85. KAPITEL
Januar 2012

Johan hatte immer noch Obama-Anrufverbot, ob mit oder ohne R. Was Obama nicht davon abhielt, eines Tages bei Johan anzuklingeln. Er hatte in gebührendem Abstand das Drama um den mittlerweile zurückgetretenen wie verschwundenen Präsidenten Aleko verfolgt. Außerdem hatte er an seine Gespräche mit dem so erfrischenden Schweden zu rückgedacht und gelangte zu der Einsicht, dass Johan wohl eher Meisterkoch und Naturbursche als Genie war. Was seine mäßigen Erfolge als Postbote wie auch als Außenminister erklären mochte. Und ihn umso sympathischer machte. Jetzt wollte der amerikanische Präsident wissen, wie es Johan ging.

»Hallo, mein Freund. Barack hier.«

»Wer?«, sagte Johan.

»Obama. Der Präsident. Erinnerst du dich vielleicht an mich?«

Johan strahlte. »Aber sicher!«

Barack Obama sagte, man habe lange nichts voneinander gehört, außerdem sei der Västerbotten-Käse, den er geschenkt bekommen habe, fast aufgegessen, aber er melde sich vor allem aus Neugier. Ob Johan ihm wohl berichten könne, was nach diesem einen Tag in Addis Abeba passiert sei? Es sei ja nun etwas anders gekommen als gedacht.

Johan antwortete, davor und auch danach sei ihm alles ein bisschen zu viel geworden. Nichts sei jetzt so wie vorher. Zum Beispiel sei sein Name nicht mehr Johan, sondern etwas anders, nicht Winston Churchill, aber fast.

Barack Obama sagte, er sei sich nicht sicher, ob er mehr darüber wissen wolle. Aber Johan dachte nicht daran, zu wenig zu erzählen. Er, Papa Aleko, Agnes, Herbert und Petra hatten neue Pässe bekommen und waren in ein anderes Land gezogen, wo sie noch mal neue Pässe gekriegt hatten. Dann waren sie nach Schweden geflogen und hatten die USA -Rechte am besten Käse der Welt gekauft. Und einen Freund für Petra aufgegabelt.

Petras Freund interessierte den Präsidenten auch nicht annähernd so wie die Sache mit den Käserechten. Wollten sie etwa Västerbotten-Käse in die USA importieren? Das wäre ja fantastisch.

»Nein, wir sind dabei, selber hinzuziehen. Wir gründen nämlich eine Fabrik in Ver… noch was. Versaille? Nein, etwas anderes.«

»Vermont?«

»Vielleicht.«

Barack Obama war wieder an dem Punkt angelangt, an dem er mehr wissen wollte und doch auch wieder nicht. Wahrscheinlich hatte Präsident Aleko die Staatskasse geplündert und sich und seinem nächsten Umfeld neue Identitäten besorgt. Aber was hatte Johan da gesagt? War Aleko sein Vater?

Allerdings. Aber das hatte Johan nicht gewusst, als sie sich damals in der schwedischen Botschaft trafen. Deshalb sollte Barack sich nichts daraus machen, dass er seinen Papa Arschloch genannt hatte. Sie hatten es ja alle beide nicht wissen können. Ebenso wenig wie Johan ein paar Monate vorher hatte wissen können, mit wem er sich alles anfreunden würde: mit einer Weltuntergangsprophetin, einer Dame mit lila Haaren, die sich als Neunzehnjährige ausgab, und einem alten Banker aus einem Land, das entweder zur EU gehörte oder auch nicht.

»Aber jetzt zu was ganz anderem: Barack schreibt sich schon mit R in der Mitte, nicht?«

Obama dachte sich, dass die weitere Entwicklung nach dem Tag in der Botschaft Alekos Beinamen eher bestätigte, sagte aber nichts, da Johan seinen neu gefundenen Vater offenbar mochte. Stattdessen bestätigte er die Schreibweise seines Vornamens und ließ es dabei bewenden.

»Und wie geht es dir sonst so?«, sagte Johan.

»Danke, tja«, sagte Obama. »Hab halt viel um die Ohren.«

***

Manchmal musste man die Dinge erst mal sacken lassen.

Barack Obama war stummer Zeuge des Zirkus um den berüchtigten Halbmilliarden-Betrug mit dem proklamierten Weltuntergang am 18. Oktober vorigen Jahres gewesen, auf den Millionen Menschen weltweit hereingefallen waren.

Viele hatten eine große Wut auf Professor Smirnoff, den Weltuntergangsbetrüger, der seither nicht mehr gesehen worden war (und davor auch schon ziemlich lange nicht mehr). Die allergrößte Wut hatte der Geschäftsmann Donald Trump. Er twitterte verärgert, Barack Obama solle damit aufhören, den Kopf in den Sand zu stecken, und allen Ernstes dem Verdacht nachgehen, dass dahinter eine Untergrundbewegung stecke, angeführt von Hillary Clinton, Tom Hanks und Benedikt XVI .

Ein anderer aus der Schar der Betrogenen, Bill Gates, nahm es eher mit Fassung.

»Ich hätte nicht erwartet, von einer renommierten Schweizer Bank betrogen zu werden. Aber bei den zwei Millionen, die ich der Klimaforschung versprochen habe, bleibt es«, sagte er und ließ sich trotz alledem nicht lumpen.

»Idiot«, sagte Trump.

Jetzt saß der Präsident im Oval Office und verdaute die Worte seines schwedischen Freundes. Johan hatte eine Weltuntergangsprophetin und einen Banker als Mitglieder seines engsten Freundeskreises bezeichnet. Wie viele derartige Zusammenwürfelungen gab es wohl? Ausgerechnet in dieser Zeit.

Der Geschäftsmann Trump hatte dem Präsidenten geraten, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Barack Obama dachte sich, dass es für alle das Beste sei, wenn er genau das täte.

Und zwar tief.