J ack Riddel stand in der Nähe des Hafens und beobachtete das Einlaufen der S.S. Tofua . Das in die Jahre gekommene Dampfschiff der Union Steamship Company konnte wieder an seinem gewohnten Platz an der Tivoli-Werft anlegen, seit die Dunedin mitsamt ihren Soldaten nach Neuseeland zurückgekehrt war. Monatelang hatten sie die Wälder durchkämmt, um die untergetauchten Mau-Rebellen dingfest zu machen, doch es war ihnen nicht gelungen, deren Verstecke zu finden. Schließlich hatte der neue Gouverneur Westsamoas, Herbert E. Hart, den Abzug der Soldaten befohlen und die Mau-Bewegung für beendet erklärt. Ein typischer Schachzug für die überforderte Regierung, wie Riddel fand, wenn auch effektiv. Die Verunsicherung der Bevölkerung war durch die ständige Anwesenheit der Soldaten gestiegen, während die Menschen nun, nachdem das riesige Kriegsschiff und dessen Besatzung verschwunden waren, zu ihrem gewohnten Alltag zurückkehrten. Daran hatte selbst der Aufmarsch der Mau-Frauen am ersten Jahrestag des Schwarzen Samstags nichts geändert. Die Western Samoa Gazette hatte von einem Trauerzug gesprochen, an dem nur wenige Hinterbliebene teilgenommen hätten. Demgegenüber berichtete der NZ Samoa Guardian von weit über tausend Frauen, die von der Beach Road zu den Gräbern der Opfer gepilgert waren, wo sie Blumenkränze niedergelegt und Lieder gesungen hatten. Trotz all der Toten hatte sich die Berichterstattung nicht geändert. Neuseeland ignorierte das Problem, welches es mit der samoanischen Bevölkerung hatte, mit der Sturheit eines Schafbocks.
Riddel schob die Hände in die Hosentaschen und sein Blick heftete sich auf Helene, die verloren am Kai stand und die Ankunft ihres Sohnes erwartete. Der Wind riss an ihrem hellblauen Rock und sie hob die Hand, um ihren Hut festzuhalten. Dabei rutschte der Ärmel ihrer Bluse zurück und entblößte ihr blasses Handgelenk. Riddel holte tief Luft. Es kostete ihn Überwindung, nicht zu ihr zu gehen. Sein Beschützerinstinkt, den er von Anfang an für die zierliche Frau mit den rätselhaften grauen Augen und dem gequälten Zug um den Mund empfunden hatte, wurde übermächtig. Er wusste, wie sehr es Helene schmerzte, nicht zur Hochzeit ihres Sohnes eingeladen worden zu sein. Hans hatte ihr an Weihnachten nebenbei erzählt, dass er um Evelyn Staples’ Hand angehalten hatte und dass die Hochzeit für März in Auckland geplant war, damit sie nicht Franklin Smith und Molly in die Quere kamen. Erst später hatte Helene erfahren, dass Hans es vorzog, ohne seine Familie zu feiern. Allein dafür wollte Riddel ihm eine Tracht Prügel erteilen. Anfangs hatte er noch gedacht, dass der Junge nur Zeit brauchte, um über den Tod seines Vaters hinwegzukommen, doch irgendwann durchschaute er Hans und stellte fest, dass hinter all seiner Tyrannei ein Feigling steckte. Riddel kannte solche Männer zu Genüge. Sie waren stets groß darin, andere mit übertriebener Gewalt einzuschüchtern, doch wenn ihnen das Wasser bis zum Hals stand, dann machten sie sich in die Hose. Hans war kein bisschen besser. Er wusste genau, wie er seine Mutter verletzten konnte und spielte ganz bewusst mit ihren Gefühlen. Aus diesem Grund hatte sich Riddel zunächst geweigert, Helene in die Stadt zu fahren, um die Ankunft der Hochzeitsgesellschaft im Hafen zu erwarten, aber sie hatte es, wie stets, geschafft, ihn zu überreden. Er wusste nicht, was es war, doch wenn sie ihn mit diesem besonderen Blick bedachte, der eine Mischung aus Verzweiflung, Vertrauen und jenem eisernen Willen war, der unter ihrer Oberfläche schlummerte, den sie aber kaum zuließ, dann war es um ihn geschehen. Eigentlich hatte er gar nicht so lange auf Tamalele bleiben wollen, doch wie so vieles in seinem Leben verlief auch das anders als geplant.
Mit einem dumpfen Signal des Schiffshorns legte die S.S. Tofua längsseits des Landungsstegs an und die Matrosen warfen die Taue um die Poller. Nachdem das Schiff in seiner Position fixiert worden war, wurden die Landestege ausgefahren und kurze Zeit später verließen die ersten Passagiere das Deck. Ein Trupp Chinesen mit Sackkarren lief ihnen entgegen, um das Gepäck aufzuladen. Helene rührte sich nicht. Sie verharrte wie eine Statue am Ende der Tivoli-Werft. Riddel erkannte Evelyns Eltern, die hinter Arthur Braisby und seiner Frau Priscilla, dem Zollbeamten Mac Logan, Franklin und Molly Smith sowie Harvey Johnson und seiner Verlobten Mary-Ann Steward den Landesteg hinuntergingen. Weitere bekannte Bürger der Stadt folgten. Sie bildeten ein Spalier, durch das Hans und Evelyn schritten. Applaus brandete auf und Riddel registrierte, wie sich Helenes Sohn in dem Trubel um seine Person sonnte. Er trug einen neuen, weißen Anzug und glänzende schwarz-weiße Wingtip-Schuhe. Übermütig warf er seinen Hut in die Luft und ließ ihn sich von einem der Matrosen zurückbringen. Andrew Stowers, der als einziger der Freunde weder verlobt noch verheiratet war, legte Hans den Arm um die Schultern.
»Auf Apias besten Hun «, rief er in die Runde. »Möge er uns weiterhin mit seiner Rechtschaffenheit, seinem Fleiß und seiner Ergebenheit für Westsamoa erfreuen.«
Die Gäste klatschten und Evelyn war die Erste, die Helene am Ende der Werft erblickte. Ihr Gesichtsausdruck fror ein und mit einer unmissverständlichen Geste machte sie ihren frischgebackenen Ehemann auf das Erscheinen seiner Mutter aufmerksam. Hans registrierte es mit einem kurzen Nicken und ließ sich Zeit, zu ihr zu gehen. Zuerst verabschiedete er sich von seinen Gästen, bedankte sich in vollmundigen Worten für ihre Teilnahme an seiner Hochzeit und wünschte allen einen angenehmen Sonntag. Erst als der letzte Passagier des Schiffs die Landungsbrücke verlassen hatte, bot Hans seiner Frau Evelyn den Arm und sie verharrten für einen kurzen Moment, als wollten sie Helene ihre neue Zweisamkeit demonstrieren, um dann gemächlichen Schrittes auf sie zuzugehen.
»Mutter«, Hans beugte sich vor, um Helene auf die Wange zu küssen, »du hättest nicht kommen müssen.«
»Ich wollte es gerne.« Helene überreichte ihm ein kleines Geschenk. »Alles Gute zu eurer Vermählung. Es ist nicht viel, aber ich hoffe, es freut dich.«
Hans musterte das Päckchen, während die Chinesen Berge von Gepäck und Präsenten an ihnen vorbeirollten. »Das muss alles ins Central Hotel«, erklärte er bestimmt und die Chinesen nickten.
»Ihr wohnt im Hotel?«, fragte Helene erstaunt.
»Wir möchten uns in Ruhe nach einer angemessenen Unterkunft umsehen«, bemerkte Evelyn, der es offensichtlich unangenehm war, sich mit ihrer Schwiegermutter zu unterhalten. »Als Ehepaar erscheint es uns nicht richtig, weiter bei unseren Eltern zu wohnen.«
»Nun, ihr könntet bei mir auf der Plantage …«
»Auf keinen Fall!«, unterbrach Evelyn Helene. »Mich zog es noch nie ins Hinterland.« Sie hob den Kopf und lächelte Hans an. »War Auckland nicht einfach ein Genuss, Liebling? Dagegen erscheint es mir in Apia geradezu provinziell, selbst wenn es hier seit April ein Filmtheater gibt.«
Hans nickte bestätigend. »Wir werden bald wieder nach Auckland reisen, um deine Verwandtschaft zu besuchen, Darling«, versprach er und zerriss das Geschenkpapier des Päckchens. »Manschettenknöpfe.« Er hob die Augenbrauen. »Wie nett.«
»Sie gehörten deinem Vater und er trug sie nur an den Feiertagen.« Helene beobachtete, wie Hans das Papier achtlos dem Wind übergab, der es ins Meer trieb.
»Vielen Dank, Mutter. Vater schätzte zeitlose Dinge.« Riddel vernahm die Gleichgültigkeit in Hans’ Antwort und ballte die Hände zu Fäusten. Unschlüssig verharrte Helene neben ihrem Sohn, der sie weder aufforderte, ihn zu begleiten, noch weitere Anstalten machte, die Unterhaltung fortzuführen. Riddel setzte sich in Bewegung, um ihr beizustehen.
»Oh, du bist ebenfalls hier, Riddel«, begrüßte ihn Hans, als wäre ihm erst jetzt aufgefallen, dass er neben dem Pferdefuhrwerk gewartet hatte.
Riddel schwieg und gratulierte Hans absichtlich nicht, was dieser mit starrem Gesichtsausdruck zur Kenntnis nahm. »Darf ich dir meine Ehefrau Evelyn vorstellen?«, sagte er und Riddel bedachte die Angesprochene mit einem intensiven Blick. Sie war ein typisches neuseeländisches Mädchen mit einem etwas zu breiten Kinn und einer auffälligen Zahnlücke, die sie durch ihr Lächeln gerne betonte, auch wenn sie das Riddels Meinung nach besser lassen sollte.
»Angenehm«, brummelte er und fragte an Helene gewandt: »Wollen wir zurückfahren, Ma’am? Ich habe alles erledigt, was es in der Stadt zu tun gab.«
Helene brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um seine kleine Lüge zu durchschauen, die Hans zu verstehen geben sollte, dass sie nicht allein seinetwegen den ganzen Weg auf sich genommen hatten, und nickte. »Lassen Sie uns aufbrechen, Riddel. Emilie und Gertrud warten gewiss schon auf uns.« Sie neigte den Kopf in Richtung ihres Sohnes. »Hans, Evelyn, es hat mich gefreut, euch zu sehen. Willkommen zuhause!«
»Danke dir, Mutter. Einen angenehmen Tag wünsche ich.« Hans schien erleichtert, dass sie sich schon wieder verabschiedeten, und folgte den Chinesen die Hauptstraße hinunter.
Riddel half Helene auf den Kutschbock und als er bemerkte, wie sie ihrem Sohn hinterherblickte, konnte er sich nicht verkneifen zu sagen: »Mit diesem Gebiss macht Ihre Schwiegertochter unseren beiden Pferden Konkurrenz.« Er tätschelte die Hälse der Tiere. »Tut mir leid, ich wollte euch nicht beleidigen, Jungs.«
»Riddel!« Helene schlug ihm auf den Arm, als er sich neben sie setzte und die Zügel in die Hand nahm. »Sie sind unmöglich.«
»Besser unmöglich als heuchlerisch.«
Helene verbarg ihr Lachen hinter ihrer Hand und es erfreute sein Inneres, dass er es wieder einmal geschafft hatte, sie aus der Reserve zu locken, auch wenn ihm das mittlerweile öfter gelang als vor sechs Jahren.
»Denken Sie, Hans wird die Manschettenknöpfe seines Vaters in Ehren halten?«
»Wenn er es nicht tut, werde ich sie ihm eigenhändig in sein eingebildetes M …« Er stockte und verbesserte sich: »… in seinen eingebildeten Mund stopfen, Ma’am.«
»Riddel!«
»Tun Sie nicht so erstaunt, ich weiß, dass Sie ebenso denken.«
»Hans ist mein Sohn. Ich weigere mich zu glauben, dass keine der guten Eigenschaften seines Vaters in ihm schlummert.«
»Es ist wohl eher ihr Egoismus, den er geerbt hat, Ma’am.«
Jetzt lachte Helene tatsächlich und Riddel schmunzelte zufrieden in seinen Bart hinein. Sie besaß einen feinen Sinn für seine Ironie und es gab nichts Schöneres, als sie lachen zu hören, auch wenn anschließend immer Schweigen folgte. Es schien, als ob sich Helene ihrer Fröhlichkeit schämte.
»Denken Sie, wir sollten einmal ins Filmtheater gehen?«, durchbrach er die Stille und sah, wie sie erstaunt die Augen aufriss.
»Ich denke nicht, dass wir das tun sollten, Riddel.«
»Aus denselben Gründen, aus denen Sie sich weigern, mich zum Tanz zu begleiten?«
Helenes Gesicht überzog eine zarte Röte. »Ich bin Witwe«, stellte sie nicht zum ersten Mal klar. »Und ich bin älter, als Sie es sind, Riddel. Was sollen die Leute denken?«
»Sie meinen die ehrenvollen Bürger Apias, die Ihren Sohn hofieren und sich bemühen, Sie zu ignorieren, weil diese Seite von Hans nicht in das Bild passt, das sie von ihm haben?«
»Sie besitzen die Gabe, die Dinge auf den Punkt zu bringen.«
»Ist das etwas Gutes oder Schlechtes?«
»Es ist etwas zutiefst Beunruhigendes, Riddel. Ich bin es nicht gewohnt, dass Menschen sagen, was sie denken.«
»Wie kann das sein, wo Sie doch mit Martha und Emilie unter einem Dach leben, Ma’am?«
Helene lachte erneut, dieses Mal befreiter. Der Kummer, der sie seit dem Tod ihres Mannes und ihres kleinen Sohnes wie eine unsichtbare Aura umgeben hatte, wurde mit jedem Jahr weniger. »Sind Sie mit der Entwicklung der Ölpalmen zufrieden?«, erkundigte sie sich. Ein weiteres Zeichen, dass sie sich zu öffnen begann, denn anfangs hatte sie es nicht gutgeheißen, dass er und Martha einen Teil der Plantage mit Ölpalmen bepflanzt hatten. Angesichts der weltweit fortschreitenden Depression und des Verfalls der Kopra- und Kakaopreise hatte sich Helenes Meinung jedoch rasch geändert.
»Ich bin zufrieden. Die Setzlinge entwickeln sich besser als erwartet und scheinen momentan nicht anfällig für Krankheiten zu sein. Außerdem habe ich die Fabrik der Lever Brüder in Sydney angeschrieben, um ihnen von unserem Vorhaben zu berichten.«
»Denken Sie, es besteht Interesse?«
»Wir müssen abwarten. Ich vermute, dass es auch in dieser Fabrik zu Entlassungen und Lohnkürzungen kommen wird, so wie überall. Erst kürzlich gab es in Auckland und Wellington Aufstände der arbeitslosen Bevölkerung. Es wurden Fensterscheiben von Geschäften eingeschlagen und es kam zu Plünderungen.«
»Mein Gott!« Helene knetete ihre ineinanderverschlungenen Finger. »Denken Sie, dass es hier ebenfalls zu Aufständen kommen wird?«
»Nun, die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Überall werden Läden geschlossen.« Riddel wollte seine Hand über ihre legen, aber er wahrte Abstand, auch wenn es ihm schwerfiel. »Vieles wäre leichter, würde die Verwaltung nicht auf all den ehemaligen Plantagengrundstücken sitzen wie ein brütiges Huhn. Sie könnten die Ländereien aufteilen, vielleicht in Parzellen von 50 Acres, und sie mit der Auflage an Pächter vergeben, diese zu bewirtschaften. Die bestehenden Kokospalmen und Kakaobäume werden ansonsten nur vom Urwald verschlungen und die Früchte verkommen. Auf diese Weise hätten die Menschen Arbeit sowie ein kleines Einkommen und die aufgegebenen Plantagen würden nicht verwildern. Die Verwaltung könnte die ersten fünf Jahre auf ihre Pacht verzichten, um Interessenten zu motivieren.« Riddel schüttelte nachdenklich den Kopf. »Diese Insel bietet so viele Möglichkeiten, doch am Ende wird sich der Gouverneur mit denselben Problemen wie in Auckland und Wellington herumschlagen müssen.«
Helene senkte bekümmert den Blick. »Ich frage mich manchmal, was noch alles auf uns zukommen wird.«
»Keine Sorge, sollte es hart auf hart kommen, leben wir einzig von dem, was wir auf der Plantage anbauen. Außerdem haben Sie gute Kontakte zu den beiden Chinesen, die einst für Sie gearbeitet haben. Ich hätte nie gedacht, dass das einmal ein Vorteil wäre, doch Po Ching wird dafür sorgen, dass zumindest der Teil der Bevölkerung nicht verhungert, der seine Hautfarbe hat. Ich weiß nicht, wie er es schafft, aber die Schiffe, die aus China ankommen, sind stets gut gefüllt. Zur Not werden wir eine Zeitlang Reis statt Brot essen.«
»Wir werden Po Ching dennoch sagen müssen, dass wir nicht länger sieben chinesische Arbeiter bezahlen können. Drei sind alles, was unser Budget hergibt.«
Riddel blickte Helene an. »Zuerst sollten Sie Ihrem Sohn sagen, dass seine monatlichen Bezüge gestrichen werden.« Er hob die Hände, als sie protestieren wollte. »Er arbeitet hier nicht mehr und ich werde mich ganz bestimmt nicht für den Polizeisergeant von Apia bucklig schuften, der mit seiner Frau im Hotel wohnt, bis er eine standesgemäße Unterkunft gefunden hat. Jeder muss in diesen Zeiten den Gürtel enger schnallen.«
»Riddel!« Helene richtete den Blick auf ihre im Schoss verschränkten Hände. »Tamalele ist sein Erbe. Ich kann ihn nicht einfach ausschließen.«
»Die Plantage wird ihrer Familie von den Reparation Estates verpachtet, sie ist niemandes Erbe! Geben Sie Ihrem Sohn Einblick in die Bücher. Tamalele hält sich gerade so über Wasser, ebenso wie jede andere Plantage auf der Insel.«
»Sie kennen Hans.« Helene versteifte sich. »Er wird das nicht einsehen.«
»Das sollte er aber.« Riddel schnaubte empört. »Ich habe es satt, dass er sich aufführt wie ein Tyrann! Monatelang hat er uns seine Polizeifreunde und die Soldaten auf den Hals gehetzt, um seine Macht zu demonstrieren, doch das ist nun vorbei. Die Soldaten sind fort und der Mau-Aufstand wurde offiziell für beendet erklärt. Hans hat keinen Grund, Sie weiter zu schikanieren, und es ist unrecht, dass er seine Familie ohne Skrupel ausbeutet. Wo kein Geld ist, kann auch keins mehr ausgezahlt werden.« Riddel bemühte sich, die Stimme zu senken, um Helene nicht weiter zuzusetzen. »Sie mögen nur noch einen Sohn haben, Ma’am, aber sie haben zwei mutige Töchter. Vergessen Sie das nie.«
Helene sah auf, ihre Augen schimmerten feucht. »Das habe ich, nicht wahr, Riddel? Manchmal wünschte ich, ich wäre ein kleines bisschen mehr wie sie.«
»Das sind Sie, Ma’am.« Nun griff er doch nach ihrer Hand und Helene holte hörbar Luft.
»Danke.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Dafür, dass Sie bei uns sind. Und bei uns bleiben.«
»Darauf können Sie sich verlassen.« Er genoss die Berührung, selbst wenn sie kurz war, denn Helene entzog ihm eilig ihre Finger und er umfasste die Zügel, als würde ihm ihre Zurückweisung nicht auffallen. Als er Neuseeland den Rücken gekehrt hatte, hatte er geglaubt, nie wieder Gefühle für einen Menschen zulassen zu können, doch Helene hatte ihn seine Zweifel über Bord werfen lassen, auch wenn das gar nicht ihre Absicht gewesen war. Riddels Blick schweifte von Helene zu der Plantage, welche allmählich in Sicht kam. Das Haus mit seinen merkwürdigen Ecken und Kanten blinzelte durch das Buschwerk und vermittelte ihm nicht zum ersten Mal ein Gefühl von Heimat. Er hatte sich noch nie irgendwo zuhause gefühlt und nun war es ausgerechnet hier. An der Seite einer Frau, die in ihm vermutlich nie etwas anderes sehen würde als ihren Vorarbeiter.
Fritz, Emilies Hund, rannte auf die Kutsche zu, als sie auf den Hof fuhren. Kaum hielten sie an, trat Martha auf die Veranda. Ihre Kleidung und ihre Wangen waren schmutzig und sie hatte ein Tuch um ihre Haare geschlungen. »Die Schwarzschotenkrankheit breitet sich weiter aus«, rief sie ihnen zu und Riddel half Helene dabei, vom Kutschbock zu steigen. »Emilie und ich haben im hintersten Quadranten verfaulte Schoten gefunden.«
»Verdammt!« Riddel zog den Kopf ein, weil er befürchtete, Helene würde ihn augenblicklich rügen, doch sie runzelte besorgt die Stirn.
»Bedeutet das, dass wir dieses Jahr noch weniger Kakao ernten werden?«
»Genau das bedeutet es.« Riddel spürte Wut in sich hochkochen, weil das Schicksal ihnen so grausam mitspielte. Als wäre es nicht genug, dass sich die Schatten der Weltwirtschaftskrise allmählich über Neuseeland und die Südsee legten, sorgte nun auch noch diese Krankheit für weitere Verluste. »Wir müssen die befallenen Früchte einsammeln und verbrennen«, sagte er. »Wenn sich die schwarzen Schoten großflächig ausbreiten, müssen wir die Bäume fällen.«
»Und dann?« Helenes verzweifelter Blick sorgte dafür, dass er sich beruhigte.
»Dann gehen wir auf Raubzug.« Er zwinkerte ihr zu. »Wir fahren auf die verlassenen Plantagen und graben die jungen Kautschuk-, Bananen- und Kaffeepflanzen aus. Es ist mir egal, was auf unseren Quadranten wächst, Hauptsache es bringt Einnahmen.«
»Sie denken daran, die neuseeländische Verwaltung zu bestehlen?« Helene blähte ihre Wangen auf.
»Tu nicht so empört!« Martha kam die Stufen herunter und lächelte Riddel an. »Das ist eine glänzende Idee! Es ist eine Schande, dass all diese Pflanzen unter dem Unkraut ersticken. Die Verwaltung hätte längst selbst darauf kommen können, die Bestände der aufgegebenen Plantagen an andere Pflanzer zu vergeben.«
»Die Verwaltung war noch nie bekannt dafür, besonders fortschrittlich zu denken.« Riddel machte sich daran, die Pferde abzuschirren und beobachtete, wie Gertrud nach draußen kam. Sie wirkte verschlossen, wie so oft in letzter Zeit, und er fragte sich, ob es an dem lag, was sie ihm einst anvertraut hatte. An dem Tag, an dem Matagis Leiche aus dem Fluss gezogen worden war, hatte er Gertrud völlig verstört in der Darre vorgefunden, wo sie ihm die tragische Geschichte der jungen Frau erzählt hatte. Unter Tränen hatte sie von Harveys Antrag und der Bedingung, die daran geknüpft gewesen war, berichtet und hatte einen Verdacht geäußert, der nicht nur Franklin Smith, sondern auch Hans schwer belastete. Es kam nie heraus, warum Matagi ihr Neugeborenes in Vaimoso zurückgelassen hatte, wohin sie an ihrem Todestag gegangen war und mit wem sie sich getroffen hatte. Der Mord wurde nie aufgeklärt und wanderte nach dem offiziellen Ende des Mau-Aufstands zu den Akten. Eine Tatsache, mit der sich weder Gertrud noch Emilie oder Martha hatten abfinden können, doch Helene duldete nicht, dass sie die Spekulationen unter ihrem Dach erörterten. Riddel vermutete, dass sie nicht hören wollte, was ihre Töchter über Hans dachten. Helene war recht gut darin, Dinge zu verdrängen, die ihr unangenehm waren, so viel hatte er schon herausgefunden.
»Ich werde in die Plantage reiten und mich vergewissern, dass nicht noch weitere Kakaopflanzen von der Schwarzschotenkrankheit befallen sind«, sagte er und hob seinen Hut zum Abschied.
»Seien Sie pünktlich zum Abendessen zurück.« Helene sah zu ihm herüber und Riddel erwiderte ihren Blick länger, als er es hätte tun müssen. Dann nahm er eins der Pferde am Zügel und führte es auf die Weide, wo er ihm Kummet und Zaumzeug abnahm. Auf dem Weg in den Stall bemerkte er Paul, der mit hinter dem Kopf verschränkten Armen im Heu lag. Neben ihm stand ein Eimer Milch.
»Was ist los?«, erkundigte sich Riddel. »Ist dir langweilig? Hier gibt es genug Arbeit für dich.«
»Ich habe die Kühe gemolken.« Paul wirkte missmutig. »Olaf Nelson hat angewiesen, dass sämtliche Rennpferde verkauft werden.«
»Ich nehme an, um sein Geschäft steht es nicht besonders gut«, bemerkte Riddel und verstaute das Kutschengeschirr.
»Es wird gemunkelt, die neuseeländische Regierung hätte Beweise, dass er den Mau-Aufstand finanziert hat. Man will ihn deshalb vor Gericht bringen.«
»Er ist ohnehin schon im Exil. Wem soll das nutzen?«
»All jenen, die auf Rache aus sind.«
Riddel musterte den Jungen, der mit neunzehn Jahren längst das Mannesalter erreicht hatte, auch wenn man ihm das nicht ansah. Seine braunen Augen wirkten verträumt und seine dunkelblonden Haare sahen stets aus, als wäre er gerade erst aus dem Bett gekrochen. Alles, woran er denken konnte, waren Pferde. Und die Wetten, die er auf sie abschloss. Riddel blieb er ein Rätsel, auch wenn er nicht sagen konnte, dass ihm der Junge unsympathisch war. Ganz im Gegenteil. Jeder mochte Paul. Er hatte eine einnehmende Art, ein offenes Lachen und obwohl er nie freiwillig auf der Plantage half, tat er es doch, sobald man ihn darum bat. Im Gegensatz zu seinem Bruder verursachte er keinen Ärger, hielt sich im Hintergrund und war höflich gegenüber seiner Mutter, seiner Tante und seinen Cousinen. Trotzdem war er auf eine gewisse Art nicht greifbar und Riddel hatte keine Ahnung, wie Pauls Leben jenseits der Plantage aussah. Er vermutete, dass der Junge viel Zeit mit Aumoe verbrachte, der sich noch immer versteckt hielt, und dass er sich auf der Rennbahn von Apia und auf dem Anwesen von Olaf Nelson herumtrieb. Obwohl Paul kein stiller Mensch war, so war er doch einer, der nie über sich selbst sprach.
»Ich muss einige der Kakaopflanzen kontrollieren«, sagte Riddel. »Begleitest du mich?«
Paul nickte. »Emilie hat mir gesagt, wo die erkrankten Pflanzen stehen. Ich zeige sie dir.« Er erhob sich und nahm den Milcheimer an sich. »Wie geht es Hans?«
»Möchtest du das wirklich wissen?«
»Von mir aus hätte er in Auckland bleiben können.« Paul zog eine Grimasse. »Ich fürchte den Tag, an dem er und Aumoe sich begegnen.«
Riddel krauste die Stirn. »Besteht denn die Möglichkeit?«
»Nun, Aumoe wird sich nicht für immer verstecken. Dasselbe gilt für alle anderen Männer des Mau-Aufstands. Sie schämen sich, dass ihre Frauen nun das tun, was sie eigentlich tun müssten.«
»Wir mögen einen neuen Gouverneur haben, aber wir haben noch immer denselben Polizeiinspektor. Braisby wird jeden verhaften, der seine Nase aus dem Unterholz streckt.«
Paul schüttelte empört den Kopf. »Die Samoaner dürfen ihre Dörfer nicht mehr verlassen! Angeblich, damit die Verwaltung eine Volkszählung durchführen kann, aber das ist Unsinn. Mir kommt es vor, als hätten sie es nur darauf angelegt, den Mau-Aufstand vor anderthalb Jahren eskalieren zu lassen, um endlich all jene Maßnahmen durchzusetzen, die sie schon immer haben wollten, um die Samoaner zu kontrollieren.«
»Du bist nicht der Einzige mit dieser Meinung.«
»Siehst du es anders, Riddel? Du bist Neuseeländer.«
»Ich bin schon zu lange fort aus diesem Land, um mich als Neuseeländer zu sehen.«
»Du weichst mir aus.«
Riddel zog einen Mundwinkel nach oben. »Ich bin der Vorarbeiter dieser Plantage und als solcher tue ich alles, um deine Familie zufriedenzustellen.«
»Ist es das, was dich ebenfalls zufriedenstellt?« Pauls bohrender Blick brachte Riddel kurzfristig aus der Fassung, denn seine Frage war ihm nicht fremd. Vielmehr kam sie ihm selbst immer öfter in den Sinn, wenn er abends vor seinem kleinen Verwalterhaus saß und an die Frau mit den grauen Augen dachte, die so nah und gleichzeitig so fern war. Wie lange wollte er sich noch an den winzigen Funken Hoffnung klammern, den sie mit jedem ihrer Blicke in ihm auslöste?
Paul kniff die Augen zusammen, als wenn er ahnte, was in Riddel vor sich ging, doch anstatt weiter auf eine Antwort zu warten, wandte er sich zum Gehen. »Wir sollten losreiten, damit wir nicht zu spät zum Abendessen kommen. Tante Helene ist sehr gewissenhaft, was diese Mahlzeit des Tages betrifft.« Auf Pauls Gesicht erschien ein geheimnisvolles Lächeln und er verschwand aus dem Stall.
Riddel kratzte sich den Bart. Dieser Junge war noch schwerer zu durchschauen, als er gedacht hatte.
* * *
»Wo ist Gertrud?« Helene stellte den Suppentopf auf den Tisch, um dem sich bereits alle versammelt hatten, und Riddel bemerkte, wie sich Martha und Emilie einen Blick zuwarfen. Draußen hatte es zu regnen begonnen und die Tropfen prasselten auf das Wellblechdach, wo sie ein metallisches Geräusch erzeugten. Donner grollte in der Ferne.
»Sie kommt sicher gleich, Mama.« Emilie streichelte den Hund, der ihr zu Füßen Platz genommen hatte.
»Sie ist ausgeritten«, fügte Martha hinzu und nahm die Suppenkelle an sich. Zuerst füllte sie den Teller ihres Sohnes, den von Emilie und den von Riddel, bevor sie Helene und sich selbst bediente.
»Sie ist allein ausgeritten?« Helenes Stimme vibrierte vor Besorgnis. »Bei dem Wetter?«
»Ihr geht es gewiss gut, Ma’am«, brummte Riddel und fragte sich, welches Geheimnis Martha und Emilie jetzt wieder miteinander hatten. Er mochte es nicht, dass sie Helene bewusst ausschlossen, auch wenn er wusste, dass sie sich schnell aufregte.
»Wie steht es um die Kakaopflanzen?« Helene wandte sich ihm zu, als wäre sie erleichtert über seine beruhigenden Worte und er bereute es, ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen zu haben, denn im Gegensatz zu Martha und Emilie war er stets ehrlich zu ihr.
»Wir werden den Großteil der Bäume verlieren«, sagte er und für einen kurzen Moment hörte man einzig das Klappern der Suppenlöffel.
»So schlimm ist es also.« Helenes Schultern senkten sich.
»Wir haben genug Kokospalmen.« Seine Stimme übertönte kaum den zunehmenden Lärm, den der Regen auf dem Dach verursachte. »Dieses Jahr werden wir zurechtkommen.« Niemand fragte nach, was im nächsten Jahr sein würde und darüber war Riddel froh. Das, was die Plantage seit der Rückkehr der Familie eingefahren hatte, würde sie noch einige Monate tragen. Was anschließend war, vermochte er nicht zu sagen.
»Da ist Gertrud!« Helene sprang auf und verließ den Raum, um ihre Tochter in Empfang zu nehmen. Riddel drehte sich in seinem Stuhl um. Er sah, wie die junge Frau auf den Hof lief. Sie führte das Pferd am Zügel und ihre Kleidung war völlig durchnässt.
»Was hat sie da bei sich? Ein Tier?« Paul reckte den Hals und Riddel presste die Lippen aufeinander. Gertrud hatte sich etwas um den Oberkörper geschnürt und erst bei genauerem Hinsehen erkannte er, dass es sich um ein Tragetuch handelte.
Er wandte den Kopf und fixierte Martha und Emilie. »Was zum Teufel ist hier los?«, zischte er.
»Nichts.« Emilie wirkte unschuldig, ganz anders als ihre Tante Martha.
»Ich bin der Meinung, es gab für heute genug Hiobsbotschaften.« Er war gereizt. »Wenn ihr etwas ausgeheckt habt, das …« Gedämpftes Weinen unterbrach ihn und er katapultierte sich in die Höhe. Durch das Fenster erkannte er Helene, die ein Bündel von ihrer Tochter in Empfang nahm. In ihrem Gesicht spiegelten sich tausend Gefühlsregungen wieder und Riddel spürte eine qualvolle Enge in seiner Brust, weil er nicht wusste, was sie bewegte.
Gertrud umarmte ihre Mutter und Schlieren am Fenster verwischten ihre Umrisse. Die beiden Frauen eilten ins Haus und Riddel umklammerte seine Serviette. Gertrud betrat den Salon als Erste, Wasser tropfte aus ihren Haaren und sie blieb stehen. Ihre Augen, die in den letzten Monaten immer so traurig gewirkt hatten, sprühten vor Glück. »Es tut mir leid, dass ich zu spät bin«, hauchte sie und machte Helene Platz, die ihr gefolgt war. Diese umklammerte das Bündel in ihrem Arm und trocknete es mit einem Handtuch ab. Emilie und Martha sprangen auf und eilten zu ihr, während Riddel und Paul wie vom Donner gerührt waren. Das, was Helene auf dem Arm hielt, war ein Säugling, dessen große Augen neugierig verfolgten, was um ihn herum geschah.
»Das ist Sefina.« Gertruds Stimme bebte. »Matagis Tochter.«
Riddel zog die Augenbrauen zusammen. »Was tut sie hier?«, knurrte er und überging das entzückte Glucksen der Frauen.
»Sie kann nicht in Vaimoso bleiben. Die Amme, die für sie gesorgt hat, muss sich um ein anderes Kind kümmern.« Gertrud lächelte entschuldigend, doch Riddel ging nicht darauf ein.
»Was ist mit ihren Verwandten? Sie muss zu Matagis Eltern gebracht werden.«
»Matagis Mutter lebt auf Savaii, sie wusste nicht, dass ihre Tochter schwanger war und wenn ich Matagi richtig verstanden habe, wäre sie auch nicht damit einverstanden gewesen.«
»Na und? Ihre Tochter ist tot. Gewiss wird sie ihre Enkelin nicht verstoßen!« Riddel warf die Serviette auf den Tisch. Manchmal war es ermüdend mit vier Frauen unter einem Dach zu leben, die einzig aus Emotionen bestanden.
»Seien sie nicht so hart, Riddel.« Helene trat nach vorne und ihr aufgekratzter Gemütszustand traf ihn. Ihre Wangen waren rosig und immer wieder blickte sie voller Zärtlichkeit auf das Kind in ihrem Arm. Riddel presste die Lippen aufeinander, während er sich zwang, sie und den Säugling anzusehen.
»Die Polizei weiß nichts von Matagis Kind. Die Frauen von Vaimoso haben Sefina vor der Verwaltung versteckt«, erklärte Gertrud. »Hätten sie sie gefunden …« Sie stockte und Riddel wusste, worauf sie anspielte. Sollte dieses Kind tatsächlich die uneheliche Tochter von Franklin Smith sein, lag ihr Schicksal im Ungewissen. Matagis Tod war nur die Spitze des Eisbergs, den diese Verwaltung zu vertuschen versuchte. Die Einflussreichen von Apia schützten sich gegenseitig. Es war fraglich, ob man Sefina ihrer Großmutter auf Savaii zurückgegeben hätte. Dennoch … Riddel schnaubte.
»Was ist mit Hans? Sollte er von diesem Kind erfahren, wird das nicht ohne Folgen bleiben.« Er stützte die Hände in die Hüften und registrierte, dass ihm kaum jemand Beachtung schenkte. Alle scharrten sich um das Baby.
»Das wird er nicht.« Schließlich wandte sich Martha ihm zu. »Hans lebt nicht länger auf Tamalele.«
»Aber nichts hindert ihn daran, uns zu besuchen. Wollen Sie dieses Kind in die Darre sperren, damit er es niemals zu Gesicht bekommt?«
»Es ist ein Waisenkind.« Helene wiegte das kleine Mädchen in ihren Armen. »Niemand kann uns verbieten, ein Waisenkind aufzunehmen.«
»Oh, doch!« Riddel war aufgebracht. »Die Kirchen nehmen sich der Waisenkinder an.«
»Und dann gibt man sie in Pflegefamilien.« Helene küsste Sefina auf die Stirn. »Ein Teil unserer Kirchenkollekte geht an solche Familien.«
»Verflucht!«, brach es aus Riddel heraus, was ihm mit einem Mal die Aufmerksamkeit aller einbrachte. »Dieses Kind ist nicht unsere Angelegenheit!«
»Wie kannst du so herzlos sein, Riddel?«, fragte Emilie vorwurfsvoll und Fritz fing an zu bellen, als wollte er ihre Worte unterstreichen. »Seit dem Schwarzen Samstag sitzen Hunderte Samoaner im Gefängnis oder verstecken sich in den Bergen. Die Frauen schaffen es nicht allein, ihre Kinder ohne Hilfe der Männer durchzubringen. Die Waisenheime der Kirchen platzen aus allen Nähten. Das weiß die Verwaltung ebenso wie Logan, Braisby und der Rest. Niemand wird dieses Kind mit Franklin Smith in Verbindung bringen!«
»Natürlich nicht.« Riddel griff nach seinem Hut und setzte ihn auf. »Ebenso wenig wie man dich, deine Tante oder Aumoe mit den Mau in Verbindung bringt.« Er ging an den Frauen vorbei, bevor er im Türrahmen noch einmal stehenblieb. »Nächstenliebe ist eine Sache, doch sich in die Angelegenheiten Fremder einzumischen, eine andere.« Schweigen verfolgte seinen Abgang, als er über den Flur schritt und in den Regen hinaustrat. Er führte Gertruds Wallach in den Stall, nahm ihm Sattel und Zaumzeug ab und trocknete sein Fell mit Stroh. Anschließend stellte er sich unter das überhängende Dach und starrte zum Haus hinüber. Sein Magen knurrte, doch er würde den Teufel tun und wieder zurückgehen.
* * *
»Sieh an, wenn das nicht Jack Riddel ist.« Mac Logan schlenderte an die Bar und lehnte sich gegen den Tresen. »Was führt dich denn in die Stadt?« Als er keine Antwort erhielt, zupfte er sein Jackett zurecht und rümpfte die Nase. »Ich wusste nicht, dass du wieder trinkst.«
»Das tue ich auch nicht.« Riddel schob das leere Glas von sich. Der Geruch von scharfem Alkohol lag in der Luft und er schüttelte den Kopf, als der Barkeeper ihn auffordernd ansah. Obwohl es nur ein Glas Gin gewesen war, das er hinuntergekippt hatte wie pures Wasser, spürte er schon wieder jenes Sehnen, das ihn völlig verzehrte. Bis vor wenigen Minuten war dieses Gefühl nur eine ferne Erinnerung gewesen, ebenso wie seine Vergangenheit in Neuseeland, aber mit Logans Erscheinen war beides wieder präsent wie eh und je.
»Wie läuft es auf der Plantage?« Logan nahm unaufgefordert Platz, zeigte seine Punkte-Karte vor und ließ sich ebenfalls ein Glas Gin einschenken. Der Barkeeper des Central Hotels hielt stets eine Flasche hinter dem Tresen bereit, denn obwohl die Prohibition weiterhin auf Westsamoa galt, gab es inzwischen ein System, bei dem der Amtsarzt jeden Monat Punkte für den Genuss von ›medizinischem Alkohol‹ an die Europäer verteilte. Diese Punkte variierten je nach gesellschaftlicher Stellung und Rang und wurden nicht an Mischlinge oder Samoaner vergeben. Auf diese Art glaubte die neuseeländische Verwaltung, sicherzustellen, dass Alkohol nur aus gesundheitlichen Gründen konsumiert wurde.
»Was interessiert dich das?« Riddel bereute es, in die Stadt gefahren zu sein, und kramte Geldmünzen aus seiner Hosentasche.
»Mich interessiert immer, wie es den Leuten aus meiner Heimatstadt Invercargill geht.« Mac Logan strich die Haare an seinen Schläfen glatt. »Denkst du manchmal noch an die Tinkers?«
»Nein.« Riddel knallte das Geld auf den Tresen, das der Barkeeper rasch einstrich.
»Ich wette, sie denken jeden Tag an dich.« Logan senkte seine Stimme. »Mein Vater erzählte, ihre Narben sieht man heute noch.«
Riddel stand auf und wandte sich zum Gehen. Logans Worte setzten ihm schlimmer zu als der Alkohol.
»Willst du tatsächlich weiterhin für diese eingebildeten deutschen Weiber arbeiten, die sich öffentlich zur Mau-Bewegung bekennen?« Logans Stimme wurde schneidend. »Oder ist es genau das? Genießt du etwa ihr liederliches Verhalten?«
Riddel blieb stehen und atmete bewusst aus, seine Hände ballten sich zu Fäusten.
Logan ließ nicht locker: »Ich wette, dieses blonde Flittchen hat es dir angetan, nicht wahr? Sie war einem Samoaner zu Willen und bestimmt genießt du ihre Fähigkeiten.«
»Halt dein Maul!« Der Alkohol brachte sein Blut in Wallung. Riddel spürte, wie es durch seine Adern rauschte.
»Wer wird denn gleich aus der Haut fahren, wenn er die Wahrheit hört?« Logan entließ ein süffisantes Lachen. »Nimmst du dir auch die anderen Weiber vor? Diese Gertrud hat bestimmt straffere Schenkel als ihre Tante.«
Riddel fuhr mit erhobener Faust herum und Logans Lachen erstarb. »Da ist er ja wieder, der gute Jack«, sagte er gefährlich leise. »Na los, zeig mir, ob das alte Feuer noch in dir lodert.« Er entblößte seine Zähne. »Ups, hätte ich das nicht sagen sollen? Ich kann die Vergangenheit einfach nicht vergessen.« Nach einer bedeutungsvollen Pause fügte er hinzu: »Ich musste an dich denken, als das Büro für Eingeborenenangelegenheiten im März in Flammen aufging. Ebenso wie das Feuer im Postamt von Apia war es Brandstiftung. Wusstest du das?«
»Ich werde jetzt gehen.« Riddel versuchte, sich selbst zu überzeugen und der Raserei Herr zu werden, die sich in seinem Inneren ausbreitete.
»Geh nur.« Logan deutete mit dem Kinn in Richtung Tür. »Doch vergiss nicht, wer du bist. Du hast dich auf unsere Polizisten gestürzt, als wir das Haus der Plantage durchsuchen wollten. Das war mutig, aber auch sehr dumm, denn du hast die Gunst dieser Regierung am nötigsten von uns allen.«
»Ich habe meine Strafe abgesessen«, presste Riddel hervor. »Es gibt nichts, womit du mir drohen kannst, Logan.«
»Ich will dir nicht drohen, aber ich will, dass du zur Besinnung kommst. Du bist nicht besonders aufmerksam meinem besten Hun gegenüber.«
»Das ist es also.« Riddel verengte die Augen. »Es geht um Hans.«
»Nun ja, ich überlege, ihm deine Geschichte zu erzählen. Das wäre einem Freund gegenüber nur fair, denkst du nicht?«
Riddel knirschte mit den Zähnen. »Warum jetzt? Das hättest du schon lange tun können.«
»Aber da warst du für diese Plantage noch nicht so bedeutsam. Jetzt bist du es und ich will, dass diese Weiber Westsamoa verlassen!« Logan hieb seine Faust auf den Tresen. »Sie hätten überhaupt nie zurückkehren dürfen!«
»Was interessieren dich vier Frauen, die eine Plantage betreiben, während du den Sohn hofierst, als wäre er der Deutsche Kaiser persönlich?«
»Hans hat sich entschieden, auf welcher Seite er stehen will, ebenso wie alle anderen zurückgekehrten Deutschen dies getan haben. Aber diese Frauen denken, sie könnten auf unserer Insel tun und lassen, was sie wollen, und du unterstützt sie auch noch dabei. Das werde ich nicht länger dulden!« Logan spuckte vor Zorn und Riddel schüttelte kaum merklich den Kopf.
»Du bist nur der Zollbeamte, Mac, was willst du ausrichten? Es gelang vor einigen Jahren weder Richter Woodward, die Familie auszuweisen, noch haben die Polizisten etwas im Haus gefunden, was die Frauen mit der Mau-Bewegung in Verbindung gebracht hätte. Besitzt du etwa so ein geringes Selbstwertgefühl, dass du Angst vor ihnen hast?«
»Ich habe keine Angst!« Logans Gesicht wurde rot vor Empörung. »Ich will Gerechtigkeit!«
»Du kennst doch den Spruch, Mac. Die Gerechtigkeit wächst nicht auf einem mit Dummheit gedüngten Boden.« Riddel bekam sich allmählich wieder unter Kontrolle, aber Logan ließ ihn nicht vom Haken.
»Du hast die Wahl, Jack: Entweder du verlässt die Plantage freiwillig oder ich erzähle Hans alles, was ich weiß.« Ein bösartiges Grinsen erschien auf Logans Gesicht. »Ich bin mir sicher, er wird es sofort seiner Familie berichten.«
Riddel ließ seine Fingerknochen knacken. Es war lange her, dass er jemanden umbringen wollte, aber in diesem Moment wusste er wieder, wie es sich anfühlte.
»Ohne dich werden diese sittenlosen Weiber ihre Plantage verlieren und sie werden gezwungen sein zu gehen.« Logan rieb sich die Hände. »An diesem Tag werde ich im Hafen stehen und triumphieren.«
»Du bist erbärmlich, Mac.« Riddel verzog den Mund. »Diese Frauen brauchen mich nicht länger, um die Plantage zu bewirtschaften. Sie besitzen mehr Schneid, als du je haben wirst.«
Logan beugte sich vor. »Überlege dir gut, was du tust, Jack. Die Verwaltung hat dich sechs Jahre lang in Ruhe gelassen, doch die Bedrohung durch die Mau hat alles verändert. Unsere Feinde müssen eliminiert werden und du kannst es dir mit deiner Vorstrafe nicht leisten, dich gegen uns zu stellen. Irgendwo im Hinterland läuft der Mörder von Constable Abrahams herum und diese Frauen, für die du arbeitest, wissen ganz genau, wo er ist.«
Riddel zuckte die Schultern. »Die Tatsache, dass du hier sitzt und versuchst, mich mit meiner Vergangenheit zu erpressen, zeigt mir, wie verzweifelt die Verwaltung ist.«
»Ich warne dich, Jack!«
»Das habe ich zur Kenntnis genommen.« Riddel überlegte kurz, was er tun sollte. Die Vernunft riet ihm zu gehen, aber die Wut in seinem Bauch ließ seine Faust vorschnellen. Voller Wucht traf er Logans Nase. Der Kopf des Zollbeamten flog nach hinten und er verdrehte überrascht die Augen, bevor er laut aufschrie. Blut strömte über die Unterseite seines Gesichts und benetzte das blütenweiße Hemd.
»Ich wünsche einen schönen Abend.« Riddel nickte dem überraschten Barkeeper zu und verließ das Hotel. Draußen angekommen blieb er stehen. Er spürte Genugtuung, selbst wenn er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Braisby ihn verhaften würde. Vermutlich hatte Logan den Barkeeper schon angewiesen, auf der Polizeistation anzurufen. Seine Tat würde in jeder Hinsicht Konsequenzen haben.
Riddel holte tief Luft, schob seine Hände in die Hosentaschen und schlenderte die Hauptstraße entlang. Es war ein lauer Abend und die untergehende Sonne ließ die Federwolken, die sich wie zarte Fäden über den Himmel zogen, in Pastelltönen schimmern. Das Tivoli Theatre , das Filmtheater von Apia, war gerade dabei, seine Pforten zu öffnen. Die Vorstellungen, die immer dienstags, donnerstags und samstags stattfanden, waren mittlerweile nicht mehr so gut besucht wie kurz nach der Eröffnung, doch Riddel beobachtete, wie sich eine Schlange an der Verkaufskasse bildete. Das Plakat am Eingang verkündete den Film des heutigen Abends: The Ship From Shanghai . Ein typischer Streifen für Westsamoa, wo die Bewohner amerikanische Western, historische und religiöse Dramen oder flotte Actionfilme bevorzugten, in denen es ordentlich zur Sache ging. Liebesdramen oder leichte Komödien wurden kaum gezeigt und Kussszenen gerne ausgebuht. Daher wurden die Filme, welche von MGM aus Amerika kamen, von Beamten in Apia zensiert. Die Verwaltung ließ Mordszenen, unmoralisches Verhalten und Filme, in denen die Polizei oder der Staat lächerlich gemacht wurden, verbieten.
Riddel bemerkte Hans und seine Frau Evelyn, die sich in die Schlange an der Kasse einreihten. Beide waren elegant gekleidet, schienen sich aber kaum etwas zu sagen zu haben. Schweigend standen sie nebeneinander und warteten, bis sie an der Reihe waren. Gerade, als Hans die Karten bezahlte, ertönte der schrille Klang der Polizeipfeifen, auf die Riddel nur gewartet hatte. Polizeiinspektor Braisby und zwei seiner Constables rannten mit gezückten Schlagstöcken über die Hauptstraße. Hans drehte den Kopf und sein Blick verhakte sich mit dem von Riddel. Für Sekunden starrten sie einander an, bevor Hans der Unruhe auf den Grund zu gehen versuchte. Kurz darauf registrierte er, auf wen seine Kollegen da zuliefen. Riddel, der die Polizei bewusst ignorierte, spürte einen harten Schlag an der Schulter, ein weiterer folgte und traf ihn im Nacken. Stöhnend sank Riddel auf die Knie, ohne Hans aus den Augen zu lassen.
»Du dummes Schwein«, hörte er die Stimme des Polizeiinspektors an seinem Ohr. »Du hast dich mit den Falschen angelegt.«
»Du kannst mich mal, Braisby!«
Der Schlagstock traf ihn erneut, dieses Mal so hart, dass Riddel schwarz vor Augen wurde. Das Letzte, was er sah, bevor man ihn abführte, war das Lächeln auf Hans’ Gesicht.
* * *
»Du meine Güte, Riddel!« Die Worte drangen dumpf zu ihm durch und er blinzelte gegen die Sonne an, die durch ein winziges mit Gitterstäben durchzogenes Fenster in seine Zelle schien.
»Ma’am«, murmelte er. Sein Kopf dröhnte und sein Mund fühlte sich ausgedörrt an. Vor der Pritsche, auf der er lag, kniete Martha mit besorgtem Gesichtsausdruck.
»Was ist geschehen?« Sie blickte sich um und warf dem Wachmann, der hinter ihr stand, einen aufgebrachten Blick zu.
»Eine kleine Auseinandersetzung.« Riddel rieb sich die Stirn und erfühlte getrocknetes Blut. Braisby und seine Constables hatten ihn ordentlich in die Mangel genommen. Er setzte sich auf und ignorierte das dumpfe Pochen hinter seinen Schläfen.
»Es heißt, du hast Mac Logan geschlagen.« Martha senkte die Stimme. »Das ist ein Angriff auf einen Verwaltungsbeamten. Dafür kommst du ins Gefängnis.«
»Da bin ich bereits.« Er starrte den Wachmann an, der mit ausdruckslosem Gesicht und gezücktem Schlagstock hinter Martha verharrte.
»Riddel!« Sie schüttelte den Kopf. »Was hast du dir dabei gedacht?« Beinahe tonlos fügte sie hinzu: »Nicht, dass ich es nicht verstehe.«
Er lächelte schief. »Männer prügeln sich eben.«
Martha stand auf. »Bringen Sie dem Gefangenen Wasser!«, forderte sie und der Wachmann blinzelte erstaunt.
»Na, los!« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Oder wollen Sie, dass sein Anwalt Ihnen Verfehlungen nachweist?«
Der Angesprochene zeigte sich beeindruckt von ihrem Tonfall, verließ die Zelle und sperrte hinter sich ab.
»Ein Anwalt?« Riddel runzelte die Stirn. »Dafür habe ich kein Geld.«
»Ich kenne Thomas Slipper, den Anwalt von Rosabel Nelson. Er wird dir helfen.«
Riddel schüttelte den Kopf. »Diese Sache geht nur Mac Logan und mich etwas an.«
»Das denke ich nicht! Du bist unser Vorarbeiter und wir brauchen dich auf Tamalele. Kannst du dir auch nur annähernd vorstellen, wie es Helene gehen wird, wenn sie davon erfährt?«
»Sie weiß es noch nicht?«
»Nein.« Martha rieb sich den Nacken. Es war stickig in der winzigen Zelle. »Wir dachten heute Morgen, du seist in die Stadt gefahren, um Besorgungen zu machen. Ich war auf dem Weg nach Vaimoso, als ich davon hörte, und bin sofort hergeritten.« Sie musterte ihn. »Was ist los, Riddel? Hat es etwas mit Sefina zu tun?«
Er verneinte und schwieg, als der Wachmann mit einem Blecheimer zurückkam. Gierig schöpfte er das lauwarme Wasser mit der Suppenkelle heraus und trank in großen Schlucken.
»Sie haben fünf Minuten«, sagte der Wächter. »Kommen Sie mit dem Anwalt zurück, wenn Sie länger reden wollen.«
Riddel hörte Martha leise fluchen, als die Tür wieder hinter ihnen geschlossen wurde. »Du hast Glück«, sagte sie. »Als Samoaner würdest du in Vaimea mit zehn anderen in solch einer Zelle sitzen.« Ihr Blick verhärtete sich. »Du musst mir sagen, was Mac Logan von dir wollte!«
Riddel stützte die Ellbogen auf den Knien ab und bettete das Gesicht in seine Hände. »Es ist nicht von Bedeutung.«
»Das muss es sein!«, beharrte sie. »Ich weiß, du würdest alles tun, um meine Schwester zu schützen.«
Er hob den Kopf und blickte in ihre wissenden Augen. Martha hatte ihn früh durchschaut, viel früher als er sich selbst.
»Sie zeigt es nicht, aber du bist ihre Stütze. Du bist der einzige Mensch, der sie hier auf Samoa nicht verzweifeln lässt!«
»Das wird sich ändern.« Er dachte an das, womit Logan ihm gedroht hatte. Vermutlich wusste Hans bereits über alles Bescheid. »Sie wird ohne mich zurechtkommen müssen.«
»Riddel!« Martha berührte seine Schulter. »Ich beschwöre dich, du darfst sie nicht aufgeben! Helene zerbricht endgültig, wenn sie erneut einen Menschen verliert, den sie liebt. Sie mag es nicht aussprechen, aber ich kenne sie. Du bedeutest ihr unendlich viel.«
Er schluckte hart. All die Jahre hatte er sich gewünscht, das zu hören und nun, da der Funken Hoffnung zu einem Hauch von Gewissheit wurde, holte ihn seine Vergangenheit ein. »Es tut mir leid«, murmelte er heiser.
»Sag das nicht!« Martha ging neben ihm in die Hocke. »Ich habe so vieles falsch gemacht und trage meinen Teil zu Helenes Unglück bei. Einst heiratete ich ihre große Liebe und ignorierte all die Anzeichen, die es dafür gab. Ich war egoistisch, rettete mich selbst und ließ sie bei unserem Vater zurück. Ich werde nie wieder gutmachen können, was ich ihr angetan habe, aber ich werde nicht zulassen, dass sie erneut unglücklich wird!«
»Sie ist stark. Viel stärker als Sie denken, Ma’am. Sie wird diese Plantage gemeinsam mit Ihnen weiterführen.« Riddel drehte den Kopf zur Seite.
»Ich verstehe nicht …«, stammelte Martha. »Denkst du daran, fortzugehen?« Er nickte und es waren nicht nur die körperlichen Schmerzen, die ihn dabei quälten. »Hat es damit zu tun, dass du Neuseeland verlassen musstest? Ist es das?« Ihre Stimme wurde eindringlich. »Niemand wird dich deshalb in meiner Familie verurteilen. Ich habe selbst Dinge getan, wegen denen ich mir lange Zeit nicht in die Augen sehen konnte.«
Riddel hob die Hände. »Ich bin mir sicher, meine Verfehlungen waren schlimmer.«
»Aber du gehörst inzwischen zu uns!«
Er schwieg und ignorierte ihr flehendes Gesicht. Kurze Zeit später kam der Wachmann zurück und Martha erhob sich.
»Ich rede mit Thomas Slipper«, versprach sie und Riddel schwieg eisern. Es war ihm gleichgültig, was mit ihm geschah, denn spätestens wenn Hans der Familie von dem berichtete, was er getan hatte, würde niemand mehr etwas mit ihm zu tun haben wollen.
* * *
»Unterschreiben Sie hier.« Der Wachmann deutete auf ein Stück Papier und Riddel setzte seine krakelige Unterschrift darunter.
»Was hast du jetzt vor, Jack?« Braisbys Stimme übertönte das Surren des Deckenventilators. Er untermauerte seine Worte, indem er den Schlagstock gegen seine Stiefel klatschen ließ.
»Wer weiß?« Riddel ignorierte ihn, nahm seinen Hut entgegen und verließ das Tafaigata-Gefängnis, welches sich westlich von Apia im Hinterland befand und ausschließlich für Europäer gedacht war, während die samoanische Bevölkerung nach wie vor im Vaimea-Gefängnis auf Mulinuu einsaß. Seit Tafaigata vor einem Dreivierteljahr Tuvao abgelöst hatte, kam Braisby oft her, um die Gefangenen, welche unter der sengenden Sonne auf den Feldern schuften mussten, zu überwachen. In den drei Monaten, die Riddel wegen des Angriffs auf Mac Logan hatte absitzen müssen, war Braisby beinahe täglich dagewesen. Er spürte den Blick des Polizeiinspektors in seinem Rücken, als er das Tor passierte, welches die umzäunten Gefängnisbaracken von der Schotterstraße trennte, die in den Urwald geschlagen worden war, um Apia mit Taifagata zu verbinden. Entschlossen setzte er seinen Weg fort, bevor ihn der Dschungel verschluckte und er stehenblieb. Die ganze Zeit über war ihn niemand besuchen gekommen. Eine Tatsache, die seine schlimmsten Befürchtungen bestätigte, auch wenn er wusste, dass es nicht hilfreich gewesen war, den Anwalt fortzuschicken, den Martha ihm besorgt hatte. Am Ende war es jedoch die richtige Entscheidung gewesen. Er hatte sich zu lange an das angenehme Leben gewöhnt, das er auf der Plantage geführt hatte, und erst die Zeit im Gefängnis hatte ihm wieder verdeutlicht, wer er wirklich war. Er senkte den Kopf. Seine Kleidung fiel ihm locker um den Körper und sein Rücken spannte von den Narben, welche die Schläge mit dem Rohrstock dort hinterlassen hatten. Die Wärter waren nicht zimperlich, wenn einer der Gefangenen während der Arbeit vor Erschöpfung zusammenbrach. Riddel verdrängte die unangenehmen Erinnerungen und überlegte, was er jetzt tun sollte. Das wenige, das er besaß, befand sich noch auf Tamalele, dem Ort, den er am liebsten nie wieder betreten hätte. Und doch musste er es tun. Wenn er Westsamoa verlassen wollte, dann brauchte er Geld. Er zwang sich, weiterzugehen, und hielt auf Apia zu. Bevor er die Stadt erreichte, nahm er jedoch einen Umweg in Kauf, um nicht mitten hindurchlaufen zu müssen. Mac Logan wartete vermutlich nur darauf, ihn in die Mangel zu nehmen.
Riddel entschied sich für schmale Trampelpfade durch den Busch und musste einige Male innehalten, um sich zu orientieren. Nach anderthalb Stunden erreichte er endlich die Abzweigung nach Tamalele. Der Schweiß lief ihm den Rücken hinunter und er fragte sich, wie es Helene in der Zwischenzeit ergangen war. In den drei Monaten seiner Gefangenschaft hatte er ständig an sie gedacht. Er sah ihr Gesicht jeden Morgen vor sich, wenn er aufwachte, und sein letzter Gedanke, bevor er einschlief, galt ihr. Während der Stunden, die er auf dem Feld verbracht hatte, hatte er sich jedes Detail seiner Freundschaft mit ihr ins Gedächtnis gerufen. Er sah Helene vor sich, nachdem ihr Ehemann gestorben war und er sie nicht hatte trösten dürfen, fühlte ihre Tränen bei der Beerdigung des kleinen Ernst, als wären es seine eigenen. Er wachte über sie, lebte dafür, dass sie ihm einen Blick zuwarf, und verfluchte sie, weil sie den Anstand wahrte, den er kaum aufrechterhalten konnte. Er hatte Neuseeland verlassen, um sein altes Ich abzustreifen und nicht länger vom Hass und den Schuldgefühlen zerfressen zu werden. Doch nun war die Fassade, hinter der er sich versteckt hatte, zerbröckelt. Das letzte Mal, als er Helene gesehen hatte, war er einfach nur ihr Vorarbeiter gewesen. Dieses Mal würde sie ihn so sehen, wie er wirklich war. Jack Riddel, der Mörder.
Er straffte die Schultern und legte die letzten Meter bis zur Plantage mit erhobenem Kopf zurück. Es war kurz nach fünf am Nachmittag, vermutlich war Helene gerade dabei, das Abendessen vorzubereiten. Fritz erkannte ihn als erster. Das anfängliche Bellen ging rasch in freudiges Winseln über und Riddel bückte sich, um den Hund zu begrüßen. Als er aufsah, bemerkte er Helene, die auf die Veranda trat. Einen Herzschlag lang blickte sie ihm in die Augen, bevor sie sich um die weinende Sefina kümmerte, die sie auf dem Arm trug. Riddel bewegte sich nicht von der Stelle. Er beobachtete, wie Helene wieder ins Innere des Hauses ging und kurze Zeit später Gertrud nach draußen kam. Sie musterte ihn, bevor sie auf ihn zuging.
»Riddel«, sagte sie und blieb in einiger Entfernung zu ihm stehen. »Ich hätte nicht gedacht, dich je wiederzusehen.«
Er kratzte sich am Kopf. »Es tut mir leid.« Seine Stimme war heiser und er hörte selbst, wie gleichmütig die Worte klangen. Es gab tausend Dinge, die er stattdessen hatte sagen wollen, doch Helenes Reaktion auf seine Rückkehr setzte ihm zu, auch wenn er nichts anderes erwartet hatte. Er räusperte sich. »Darf ich meine Sachen packen?«
»Natürlich.« Gertrud klang ebenso kühl wie er selbst. »Wie lange bleibst du?«
»Wenn ich vielleicht eine Nacht …?« Es war ihm unmöglich, den Satz zu beenden. Er wollte nicht betteln, andererseits wusste er auch nicht, wohin er gehen sollte. Die Schiffe nach Australien oder Amerika liefen nicht jeden Tag aus und bis zu jenem Moment hatte er sich nicht einmal überlegt, in welches Land er überhaupt wollte.
Gertrud schüttelte den Kopf. »Ich denke nicht, dass das eine gute Idee wäre«, murmelte sie. »Wegen Mama …«
»Ich verstehe.« Riddel schluckte. »Es tut mir leid.« Er wiederholte sich und schämte sich für seine Unfähigkeit, mit der Situation umzugehen. Aber die Wahrheit hatte plötzlich jenes Monster enthüllt, das zuvor in ihm geschlummert hatte wie Mr Hyde in Dr. Jekyll.
Gertrud wandte den Blick von ihm ab. »Es wäre sicherlich gut, wenn du gehst, bevor es dunkel wird«, sagte sie.
»Natürlich.« Er setzte seinen Weg fort und hielt auf das kleine Verwalterhaus zu, das er sechs Jahre lang bewohnt hatte. Er konnte sich noch ganz genau an den ersten Tag erinnern, als er nach Tamalele gekommen war. Das war vier Tage nach dem Verlassen des Schiffs gewesen, das ihn von Neuseeland nach Westsamoa gebracht hatte. Eigentlich sollte Apia nur ein Zwischenstopp auf seiner Reise nach Kalifornien sein, wo er sich Arbeit auf den Ölfeldern hatte suchen wollen, aber aus irgendeinem Grund faszinierte ihn die Insel und er begann, die Aushänge zu studieren, die neben dem Postamt hingen.
›Vorarbeiter auf Kokosnuss-Plantage gesucht‹, lautete die Überschrift eines Zettels und er beschloss spontan, nach der Adresse zu fragen und sich dort vorzustellen. Riddel hatte sich noch nie vor harter Arbeit gescheut und obwohl er in Neuseeland nur Erfahrung als Schafscherer gemacht hatte, so glaubte er, dass Kokosnüsse nicht allzu schwierig zu ernten sein sollten. Er hatte sich getäuscht. In jeder Hinsicht. Die Arbeit auf Tamalele war härter als alles, was er je getan hatte, das feuchte Klima zermürbender als die nasse Kälte seiner Heimat und die Ehefrau seines Arbeitgebers anziehender als jede Frau, der er je begegnet war. Jeden verdammten Tag kämpfte er seitdem gegen sich selbst. Und all das ließ ihn heilen.
Riddel stieß die Tür des kleinen Holzhauses auf, das nur aus einem einzigen Raum bestand, und trat erleichtert ins Innere. Hier war er außer Sichtweite der Frauen, nahm seinen Hut ab und ging zu dem schmalen Bett, das an der Längsseite des Zimmers stand. Er lockerte das Holzbrett an der Wand oberhalb des Fußendes und griff in den Spalt, in dem er sein Geld aufbewahrte. Erleichterung durchflutete ihn, weil alles noch da war, gefolgt vom schlechten Gewissen, weil er das Gegenteil befürchtet hatte. Aufgewühlt starrte er auf die zusammengerollten Pfundnoten in seiner Hand, die ihn in ein anderes Land bringen würden. In eine andere Zukunft. Riddel fuhr sich durch die verschwitzten Haare, steckte das Geld ein und setzte sich aufs Bett. Da war er nun, am Anfang eines Weges, auf dem er erneut eine Sackgasse verließ, die ihn nicht weiterbrachte. Er fragte sich, wie oft ihm das noch passieren würde. Für einige Minuten lauschte er den vertrauten Geräuschen der Plantage. Er vernahm das Quietschen der Eisenräder auf den Schienen, hörte das unverständliche Geplapper der Kulis und die rhythmischen Hufschläge des Pferdes, welches die Waggons zog. Marthas Stimme übertönte das chinesische Stimmengewirr und kurz darauf wurden die Tore der Darre geöffnet. Emilies Lachen vermischte sich mit dem Gebell von Fritz, bevor alles unter dem Donnern der Kokosnüsse versank, die von den Waggons gekippt wurden. Riddel lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er würde all das vermissen. Mehr als er sich selbst eingestand.
* * *
»Riddel!« Erschrocken fuhr er hoch und realisierte, dass er eingeschlafen war. Im Dämmerlicht, das durch die offene Tür hereindrang, erkannte er eine schmale Silhouette. Riddel blinzelte.
»Ma’am«, erwiderte er, ohne zu wissen, wer ihm gegenüberstand. »Ich bin so gut wie weg.«
Der Schatten kam auf ihn zu und er erkannte Helene. Das Herz begann, hart gegen seinen Brustkorb zu hämmern. Sie beugte sich herunter, stellte eine Wasserkanne auf den Waschtisch neben dem Bett und legte etwas daneben.
»Ich will, dass Sie sich waschen und rasieren, Riddel. Und dann kommen Sie in mein Haus.«
»Wie bitte?« Fahrig wischte er sich über das Gesicht und wurde sich bewusst, dass er nach drei Monaten Gefängnis stank wie ein Opossum.
»Waschen Sie sich auch Ihre Ohren, damit Sie mich besser verstehen.« Helene ging rückwärts, bis sie den Türrahmen erreicht hatte. »Ich habe etwas vom Abendessen für Sie aufgehoben. Gewiss haben Sie Hunger.«
Er wusste nicht, was er sagen sollte, aber das Knurren seines Magens verriet ihn. »Sie wollten, dass ich gehe …«, erwiderte er und sah, wie ihre Finger sich in den Türrahmen krallten. Sie war nervös, ebenso wie er selbst.
»Kommen Sie in mein Haus, wenn sie fertig sind«, wiederholte sie bestimmt, drehte sich um und ging davon.
Riddel brauchte einige Sekunden, um sich zu fangen, bevor er aufstand und eine Kerze entzündete. Nur das Haupthaus verfügte über Elektrizität und so betrachtete er im Kerzenschein den Rasierhobel und die Seife, welche Helene neben die Waschschüssel gelegt hatte. Vermutlich hatte beides ihrem verstorbenen Ehemann gehört und Riddel wagte es nicht, die Dinge zu berühren. Er trug nicht umsonst einen Bart. Die Haare in seinem Gesicht verdeckten, wer er wirklich war. Das hatte all die Jahre hervorragend funktioniert, doch nun bestand Helene darauf, dass er ihr offenbarte, was darunter lag. Aufgewühlt lief er im Zimmer auf und ab. Ich könnte gehen, schoss es ihm durch den Kopf, ihr wird ohnehin nicht gefallen, was sie sieht. Er blickte in die heranbrechende Dunkelheit, welche die Konturen der Bäume verwischte. Es war eine Ewigkeit her, dass er sich zum letzten Mal rasiert hatte. Er erinnerte sich plötzlich wieder daran und rieb sich die Stirn. Es war am Tag der Beerdigung seines Vaters gewesen und seine Mutter hatte ihn und seinen Bruder gezwungen, einen Anzug anzuziehen und sich herauszuputzen. Es war lächerlich gewesen, denn ihnen fehlte das Geld, um sich etwas Neues zum Anziehen zu kaufen oder einen Barbier aufzusuchen. Deshalb hatten sein Bruder Steve und er sich Anzüge bei den Nachbarn geliehen und sich ein Rasiermesser besorgt. Auf der Beerdigung waren sie dagestanden wie Schuljungen in der abgelegten Kleidung ihrer älteren Geschwister, in viel zu weiten Hosen, Sakkos, deren Ärmel bis über ihre Fingerspitzen reichten, und Schnittwunden im Gesicht. Man hätte über sie spotten können, aber niemand tat es. Seine Mutter hatte geweint, als sie ihre Söhne gesehen hatte, und bis heute hatte Riddel ihre Worte im Ohr: Ihr werdet eines Tages ein besseres Leben haben . Nun hatten weder sie noch sein Bruder eins. Er war der Einzige, der von seiner Familie übriggeblieben war.
Mit einem ergebenen Seufzen setzte er sich an den Waschtisch und rückte den verblassten Spiegel zurecht. Sein Gesicht wirkte im flackernden Kerzenlicht wie ein Geist. Erste graue Strähnen zogen sich durch seinen dichten Bart und strenge Falten bedeckten seine Stirn. Es erschreckte ihn, wie viel Ähnlichkeit er mit seinem Vater hatte und er zwang sich, den Rasierhobel in die Hand zu nehmen. Nachdenklich drehte er ihn zwischen den Fingern, bevor er ihn wieder zur Seite legte, Wasser in die Waschschüssel goss und die Seife zur Hand nahm.
Eine Viertelstunde später starrte er sich selbst in sein nacktes Gesicht. Er hatte sich gewaschen, so gut es eben ging, hatte sich ein frisches Hemd angezogen und sich rasiert. Obwohl der Hobel gut war, hatte er sich einige Male geschnitten, sein Bart war einfach zu dicht gewesen. Er tupfte sich das Blut vom Kinn und fühlte sich schutzlos. Der Mann, den er vor sich sah, war nicht er selbst. Energisch stand er auf, trug die Waschschüssel nach draußen und schüttete das Wasser auf den Hof. Inzwischen war es völlig dunkel und durch das erleuchtete Fenster des Haupthauses erkannte Riddel Helene, die allein am Tisch im Salon saß. Sein Herz begann erneut heftig zu pochen und er straffte die Schultern. Nachdem er die Schüssel zurück an ihren Platz gestellt und die Kerze ausgeblasen hatte, schloss er die Tür hinter sich und ging zum Haus. Er nahm die drei Stufen zur Veranda und verharrte vor der Haustür. Alles war still. Nicht einmal das Grammophon spielte. Gerade, als er sich überlegte, ob er klopfen oder einfach eintreten sollte, so wie er es sonst stets getan hatte, wurde die Tür geöffnet. Es war Martha. Ihr Blick war so direkt, wie er es von ihr gewohnt war.
»Es gibt also tatsächlich Leben unter diesem Bart«, bemerkte sie und ließ ihn ein. »Erstaunlich.«
»Guten Abend, Ma’am.« Riddel trat von einem Bein aufs andere und Martha hob eine Augenbraue.
»Spar dir das ›Ma’am‹!« Sie deutete mit dem Kinn in Richtung Salon. »Wenn du ihr wehtust, dann erschieße ich dich.« Er nickte verstehend und bemerkte ihr Lächeln. »Manchmal lebt man viele Leben in nur einem einzigen, Riddel. Vergiss das nie.« Mit diesen Worten ließ ihn Martha stehen und zog sich ins obere Stockwerk zurück, während er die Tür des Salons öffnete.
Helene sah auf, als er eintrat und Riddel registrierte das Erstaunen in ihrem Gesicht. Betreten fuhr er sich über sein rasiertes Kinn. Alles fühlte sich fremd an, es war, als ob sein gesamtes Wesen bloßlag.
»Guten Abend, Riddel.« Helene deutete auf einen der Stühle und er setzte sich. In der Mitte des Tisches stand ein Teller mit Sandwiches. Beim Geruch des Schinkens zog sich sein Magen zusammen, doch er beherrschte sich.
»Ma’am.« Seine Worte schienen sich mitsamt dem Bart verabschiedet zu haben. Er fühlte sich wie vor einer Schulprüfung.
»Bitte.« Helene schob den Teller zu ihm herüber. »Es heißt, dass die Gefangenen in Taifagata nicht besonders gut behandelt werden.«
»Es geht, Ma’am.« Riddel nahm sich ein Sandwich und bemühte sich, nicht allzu gierig zu erscheinen, während er aß.
Helene ließ ihm Zeit. Erst, nachdem er alles aufgegessen hatte, ergriff sie wieder das Wort: »Gertrud erwähnte, dass Sie gekommen sind, um zu packen.«
»In der Tat.« Er wusste, dass sie um das eigentliche Thema herumschlichen, und räusperte sich. »Es ist das Beste, Ma’am.«
»Das Beste für Sie oder für uns?«
»Für … Sie.« Er zögerte, als er ihren prüfenden Blick bemerkte. »Ich denke, Hans hat Ihnen …?«
»Das hat er.« Helene wirkte derart gefasst, dass Riddels Verunsicherung wuchs.
»Nun, dann …« Er wünschte sich seinen Bart zurück, der ihm Sicherheit gegeben hatte. Ohne ihn war jede seiner Gefühlsregungen sichtbar. »Sie verstehen gewiss, warum ich gehen muss.«
»Ich verstehe, dass mein Sohn mit den Leuten mauschelt, die Sie ins Gefängnis gebracht haben, Riddel, und ich möchte nicht leugnen, dass ich entsetzt war, als er mir Ihre Geschichte erzählte, aber ich weiß auch, wie Hans ist.« Sie stockte. »Selbst wenn es mir als Mutter schwerfällt, das einzusehen.«
»Es tut mir leid, Ma’am.«
»Ich denke nicht, dass es mit einer Entschuldigung getan ist, Riddel. Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich überhaupt noch einmal mit Ihnen sprechen will.«
»Warum haben Sie sich dafür entschieden?« Er hielt es kaum aus, ihr gegenüberzusitzen. An diesem Abend strahlte sie so viel Stärke aus, wie er es niemals zuvor bei ihr gesehen hatte, und er fragte sich, woran das lag.
Helene blinzelte, doch sie wich seiner Frage nicht aus. »Ich wollte es von Ihnen hören.« Ihre Stimme wurde leiser. »Ich weiß, Sie lügen mich nicht an. Das haben Sie niemals getan.«
»Ma’am, ich denke nicht, dass ich …« Er zuckte hilflos die Schultern. »Ich kann nichts beschönigen.«
»Das sollen Sie auch nicht.«
Aber er wollte es. Er sehnte sich nach ihren scheuen Blicken, nach dem warmen Gefühl, das er empfand, wenn sie wegen einer seiner Bemerkungen lachte und nach den wenigen Momenten, in denen er sie völlig entspannt erlebt hatte. Sie war so gefangen in all ihren Schicksalsschlägen, dass sie es nicht wagte, deren Schatten hinter sich zu lassen. Wenn er ehrlich zu ihr war, würde sie ihn endgültig von sich weisen und all den schönen Erinnerungen einen faden Nachgeschmack verleihen.
Riddel senkte den Kopf. »Meine Vergangenheit tut nichts zur Sache«, sagte er. »Ich denke, es ist an der Zeit, Westsamoa zu verlassen. Ich hatte nie vor, so lange zu bleiben.«
»Und warum blieben Sie dann?«
»Wegen Ihnen.«
Seine Direktheit brachte sie aus der Fassung. Rote Flecken breiteten sich auf ihrem Hals aus und Helene setzte sich gerade hin. »Das ist der Grund, warum ich Sie vermisst habe. Sie sagen, was Sie denken, doch Sie tun es ohne Anklage, so wie es Martha und Emilie gerne tun.«
Er lächelte und sie erwiderte sein Lächeln so zaghaft, dass man es kaum sah. Diesen Augenblick würde er mit sich nehmen, das schwor er sich.
»Bitte!« Helenes Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. »Erzählen Sie mir Ihre Geschichte, Riddel.«
Es war soweit. Sie ließ nicht locker und er gab sich einen Ruck. Das, was er ihr nun sagen würde, war sein Abschiedsgeschenk. In den letzten sechs Jahren hatte sie ihm mehr gegeben, als ihr je bewusst sein würde. Sie hatte sein Herz berührt und ihn vergessen lassen, wie sehr er sich selbst verachtete.
»Ich habe Ihnen von meinem Vater erzählt«, begann er und zwang sich, Helene ins Gesicht zu blicken. Es gab keine Möglichkeit mehr, sich vor ihr zu verstecken. »Als er starb, war ich fünfzehn Jahre alt, mein Bruder Steve war erst zwölf. Sein Tod führte dazu, dass wir innerhalb von einer Woche auf der Straße saßen. Auf die Wohnung, welche uns von der Kohlenmine zur Verfügung gestellt worden war, hatten wir kein Anrecht mehr. Daraufhin gingen wir von Tinkertown zurück nach Invercargill. Es war einen Monat nach dem Baxter Massaker, als wir dort ankamen.«
Auf Helenes Stirn bildete sich eine Falte. »Das Baxter Massaker?«, hakte sie nach.
»In Neuseeland stand es in jeder Zeitung. James Reid Baxter schlug seiner Frau und seinen fünf Kindern mit einem Schürhaken die Schädel ein, bevor er sich mit einer Schrotflinte das Leben nahm.«
»Heilige Maria!« Helene bekreuzigte sich. »Was für eine schreckliche Tat!«
»Es war eine schreckliche Zeit. Für viele Menschen. Es gab wenig Arbeit, die Cholera wütete und es regnete so anhaltend wie schon seit Jahren nicht mehr. Wir lebten Parterre zur Untermiete und die meiste Zeit stand das Wasser so hoch in unserem Zimmer, dass wir ständig nasse Füße hatten. Aufgrund des Massakers fand meine Mutter eine Anstellung in dem Blumenladen, in dem James Baxter gearbeitet hatte. Niemand wollte dort arbeiten, weil alle dachten, giftige Pflanzen hätten ihn womöglich in den Wahnsinn getrieben. Anfangs sah es gut für uns aus, doch viele der Kunden, die zu Beginn noch aus Neugier in den Blumenladen gekommen waren, blieben aus und so verlor meine Mutter ihre Stelle wieder. Mein Bruder und ich wollten uns Arbeit suchen, doch Mutter bestand darauf, dass wir zur Schule gingen.« Riddel presste die Lippen aufeinander. Die Erinnerungen setzten ihm zu. Er hatte noch nie darüber gesprochen, was in seiner Vergangenheit geschehen war, und er hatte es auch nie tun wollen. Aufgebracht knirschte er mit den Zähnen und fuhr fort: »Dann kam der Tag, als unsere Mutter uns offenbarte, dass sie eine Anstellung als Haushälterin auf einer Schaffarm gefunden hatte. Wir zogen von der Stadt aufs Land und konnten unser Glück kaum fassen. Paddy Shawn, der Besitzer der Farm, war Witwer. Er zahlte unserer Mutter ein angemessenes Gehalt und wir halfen ihm nach der Schule mit den Schafen. Alles entwickelte sich gut, bis mein Bruder Steve eines Tages …« Riddel atmete tief durch. »Er beobachtete, wie Shawn unsere Mutter …«
»Ich verstehe.« Helene beugte sich nach vorne. »Darüber müssen Sie nicht sprechen, Riddel.«
Er schluckte hart. »So ist das Leben, Ma’am. Es schenkt einem nichts. Das sagte auch meine Mutter, als ich sie darauf ansprach. Sie meinte, es ginge uns besser seit wir auf der Farm waren und dass manche Dinge eben dazugehörten. So war sie. Eine Löwin.« Er nahm sich Zeit, bevor er weiter erzählte: »Aber auch eine Löwin kann man brechen und Paddy Shawn gab sein Bestes. Im Sommer 1912 wurde er eines Abends zum wiederholten Mal handgreiflich gegen sie und mein Bruder und ich gingen dazwischen. Wegen unserer aufgestauten Wut kam es zu einer Prügelei, bei der Paddy schwer verletzt wurde. Meine Mutter brachte ihn ins Krankenhaus und weil er nicht bei Bewusstsein war, ermittelte die Polizei. Als Ältester nahm ich die gesamte Schuld auf mich und ging für einige Wochen ins Gefängnis. In der Zeit verließen meine Mutter und mein Bruder die Farm und landeten wieder in Tinkertown. Mein Bruder heuerte in der Black Diamond Mine an und den Rest kennen Sie bereits.«
»Sie wissen, dass es nicht so ist.« Helene sah ihn forschend an. »Erzählen Sie weiter, Riddel.«
Sein Magen krampfte sich zusammen. Er hörte seine eigenen Worte und konnte kaum glauben, dass er sich ihr tatsächlich offenbarte. »Mein Bruder und meine Mutter starben während des Grubenunglücks und ihr Tod hat mich ebenfalls sterben lassen. Ich stand endgültig auf der Straße, war vorbestraft und fand keinen Job. Der Erste Weltkrieg kam und ich dachte darüber nach, Soldat zu werden, aber auch beim Militär wurde ich wegen meiner Vorstrafe abgelehnt. Deshalb schloss ich mich in Invercargill einer Bande von Kleinkriminellen an, die in Häuser einbrachen und bisweilen den Charabanc , so nannten wir den Express-Bus von Winton nach Invercargill, überfielen. Wir fühlten uns wie verdammte Cowboys, dabei waren wir einfach nur Dummköpfe, die von ihrem erbeuteten Geld Alkohol kauften. Manchmal gab es Tage, an denen ich so betrunken war, dass ich unser Versteck nicht verlassen konnte.« Er lachte hart auf. »Kurz vor Weihnachten 1915 hatten einige von uns die Idee, in eine Villa am Waihopai-Fluss einzubrechen, die, wie ich schnell herausfand, den Tinkers gehörte. Das waren die Inhaber der Black Diamond Mine.« Riddel zog zischend die Luft zwischen den Zähnen ein. »Diese Neuigkeit brachte mich durcheinander und ich ging allein dorthin, einen Tag vor dem geplanten Einbruch. Ich beobachtete die Familie, sah, wie sie alle fein herausgeputzt am Abendbrottisch saßen. Sie lachten und scherzten miteinander und mein Hass auf sie wurde übermächtig. Ich gab ihnen die Schuld an allem, was ich verloren hatte, und besorgte mir mit meinem letzten Geld Benzin und eine Flasche Schnaps. Ich wollte Rache. Für meine Mutter, meinen Bruder und meinen Vater. Deshalb wartete ich, bis sie im Bett waren, und zündete ihr Haus an.«
Er hörte Helenes leisen Aufschrei und spürte ihr Entsetzen. »Es brannte lichterloh«, fuhr er gequält fort. »Man sah es bis ans Ende der Stadt. Die Feuerwehr traf zuerst ein, die Polizei kam etwas später. Weil ich zu besoffen war, um mich von der Stelle zu bewegen, wurde ich sofort festgenommen. Den Tinkers gelang es gerade noch, sich in Sicherheit zu bringen, aber viele Familienmitglieder erlitten Brandverletzungen. Die älteste Tochter traf es am schlimmsten. Sie lag monatelang im Krankenhaus und als ich längst im Gefängnis saß, erfuhr ich, dass sie sich wegen ihrer Verstümmelungen das Leben genommen hatte.« Das Atmen fiel ihm schwer und er wagte es nicht, Helene anzusehen. »Ich habe es nicht bereut, Ma’am. Nicht an dem Tag, an dem ich es tat. Auch nicht eine Woche später. Erst über die Jahre kam die Reue. Und der Hass. Dieses Mal auf mich selbst.« Schweigen breitete sich aus und bildete das Ausrufezeichen hinter seinen Worten. Riddel spürte Erleichterung, Schmach und das übermächtige Gefühl, den Salon verlassen zu wollen.
»Ma’am.« Er stand auf. »Gewiss haben Sie nun die Bestätigung für das, was Hans Ihnen erzählt hat. Mac Logan wollte mich erpressen. Er wollte, dass ich diese Plantage verlasse, weil er dachte, Sie würden nicht ohne mich zurechtkommen. Er will um jeden Preis erreichen, dass Sie Westsamoa den Rücken kehren, doch er weiß nicht, dass Sie, Ihre Schwester und Ihre Töchter längst keine Hilfe mehr benötigen. Ganz im Gegenteil. Ohne mich haben Sie noch weniger Kosten. Sie können sich auf einen kleinen Teil der Pflanzen beschränken und werden trotz der sinkenden Preise für Kopra und Kakao über die Runden kommen. Paul kann mit anpacken und die Ölpalmen gedeihen prächtig. Tamalele bietet genug, um ihre Familie zu ernähren, und es wird wieder bessere Zeiten geben. Sie sind eine Löwin, Ma’am, ganz wie meine Mutter. Deshalb haben Sie auch nicht gezögert, die kleine Sefina aufzunehmen. Ich verstehe jetzt, warum Sie es taten.« Er hob seinen Hut an und ging zur Tür. »Leben Sie wohl.«
»Nein!« Helene stieß einen schrillen Schrei aus, der ihn innehalten ließ. »Nein«, wiederholte sie leiser und stand ebenfalls auf. Riddel drehte den Kopf und sie sahen einander über die Entfernung hinweg an.
»Ich bin ein Mörder, Ma’am. Vielleicht nicht in den Polizeiakten, aber hier.« Er tippte sich gegen die Stirn. »Die Tochter der Tinkers könnte noch leben, wäre ich nicht gewesen. Diese Tatsache kann ich nicht vergessen und weil ich Sie inzwischen kenne, weiß ich, dass Sie es ebenso wenig können.«
Helene kam zögerlich auf ihn zu und er spannte sich an. »Das Problem ist, dass ich Sie noch weniger vergessen kann«, wisperte sie und dieses Mal war er es, der vor ihrer Ehrlichkeit kapitulierte.
»Sie sollten es besser tun. Für Ihr eigenes Seelenheil.«
Helene blieb eine Armlänge von ihm entfernt stehen. »Mein Seelenheil …«, ihre Augen blitzten belustigt, »ist etwas, das ich schon lange verloren habe, Jack.«
»Sie haben mich beim Vornamen genannt.«
»Das ist richtig. Und ich hätte gerne, dass du es ebenfalls tust.«
»Ma’am …?«
Helene knetete ihre Finger. »Ich bin nicht gut in derlei Dingen, denn ich besitze nicht Marthas oder Emilies Selbstbewusstsein und in diesem Moment wünschte ich mir, dass sie hier wären, um für mich zu sprechen.« Helene lächelte verkrampft. »Ich wollte dich nicht wiedersehen, Jack. Als Hans zu uns kam und uns deine Geschichte erzählt hat, fühlte ich vor allem maßlose Enttäuschung. Es schockierte mich zu hören, zu was du fähig bist, und ich fragte mich tagelang, wie es möglich gewesen war, dass ich mich so in dir getäuscht habe.«
Riddel senkte den Kopf. »Ich wünschte, ich hätte Ihnen diese Enttäuschung ersparen können, Ma’am.«
»Nein!« Mit einem weiteren Schritt überwand sie den Abstand zwischen ihnen und legte ihm die Hand auf den Arm. »Es ließ mich aufwachen, Jack.«
»Was soll das heißen?« Er sah ihr in die schimmernden Augen.
»Dass ich mein Schicksal nicht länger in die Hände anderer legen darf. Meine Mutter sprach immer davon, die Fesseln unserer selbst auferlegten Verpflichtungen zu durchschneiden und ich denke, ich verstehe allmählich, was sie damit meinte. Mein ganzes Leben habe ich mich gefügt, zuerst meinem Vater, dann den Regeln unserer Gesellschaft und schließlich meinem Ehemann. Es ist, als ob es mir bestimmt wäre, auf dieser Plantage zu bleiben, die meine Familie 1902 gründete. Ich habe dagegen angekämpft, wollte sterben, als Ernst mir genommen wurde, und hadere mit der Tatsache, dass Hans seinem Großvater immer ähnlicher wird. Doch ich begreife nun, dass es ohne all dieses Leid nicht möglich ist …« Sie brach ab.
»Was?«, hakte Riddel nach und bemerkte, wie Helene errötete.
»… die Liebe zu schätzen.«
Er hielt den Atem an und wusste nicht, was er erwidern sollte. Helenes Gesichtsfarbe vertiefte sich.
»Es tut mir leid«, flüsterte sie. »Ich sagte bereits, ich bin nicht gut in derlei Dingen.«
»Du bist darin zweifelsohne besser als ich.« Er wagte es nicht, sie zu küssen, obwohl er danach gierte. Stattdessen legte er seine Hand über ihre und dieses Mal entzog sie sie ihm nicht.
»Ich werde Zeit brauchen, Jack.«
»Du bekommst alle Zeit der Welt.«
»Mac Logan wird nicht aufhören, gegen uns vorzugehen. Und Hans …«
»Sei unbesorgt!« Er zog sie in seine Arme, legte sein Kinn auf ihrem Kopf ab und schloss die Augen. Bis vor wenigen Minuten hatte er geglaubt, Helene für immer verlassen zu müssen, und nun hielt er sie fest. Er spürte ihre Wärme und fühlte sich so befreit und gleichzeitig so nervös wie noch nie in seinem Leben. »Wenn du meine Frau wirst, erhältst du die neuseeländische Staatsbürgerschaft und …«
Helene schnaubte und trat einen Schritt zurück. Empört stemmte sie die Hände in die Hüften. »Jack Riddel! War das etwa ein Antrag?«
»Ich … bin … mir nicht sicher«, stotterte er und erkannte am Zucken von Helenes Mundwinkeln, dass sie sich amüsierte.
»Das werden wir üben müssen«, stellte sie fest.
»Du möchtest, dass ich dir öfter einen Antrag mache?«
»Das klingt verlockend.«
Riddel schmunzelte. »Das lässt sich einrichten, Ma’am.«
»Dann ist es gut.« Helene ging zum Grammophon und drehte die Kurbel an der Seite des Holzkastens. »Für heute reicht es mir, dass du mich zum Tanz aufforderst.«
Er folgte ihr in die Mitte des Raumes hinein und bot ihr die Hand. Helene nahm an und er wollte jubeln vor Glück. »Ich bin der eleganteste Tänzer jenseits des Waihopai River . Erwähnte ich das bereits?« Sie begannen, sich zum Rhythmus des Liedes zu bewegen, das dumpf aus dem Lautsprecher ertönte, und Helene lächelte.
»Zum ersten Mal seit all den Jahren fühle ich mich hier zuhause«, gestand sie ihm und Riddel zog sie enger zu sich heran.
»Ich werde dafür sorgen, dass es so bleibt.«