Tomasino Cinquemani hatte sein Apartment im Zentrum von Manhattan verlassen und fuhr mit dem Aufzug nach unten. Er hatte die Arme verschränkt und die Beine gespreizt, als würde er jemandem den Weg verstellen. Nicky Crea und Jimmy Grizzeo standen einander links und rechts von ihm gegenüber. Es war noch früh am Morgen, und beide wirkten müde. Grizz hatte sich die Krempe seines Hutes in die Stirn gezogen und schien ein kleines Nickerchen zu machen, während der Lift sich klappernd abwärts bewegte. In der linken Hand hielt Nicky eine braune Papiertüte, die rechte hatte er in die Jackentasche gesteckt. Tomasino starrte wie gebannt auf das Aufzugsgitter und die Wände und Türen, die dahinter vorbeiglitten. Ein vierter Mann saß auf einem Hocker vor der Steuertafel; er trug eine Uniform mit einer v-förmig angeordneten Reihe von Knöpfen unterhalb des Kragens. Sein Pillbox-Hut war eine Nummer zu klein, und er sah damit aus wie der Affe eines Drehorgelspielers. Obwohl er fast noch ein Junge war, hatte er die müden Augen eines alten Mannes, und er schien sich alle Mühe zu geben, unsichtbar zu erscheinen. Als der Aufzug das Foyer erreichte, brachte er ihn auf gleiche Höhe mit dem Boden und öffnete Gitter und Türen. Tomasino trat zuerst hinaus, gefolgt von Grizz. Nicky drückte dem Fahrstuhlführer einen Quarter in die Hand, und der Junge dankte ihm.
Auf der Straße herrschte reges Treiben. Autos und Taxis rasten die Avenue entlang, und zahllose Passanten eilten auf dem Gehsteig vorbei. Tomasino lebte in Midtown, im achtundzwanzigsten Stock eines Hochhauses. In der Menge fühlte er sich sicherer – niemand konnte über eine Feuerleiter zu seinem Apartment hinaufsteigen und ihm eine Kugel zwischen die Augen jagen. Er wohnte gerne so weit oben, und der Lärm machte ihm nichts aus – aber er musste jemand nach Downtown schicken, wenn er gute Wurst oder Gebäck essen wollte, und das ging ihm ziemlich auf den Nerv. Grizz war, nachdem sie das Foyer verlassen hatten, in einem Automatenbuffet verschwunden und tauchte jetzt mit Kaffee wieder auf, den er Nicky und Tomasino reichte.
»Hast du in meinen drei Zucker getan?«, fragte Tomasino.
»Ich hab’s der Mieze gesagt.«
Tomasino nickte und schloss die Hände um seinen Kaffeebecher, der in seinen fleischigen Pfoten wie ein Kinderspielzeug aussah. Zu Nicky sagte er: »Gib mir eine sfogliatell’.«
Nicky nahm eine der kegelförmigen Blätterteigtaschen aus einer braunen Papiertüte und reichte sie Tomasino. Dann standen sie alle drei mit dem Rücken zur Wand da, tranken Kaffee und warteten auf ihren Fahrer, Vic Piazza, der angerufen hatte, als sie gerade zur Tür hinaustraten, weil er Probleme mit dem Wagen hatte und ein paar Minuten zu spät kommen würde.
»Woher hast du denn diese sfogliatell’?«, fragte Tomasino. Er hielt das Gebäck hoch und betrachtete die Blätterteigschichten. »Die sind pampig. Ich hasse es, wenn sie pampig sind.«
»Ich hab sie aus der Mott Street«, sagte Grizz.
»Wo aus der Mott Street?«
Grizz schob die Krempe seines Hutes nach oben. »Verdammte Scheiße, woher soll ich das wissen? Aus irgendeiner Bäckerei in der Mott Street eben.«
»Hey, Grizz«, sagte Tomasino und wandte sich zu dem jungen Burschen um. »Hast du vergessen, mit wem du redest?«
Grizz warf die Arme in die Luft, um sich zu entschuldigen. »Es ist noch früh, Tommy. Morgens bin ich wirklich ungenießbar, ich weiß. Tut mir leid.«
Tomasino lachte und klopfte Grizz auf die Schulter. »Du gefällst mir«, sagte er. »Du bist ein guter Junge.« Zu Nicky sagte er: »Das nächste Mal holst du die sfogliatell’, und dann gehst du ins Patty’s an der Ainslie Street in Williamsburg. Die machen die besten sfogliatell’ in der ganzen Stadt.« Er hob seinen Kaffeebecher und wies auf die Straße hinaus. »Wo zum Teufel steckt Vic?« Und an Grizz gewandt: »Was, hat er gesagt, ist mit seinem Wagen nicht in Ordnung?«
»Der Vergaser«, erwiderte Grizz. »Er meinte, es dauert nur ein paar Minuten.«
»Mir gefällt das nicht.« Tomasino schaute auf seine Armbanduhr. »Wenn so was passiert …«, sagte er, brachte seinen Gedanken aber nicht zu Ende. Tomasino war rund fünfundzwanzig Jahre älter und einige Zentimeter größer als Nicky und Grizz. »Wenn so was passiert«, sagte er zu den beiden jungen Männern, »dann hält man besser die Augen offen. Versteht ihr, was ich meine?«
Nicky nickte, und Grizz nippte an seinem Kaffee. Beide wirkten einigermaßen gelangweilt.
»Was, hat er gesagt, ist mit seinem Wagen nicht in Ordnung?«
»Der Vergaser.«
Tomasino dachte einen Moment darüber nach. Dann schaute er wieder auf seine Armbanduhr. »Wie viele Jungs haben wir vor Ort?«
»Vier in dem Diner: zwei an der Theke, zwei an den Tischen. Carmine und Fio in ihren Wagen, außer Sichtweite, aber ganz in der Nähe.«
»Und Luca kann unmöglich von ihnen wissen?«
»Unmöglich«, sagte Nicky. »Carmine hat die Kerle irgendwo in Jersey zusammengetrommelt. Die kennt Luca bestimmt nicht.«
»Und alle wissen, was zu tun ist?«
»Klar«, sagte Nicky. »Wir haben uns genau an deine Anweisungen gehalten.«
»Der verdammte Idiot glaubt nämlich immer noch, dass wir versucht haben, ihn umzunieten. Ich hab zu diesem Hooks gesagt: ›Wenn wir das gewesen wären, wäre er jetzt tot.‹«
»Und er glaubt dir trotzdem nicht?«, wollte Grizz wissen.
Tomasino trank seinen Kaffee aus. »Es wäre einfacher gewesen, ihn zu überzeugen, wenn wir wüssten, wer es war.«
»Gibt’s da noch immer keine Neuigkeiten?«, fragte Grizz.
»Der Hurensohn hat einfach zu viele Feinde«, sagte Tomasino. »Da kann jeder dahinterstecken. Diese Burschen im Lokal«, wechselte er das Thema, »die haben auch den Mut zu schießen, wenn’s drauf ankommt, ja?« Er redete weiter, ohne eine Antwort abzuwarten. »Denn wenn Brasi noch immer glaubt, ich hätte versucht, ihn unter die Erde zu bringen …«
»Tommy«, erwiderte Grizz, »ich liebe dich wie meinen eigenen Vater, aber Himmel noch mal, du machst dir zu viel Sorgen!«
Tomasino musterte ihn mürrisch und lachte schließlich. »Wo zum Teufel steckt Vic? Wenn er nicht sofort hier aufkreuzt, blase ich die ganze Sache ab.«
»Da ist er.« Nicky deutete auf einen schwarzen Buick, der gerade um die Ecke gebogen war.
Tomasino wartete mit verschränkten Armen, während Nicky und Grizz hinten einstiegen und Vic vom Fahrersitz sprang, um den Wagen herumlief und den Verschlag aufriss. »Scheiß Vergaser«, fluchte er. Er war ein schlanker, gutaussehender Junge und trug die blonden Haare nach hinten gegelt. Obwohl er bereits zwanzig war, sah er immer noch aus wie fünfzehn. »Ich musste ihn durchpusten, und dann hab ich eine der Scheißschrauben verloren …« Er hörte auf zu reden, als er begriff, dass Tomasino nicht an Ausreden interessiert war. »Hör zu, Tommy«, fuhr er fort. »Es tut mir leid. Ich hätte früher aufstehen und mich vergewissern müssen, dass alles in Ordnung ist.«
»Ganz genau«, sagte Tomasino und stieg auf der Beifahrerseite ein.
Sobald Vic wieder hinter dem Steuer saß, sagte er noch einmal: »Es tut mir leid, Tommy.«
»Du bist ein guter Junge, Vic«, erwiderte Tomasino. »Aber sorg dafür, dass so was nicht wieder passiert!« Und an Nicky gewandt: »Gib mir noch eine sfogliatelle.« Und zu Vic: »Möchtest du eine?«
»Nee. Morgens esse ich nie was. Hunger krieg ich erst irgendwann nachmittags.«
»Yeah.« Grizz rutschte auf dem Rücksitz hin und her. »Geht mir auch so.«
Tomasino schaute auf seine Armbanduhr. »Du weißt, wo wir hinwollen?«
»Ja, klar. Ich hab die Strecke ganz genau im Kopf. In zehn Minuten sind wir da.«
»Gut.« Tomasino beugte sich zum Fahrersitz hinüber, so nahe, dass Vic erschrocken zurückwich.
»Was ist?«, wollte er wissen.
»Du schwitzt«, sagte Tomasino. »Warum schwitzt du, Vic? Von uns schwitzt doch auch keiner.«
»Er hat Schiss, dass du ihn umnietest, weil er zu spät gekommen ist«, sagte Nicky.
»Hey«, sagte Vic, »ich bin noch nie zu spät gekommen. Ich bin Profi. Wenn ich zu spät komme, werd ich nervös.«
»Vergiss es.« Tomasino tätschelte Vic die Schulter. »Du bist ein guter Junge. Du gefällst mir.«
Grizz beugte sich nach vorn. Er war ein drahtiger Kerl mit einem runden, engelsgleichen Gesicht, und auf dem Kopf trug er einen grauen Fedora mit einem schwarzen Band. »Warum fahren wir denn hier lang?«, fragte er Vic. Sie rollten langsam eine ruhige Seitenstraße hinunter. »Wäre es nicht schneller, wenn …«
Bevor Grizz seine Frage beenden konnte, fuhr Vic den Wagen auf den Gehsteig und sprang hinaus. Im selben Augenblick kamen Luca Brasi und seine Männer aus einem Hauseingang gestürzt. Bevor irgendjemand im Wagen begriff, was los war, hatte Luca eine Pistole auf Tomasinos Kopf gerichtet.
»Macht keine Dummheiten«, sagte Luca in die Runde. Und an Tomasino gewandt: »Ich will dich nicht töten.«
Tomasino zog die Hand aus der Jacke.
Nachdem Hooks und JoJo zu Tomasinos Handlangern auf die Rückbank gestiegen waren, glitt Luca auf den Vordersitz, zog die Pistole aus Tomasinos Schulterholster und reichte sie JoJo. Vic, der aus dem Hausflur zugeschaut hatte, stieg wieder ein und ließ den Wagen an. Er wendete und fuhr Richtung Downtown.
»Wohin fahren wir?«, fragte Tomasino.
»Chelsea Piers«, antwortete Luca. »Dort können wir uns in Ruhe unterhalten, wie du vorgeschlagen hast.«
»V’fancul«, schimpfte Tomasino. »Können wir nicht wie zivilisierte Menschen bei einer Tasse Kaffee miteinander reden?«
»Wer ist hier zivilisiert?«, fragte Luca. »Für mich siehst du eher aus wie ein großer, dummer, geschniegelter Affe, Tommy. Reißt du immer noch anderen Leuten die Zähne aus?«
»Wenn die Umstände es erfordern.« Tomasino rutschte auf seinem Sitz herum und schaute stur geradeaus. »Vic«, sagte er, ohne den Blick von der Straße zu wenden. »Ich hätte nie gedacht, dass du so dämlich bist.«
»Dem Jungen kannst du keinen Vorwurf machen.« Luca schob seine Pistole in das Halfter und legte Vic den Arm um die Schulter. »Seine beiden Brüder liegen gefesselt in der Wohnung seiner Freundin und werden von zwei meiner Jungs bewacht – und trotzdem musste ich ihm versprechen, dass ich dich nicht umlege.«
Tomasino wirkte sichtlich angewidert und starrte weiterhin zur Windschutzscheibe hinaus.
Vic liefen Tränen über die Wangen.
»Schaut euch das an«, sagte Luca. »Das Jungchen heult.«
»Er hat meinem kleinen Bruder ins Bein geschossen«, schluchzte Vic. »Und dann hat er gesagt, als Nächstes schießt er ihm in den Kopf.«
»Du hast doch gemacht, was wir von dir verlangt haben, oder?«, sagte Luca.
Tomasino griff nach der angebissenen sfogliatelle, die ihm in den Schoß gefallen war, und hob sie hoch. »Was dagegen, wenn ich esse?«
»Lass es dir schmecken«, erwiderte Luca.
»Ich hab nicht versucht, dich umzunieten«, sagte Tomasino mit vollem Mund. »Wenn du das glaubst, irrst du dich.«
»Hat jemand versucht, mich umzunieten? Was quatschst du da, Tommy? Ich dachte, wir wollen darüber reden, dass ich den Schnaps kaufe und verkaufe, der Joe geklaut wurde.«
»Luca«, sagte Tomasino. »Alle wissen, dass irgendjemand versucht hat, dich unter die Erde zu bringen. Ich hab deinem Jungen gesagt …«
»Weder ich, noch Joe, noch sonstwer, mit dem wir zu tun haben.«
»Aber du weißt, wer es war?«
»Nein.« Tomasino schob sich das letzte Stück Gebäck in den Mund und wischte die Krümel von seinem Jackett. »Das meinte ich nicht. Wir wissen nicht, wer dahintersteckt, und bisher haben wir auch noch nichts gehört.«
Luca warf einen Blick nach hinten. »Hey, Grizz«, sagte er. »Wie geht’s, wie steht’s?« Als Grizz nicht antwortete, fuhr er fort: »Und du weißt auch nicht, wer da auf mich geschossen hat, was?«
»Ich hab keine Ahnung«, brummte Grizz. »Ich weiß nur, was Tommy gesagt hat – wir waren’s nicht.«
»Na schön.« Luca klang, als würde er Grizz nicht glauben, beließ es aber dabei. Inzwischen fuhren sie am Wasser entlang, bei den Chelsea Piers. Luca deutete auf eine Gasse zwischen zwei Lagerhäusern. »Fahr da rein«, wies er Vic an.
Vic folgte der Gasse, bis sie am Ufer vor einer Reihe von Bootsrampen endete. Er hielt an und sah fragend zu Luca.
»Okay«, sagte Luca, »alles aussteigen.«
»Warum können wir uns nicht hier im Wagen unterhalten?«, wollte Tomasino wissen.
»Da draußen ist es wunderschön. Ein bisschen frische Luft wird uns guttun.« Luca zog die Pistole aus dem Halfter und richtete sie auf Tomasinos Gesicht. »Lass uns am Wasser miteinander reden.«
Tomasino schüttelte vor Ekel den Kopf und stieg aus.
Hooks glitt von der Rückbank herunter, gefolgt von JoJo, der in jeder Hand eine Pistole hielt. Er fuchtelte damit herum, bis Tomasino und seine Jungs mit dem Rücken zum Ufer nebeneinander standen. Luca drehte sich zu Vic um, der an einem Kotflügel des Buick lehnte. »Was soll das? Los, stell dich zu deinen Kumpels!«
»Klar«, sagte Vic und stellte sich neben Nicky.
»Sfaccim!«, brummte Tomasino. »Wenn du mich tötest, macht Joe dich fertig. Er wird euch alle umbringen, einen nach dem anderen, und er wird sich dabei Zeit lassen. Und warum, ihr Vollidioten? Wir waren das nicht! Wir hatten nichts damit zu tun. Ich hab doch gesagt – wenn wir es auf euch abgesehen hätten, wärt ihr längst tot.«
»Himmel noch mal«, sagte Luca. »Mach halblang, Tommy. Ich hab nicht vor, dich umzubringen.«
»Warum stehen wir dann hier rum?«
Luca zuckte mit den Achseln. »Du wolltest mit mir reden. Also rede!«
Tomasino sah seine Jungs an und wandte sich dann wieder Luca zu. »So läuft das nicht.«
»Vielleicht. Aber du hast keine andere Wahl. Also, schieß los.«
Wieder schaute Tomasino seine Jungs an, als würde er sich Sorgen um sie machen. Zu Luca sagte er: »Das ist keine große Sache. Joe lässt sich keine grauen Haare wachsen, nur weil ein paar Lieferungen flöten gehen. Aber richtig ist es auch nicht, und das weißt du. Wir wollen wissen, wer hinter den Überfällen steckt. Mit dir wollen wir uns nicht anlegen. Du bist Geschäftsmann. Das verstehen wir. Aber die Dreckskerle, die uns überfallen, das ist eine andere Sache. Wir wollen von dir wissen, wer dahintersteckt. Dabei geht es nicht ums Geld, sondern um Respekt.«
Luca hörte aufmerksam zu und schien sich Tomasinos Forderung durch den Kopf gehen zu lassen. Dann sagte er: »Daraus wird nichts. Ich hab denen versprochen, dass ich ihnen den Schnaps abkaufe und keine Namen nenne. Und daran halte ich mich.«
»Luca«, sagte Tomasino mit einem weiteren Blick zu seinen Jungs. »Ist dir überhaupt klar, mit wem du es zu tun hast? Willst du dich mit Giuseppe Mariposa anlegen, mit den Barzinis, mit mir und Frankie Five Angels, den Rosatos und all den anderen? Begreifst du nicht, dass wir hier über eine große Organisation reden, die jeden Tag größer wird …«
»Du meinst LaConti«, fiel ihm Luca ins Wort.
»Ja, LaConti. In ein paar Tagen gehört seine ganze Organisation uns. Kapierst du das? Kapierst du, dass wir hier über Hunderte von Männern reden? Und du hast wie viele? Vier oder fünf? Mach keinen Unsinn, Luca. Verrat uns, wer die Witzbolde sind, die uns ausgeraubt haben, und wir sind quitt. Dann vergess ich sogar den ganzen Quatsch heute. Ich verspreche dir, dass wir dich und deine Jungs in Ruhe lassen.«
Luca trat einen Schritt zurück und blickte aufs Wasser hinaus. Möwen drehten über den Docks laut krächzend ihre Kreise. Der Himmel über dem grauen Wasser war blau, und nur wenige fette weiße Wolken trieben vorbei. »Na gut«, sagte Luca schließlich. »Das war es, was du mir ausrichten wolltest?«
»Ja«, sagte Tomasino. »Das war alles.«
»Dann hab ich etwas, das du Joe ausrichten kannst.« Luca betrachtete die Wolken und das Meer, als würde er über etwas nachdenken. »Wenn der Zahnarzt hier nur einen Finger rührt«, sagte er zu Hooks, »dann jag ihm eine Kugel in den Kopf.« Und an JoJo gewandt: »Das gilt auch für dich. Wenn irgendjemand eine dumme Bewegung macht, niet ihn um.«
Tomasino sagte: »Himmel Herrgott, Luca …«
Bevor Tomasino ein weiteres Wort herausbrachte, schoss Luca Grizz aus nächster Nähe in den Kopf, genau zwischen die Augen. Der Junge warf die Arme in die Luft, stürzte vom Pier ins Wasser und ging sofort unter. Nur sein Hut trieb auf den Wellen.
Tomasino wurde kreidebleich, und Vic bedeckte die Augen mit den Händen. Nickys Gesicht blieb ausdruckslos, aber sein Atem ging pfeifend.
Zu Tomasino sagte Luca: »Richte Giuseppe Mariposa aus, dass ich kein Mann bin, den er respektlos behandeln kann. Richte ihm aus, dass ich ihn umbringe, falls ich herausfinde, dass er versucht hat, mich zu erledigen. Meinst du, das bekommst du hin, Tommy?«
»Okay«, erwiderte Tomasino mit heiserer Stimme. »Geht klar.«
»Gut«, sagte Luca und richtete die Pistole auf Vic. Der Junge sah ihn an und lächelte. Er nahm den Hut ab und strich sich mit den Fingern durchs Haar. Luca drückte viermal hintereinander ab, und Vic versank im schwarzen Wasser.
In der darauffolgenden Stille klang Tomasinos Stimme so dünn und piepsig wie die eines Mädchens. »Warum machst du das, Luca? Was ist nur los mit dir?«
»Grizz hab ich abgeknallt, damit du kapierst, dass ich es ernst meine. Um klarzustellen, mit wem ihr es zu tun habt. Und Vic? Ich hab euch nur Arbeit abgenommen. Ihr hättet ihn doch sowieso umgepustet, oder?«
»Bist du jetzt fertig? Denn wenn du Nicky und mich auch noch umlegen willst, dann bring es hinter dich.«
»Nee. Ich hab dem Jungen gesagt, dass ich dich am Leben lasse, und ich halte Wort.«
Nickys pfeifender Atem wurde lauter. »Hast du Asthma oder was?«, fragte Luca. Nicky schüttelte den Kopf, dann riss er die Hand vor den Mund, ging in die Knie und würgte.
»Bist du fertig?«, fragte Tomasino noch einmal.
»Noch nicht ganz.« Luca packte Tomasino am Kragen und versetzte ihm mit dem Griff seiner Pistole zwei rasche Schläge ins Gesicht. Tomasino ging zu Boden, wobei er sich den Kopf an der Stoßstange des Buick anschlug. Blut schoss ihm aus der Nase, und unter einem Auge war die Haut aufgeplatzt. Er schaute verständnislos zu Luca auf, zog dann ein Taschentuch hervor und hielt es sich unter die Nase.
»Erst wollte ich dir ein paar Zähne ziehen«, sagte Luca. »Aber dann dachte ich mir, das ist eher dein Ding.« Er öffnete seinen Hosenschlitz und pisste ins Wasser, während Tomasino weiterhin zu ihm hochstarrte. Dann zog er den Reißverschluss zu und bedeutete JoJo und Hooks, ihm zum Wagen zu folgen. »Vergiss nicht, was du Joe ausrichten sollst«, sagte er und wandte sich zu dem Buick um. Plötzlich hielt er inne und sagte: »Weißt du was?«, als hätte er wegen irgendetwas seine Meinung geändert. Er ging zu Nicky hinüber, der noch immer auf dem Pflaster kniete, zog ihm die Pistole über den Kopf und hievte sich seinen bewusstlosen Körper über die Schulter. Nachdem er ihn in den Kofferraum geworfen hatte, stieg er ein, ließ den Wagen an und fuhr mit seinen Jungs langsam davon.