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Polizeirevier Alteneck. Kriminaltechnisches Labor
» U nd was soll ich damit«, fragte Vogel, der Chef der Kriminaltechnik, während er unschlüssig auf den Plastikbeutel in Felix’ Hand starrte, ganz offenbar nicht wirklich gewillt, ihn entgegenzunehmen, obwohl Felix ihm die Plastiktüte mit dem Kamm direkt entgegenstreckte. »Nicht mal ein richtiger Asservatenbeutel ist das, Felix. Wo hast du das Ding denn überhaupt mitgehen lassen?«
»Die Tüte?«, fragte Felix und versuchte ein schelmisches Grinsen. »Die hab ich zu Hause unter der Spüle gefunden.«
»Witzbold. Ich meine den Kamm.«
»Das kann ich dir nicht sagen, Volkmar. Also, noch nicht.«
»Ah. Na sowas. Also, soweit mich das betrifft, hast du hier irgend einen Kamm, mit irgend welchen Haaren dran. Sonst noch Fragen?«
»Ja. Ich wollte fragen, ob ihr vielleicht einen DNA-Abgleich machen könntet.«
»Von einem Kamm, obwohl du mir nicht sagen möchtest, woher der stammt? Und von dem ich nur vermuten kann, dass du ihn ohne jede richterliche Anordnung besorgt hast? Spinnst du?«
»Na ja«, sagte Felix ausweichend.
»Und du kannst mir nicht mal sagen, von wem die Haare daran stammen?«
»Ich möchte dein unvoreingenommenes Urteil als Experte nicht beeinflussen.«
»Das ist Blödsinn, Felix, und das weißt du. Ich interpretiere lediglich die Fakten, die der Computer ausspuckt. Ich bin Analyst, kein Richter.«
»Na ja, trotzdem, es geht eben nicht, okay? Ist auch nur eine ziemlich gewagte Theorie im Moment. Aber sieh es doch mal so: Auf diese Weise wären wir in der Lage, diese Theorie innerhalb kürzester Zeit zu bestätigen oder zu widerlegen, und das würde uns allen enorm viel Zeit sparen. Zeit, in der da draußen ein gefährlicher Irrer herumläuft, der das Hobby hat, behinderte Menschen grausam abzuschlachten. Und es wird übrigens auch niemandem schaden, falls sich meine These als falsch herausstellt, versprochen.«
»Ach, darum geht es also. Wieso dachte ich mir das nur schon irgendwie, als du hier reingekommen bist?«
»Weil du eben ein sehr weitsichtiger Mensch bist, lieber Volkmar. Und sollte sich meine These bestätigen, werden wir ratzfatz andere Beweise finden, und die finden wir dann natürlich auf dem regulären Dienstweg, mit richterlicher Anordnung und allem. Wie sich das gehört.«
»Ratzfatz, ja?«
»Genau.«
»Mann, du machst mich fertig, Felix. Aber, nur mal rein hypothetisch angenommen, ich würde mich tatsächlich auf solch einen Unfug einlassen, mit welcher DNA soll ich die Haare in deinem Beutel da denn abgleichen?«
»Mit der des letzten Opfers von unserem Verstümmler.«
»Der Mann vom Baum? Oh Mann, mir wird jetzt noch schlecht, wenn ich nur daran denke.«
»Eben. Du hast den Psychologen, diesen von Witten ja gehört. Der Täter steigert sich da jedesmal weiter hinein, und sein nächstes Opfer wird er vermutlich noch übler zurichten, wenn wir ihn nicht vorher stoppen.«
»Ja«, murmelte Vogel, »falls das überhaupt möglich ist.« Dann setzte er etwas lauter hinzu: »Pass auf, Felix, du legst diesen Beutel jetzt dort drüben auf den Boden. Ja, genau vor dem Tisch, auf dem die Asservaten zu dem Fall liegen. Später werde ich mich umdrehen und annehmen, dass mir der Beutel vorhin runter gefallen ist. Und so könnte es doch passieren, dass er im Rahmen des allgemeinen Abgleichs … du verstehst, dass ich ihn aus Versehen mit unter die Lupe nehme.«
»Du bist ein Schatz, Volkmar.«
»Werd’ mir jetzt bloß nicht sentimental, Felix«, sagte der weiß bekittelte Kriminaltechniker. »Und wenn mich später jemand fragt, werde ich sagen, ich habe keine Ahnung, wie der Beutel da hingeraten ist oder wer ihn da hingetan haben könnte. Falls allerdings irgendwer seinen Kamm vermisst, wird dir das mächtig auf die Füße fallen, das ist dir hoffentlich klar? Und zwar nur dir.«
Felix nickte und legte den Beutel auf die Stelle am Boden, auf die Vogel gedeutet hatte.
»Okay, ich denke, bis Mitte nächster Woche sollten wir ein paar Ergebnisse haben, Felix. Komm dann einfach mal ganz zufällig hier vorbei. Wenn das dann alles wäre, Eure Majestät?« Der Leiter der Kriminaltechnik deutete eine höfische Verbeugung an, und dann in Richtung der Tür.
»Also eigentlich bräuchte ich die Ergebnisse so rasch wie möglich«, sagte Felix nachdenklich. »Könntest du die Haare auf dem Kamm vielleicht vorziehen? Es ist wirklich wichtig und …«
»Raus!«, rief Vogel und Felix machte, dass er aus dem Labor kam.
Jetzt blieb ihm nur noch Hoffen und Beten – und das Vertrauen darauf, dass Vogel ebenso begierig darauf war wie er, zu erfahren, ob die DNA an Ulrich Seegers Kamm mit der des letzten Opfers übereinstimmte. Und dass der Verstümmler nicht vorher erneut zuschlug.