Agnes nahm ihre Aufgaben als Gesundheitsministerin ernst. Sie erzielte vom ersten Tag an Fortschritte, was nicht weiter verwunderlich war. Die medizinische Versorgung hätte unmöglich verschlechtert werden können.
Nach dem anfänglichen Weckruf ging der Dame, die in einer völlig verschlafenen Gemeinde geboren und aufgewachsen war, alles viel zu langsam. Jedenfalls verfügte sie über ein ordentliches Budget, seitdem der Präsident sich vorläufig damit einverstanden erklärt hatte, auf seinen nach oben hin offenen Anteil vom Bruttosozialprodukt teilweise zu verzichten. Doch mit den verschiedenen Bauten ging es schleppend voran, sofern man überhaupt damit angefangen hatte (nach einigen Wochen, aber immerhin). Die tatkräftige Ministerin ließ neben der Baustelle acht Sanitätszelte errichten und brachte damit und mithilfe dieselbetriebener Generatoren Fahrt in die Pflege.
Das Leben war ungemein lebenswert, aber Agnes fehlten ihre Reisen mit Travelling Eklund. Als abendliche Beschäftigungstherapie kam ihr das Bildbearbeitungsprogramm gerade recht. Damit baute sie ihr Fantasiekrankenhaus mit angeschlossenem Seniorenheim. Im Eifer des Gefechts fügte sie Schulhäuser in jedem Tal, einen neuen Flughafen und ein Börsengebäude hinzu. Dann noch ein Shoppingcenter, ehe sie das Zentrum der Hauptstadt großflächig abriss und neu aufbaute. Die Kosten überstiegen die Staatsfinanzen um ein Vielfaches. Wozu Knausern, wenn doch alles nur zum Spaß war?
Der Polizeichef Günther kam mindestens dreimal die Woche mit seiner Tochter in den Präsidentenpalast. Dort wohnte ja das Pony Pocahontas. Während Angelika mit Tier und Reitlehrer beschäftigt war, setzte sich ihr Vater gern zu Agnes. Allerdings weniger gerne zur Weltuntergangsprophetin, die tagein, tagaus mit ihren Kalkulationen unter demselben Sonnenschirm im Garten saß. Ihrem Mienenspiel samt gewisser Grunzlaute nach zu urteilen, machte sie Fortschritte.
»Sieht so aus, als ob sie der Weltuntergangslösung näher kommt«, sagte Günther zu Agnes.
»Hoffentlich geht die Welt vorher unter«, sagte die Gesundheitsministerin. »Noch so einen Countdown ertrage ich nicht.«
»Was ist das da?«, fragte Günther und zeigte auf die Fantasiegebilde der Lilahaarigen, alles von Krankenhaus bis Flughafen.
Agnes erzählte: So sah es vielleicht wirklich in zwanzig, dreißig Jahren hier aus, wenn der Präsident nicht zu sehr mit seinem Geld knauserte. Was er aber tat.
Alekos Freund hatte eine jähe Eingebung!
Spätestens in ein paar Stunden sollte er den Entwurf für die Präsidentenrede vor der Versammlung abliefern. Bislang war es damit nur zäh vorangegangen. Der nackte Hintern hatte ihn verfolgt, aber er hatte ihn nicht unterbringen können. Irgendwann musste der Präsident die Hose doch wieder hochziehen, und wenn er das nicht richtig anpackte, konnte es ihm als eine Form von Kapitulation ausgelegt werden.
Aber jetzt: die fantastischen Fantasiebilder der Gesundheitsministerin! Die waren zwar alle etwas dick aufgetragen, aber doch eine passende Auswahl. Auf einmal wusste Günther, wie Aleko und er bei der Versammlung ein weiteres Mal für Chaos sorgen würden!
Sofort rief er seinen Kumpel, den Präsidenten, an, um es ihm zu erzählen. Als Aleko sah, wer anrief, meldete er sich mit der Frage: »Hast du dir was einfallen lassen?«
Günther stellte die Gegenfrage: »Was ist für mindestens zehn von den Schweinen in der Versammlung das absolut Schlimmste?«
»Aids?«, überlegte Aleko.
»Nein, freie demokratische Wahlen.«
Da hatte Günther natürlich recht. Aids konnte mit Medikamenten eingedämmt werden, aber eine Präsidentschaftswahl ohne Betrug wäre das Ende für ziemlich viele, die es am meisten verdient hatten, geärgert zu werden. Die Frage war, worauf Günther hinauswollte. Er und Aleko waren doch wohl absolut einer Meinung mit den Schweinen, dass man es mit der Demokratie nie übertreiben dürfe?
Der Freund stimmte ihm zu. Doch was wusste die Versammlung schon davon?