13
Bevor sie loslegten, verwirrt von Details, die erst eine Bedeutung haben würden, wenn sie endlich da waren, fanden sie ein wenig Schlaf. Ryk machte sich keine Illusionen. Genauso wie man auf die Uhr schaute und sofort wieder vergaß, wie spät es war, bis es wirklich wichtig wurde, die Uhrzeit zu wissen, würde sein Gehirn die benötigten Informationen bereitstellen, sobald sie relevant wurden. Im Zweifel hatten sie Sia, die sich grundsätzlich an alles erinnerte.
Ihr Schlaf wurde gestört durch einen Alarm, mit dem sie alle gerechnet hatten. Ryk fuhr aus seinem unruhigen Schlummer auf und versuchte, seinem Gehirn sofort einzureden, er wäre ausreichend gewesen. Manchmal half diese Form der Selbsthypnose, aber da der Rest seines Körpers offen gegen diese Einschätzung rebellierte, kam er diesmal nicht allzu weit damit.
Er sah auf Sia hinab, die neben ihm in der engen Koje lag, das Haar wie ein silberner Schimmer um den Kopf ausgebreitet. Sie wirkte wie ein Engel und blieb so liegen, damit er sie betrachten konnte, obgleich sie gewiss ebenfalls wach war. Ein kleiner Gefallen, um mit einer schönen Erinnerung in einen sicherlich anstrengenden Tag zu gehen.
Sie öffnete die Augen. »Schön?«
»Wunderschön.«
»Das war ein richtiger Alarm, Ryk. Die Auri kommen. Es geht los.«
Er wischte die warnenden Worte beiseite. »Wir steuern dieses Schiff nicht. Wir sind nur Passagiere. Oder sollten wir irgendwo sein? Gefechtsstationen?«
Sia lachte.
»Bleibt in euren Kabinen«, hatte Rita gesagt. Ryk war ganz entspannt.
Sie standen beide auf und zogen sich ohne Hektik an. Andere waren aktiver, lauter, schneller. Im Schiff, der kleinen Josepha Inclinata , rumpelte und rumorte es. Die Geräusche beunruhigten sie nicht mehr, es waren die ganz bestimmt intensiven und zielgerichteten Vorbereitungen, um Crawlertown zu verlassen und unter der sich abzeichnenden Auseinandersetzung wegzutauchen. Sie würden direkten Kurs auf den Planeten nehmen und ihr waghalsiges Unternehmen beginnen.
Das war aufregend. Ryk spürte die Anspannung. Eine fremde Welt betreten. Es war ein erstes Mal für ihn, eine Perspektive, mit der er sich anfangs gar nicht auseinandergesetzt hatte. Sie machte ihn nervös. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Vorbereitet war er darauf auch nicht so richtig. Albern, oder? Er behielt es für sich, wie so vieles.
»Warum genau tun die das?«, fragte Ryk Sia, als ein heftiger Ruck durch die Schiffshülle ging und sie daran erinnerte, dass Rita ihnen noch eine zweite Anweisung gegeben hatte: »Schnallt euch an!«
Zwei an der Wand verschraubte, sehr schmale Sitzgelegenheiten boten sich dafür an. Ryk und Sia benutzten sie mit einem gewissen Widerwillen, gespeist aus der Erkenntnis, dass sie jetzt möglicherweise für Stunden darauf festgeschnallt verbringen würden.
»Was?«
»Diese Aktion hier. Ich habe es noch nicht ganz verstanden. Sie wollen herausfinden, wie die Auri den Hive kontrollieren? Um was zu tun?«
»Sie daran zu hindern«, schloss Sia. »Es sind Rebellen. Revolution. Umsturz. Alles neu.«
Er sah sie etwas strafend an. »Verkauf mich nicht für dumm. Ja, sie wollen die Auri daran hindern, die Heptarchie weiter so zu betreiben wie bisher. Und was soll es stattdessen geben?«
»Ich weiß nicht.« Und es interessierte sie auch nicht, das hörte er heraus.
Doch Ryk ließ nicht locker. Seit seinen langen Gesprächen mit Theosius, dem gescheiterten Revolutionär, interessierten ihn solche Dinge. »Ersetzen sie die Auri? Den Hive unkontrolliert zu lassen geht nicht. Es besteht die Gefahr, dass er auf die Idee kommt, selbst wieder alles zu beherrschen. Also müssen sie den Deckel draufhalten. Was hindert sie daran, ihre eigene Version der Herrscherklasse zu werden? Vielleicht ohne die ganzen schönen Klamotten und blutigen Zeremonien, aber im Grunde das Gleiche, nur netter?«
»Wäre doch ein Fortschritt. Und was kümmert es uns? Wir wären dann, wenn alles klappt, schon auf dem Weg. Fort von hier.«
Ryk seufzte. »Dir ist das wirklich egal? Das hier sind doch auch Menschen, Sia! Nehmen wir an, dass wir helfen, eine neue, nur etwas andere Diktatur auf die Beine zu stellen, eine, die noch genauer weiß, wovor sie sich schützen muss und wie sie die Kontrolle behält. Wir wären verantwortliche Urheber. Wir hätten den Boden dafür bereitet. Das wäre für dich in Ordnung?«
Sia zuckte mit den Schultern. Sie hatte für solche abstrakten Diskussionen offenbar wenig übrig, denn sie ergaben natürlich nur dann Sinn, wenn man den Luxus hatte, richtige Entscheidungen treffen zu können. Ryk verstand ihren Einwand, ohne dass sie ihn äußern musste: Dass ihnen diese Entscheidungsmacht abging, merkte er natürlich auch. Sie passten sich den Umständen an, versuchten, zu überleben und weiterzukommen. Wer wen wo beherrschte, war ein klassisches Luxusproblem. Sie mussten sich damit auseinandersetzen, wenn alles vorbei war, wenn der Letzte Admiral erwacht war und die Menschheit aus dem Joch des Hive führte. Dann konnte man sich über Utopien unterhalten.
Vielleicht würde diese darin bestehen, dass Admiral Rothbard sich zum Imperator aufschwang und sie alle gleichermaßen unter seine Knute zwang. Aber diese entfernte Möglichkeit als Ausrede zu nutzen, um nichts zu tun und alles so zu lassen, wie es war, daran konnte niemand ernsthaft denken. Es war peinlich genug, dass ihm solche Gedanken durchaus schon gekommen waren. Es gab keinen Anlass, das jetzt großartig zu thematisieren.
Sia antwortete ihm nicht und überließ es ihm, sich die Reaktion selbst zu denken. Er war gut darin, kannte die Art, wie sie dachte. Und er wollte natürlich keinen Streit. Nicht hier, nicht jetzt und vor allem nicht mit ihr.
Ryk sagte also nichts mehr. Er konzentrierte sich darauf, den Flug zu fühlen, ihm zu lauschen und auf den Schirm in ihrer Kabine zu starren, der Flugdaten zeigte, die er nicht alle verstand. Fühlen und hören aber klappte gut: Es ruckelte, als das Schiff den Kurs änderte. Ein weiteres, metallisches Geräusch ließ sie für einen Moment zusammenzucken. Dann flackerte das Licht, mittlerweile hatte sich Ryk daran fast gewöhnt. Rita versuchte die Konfrontation zu vermeiden und würde vor jeder Bedrohung fliehen, ein kleines, altes Schiff, das sich aus allem heraushielt, während Crawlertown den Auri Beleidigungen entgegenrief, ein hell strahlendes Licht, das alle Motten anzog, damit die Josepha Inclinata vorbeischlüpfen konnte und der Feind und seine beweglichen Einheiten dann sehr, sehr weit weg waren, sobald sie zur Landung ansetzten.
Es wurde wieder ruhiger. Es gab kein Flackern mehr.
Rita meldete sich, die Stimme leicht angespannt, aber ohne jede Panik. »Ihr könnt auf die Brücke kommen, wenn ihr wollt. Wenn nichts schiefläuft, haben wir jetzt einen relativ ruhigen Flug vor uns.«
Sia und Ryk sahen sich an, lösten die Gurte und erhoben sich vorsichtig, doch nichts wollte sie umwerfen. Sie vollbrachten so etwas wie eine Morgentoilette, soweit das hier vorgesehen war, und standen wenige Minuten später in der engen Zentrale des Schiffes, in der neben Rita nur die beiden Zwillinge Dienst taten. In ihren Händen hielten sie Sandwiches, die sie aus der Messe mitgebracht hatten, ein karges, aber ausreichendes Frühstück, soweit die nervösen Mägen ein solches überhaupt aufnehmen wollten. Momo und Uruhard waren nicht aufgetaucht. Momo war es hier zu eng. Uruhard dürfte sich wieder hingelegt haben. Ältere Männer brauchten ihren Schlaf.
»Die Flotte der Auri ist an uns vorbei«, informierte Rita sie. Sie saß auf dem Sessel der Kommandantin, wo sie ohne Zweifel auch hingehörte. »Wir sind abgehauen und sie haben uns in Ruhe gelassen.« Sie wies auf eine dreidimensionale Projektion, die einen Teil der Brücke ausfüllte und ein Abbild des näheren Weltraums zeigte. Die Flotte der Auri bestand aus vielleicht zwei Dutzend glühend roten Punkten, die auf Crawlertown zustrebten.
»Es sind nicht viele Schiffe, aber sie sind alle in weitaus besserem Zustand als unsere und gut bewaffnet«, beantwortete Rita eine Frage, die noch gar nicht gestellt worden war. »Sie werden Crawlertown eine Weile verteidigen können. Zu dem Zeitpunkt sind wir bereits da und im Landeanflug. Wir sollten keine Probleme bekommen. Alles Weitere hängt von uns ab. Wir müssen auf dem Planeten den Sieg erringen, hier oben wird es uns nicht gelingen.«
»Wie lange noch?«, fragte Sia. Sie betrachtete interessiert die Kontrollen, immerhin konnte sie mit der verwirrenden Vielfalt an Informationen noch am ehesten etwas anfangen.
»Elf Stunden bis zum Planeten. Wir haben die Emissionsstärke der Maschinen so weit isoliert, wie es technisch möglich ist, und fliegen mit minimaler Energie. Draußen im Depot haben wir Schwung genommen. Bis wir abbremsen, sind wir fast unsichtbar und aller Leute Aufmerksamkeit ist eh auf den Kampf um Crawlertown gerichtet. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir unentdeckt nahe genug herankommen.«
Ritas Stimme klang fest und Ryk nahm ihr die Zuversicht ab. Ob diese aus Verzweiflung geboren war, mit einer gehörigen Portion Fatalismus vermischt, oder aus Überzeugung wusste er nicht. Rita war eine starke Frau, die ganz sicher nicht dazu neigte, sich dem Schicksal zu ergeben. Sie hatte gut geplant und ging ein persönliches Risiko ein, ohne Sehnsucht nach einem vorzeitigen Ende. Ryk fühlte sich von ihrer Stimmung angesteckt. Sie wusste, was sie tat.
»Wir werden jetzt noch einmal die Landeaktion durchsprechen, Schritt für Schritt.« Ritas Tonfall duldete keinen Widerspruch.
Ryk wollte auch keinen erheben. Er hatte in endlos erscheinenden Sitzungen gelernt, wie man sich in den feinen Kreisen der Auri bewegte, da würde er auch diese Lektion durchstehen. Diesmal interessierte er sich dafür – und erkannte einen Sinn in dem, was er tat.
»Sollten wir Uruhard und Momo nicht dazu bitten?«, fragte Sia.
»Sie waren wach, als ihr geschlafen habt«, erwiderte Rita ohne jede Anzüglichkeit in der Stimme. »Ich denke, sie haben es begriffen.«
Ansporn genug, es ihnen gleichzutun.
Sie taten also, was Rita angekündigt hatte, und Ryk würde es niemals zugeben – er hatte immer noch leichte Probleme, eine Schwäche seinerseits einzugestehen –, aber binnen kurzer Zeit brummte ihm wieder der Schädel. Landevektor. Ausrüstung. Verhaltensweisen. Kommandokette. Die erste Option. Der Plan B. Der Notfallplan. Der Plan für »jetzt ist alles zu spät und sowieso egal«. Wie es draußen aussah. Je weiter sie sich von Plan A entfernten, desto vager wurde alles und Plan A war bereits vage genug. Sehr oft fielen Begriffe wie »wenn« und »könnte«, zu oft für Ryks Geschmack. Aber weiter hatten sie nicht planen können und sie mussten sich auf Änderungen einstellen. Weitere Informationen wurden durchgekaut, manche detailreich, manche verloren sich eher in Andeutungen, je nach vorhandener Datenlage. Wie es drinnen aussah. Wer auf sie wartete. Wohin sie wollten. Was sie herausfinden mussten und was ein nettes Extra wäre. Kommunikation ihrer Erkenntnisse. Und dann, sehr wichtig, wie sie zu verschwinden gedachten. Eine rasche, stakkatoartige Abfolge von Informationen, Verhaltensweisen und No-Gos, wie eine Perlenkette aufgereiht und alle gleichermaßen wichtig. Ryk sortierte sie in seinem Kopf und versuchte, sich alles einzuprägen. Da dies der dritte Durchgang war, gelang es ihm ganz gut, nicht zuletzt, weil er eine starke Motivation hatte: Von diesen Informationen hing möglicherweise sein Überleben ab.
Oder auch nicht. Selbst der beste Plan ging meist zugrunde, sobald er mit der Realität in Berührung kam.
»Werden wir kämpfen müssen?«, fragte Sia irgendwann. »Töten?«
Rita nickte. »Das kann sein. Wir wollen es vermeiden, soweit wir können. In dem Fall: Haltet euch zurück. Niemand erwartet von euch Heldentaten oder unnötige Risiken. Wenn es sein muss, töten wir. Die Zwillinge töten gerne für uns. Sie haben da unten viele offene Rechnungen.«
Die beiden Männer sahen nur kurz auf und nickten ihnen zu, ein sanftes, gelassenes Duo. Was machte die beiden so besonders, dass sie mit dieser Aufgabe betraut worden waren – und warum schienen sie auch für die Anwendung von Gewalt prädestiniert zu sein? Offene Rechnungen, das konnte alles oder nichts bedeuten.
Ryk wollte fragen, befürchtete aber, dass ihm die Antwort nicht gefallen würde. Er akzeptierte hier Sias Führung, die schweigendes Einverständnis signalisierte. Die Vergangenheit von M&M ging sie nichts an.
Dann waren sie am Ende ihres Briefings angekommen. Rita wollte wissen, ob sie noch Fragen hatten, und Ryk wären viele eingefallen – die meisten davon hätten aber den Eindruck erweckt, er hätte gar nicht richtig zugehört oder viel zu große Zweifel an ihrem Vorhaben. Er machte es wie bei der Zeremonie, damals, als er noch auf eine langweilige, aber harmlose Darbietung gehofft hatte: Er würde es auf sich zukommen lassen und hoffen, dass er zur richtigen Zeit richtig reagierte – oder andere das für ihn übernahmen und er einfach nur in die angegebene Richtung rennen musste.
»Wer regiert eigentlich jetzt die Auri?«, fragte Sia, um das Thema zu wechseln. »Der neue Amtsinhaber hat ja nicht allzu lange Freude an seiner Regentschaft gehabt.«
Rita lächelte grimmig. Der Heptarch hatte gewiss auf ihrer Abschussliste ganz oben gestanden.
»Das ist auch gut so. Er war ein Verfechter der These, dass die Heptarchie ihren direkten Einfluss auf Crawlertown und den gesamten Schiffsfriedhof auszudehnen habe. Kein Stillhalteabkommen mehr, kein Tolerieren der relativen Anarchie, kein Handel mehr mit den Crawlern, sondern direkte Herrschaft und Assimilation.« Rita schüttelte erbost den Kopf. »Als das bekannt war, fiel es uns leicht, eine Crew für den Angriff zu organisieren. Trotz aller Streitigkeiten mögen wir Crawler unsere Freiheit sehr.«
Sie sah Sia an, die immer noch keine Antwort auf ihre Frage bekommen hatte. »Wir gehen davon aus, dass die Elektoren derzeit eine Übergangsregierung bilden, bis sie einen neuen Kandidaten ausgewählt haben. Das ist in der Heptarchie ein recht komplexer Vorgang. Die sieben zentralen Habitate, die die Vorherrschaft ausüben, werden durch verschiedene einflussreiche Familien repräsentiert. Da gibt es Machtkämpfe, Streitigkeiten, Intrigen, politische Heiraten und manches ungeklärte Verschwinden. Den Heptarchen zu wählen ist das Ergebnis eines sorgfältigen Abstimmungsprozesses, der meist beginnt, wenn die Amtszeit des aktuellen Herrschers sich dem Ende zuneigt. Er wird oft durch jahrelange Intrigen und Konflikte vorbereitet, damit jeder, wenn es so weit ist, die richtige Ausgangsposition hat. Jetzt müssen sie bei null anfangen. Sie sind furchtbar unvorbereitet und aus dem Gleichgewicht gebracht. Dazu kommt, dass wir gezielt viele Vorsteher wichtiger Familien ausgeschaltet haben, um das Chaos noch zu verstärken, denn erst wenn diese neu gewählt oder ernannt wurden, können sie ernsthaft über den Nachfolger im höchsten Amt verhandeln. Bis auf Weiteres hat, zumindest inoffiziell, Solos das Sagen – oder wenigstens den größten Einfluss. Er war der Zeremonienmeister, eine Art ritueller Anführer für die Zeit des Übergangs. Seine Autorität ist die höchste.«
»Solos?«, echote Ryk. »Wird er also der neue Heptarch?«
»Nun, das glaube ich eher nicht. Er ist ein reicher Mann, der gerne hinter den Kulissen arbeitet und nie selbst die größten Würden anstrebt. Deshalb ist er Vorsitzender der Elektoren, ein Amt, das normalerweise nur einmal in einer durchschnittlichen Lebenszeit von Bedeutung ist. Solos dürfte der Erste sein, der in dieser Position die Wahl zweier Heptarchen zu verantworten hat. Er ist jetzt der Anker der Stabilität. Seine Ambition ist eigentlich, im Hintergrund zu bleiben. Aber wer weiß, zu welcher Entscheidung ihn die aktuelle Notlage drängen wird? Alles ist möglich.«
»Warum habt ihr ihn nicht auch erschossen? Er scheint die Kriterien zur Auswahl lohnender Ziele zu erfüllen«, hakte Ryk nach.
Rita schürzte die Lippen, eine Geste, die Unwillen ausdrückte und etwas Hilflosigkeit. Ein Schulterzucken verstärkte diesen Eindruck. »Wir haben es versucht. Aber er hatte Glück. Er war schneller verschwunden als gedacht. Er muss einer der wenigen gewesen sein, die einen kühlen Kopf bewahrt haben. Das spricht dafür, dass er sehr gefährlich ist.« Rita lächelte. »Bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit werden wir das Versäumte nachholen. Falls es dann noch nötig sein sollte. Können wir den Auri den Hive entreißen, ist diese Frage plötzlich nicht mehr so wichtig.«
Damit schien alles gesagt. Der Rest des Fluges verging in angespannter Erwartung, immer wieder gemildert durch sanft einsetzende Langeweile. Ryk verlor die naive Begeisterung für die Raumfahrt stückweise. Er musste feststellen, dass sie oft daraus bestand, stundenlang irgendwo zu sitzen und nervtötende Kontrollinstrumente zu betrachten, ohne ein Gefühl für Bewegung und Richtung. Und wenn man dann noch in Schiffen wie diesem reiste, fehlte auch die Begeisterung für eine schön polierte Hightech-Umgebung, denn selbst auf der recht gut in Schuss gehaltenen Josepha wirkte vieles eher ranzig. Ryk war kein Fanatiker, was das anging, aber es schadete wirklich nicht, hin und wieder auch mal feucht durchzuwischen. Dazu kam nicht besonders gutes Essen und wenig Ablenkung.
Nachrichten aus Crawlertown waren spärlich, es wurde Funkstille eingehalten und sie empfingen nur die allgemeinen Nachrichten, die von dort gesendet wurden. Teile der Besatzung wurden evakuiert, andere machten sich zu einem Kampf bereit. Die Crawler schickten auch regelmäßig herausfordernde Nachrichten an die Auri, um sie zum Angriff zu reizen und ihre Aufmerksamkeit auf ihr Ziel zu fokussieren. Es schien jedenfalls zu funktionieren, die Josepha blieb völlig unbehelligt und die Orbitalinstallationen der Heptarchie standen irgendwann deutlich erkennbar auf den Schirmen. Das vertrieb die Langeweile.
»Es gibt im Ring der Habitate und Stationen ein paar Lücken«, hatte Rita ihnen zuvor erklärt, die selbst die Steuerung des Schiffes übernommen hatte. »Durch eine dieser Lücken versuchen wir, uns hindurchzuschleichen.«
»Versuchen?«, war Sias vorsichtiger Einwurf gewesen.
»Es gibt keine organisierte Raumabwehr, denn es gab auch nie Feinde.« Rita hatte sie dann aufmunternd angelächelt. »Selbst wenn man uns entdeckt – die Auri haben gewiss fast alles, was Waffen trägt, nach Crawlertown geschickt. Nur keine Sorge.«
Ryk konzentrierte sich darauf, die letzten drei Worte im Geiste immer wieder zu rezitieren, vor allem deswegen, weil er sich verdammt viele Sorgen machte.