Frank Craig, „La Pucelle!“
Johanna von Orleans an der Spitze
der französischen Kavallerie (details), 1907.
(12. Oktober 1428 – 8. Mai 1429)
Das Gesetz der Moral veranlasst die Menschen, mit ihrem Herrscher völlig übereinzustimmen, sodass sie ihm ohne Rücksicht auf ihr Leben folgen und sich durch keine Gefahr erschrecken lassen. (Sun Tzu, Kapitel 1)
Fast drei Jahrhunderte lang konnten die Engländer eine ununterbrochene Siegesserie in Frankreich verzeichnen, als eine entmutigte französische Armee in Orléans sich im Oktober 1482 im Belagerungszustand befand. Währenddessen überzeugten die Berater des geistesschwachen Dauphin ihren Herrscher davon, dass er einen massiven Entsatz für die Stadt Orléans vorbereiten müsse. Und sie hatten allen Grund dazu. Die Loire trennte Frankreich in zwei Hälften, von denen die nördliche gänzlich in der Hand Englands war. Der Dauphin und seine Unterstützer saßen somit in den Ländereien südlich des Flusses fest, und Orléans war die letzte Bastion, die ihnen noch blieb. Unterdessen schickte sich der Earl von Salisbury, Thomas Montagu, an, die Loire mit einer großen Streitmacht zu überqueren. Seine Marschroute offenbarte schnell, dass er es auf Orléans abgesehen hatte, das er am 12. Oktober 1428 erreichte. Am 23. nahm er die Batterietürme der äußeren Verteidigungslinie im Sturm und zwang die französischen Verteidiger, sich in die Stadt zurückzuziehen und dabei mehrere Brücken zu zerstören. Ab diesem Zeitpunkt nahmen Geschütze eine zentrale Rolle in der Belagerung ein. Beide Seiten wurden ständig durch Nachschubtruppen versorgt, und doch sah die Situation für die Franzosen schlecht aus, denn gerade mal 3 000 Soldaten verteidigten die Stadt gegen eine Übermacht von 23 000 Belagerern. Das Kriegsglück Frankreichs war wahrlich an seinem Tiefpunkt. Ihre Männer waren erschöpft und konnten sie nicht mehr verteidigen. Wer konnte jetzt noch das Ruder herumreißen und Frankreich wieder zu einer ehrenhaften und wohlhabenden Nation machen?
Im Nordosten Frankreichs lag ein kleines, unbedeutendes Dorf namens Domrémy, das nur auf wenigen modernen Karten verzeichnet ist. Doch genau dieser Ort ist die Geburtsstätte und frühe Heimat für die größte Heldin der Militärgeschichte. Die Welt kennt sie als Jeanne d’Arc, aber ihre Eltern nannten sie einfach „Jeannette“. Nach einem langen Weg und vielen Prüfungen konnte sie den Dauphin davon überzeugen, ihr Truppen zur Verfügung zu stellen. So kam es, dass die Jungfrau von Orléans am 25. April 1429 mit ihrer eigenen kleinen Armee und einem ihr vom Dauphin auferlegten Gefolge von Blois aus aufbrach. In der Nacht zum 28. erreichte sie ungehindert Orléans. Die Engländer waren völlig überrascht von ihrer Anwesenheit in der Stadt und schienen für einige Tage wie gelähmt. Jeanne nutzte diese Tatenlosigkeit aus und sandte Kunde, dass die Stadt Provisionen brauche, die daraufhin völlig ungehindert an den englischen Reihen vorbei in die Stadt gebracht werden konnten. Leute erinnerten sich an eine alte Prophezeiung, laut der eine Jungfrau aus der Lorraine Frankreich retten würde; dies sorgte auch für Unruhe unter den Engländern, die kein bisschen weniger abergläubisch waren als die Franzosen.
Letztendlich kam der Moment, in dem keine Zeit mehr für Verhandlungen blieb. Jeanne befahl ihren Soldaten, stark und zielsicher zuzuschlagen und gab den Befehl, den schwächsten Punkt der englischen Umklammerung zu stürmen. Im Morgengrauen des 7. Mai wurde eine Truppe ausgewählter Soldaten, die alle vorher an der heiligen Messe teilgenommen und ihre Sünden gebeichtet hatten, über die Loire befördert, um Tourelles einzunehmen, das von Gladsdale und den Besten der englischen Armee gehalten wurde. Hier entbrannte eine fürchterliche Schlacht, in der beide Seiten mutig und verbissen kämpften; die Franzosen motiviert von ihrer heiligen Jungfrau, die sie anführte und ermutigte. Somit wurde die Belagerung von Orléans aufgehoben und die englischen Pläne in Frankreich zerfielen schnell. Die Engländer wurden noch auf mehreren Schlachtfeldern geschlagen und verloren endgültig all ihre Besitztümer südlich des Ärmelkanals.
(übersetzter und bearbeiteter Auszug aus: Charles King, Famous and Decisive Battles of the World)