Cork blödelte unentwegt herum, ließ seinen Hut auf der Fingerspitze kreisen, balancierte einen Salzstreuer auf den Knöcheln und spielte überhaupt den Spaßmacher für Sonny, Sandra und Sandras kleine Cousine Lucille, eine Zwölfjährige, die sich auf den ersten Blick in Cork verknallt hatte und jetzt in einem fort kicherte oder ihm verstohlen zuzwinkerte. Sie saßen zu viert in einer Ecknische von Nicola’s Soda Fountain and Candy Shop, direkt vor dem großen Fenster, das auf die Arthur Avenue hinausging, nur einen halben Block von dem Haus entfernt, wo Sandra bei ihrer Großmutter wohnte und wo, wie sie alle wussten, Mrs. Columbo, während sie sich unterhielten, ihre Limo tranken und Cork bei seinen Kapriolen zusahen, am Fenster saß und sie beobachtete, und wenn man Sandra Glauben schenken konnte, hatte sie bessere Augen als jeder Adler.
»Ist sie das?«, wollte Cork wissen. Er stand auf, beugte sich über den Tisch zum Fenster und winkte zu dem Mietshaus hinüber.
Lucille kreischte laut auf und hielt sich die Hand vor den Mund, und Sonny drückte Cork lachend auf seinen Platz zurück. Sonny und Sandra saßen auf einer Seite der Nische, Cork und Lucille ihnen gegenüber. Unter dem Tisch, wo niemand es sehen konnten, hielten Sonny und Sandra Händchen. »Hör auf«, sagte Sonny. »Wegen dir kriegt Sandra noch Ärger.«
»Warum?«, rief Cork und glotzte ihn ungläubig an. »Ich wollte doch nur höflich sein und ihr winken!«
Sandra, die während des ganzen sorgfältig arrangierten Treffens, seit Cork und Sonny sie und Lucille an der Haustür abgeholt und ihnen beiden eine Limo spendiert hatten, sehr schweigsam gewesen war, öffnete ihre Handtasche, warf einen Blick auf die silberne Uhr und sagte leise: »Wir müssen gehen, Sonny. Ich habe meiner Großmutter versprochen, dass ich ihr mit der Wäsche helfe.«
»Och«, sagte Lucille, »müssen wir wirklich schon gehen?«
»Hey! Johnny, Nino!«, rief Sonny, denn Johnny Fontane und Nino Valenti waren gerade zur Tür hereingekommen. »Kommt mal her!«
Johnny und Nino waren ein paar Jahre älter als Cork und Sonny und sahen beide gut aus. Im Vergleich zu Nino, der äußerst durchtrainiert wirkte, war Johnny eher schlank und ätherisch. Lucille faltete die Hände auf dem Tisch und strahlte sie an.
»Ich möchte euch Sandra und ihre kleine Cousine Lucille vorstellen«, sagte Sonny, als Johnny und Nino herübergeschlendert kamen. Lucille warf ihm einen wütenden Blick zu.
»Sehr erfreut, euch kennenzulernen«, sagte Johnny.
»Und wie!«, schloss sich Nino an. Dann verfinsterte sich seine Miene, und er deutete auf Cork, den er schon genauso lange kannte wie Sonny und seine Familie. »Und wer ist diese Visage?«
Cork versetzte Nino einen spielerischen Schubser. Die Mädchen, offensichtlich erleichtert, dass Nino nicht wirklich wütend war, lachten über den Witz.
»Hey, Sandra«, sagte Johnny, »du bist viel zu hübsch, um dich mit einer halben Portion wie Sonny abzugeben.«
»Bla bla bla«, sagte Sonny.
»Johnny musst du keine Beachtung schenken«, sagte Nino. »Er hält sich für den nächsten Rudy Valentino. Dabei ist er nur ein dürres Hemd.« Er rammte Johnny den Zeigefinger in die Rippen, und Johnny schlug seine Hand beiseite.
»Sonny«, sagte Johnny, »du solltest Sandra zu einem unserer Konzerte ins Breslin mitnehmen. Das ist ein todschicker kleiner Club. Es wird euch dort gefallen.«
»Es ist ein Rattenloch«, sagte Nino. »Aber ob ihr’s glaubt oder nicht, sie bezahlen uns echtes Geld.«
»Hört nicht auf ihn«, sagte Johnny. »Er ist ein Trottel, aber Mandoline spielen kann er ziemlich gut.«
»Wenn dieser Kerl nicht alles verdirbt, weil er glaubt, er könnte singen.« Nino legte Johnny den Arm um die Schulter.
»Das Breslin kenn ich«, sagte Cork. »Das ist ein Hotel an der Ecke Broadway und Neunundzwanzigste.«
»Genau da spielen wir«, sagte Nino. »Unten an der Bar.«
»Das ist ein Club«, sagte Johnny ehrlich frustriert. »Hör nicht auf das, was dieser stupido sagt.«
Unter dem Tisch drückte Sandra Sonnys Hand. »Wir müssen wirklich los. Ich möchte nicht, dass meine Großmutter sauer wird.«
»Okay, du cafon’ …« Sonny rutschte aus der Nische. Kaum stand er richtig, nahm er Johnny in den Schwitzkasten und sagte: »Hey, wenn mein Vater dein Patenonkel ist, was bin ich dann? Dein Patenbruder?«
»Du bist verrückt, sonst gar nichts«, erwiderte Johnny und riss sich von ihm los.
Nino, der unterdessen zum Getränkespender hinübergeschlendert war, rief durch das Lokal: »Sonny, richte deinem Vater aus, dass er mal im Breslin vorbeischauen soll. Die Pasta primavera ist dort ziemlich gut.«
»Pa geht nur in ein Restaurant«, erwiderte Sonny, »um übers Geschäft zu reden. Ansonsten«, schloss er und sah Sandra an, »isst er lieber zu Hause.«
Cork ging zur Tür und legte die Hand auf die Klinke. »Komm, Sonny«, sagte er. »Ich muss auch los.«
Auf der Straße flirtete Cork mit Lucille, die gar nicht mehr aufhörte zu kichern, während Sonny und Sandra schweigend nebeneinanderher gingen. Überall um sie herum hasteten Leute den Gehsteig entlang oder überquerten raschen Schrittes die Straße – sie hatten es eilig, aus der eisigen Kälte zu kommen. Gefährlich spitze Eiszapfen hingen an Regenrinnen und Feuertreppen, und hier und dort funkelten auf dem Gehsteig die Überreste eines Eiszapfens, der sich gelöst hatte. Sonny hatte die bloßen Hände tief in die Taschen geschoben. Während er einen Fuß vor den anderen setzte, beugte er sich zu Sandra hinüber, so dass er sie mit dem Arm streifte. »Was meinst du«, fragte er, »was kann ich tun, damit mir deine Großmutter erlaubt, dich zum Essen auszuführen?«
»Tut mir leid, Sonny. Das wird sie wohl nie.« Sandra hob den Kopf, als wollte sie ihn küssen – und nahm dann Lucille an der Hand und zog sie mit sich die Treppe hinauf. Die Mädchen winkten zum Abschied und verschwanden hinter den roten Backsteinmauern des Mietshauses.
»Sie ist wirklich wunderschön«, sagte Cork, während sie zu seinem Wagen zurückgingen. »Wirst du sie heiraten?«
»Meinen Eltern würde das jedenfalls gefallen.« Sonny klappte seinen Kragen hoch und zog sich die Mütze tiefer ins Gesicht. »Himmel noch mal!«, rief er, »hier draußen ist es arschkalt!«
»So kalt wie eine Hexentitte in einem Messingkorsett«, brummte Cork.
»Magst du noch mit zu uns nach Hause kommen? Meine Ma würde sich bestimmt freuen.«
»Nee. Ich war doch schon Jahre nicht mehr bei euch. Aber du solltest mal wieder bei Eileen vorbeischauen. Caitlin fragt dauernd nach dir.«
»Eileen hat bestimmt genug mit der Bäckerei zu tun.«
»Ach, die ist aus irgendeinem Grund stinksauer auf mich. Ich trau mich kaum noch dorthin.«
»Warum?«, fragte Sonny. »Was hast du verbrochen?«
Cork seufzte und schlang die Arme um sich, als würde er erst jetzt spüren, wie kalt es war. »Sie hat in der Zeitung etwas von dem Überfall gelesen, und da stand, einer der Kerle hätte einen irischen Akzent gehabt. Dann bin ich bei ihr aufgetaucht und hab ihr etwas Geld gegeben. Sie hat es mir an den Kopf geworfen und angefangen zu heulen. Heilige Maria – sie ist der festen Überzeugung, dass ich demnächst tot im Straßengraben lande.«
»Aber du hast ihr doch nichts erzählt, oder?«
»Sie ist nicht dumm, Sonny. Sie kriegt mit, dass ich keine Arbeit habe, und dann kreuze ich auf und drücke ihr ein paar hundert Mäuse in die Hand. Sie weiß, was los ist.«
»Aber von mir weiß sie doch nichts?«
»Natürlich nicht. Ich meine, sie weiß, dass du ein mieser kleiner Verbrecher bist, aber sie kennt keine Einzelheiten.«
Corks Nash war vor einem Hydranten an der Ecke der 189. Straße geparkt, der rechte Vorderreifen auf dem Bordstein. Sonny deutete auf den Hydranten und sagte: »Da hat jemand überhaupt keinen Respekt vor dem Gesetz.«
»Hör zu«, erwiderte Cork, ohne auf den Witz einzugehen. »Ich hab über das nachgedacht, was du mir vor einiger Zeit gesagt hast, und du hast recht. Wir müssen uns so oder so entscheiden.«
»Wovon redest du?« Sonny stieg in den Nash und schloss die Tür hinter sich. Er hatte das Gefühl, in einem Kühlschrank zu sitzen. »V’fancul’! Dreh die Heizung an!«
Cork schob den Zündschlüssel ins Schloss und ließ den Motor an. »Natürlich ist es toll, so viel Geld zu verdienen«, sagte er, den Blick auf die Temperaturanzeige gerichtet. »Aber im Vergleich zu der Kohle, die Leute wie dein Vater machen, ist das Kleinkram.«
»Und? Mein Vater leitet eine Organisation, an deren Aufbau er schon gearbeitet hat, bevor wir auf der Welt waren. Das kann man nicht vergleichen.« Sonny warf Cork einen irritierten Blick zu, als wüsste er nicht, auf was sein Freund hinauswollte.
»Schon klar. Ich mein ja nur – wenn du zu ihm gehst und ihm sagst, dass du bei ihm einsteigen willst, dann könntest du doch auch für uns ein gutes Wort einlegen.«
»Himmel noch mal«, sagte Sonny. »Cork … wenn ich meinem Vater erzähle, was wir gemacht haben, dann bin ich vielleicht der Erste, den er umbringt.«
»Ah.« Cork drehte die Heizung hoch. »Da könntest du recht haben.« Er boxte Sonny gegen die Schulter. »Schließlich will er, dass du ein hohes Tier in der Automobilbranche wirst. ›Sonny Corleone, Industriekapitän.‹«
»Yeah, aber ich bin diese Woche schon zwei Tage nicht zur Arbeit gegangen.«
»Mach dir deswegen keine Sorgen.« Cork legte den Gang ein und fuhr los. »Du kannst mir glauben, Sonny, Leo feuert dich bestimmt nicht.«
Sonny dachte darüber nach und grinste dann breit. »Nee«, sagte er schließlich, »das glaub ich auch nicht.«
Die Filmrolle auf dem Projektor flatterte, während die Maschine surrte und summte und die zerkratzte Schwarz-weiß-Aufnahme einer kleinen, molligen Frau mit langen schwarzen Haaren, die einem kopflosen Mann den Schwanz lutschte, an die Wand des abgedunkelten Hotelzimmers warf. Der Kerl in dem Film stand breitbeinig da und hatte die Hände in die Hüften gestemmt; obwohl sein Kopf nicht zu sehen war, handelte es sich doch eindeutig um einen jungen Mann mit straffer weißer Haut, die sich über beeindruckenden Muskeln spannte. Auf der Couch neben dem Projektor räkelte sich eines der Kameramädchen des Chez Hollywood auf dem Schoß von Giuseppe Mariposa. Mit der einen Hand streichelte Giuseppe ihre Brüste, in der anderen hielt er eine fette Zigarre, deren Rauch im Licht des Projektors kleine Wölkchen bildete. Neben Giuseppe und dem Kameramädchen hatte Phillip Tattaglia einer seiner Huren die Hand ins Höschen geschoben, während ein zweites Mädchen zwischen seinen Beinen auf dem Boden kniete, den Kopf in seinem Schoß vergraben. Sie waren alle in Unterwäsche, mit Ausnahme der Sängerin des Chez Hollywood mit dem aparten platinblonden Haar und der beiden jungen Männer, die in blauen Nadelstreifenanzügen neben der Tür des Hotelzimmers saßen. Giuseppe hatte die Sängerin zum Abendessen ausgeführt, und nun saß sie vollständig bekleidet der Couch gegenüber in einem Sessel. Sie fühlte sich sichtlich unwohl und blickte andauernd zur Tür, als wollte sie jeden Augenblick davonstürzen.
»Schau dir das an«, sagte Tattaglia, als der Herrenfilm einen ersten Höhepunkt erreichte. »Voll ins Gesicht!« Begeistert schüttelte er Giuseppe an der Schulter. »Was meinst du?«, fragte er das Mädchen auf dem Boden. Er stieß sie weg, setzte sich auf und stellte dann dem anderen Mädchen die gleiche Frage. »Was meinst du? Ist sie gut?«
»Keine Ahnung«, erwiderte das Mädchen neben ihm mit rauchiger Stimme. »Ich finde, das solltest du den Typen fragen.«
Giuseppe lachte und kniff dem Mädchen in die Wange. »Kluges Kind«, sagte er zu Tattaglia. Auf der Leinwand traten zwei weitere Männer ins Bild und begannen, das Mädchen auszuziehen, das plötzlich wieder frisch geschminkt war.
»Joe«, sagte Tattaglia, »mit solchen Filmen werden wir einen Haufen Kohle machen. Es kostet mich fast nichts, sie zu drehen, und ich kann sie an sämtliche Rotarierclubs im ganzen Land verkaufen.«
»Glaubst du, die Trampel stehen auf so was?«, fragte Mariposa, den Blick auf die Leinwand gerichtet, die eine Hand weiter unter dem Büstenhalter des Kameramädchens.
»Solche Sachen kaufen die Leute schon seit Anbeginn der Zeit«, erwiderte Tattaglia. »Wir verdienen jetzt schon viel Geld mit Filmen. Streifen wie der, Joe, glaub mir, da steckt ein Haufen Kohle drin!«
»Und wofür brauchst du mich?«
»Finanzierung. Vertrieb. Solche Dinge eben«, sagte Tattaglia.
Giuseppe paffte an seiner Zigarette und dachte über den Vorschlag nach, als jemand an der Tür klopfte und die beiden Gorillas erschrocken zusammenzuckten.
»Na los, macht schon auf«, sagte Giuseppe und schubste das Kameramädchen von seinem Schoß.
Einer der Leibwächter öffnete die Tür einen Spalt und zog sie dann ganz auf. Die Hälfte des Zimmers war plötzlich in helles Licht getaucht. Den Hut in Händen trat Emilio Barzini durch die Tür.
»Mach wieder zu«, bellte Joe, und der Leibwächter gehorchte hastig.
»Joe«, sagte Emilio. Er warf einen raschen Blick auf die Leinwand und wandte sich dann wieder der Couch zu. »Du wolltest mich sehen?«
Giuseppe schlüpfte in seine Hose und schloss den Gürtel. Dann drückte er seine Zigarre in dem Kristallglasaschenbecher aus, der vor ihm auf einem Tischchen stand. »Ich bin gleich wieder da.« Er ging um die Couch herum und durch eine halb geöffnete Tür in das angrenzende Zimmer.
Emilio schirmte sich mit der Hand gegen das flackernde Licht des Projektors ab und folgte Giuseppe, der nebenan das Deckenlicht anschaltete, bevor er die Tür schloss. Emilio betrachtete das übergroße Bett mit den auf Hochglanz polierten Mahagoninachttischchen rechts und links am Kopfende; auf beiden thronten große Vasen voller leuchtend bunter Schnittblumen. Dem Bett gegenüber stand, neben einer breiten Kommode, ein passender Frisiertisch aus Mahagoni mit einem verstellbaren Spiegel und einer kleinen gepolsterten Bank mit Blumenmuster. Giuseppe zog die Bank mit dem Fuß hervor, setzte sich und verschränkte die Arme vor der Brust. Er trug ein ärmelloses Unterhemd, das die Muskeln an Armen und Schultern noch betonte. Fast wirkte er jugendlich, selbst mit dem weißen Haar und den Falten im Gesicht. »Hör zu, Emilio«, sagte er, sichtlich um einen ruhigen Tonfall bemüht. »Bei diesem Überfall haben wir mehr als sechstausend Dollar verloren.« Er öffnete die Handflächen, sein Gesicht eine ungläubige Maske. »Und wir haben noch immer keine Ahnung, wer das war! Diese Dreckskerle rauben mich aus, tauchen monatelang unter, und dann tun sie es wieder. Basta! Das muss ein Ende haben. Ich möchte, dass du diese Typen findest, und ich möchte, dass sie kaltgemacht werden.«
»Joe.« Emilio warf seinen Hut auf die Kommode und setzte sich auf den Rand des Bettes. »Wir glauben, dass die Iren dahinterstecken. Und wir setzen da unter Druck, wen wir kennen.«
»Und die Katholen wissen nichts? Niemand weiß was?«
»Joe …«
»Hör endlich mit dem ewigen ›Joe‹ auf!«, brüllte Giuseppe und betonte das ›auf‹, indem er den Frisiertisch umstieß. Der Spiegel zerbrach, und auf den Plüschteppich regnete es Scherben.
»Joe«, sagte Emilio in ruhigem Tonfall, »die Corleones stecken jedenfalls nicht dahinter, und Tessio genauso wenig. Wir haben sie im Auge behalten. Und einer der Kerle bei dem Überfall hatte einen irischen Akzent.«
»Von diesem ganzen Mist will ich nichts mehr hören«, sagte Giuseppe und stellte den Frisiertisch wieder hin. »Schau dir diesen Schlamassel an!« Er deutete auf das Glas, das überall auf dem Teppich verstreut war, als hätte Emilio den Spiegel zerschlagen. »Ich hab dich zu mir gerufen, weil ich einen Auftrag habe. Ich möchte, dass du mit diesem verdammten Olivenölhändler, diesem sprechenden Windbeutel, ein ernstes Wort redest und ihm klarmachst, dass er sich um die Leute kümmern soll, die uns Kopfweh bereiten, weil wir ihn sonst persönlich dafür verantwortlich machen. Kapiert? Ich hab es satt, dass dieser Hurensohn die Nase über mich rümpft.« Giuseppe bückte sich, hob eine Glasscherbe auf und betrachtete sein Spiegelbild – die weißen Haare und die Falten um die Augen. »Richte Vito Corleone aus, dass er mir, vom heutigen Tag an, für jeden Cent haftet, den mir diese Dreckskerle abnehmen. Er zahlt mir das aus seiner eigenen Tasche. Mach ihm das unmissverständlich klar. Hörst du mir zu, Emilio? Entweder macht er der Sache ein Ende oder er steht dafür gerade. So läuft das. Ich habe ihn höflich gebeten, sich um die Sache zu kümmern, und er hat mich von oben herab behandelt. Das wird jetzt anders. Er kümmert sich darum, so oder so. Hast du mich verstanden, Emilio?«
Emilio nahm seinen Hut von der Kommode. »Du bist der Boss, Joe«, erwiderte er. »Du sagst, was du von mir willst, und ich mach mich auf die Socken.«
»Ganz genau. Ich bin der Boss. Du überbringst nur meine Botschaft.«
Emilio setzte seinen Hut auf und ging zur Tür.
»Hey«, sagte Giuseppe etwas ruhiger, als fühlte er sich besser, nachdem er seine Anordnungen getroffen hatte. »Du musst nicht gleich los. Gefällt dir die Sängerin da drüben? Ich hab sie satt. Die benimmt sich, als hätte sie einen Stock im Arsch!«
»Ich kümmer mich besser um diese Sache.« Emilio tippte sich kurz an den Hut und ging hinaus.
Mit einem Stirnrunzeln betrachtete Giuseppe die Glasscherben und sein Spiegelbild, das seinen Blick erwiderte. Es schien aus zahllosen Puzzleteilen zu bestehen, und etwas an dem Bild kam ihm seltsam vor, aber was, konnte er nicht genau sagen. Schließlich schaltete er das Licht aus und ging zu den anderen hinüber. Auf der Leinwand war das langhaarige Mädchen jetzt mit drei Männern zugange. Giuseppe schaute einen Moment im Stehen zu und warf dann einen kurzen Blick zu der Sängerin hinüber, die steif und reglos dasaß, die Hände im Schoß verkrampft. Dann setzte er sich wieder zu Tattaglia und den Mädchen auf die Couch.