Noch zehn Tage
Wer sich in Stockholm aufhält und das wunderschöne Schloss Drottningholm mit Umgebung besichtigen möchte, fährt erst mal knapp zehn Kilometer bis Bromma. Das dauert zwanzig Minuten, wenn der Verkehr nicht zu zäh fließend ist.
Dort angekommen, biegt man in einem Kreisverkehr links ab und fährt für weitere vier Kilometer den Drottningholmsvägen entlang. Nach einer Brücke ist man auf Kärsö und nach noch einer auf Lovö. Das Schloss zur Linken kann man nicht verfehlen.
Sagen wir, es passiert einem doch, und man fährt stattdessen einfach immer geradeaus weiter. Dann verzweigt sich die Straße: Richtung Färingsö und Ekerö.
Das sind zwei ziemlich große Inseln im Mälarsee. Man kann sich drauf verfahren, wenn man sich nicht auskennt. Aber vor allem ist die einzige Alternative, von dort wegzukommen, die Autofähre zum Festland südlich der Hauptstadt.
Oder umkehren.
Zurück nach Drottningholm.
Die Sicherheitspolizisten A, B, C und D konnten sich leicht ausrechnen, dass das flüchtige verdächtige Paar auf einer der beiden Mälarinseln festsaß. Die Polizei brauchte nur Kontrollen auf der Autofähre von Ekerö durchzuführen und ansonsten bei Drottningholm auf ein weißes Wohnmobil mit Nummernschild MLB 490 zu warten, vorzugsweise mit einem Dreißigjährigen am Steuer und einer Dreißigjährigen daneben. Um nicht länger als nötig warten zu müssen, schickten sie trotzdem zwei Wagen los, einen Richtung Ekerö, den anderen Richtung Färingsö. Wenn die Streifen fanden, wonach sie suchten, brauchten sie bloß Verstärkung anzufordern.
Der eigentliche Verbrechensverdacht fing mit Falschparken an, ging weiter mit Gewalt gegen einen Polizeibeamten (leichte Gewalt, aber immerhin), und soeben war noch Autodiebstahl hinzugekommen. Ungesichert war, ob die Verdächtigen zu allem anderen auch noch Ihrer Majestät eine Ohrfeige angedroht hatten. Wie sich herausgestellt hatte, gehörte das Wohnmobil einem schwedischen Diplomaten an der Botschaft in Rom. Der nicht verdächtigt wurde, sich in Schweden und Italien gleichzeitig aufzuhalten.
***
Petra begriff zeitgleich mit den Polizisten A, B, C und D den Ernst der Lage. Sie erklärte Johan, als einziger Fluchtweg bleibe ihnen nur die Autofähre, und wie sie die Lage einschätze, sei das so ziemlich jedem Polizisten klar. Ein Anruf genügte, und die Fähre würde gestoppt, bis die Polizei eintraf.
Johan wollte wissen, ob sie die Fähre nicht kapern könnten. Petra sagte, das sei nicht eine seiner besten Ideen.
Johan war von sich selbst enttäuscht. Er hatte es so dermaßen satt, dass immer alles falsch war, was er machte. Gerade als Petra etwas Nettes erwidern wollte, entdeckte er ein Blaulicht im Rückspiegel. Als ob es nicht so schon schlimm genug gewesen wäre.
»Fahr hier links rein«, sagte Petra und zeigte zur Sicherheit in die richtige Richtung.
Mit diesem Manöver verließen sie die Hauptstraße und waren außer Sichtweite. Petra wusste nicht genau, wohin sie fuhren, aber jetzt mussten sie in erster Linie die unmittelbar drohende Gefahr abschütteln.
»Hier rechts. Links. Geradeaus.«
Johan schaute ebenso viel nach hinten wie nach vorne. Fühlte sich immer gestresster. Er hatte ja von Anfang an das Problem gehabt, rechts von links und Bremse von Gaspedal zu unterscheiden.
So kam es, wie es kommen musste.
»Links, hab ich doch gesagt!«, sagte Petra, während das Wohnmobil einen nach rechts abzweigenden Schotterweg schon fast entlangschlitterte, der an einem einsam gelegenen Wassergrundstück endete.
Kurz davor, ein Bootshaus zu rammen, dachte Johan in seiner Panik, er hätte das Gaspedal durchgetreten, woraufhin das Wohnmobil einen halben Meter vor dem Tor zum Stehen kam.
»Gut gemacht«, lobte ihn Petra.
Manchmal gerät einem etwas dermaßen falsch, dass es schon wieder richtig ist.