Willie oft krank gewesen, und erst jetzt, mit Anfang dreißig, ging es ihm einigermaßen gut, obwohl er sich noch immer alles holte, was umging – und irgendwas ging immer um. Donnie war sieben Jahre älter als Willie und für ihn ebenso Vater wie Bruder, was auch für ihren jüngsten Bruder Sean galt, der noch in seinen Zwanzigern war. Ihre Eltern waren Säufer, die ihren Kindern das Leben zur Hölle gemacht hatten, bis Donnie dafür sorgte, dass sie seine Geschwister nie wieder anfassten – mit fünfzehn verpasste er seinem Vater eine solche Tracht Prügel, dass der alte Herr über Nacht ins Krankenhaus musste. Seither stand völlig außer Frage, wer im Haus das Sagen hatte. Weder Sean noch Kelly, die Jüngste der Familie, waren je mit Striemen oder hungrig zu Bett gegangen – etwas, das für Donnie und Willie die Regel gewesen war.
»Ich musste noch mal zurück und den Regenschirm holen. Du weißt doch, wie leicht ich mich erkälte.« Willie schloss den Regenschirm ganz und hängte ihn sich über den Arm.
Hinter ihnen trat Sean aus dem Paddy’s, ein breites Lächeln auf dem Gesicht. Der Junge lächelte unentwegt. Von den Brüdern war er der Einzige, der gut aussah, was er von seiner Mutter geerbt hatte. »Du solltest besser mal reinkommen«, sagte er zu Donnie. »Rick Donnelly und Corr Gibson stehen kurz davor, einander umzubringen, und zwar wegen etwas, das vor zwanzig Jahren passiert ist. Himmel Herrgott«, fügte er hinzu. »Wenn du dich nicht beeilst, fangen sie noch an rumzuballern.«
»Wir kommen«, erwiderte Donnie. »Gib allen noch eine Runde aus.«
»Klar, das ist genau das, was sie brauchen – noch eine Runde.« Damit verschwand er in der Bar. Donnie und Willie waren dafür bekannt, dass sie keinen Alkohol tranken. Sean gönnte sich hin und wieder ein Glas, aber nicht mehr. Kelly dagegen hatte die Veranlagung ihrer Eltern geerbt, und Donnie und seinen Brüdern war es nie gelungen, sie davon abzubringen. Seit sie im Alter von sechzehn Jahren zu voller Schönheit erblüht war, konnte sie niemand mehr zügeln.
»Überlass mir das Reden«, sagte Donnie.
»Als wär das jemals anders gewesen.«
»Hast du deine Knarre dabei?«
»Klar.« Willie legte kurz die Hand auf die Pistole, die er unter seiner Jacke trug. »Glaubst du, die brauchen wir?«
»Nee«, erwiderte Donnie. »Aber sicher ist sicher.«
»Ich bin immer noch der Meinung, dass du den Verstand verloren hast. Du bringst uns noch alle um.«
»Wen interessiert schon, was du denkst?«
Sie gingen hinein, und Donnie zog die grünen Rollos herunter und verriegelte die Tür, während Willie sich zu den anderen an die Bar gesellte. Rick Donnelly und Corr Gibson lachten und klopften sich auf den Rücken. Donnie schaute zu, wie sie ihre Biergläser gegeneinander stießen. Der Schaum schwappte über den Rand, und sie kippten ihre Pints mit wenigen Schlucken hinunter, worauf sie beide wieder in lautes Gelächter ausbrachen. Ihren Streit hatten sie glücklich beigelegt, worüber alle erleichtert waren, vor allem Ricks Bruder Billy, der hinter der Bar saß. Rick war Anfang vierzig und damit einige Jahre älter als Billy, aber sie sahen einander so ähnlich, dass man sie für Zwillinge halten konnte. Billy nahm die Hand aus der Jackentasche und trank einen Schluck von seinem Bier. Pete Murray und Little Stevie Dwyer saßen vorne an der Bar, gegenüber vom Spiegel und den Regalen mit den Flaschen, und Corr Gibson setzte sich, nachdem er mit Rick Donnelly alles geregelt hatte, neben Murray. Mit fünfzig war Pete der Älteste unter ihnen. Er hatte sein ganzes Leben lang immer mal wieder im Hafen gearbeitet, und seine Arme glichen Kanonenrohren. Little Stevie, der links neben ihm saß, wirkte im Vergleich wie ein Chorknabe. Von ihnen allen spielte Corr Gibson die Rolle des irischen Ganoven am besten – er trug einen eleganten Anzug und Gamaschen und hielt mit spitzen Fingern einen schwarz glänzenden Knüttel in der Hand, als handelte es sich um den Spazierstock eines Gentlemans.
»Jungs!«, rief Donnie und schlenderte zur Bar hinüber. Als er an Billy Donnelly vorbeikam, versetzte er ihm einen Klaps auf die Schulter. Hinter der Bar angekommen, legte er die Hände wie im Gebet aneinander und psalmodierte: »Wir sind heute hier zusammengekommen …« Wie erwartet lachten alle, und Donnie nahm sich einen Moment Zeit und zapfte sich ein Bier.
»Pater O’Rourke«, sagte Corr Gibson und klopfte mit seinem Knüttel auf die Theke. »Wollt Ihr uns eine Predigt halten?«
»Nein, keine Predigt«, antwortete Donnie und nippte an seinem Bier. Allen war klar, dass er nicht trank, aber offenbar wussten sie die kameradschaftliche Geste zu schätzen, dass er ein Glas in der Hand hielt und so tat, als ob. »Hört zu, Jungs. Ich hab euch Vögel nicht ins Paddy’s gebeten, um euch die Zeit zu stehlen und euch Geld abzuknöpfen – nur um das klarzustellen.«
»Warum sind wir dann hier?«, wollte Corr wissen. »Donnie, erzähl mir jetzt nicht, dass du für den Stadtrat kandidierst.«
»Nee, ich kandidier für gar nichts – und ist das nicht genau der springende Punkt?« Er musterte die anwesenden Männer eingehend. Sie schwiegen alle und warteten darauf, was er als Nächstes sagen würde. Das Geräusch des Regens, der gegen das Gebäude prasselte, verschmolz mit dem Surren des Deckenventilators. »Ist das nicht genau der springende Punkt?«, wiederholte er. »Ich bin hier, weil ich keine Lust mehr habe, andere Leute über mein Leben entscheiden zu lassen. Ich möchte euch, meine geschätzten Kollegen, in meine Pläne einweihen. Mit Pete Murray und den Donnellys habe ich bereits gesprochen, und mit euch anderen habe ich hier und da ein paar Worte gewechselt.« Er wies mit seinem Glas auf jeden einzelnen der Männer an der Bar. »Ihr wisst, was ich denke«, fuhr er fort, wobei er die Stimme hob. »Es ist an der Zeit, dass wir uns diese Makkaronis vorknöpfen! Sie haben uns unsere einträglichen Geschäfte weggenommen, eins nach dem anderen, bis uns nur noch die Drecksarbeit geblieben ist, auf die sie keine Lust haben, und der ein oder andere Job, den sie sich noch nicht unter den Nagel gerissen haben. Es ist höchste Zeit, dass wir ihnen in die Makkaroniärsche treten und ihnen zeigen, wo’s langgeht, damit sie aus unseren Vierteln verschwinden und bleiben, wo sie hingehören!«
Die Männer an der Bar wurden plötzlich ernst. Sie starrten in ihr Bier oder sahen Donnie mit ausdruckslosem Blick an.
»Hört zu«, sagte Donnie, dem das Redenschwingen vergangen war. »Luca Brasi und Pete Clemenza und die ganzen anderen Makkaronis kommen in unsere Viertel, mischen sich in die Lotterie, das Glücksspiel, die Weiber, den Schnaps – alles. Einige von uns haben sich dabei einen blutigen Schädel geholt, und ein paar sind unter der Erde gelandet, wie Terry O’Banion und Digger McLean. Und wir haben tatenlos zugeschaut. Wir wollten kein Blutbad und dachten, wir würden schon noch unser Auskommen haben. Aber ich sage euch – diese Spaghettifresser werden erst zufrieden sein, wenn die ganze Stadt nach ihrer Pfeife tanzt. Dabei müssen wir, wenn wir nicht völlig untergebuttert werden wollen, nur aufhören, den Kopf einzuziehen, und ihnen zeigen, dass wir bereit sind zu kämpfen.« Donnie machte eine kurze Pause, bevor er weiterredete. »Meine Brüder und ich haben vor, uns mit Luca Brasi und seinen Jungs anzulegen. Koste es, was es wolle«, schloss er und stellte sein Bierglas auf die Theke.
Corr Gibson pochte zweimal mit seinem Knüttel auf den Boden, und als alle in seine Richtung schauten, wies er mit einer ausholenden Geste auf Donnie. »Es geht nicht nur um Brasi und Clemenza, oder auch Vito Corleone. Wir haben es mit Mariposa und den Rosatos und den Barzinis zu tun, ganz zu schweigen von dem Schwein Al Capone in Chicago. Donnie, diese Makkaronis sind eine verdammte Armee! Und das ist das Problem.«
»Ich sage ja auch nicht, dass wir uns mit dem ganzen Syndikat anlegen sollen.« Donnie lehnte sich zurück und stützte seine Ellenbogen auf die Flaschenregale, als machte er sich für eine lange Auseinandersetzung bereit. »Noch nicht jedenfalls. Erst müssen wir uns organisieren. Ich will nur sagen – meine Brüder und ich wollen Luca Brasi ans Leder. Vor allem möchten wir sein Lotteriespiel. Wir möchten, dass seine Läufer für uns arbeiten, und wir werden seine Bank übernehmen.«
»Aber wisst ihr denn nicht«, sagte Pete Murray und blickte von seinem Glas hoch, »dass Brasi Giuseppe Mariposa hinter sich hat? Wenn ihr euch mit Brasi anlegt, bekommt ihr es auch mit Mariposa zu tun – und wenn ihr euch mit Mariposa anlegt, dann kreuzen hier, wie Corr gesagt hat, als Nächstes die Rosatos auf und die Barzinis und Cinquemani und wie sie alle heißen.«
»Aber Brasi hat Mariposa nicht hinter sich!«, rief Willie und beugte sich über die Theke zu Murray hinüber. »Das ist es doch gerade. Der hat keinen Menschen hinter sich.«
Donnie schenkte Willie keine Beachtung. Er wartete, bis sein Bruder fertig war, und redete dann weiter, als hätte Willie kein Wort gesagt. »Wir haben gehört, dass Brasi ausschließlich auf eigene Rechnung arbeitet. Niemand unterstützt ihn, weder Mariposa, noch sonst irgendwer.« Er wies mit einem Kopfnicken auf Little Stevie, und alle wandten sich zu dem Jungen um, als würden sie ihn gerade erst bemerken.
»Ich hab ’ne Weile für Sonny Corleone gearbeitet«, sagte Stevie, »und da sind mir ein paar Dinge zu Ohren gekommen. Zum Beispiel, dass Luca unabhängig ist. Niemand deckt ihm den Rücken. Ich hab sogar gehört, dass Mariposa nichts dagegen hätte, wenn ihn jemand erledigt.«
»Warum das?«, fragte Pete Murray und starrte weiter in sein Glas.
»Einzelheiten kenne ich nicht«, murmelte Stevie, und alle schwiegen.
»Hört mal zu«, sagte Rick Donnelly schließlich. »Die O’Rourkes können auf mich zählen, und auf meinen Bruder auch. Diese Schmalzlocken sind doch alles Feiglinge. Wenn wir ein paar von denen umlegen, ziehen die gleich den Schwanz ein.«
»Feige sind die nicht«, sagte Stevie. »Das kannst du vergessen. Aber ich mach trotzdem mit. Es ist eine verdammte Schande, dass wir uns von diesen Spaghettifressern rumschubsen lassen. Ich hab die Schnauze voll davon.«
Billy Donnelly, der mit verschränkten Armen an der Theke lehnte, als befände er sich im Kino und würde sich einen Film anschauen, meldete sich zu Wort. »Luca Brasi allein ist schon ein ernstzunehmender Gegner. Der Mann ist ein Ungeheuer, und wir wären nicht die Ersten, die sich an ihm die Zähne ausbeißen.«
»Überlass Luca Brasi nur mal uns«, sagte Donnie. »Hört zu, reden wir doch mal über das, worauf es wirklich ankommt. Wenn wir uns mit Brasi anlegen, wird es wahrscheinlich für uns alle etwas kritisch. Aber wenn wir zusammenhalten, wenn wir zeigen, dass wir Mumm haben, versohlen wir den Makkaronis den Hintern und zeigen ihnen, wo’s langgeht. Na, was sagt ihr? Müssen meine Brüder und ich das alleine regeln? Oder haltet ihr zu uns?«
»Ich halte zu euch«, sagte Little Stevie ohne zu zögern.
»Wir auch«, sagte Rick Donnelly für sich und seinen Bruder. Er sprach laut und deutlich, wenn auch ohne großen Enthusiasmus.
»Klar«, sagte Corr Gibson. »Wann wär ich schon mal vor einem Kampf davongelaufen?«
Pete Murray starrte noch immer in sein Bierglas, und die anderen wandten sich ihm zu und warteten. Als die Stille zu lange andauerte, sagte Donnie: »Und was ist mit dir, Pete? Wo stehst du?«
Pete sah auf und musterte erst Sean, dann Willie und schließlich Donnie. »Und was ist mit deiner Schwester Kelly, Donnie O’Rourke? Hast du denn nicht mit ihr darüber geredet, dass sie sich mit Luca Brasi herumtreibt?«
Plötzlich war nur noch das laute Prasseln des Regens zu hören, der wieder stärker geworden war. Er peitschte gegen das Vordach und rauschte die Straße entlang.
»Von was für einer Schwester sprichst du da, Pete?«, sagte Donnie schließlich. »In meinem Haushalt lebt niemand, der Kelly heißt.«
»Aha.« Pete schien einen Augenblick lang nachzudenken, bevor er Donnie mit seinem Glas zuprostete. »Ich gehe lieber mit wehenden Fahnen unter, als irgendeiner Schmalzlocke in den Arsch zu kriechen.« Er hob das Glas noch höher und rief: »Holen wir uns zurück, was uns gehört!«
Die Männer hoben alle ihre Gläser und tranken mit ihm, Donnie eingeschlossen. Danach legte sich die feierliche Stimmung rasch. Die Männer wandten sich wieder ihrem Bier zu und unterhielten sich leise.