Alteneck, Sandweg. Haus von Felix und Saskia Hübler
F
elix war beim Aufschließen der Tür derart in Gedanken versunken, dass er erst mitbekam, dass er allein in der Wohnung war, als er schon die Küche erreicht hatte. Auf dem Weg zum Kühlschrank fiel sein Blick auf einen Zettel, der auf dem Küchentisch lag, darauf eine handschriftliche Botschaft. Er ging hin, um sie zu lesen.
Felix
,
ich weiß von dir und deinem Flittchen. Ich bin zu meinen Eltern gefahren und habe mir ein paar Klamotten mitgenommen, den Rest hole ich die Tage ab oder ich schicke jemanden mit dem Schlüssel vorbei. Bitte fahre mir nicht nach, und ruf nicht an. Ich melde mich in ein paar Tagen, dann klären wir die Formalitäten.
Saskia
Das Ganze war in einer zittrigen Handschrift geschrieben, die in einem beinahe grotesk anmutenden Kontrast zu dem emotionslosen Inhalt der Botschaft stand. Bis auf das Wort ›Flittchen‹ hätte dieser Zettel auch ein bürointernes Memo sein können. Das Wort ›Formalitäten‹ hatte einen Tropfen abbekommen, die Tinte des Kulis war im hinteren Teil des Wortes aufgeblüht wie eine winzige, schwarze Blüte, feines Geäst erstreckte sich kreisförmig um den Fleck. Eine Träne, vielleicht. Oder nur Wasser.
Saskias Ehering lag auf dem Blatt Papier wie ein Briefbeschwerer, der seiner Aufgabe nicht ganz gewachsen war. Ein Windstoß hätte das Ganze vom Tisch gefegt. Der zittrigen Schrift war dennoch nur allzu deutlich anzusehen, wie aufgewühlt Saskia gewesen sein musste, als sie das geschrieben hatte, die Buchstaben waren regelrecht hingeschmiert, ihre eilige Krakelschrift nannte Felix das. Aber eindeutig ihre Schrift, das stand außer Frage. Vermutlich hatte sie erst heute von seiner Affäre mit Helene Seeger erfahren. Oder aber, es schon länger geahnt und heute bestätigt gefunden. Vielleicht hatte sie zufällig sein Auto vor ihrem Haus stehen sehen, und durchs Fenster gelugt? Oder Tobias hatte ihr was gesteckt oder … müßig, jetzt darüber nachzudenken
, entschied Felix. Das spielte keine Rolle mehr, nichts spielte jetzt noch eine Rolle.
Felix ging hinüber zum Kühlschrank, öffnete ihn und nahm eine Flasche Bier heraus. Dann überlegte er es sich anders, stellte die Flasche ungeöffnet zurück und ging stattdessen ins Wohnzimmer, und dort zur Anrichte, in welcher ein paar Gläser und eine Flasche zwölf Jahre alter Scotch standen, Letztere beinahe noch ganz voll. Auf ein Glas verzichtete er, die Flasche nahm er mit hinüber zur Couch. Dort setze er sich, öffnete die Flasche und setzte sie an seine Lippen. Er trank, bis sie leer war, und dann machte er mit dem Bier in der Küche weiter.