Kapitel 9 Richard
Die Jalousie zerteilte die Sonnenstrahlen in lange Streifen, die Richards Gesicht wärmten. Er blinzelte und für einen Augenblick stockte ihm der Atem. Wieso war er zurück in seiner alten Wohnung? Waren die letzten vier Jahre nur ein Albtraum gewesen? Gleich würde er ins Büro fahren, wo ihn Zain mit einer Tasse Kaffee und einem breiten Lächeln begrüßen würde. Immer diese nervigen Morgenmenschen. Leises Schnarchen drang an Richards Ohr und er glitt aus der Vorstellung eines Albtraums heraus.
Nein, alles Schreckliche war
geschehen. Doch ohne die Vorfälle würde der hübsche Evan jetzt nicht in seinem Arm schlafen, so ruhig und friedlich. Und so, als würde er an Richards Seite gehören.
Evan drehte ihm den Rücken zu und doch hatte er sich so nah geschoben, dass kaum eine Hand zwischen ihre Körper passte. Seine Wärme strömte unter der Decke zu Richard, vermischte sich mit der Erinnerung an all die Nächte, die er in diesem Bett allein verbracht hatte. Seine selbstgewählte Einsamkeit war ihm heilig gewesen. Wieso fühlte das Gegenteil sich jetzt so natürlich an? Er bewegte eine Hand unter der Decke, wollte Evans Haar berühren. Doch mit der Bewegung flog etwas nach oben und landete auf seinem Gesicht.
„Fuck“, brummte er überrascht und tastete nach seiner Nase, die von einem Stück Stoff verdeckt wurde. Und das Teil roch übel.
Evan rührte sich und gähnte. Schließlich drehte er sich um und prustete los. „Ein Sockenfetisch?“, fragte er unter seinem Lachanfall. „Ich mags ja kinky, aber diesen Fetisch hätte ich dir nicht zugetraut.“
Eilig nahm Richard die Socke von seinem Gesicht. Mit zwei Fingern hielt er sie fest, bevor er sie auf den Boden fallen ließ. Prüfend sah er sich um. Die zweite Socke lag auf der Kommode. Evan musste sie in der Nacht einfach aus dem Bett gekickt haben.
„Du hast wohl eher einen Dreckwäschefetisch“, bemerkte er ungehalten und drehte sich zu Evan.
Jetzt konnten sie sich in die Augen sehen. Evan lächelte, blinzelte schlaftrunken zu Richard und wollte den Kopf an seine Brust schmiegen. Die großen dunklen Augen, das Haar von Schlaf verwuschelt, wer konnte diesem Jungen widerstehen? Richards erweckter Schwanz jedenfalls nicht.
Gerade noch stand der auf halbmast, da richtete er sich auf. Vier Jahre Koma und plötzlich konnte er nicht genug bekommen? Richard rollte mit den Augen, spürte die Lust zwischen seinen Lenden pochen. Blitzschnell drehte er Evan um, schob sich über ihn. Sein Bettgenosse keuchte erregt. „Ja, mehr. Bitte.“, raunte er gegen das Kissen.
„So ein schlampiger Hausgast wie du hat eine Strafe verdient“, behauptete Richard und zog Evans Jogginghose so weit nach unten, bis der prachtvolle Hintern frei lag. Rund und fest luden ihn die Backen ein. Bevor Richard sich aufsetzte, küsste er beide Halbmonde und hätte weitermachen können.
Doch Evan brauchte eine Lektion. Wie sehr er sie nötig hatte, zeigte er gerade, indem er seine Hand verstohlen unter seinen Körper schob und seinen Schwanz umfasste.
Richard zog die freche Hand hervor. „Ich erinnere mich nicht daran, dir das erlaubt zu haben“, sagte er streng und musste doch grinsen.
„Es tut mir leid, Sir“, murmelte Evan und stöhnte leise.
Richard strich über die Hand, die er immer noch hinter Evans Rücken hielt und begann kleine Schläge über dessen Backen zu verteilen. Zuerst mehr Massageschläge, dann holte er weiter aus.
„Wie viele?“, fragte er.
„Zehn“, gab Evan ergeben zurück.
Für einen wundervollen Augenblick strich Richard über die herrlichen Hinterbacken. Es gab genug Doms, die sich über freche Subs freuten, Jungs, die Gegenwehr leisteten. Er war es gewohnt Männer zu kommandieren, Anordnungen zu geben. Im Leben konnte er echte Befehle erteilen, Verhalten überwachen. Aber wenn er spielte, dann brauchte er Zustimmung und Freude am Spiel auf der anderen Seite. Jemand, der sich ehrlich dafür bedankte, dass er ihm erlaubte, die Kontrolle abzugeben. Und niemand hatte ihm bisher so viel Dankbarkeit gezeigt wie Evan.
Fast konnte man es mit Zuneigung verwechseln. Aber der Junge benahm sich einfach dankbar, weil er jemanden gefunden hatte, mit dem er seine Kinks ausleben konnte. Was sonst, sollte er von einem Mann wollen, der sechszehn Jahre älter als er war? Evan geht nur mit den älteren Doms.
Der Satz des Clubbesitzers hallte in Richards Kopf wider. Genug Zeit mit Gedanken vertrödelt. Er holte aus und seine Hand klatschte laut auf Evans rechte Backe.
Evan gab ein Geräusch von sich, das irgendwo zwischen Lust, Schmerz und Hingabe schwamm. „Eins“, zählte er.
Richard schlug noch einmal zu, dieses Mal auf der anderen Seite.
„Zwei“
Minuten später leuchtete Evans Hintern in einem dunklen Rot und er bewegte unruhig die Hüften. Auch Richards Schwanz stand kerzengrade vor seinem Bauch und er selbst war gerade dabei sich in seiner ansteigenden Lust zu verlieren. Erregt ließ er seinen Schaft einige Male über die einladende Ritze gleiten.
„Oh ja“, stöhnte Evan auf. „Fick mich, Sir. Bitte. Fick mich hart.“
Richards Schwanz zuckte aufgeregt und bereit zur Aktion. Das Hirn vernebelt vor Lust, beugte er sich vor, bis er Evans Oberkörper an seinem spüren konnte.
„Niemals“, flüsterte er in dessen Ohr. „Absolut niemals lass dich von jemandem ohne Gummi ficken. Hast du mich verstanden?“
„Ja, Sir“, antwortete Evan und es klang ein wenig beschämt.
„Dein Hintern hat für heute genug ausgehalten“, erklärte Richard. „Sonst würde ich dir gleich noch eine Tracht Prügel verpassen.“ Während er sprach, ließ er sich zur Seite gleiten, nahm Evan mit, bis er bequem dessen Schwanz umfassen konnte. Hart und feucht spürte er die Erektion unter seinen Fingern. Mit schnellen Bewegungen massierte er Evans Schaft, bis er hilflos stöhnend in seinem Arm lag. Richards Schwanz presste sich gegen Evans geschundene Backen, die ihn warm umschlossen. Und dann stoppte er die Massage plötzlich, schwang sich in einer fließenden Bewegung aus dem Bett. Hastig verstaute er seine Erektion, rückte die Jogginghose zurecht.
„Hättest du dich wirklich trocken und ohne Gummi von mir ficken lassen?“, fragte er skeptisch. „Sei ehrlich.“
Evan sah ihn mit einem unglücklichen Blick an. „In einem Club? Nein. Aber eben, hier in diesem Bett? Ja.“ Er schnaufte beschämt. „Es hat sich so vertraut angefühlt. So einfach.“
Richard nickte mit ernstem Gesichtsausdruck. „Aber du weißt nicht, wo mein Schwanz vorgestern war.“ Nun, sein Schwanz hatte vorgestern in seiner Hose geschlafen, aber das musste Evan nicht wissen. Richard atmete tief ein und lange aus. „Deine Gesundheit ist kein Spiel“, erklärte er. „Heute wirst du nicht kommen, bis ich es dir erlaube. Hast du verstanden?“
Evan schluckte hart, nickte schließlich. „Ja“, sagte er schlicht, ließ das Sir
weg. Gut, er hatte verstanden, dass sie jetzt nicht spielten.
Richard lief zur Tür, drehte sich noch einmal um. „Ich werde den Tag in der West Street verbringen“, sagte er kühl. „Ich sehe mir die Angestellten noch einmal genau an und habe eine Besprechung mit Jack. Heute Abend bin ich zurück.“ Er suchte Evans Blick. „Und ich werde wissen, wenn du gewichst hast.“
Evan nickte, ohne zu zögern, und Richard musste trotz des ernsten Themas lächeln. Mit schnellen Schritten lief er ins Badezimmer.
Eine halbe Stunde später stand er in seinem derangierten Anzug vor der Couch, legte eine von Jacks Kreditkarten neben die hundert Dollar, die er schon für Evan auf dem Tisch platziert hatte. Der saß mit verschränkten Beinen auf der Couch, arbeitete schon wieder.
„Sunny hat meine Karten und Unterlagen eingesteckt, als deine Leute ihn und Jax abgeholt haben“, erzählte er. „Kannst du sie bitte mitbringen?“
„Natürlich.“
„Eigentlich schade“, bemerkte Evan, während er über die beiden fünfzig Dollarscheine strich. „Du als mein Sugardaddy? Daran könnte ich mich gewöhnen.“ Er lächelte, stand plötzlich auf und küsste Richard auf die Wange. „Hab einen guten Tag, sag Sunny und Jax, sie sollen deinen Kühlschrank nicht sofort plündern und bring gute Neuigkeiten mit.“
Richard konnte nur mit versteinerter Miene starren. Er fühlte noch die weichen Lippen auf seiner Wange.
„Wenn du joggen willst, ruf Sunny an. Die Leitung scheint sicher zu sein. Ich schicke dir zwei Jungs vorbei, die dich im Auge behalten können“, sagte er, um das Gefühl wegzureden.
Evan lachte. „Oh wow, Security. Als wäre ich ein Hollywoodstar“, sagte er grinsend und winkte ab. „Ich jogge nicht in New York. Wieso sollte ich mir diese vergiftete Luft in
die Lungen pumpen? Drei Mal in der Woche trainiere ich in einem Studio. Die haben wenigstens eine Filteranlage.“
„Unsere New Yorker Luft ist also nicht gut genug für den Jungen vom Land?“, fragte Richard.
Evan zuckte mit den Schultern. „Ich bin nur zufällig in der Stadt gelandet“, sagte er beiläufig. „Bei den Lost Boys
bin ich in die Hackerszene geraten und ein paar der Kumpels wohnten hier. Und später gab es die besten Jobs in der Stadt“, erzählte er. „Aber irgendwann ziehe ich wieder aufs Land. In ein Haus mit Garten. Und mindestens fünf Hunden und zehn Katzen.“
Richard wollte etwas antworten. Stattdessen streckte er die Hand aus, strich Evan durchs Haar. Tief in diesem begabten Hacker steckte noch der Farmjunge, der im ländlichen Kanada aufgewachsen war. Evan lächelte ihn an, sehnsüchtig und ein wenig bedrückt.
Jetzt nicht nachdenken. Mit leerem Kopf folgte Richard einem Impuls, beugte sich vor und küsste Evan auf die geschlossenen Lippen.
„Sei ein braver Junge“, sagte er leise, straffte sich und verließ die Wohnung.
Bring gute Nachrichten mit.
Richard schnaufte, seine Schritte hallten über den nackten Betonboden der Tiefgarage, der Autoschlüssel klirrte leise in seiner Hand. Nein, er hatte nichts Gutes erfahren. Nichts, was sie weiterbringen würde.
Dank Evans Hinweisen hatte Jacks IT-Abteilung zwar weitere Angriffe abwehren können, aber sie tappten immer noch im Dunkeln, kannten den Ursprung noch nicht. Wieder und wieder war Richard die Akten aller Angestellten durchgegangen. Aber jeder, der im direkten Kontakt mit Jack stand, war sauber. Ob Evan sich in diesem Fall irrte? Womöglich hatte doch jemand von außen diesen Schlüssel in die Firewall eingebaut?
Mit einem gedankenverhangenen Hirn und einem Rucksack mit frischer Wäsche und Kleidung lief Richard weiter, durch die weitläufigen Gänge der Tiefgarage.
Jack hatte das Millionenobjekt in der West Street in Manhattan vor Jahren gekauft. Das Penthouse bewohnte er selbst, eine der Luxuswohnungen stellte er Richard zur Verfügung.
Zu dem Komplex gehörten ein Infinitypool, ein Fitnessstudio und ein Kinoraum. Richard schnaufte ein kurzes Lachen. Vor mehr als zwanzig Jahren waren er und Jack einfache Studenten gewesen. Jack mit einem Begabtenstipendium, er selbst mit einem von der Army. Wie unterschiedlich sich ihre Leben doch entwickelt hatten.
Jack hatte aus einer kleinen Investition ein Immobilienimperium geschaffen. Heute genoss er sein Leben, unterstützte liberale Politiker und gemeinnützige Organisationen und wechselte die jungen Lover wie die Unterwäsche.
Evans Gesicht tauchte in Richards Kopf auf. Das überraschte Lächeln, das er bei dem Abschiedskuss gezeigt hatte. Die Erinnerung an den Duft von Minze und Honig stieg in seine Nase. Er schüttelte den Kopf, konnte sich doch nicht von dem Bild lösen.
„Für ihn bist du ein älterer Mann“, sagte er zu sich selbst und atmete durch. Kurz vor dem Bereich, in dem er geparkt hatte, blieb er stehen. Rich, du brauchst frische Luft,
hörte er eine Stimme aus seiner Vergangenheit sagen. Und einen Kerl
, fuhr die Stimme fort und lachte. Nicht zum Vögeln, das kannst du auch so. Einen, der sich freut, wenn du nach Hause kommst und dich fragt, wie dein Tag gewesen ist. Was fürs Herz.
Richard umklammerte den Schlüssel. Diese Unterhaltung hatte er mit Zain im Auto geführt. Sie hatten damals einen
Verdächtigen überwacht. Er stoppte seine Gedanken vor dem Ereignis, das kurz darauf gefolgt war.
„Du hast recht, alter Freund“, sagte er in die Stille der Garage hinein. Seine Stimme hallte von den Wänden. „Ich brauche frische Luft.“
Mit schnellen Schritten eilte er in Richtung Ausgang, betätigte die App, mit der sich die Lichtschranke öffnen ließ. Und dann trat er hinaus ins abendliche New York. Hinaus auf die West Street, wo die Milliardärsdichte so hoch war, wie an nur wenigen anderen Orten in New York.
Auf dem schmalen Gehweg blieb er stehen, sah für eine Weile den Luxuswagen nach, die an ihm vorbei rauschten. Niemand sonst ging hier zu Fuß. Langsam, Schritt für Schritt, setzte er sich in Bewegung.
Je weiter er die monströsen Hochhäuser mit ihren sündhaft teuren Wohnungen hinter sich ließ, desto freier wurde seine Brust. Gedanken lösten sich, flatterten im Abendwind. Er wollte zurück, nach Evan sehen, ihm von seinem Tag erzählen. Es war nicht das erste Mal im Leben, dass jemand diese Gefühle in ihm auslöste. Aber das erste Mal, dass er mit diesem Menschen ein Bett teilte. Und doch blieb es eine Illusion.
Bald konnte er den Battery Park am Ende Manhattans sehen und in der Ferne stand Lady Liberty auf ihrem Sockel, erhaben und unbeeindruckt von der Zeit.
Der Wind wehte den Geruch von Algen zu ihm, kündigte das Meer an, über das so viele Menschen in die Stadt gekommen waren.
Er erreichte den Park an der Südspitze Manhattans, setzte sich auf eine der Bänke und starrte zur Ellis Island hinüber. Hoffnungsinsel wäre ein besserer Name gewesen. Denn mit nichts weiter als dem Wunsch nach einem besseren Leben, waren Millionen von Menschen dort angekommen.
Wie zur Bestätigung drang ein Geräusch an sein Ohr. Aber besonders hoffnungsvoll klang es nicht. Eher jämmerlich.
Richard sah sich um und stutzte. Kaum eine Armlänge neben ihm stand eine Tiertransportbox. Stauden und niedrige Bodendecker rahmten sie fast völlig ein, so dass man sie vom Weg aus nicht sehen konnte. Ein Japsen war zu hören, dann ein leises Jaulen. Oder ein Weinen? Richard schnaufte, stand auf und beugte sich vor, bis er in die Kiste spähen konnte.
„Idioten. Wer setzt denn sein Haustier dort aus, wo es niemand findet?“, brummte er.
Aber durch die braune Plastikbox konnte er nur etwas Weißes erkennen. Die Kiste war zu klein für einen Hund. Sicher befand sich eine Katze darin.
Unter einem Stöhnen hob er die Box auf die Bank und blickte durch die Gitterstäbe. Was zur Hölle war das für ein Tier? Ein zerknautschtes Gesicht starrte ihn aus einem Berg von weißem Fell aus an. Obwohl kaum größer, handelte es sich eindeutig nicht um eine Katze.
Plötzlich gab das Bonsai-Knautschgesicht ein heiseres Bellen von sich, das er diesem kleinen Geschöpf nicht zugetraut hätte.
„Komm schon, du bist doch kein Hund“, stellte er fest, aber sein Gegenüber stieg nicht in die Diskussion ein, bellte stattdessen erneut. „Zain“, sagte Richard laut, als würde seine Stimme so die Welt erreichen, in der Zain sich inzwischen befand. „Das ist alles deine Schuld. Du und mein kleiner Hutterer-Junge, ihr träumt von frischer Luft in einer Stadt, die das Konzept nicht einmal kennt.“ Er schüttelte den Kopf, während das weiße Knautschding seine Nase durch das Gitter schob und schnüffelte. „Und jetzt habe ich ein Tier an der Backe, das ganz sicher kein Hund ist, aber bellt wie einer.“
Er zuckte mit den Schultern und sah sich um. Niemand befand sich in seiner Nähe. In der Ferne übten ein paar Kids
mit ihren Skateboards. Denen könnte er das Tier geben. Er schnaufte laut, sah den Fellball jaulend auf einem Skateboard. Zögerlich umfasste er den Griff der Box, hob sie an und lief los. Das Tier darin gab ein protestierendes wuff
von sich.
„Mich täuschst du nicht, du Möchtegern-Hund“, brummte Richard und lief weiter, zurück zur West Street. „Im Tierheim finden sie schon heraus, was du bist.“
Die Tiefgarage wirkte so verlassen wie zuvor. Zumindest gab der weiße Fellbonsai inzwischen Ruhe. Wahrscheinlich war er von dem Geschaukel eingeschlafen. Na, im Wagen blieb genug Zeit, den Weg ins nächstgelegene Tierheim herauszusuchen. Gerade bog Richard in Jacks privaten Parkbereich ab, da mischte sich ein weiteres Geräusch unter seine Schritte. Er blieb stehen, lauschte. Kein Laut war mehr zu hören. Er hob eine Schulter, lief weiter. Sicher einer der Angestellten, die von einer Besorgung zurückgekommen waren.
Und dann brach die Hölle los. Flauschbonsai begann zu bellen und die tiefen Töne hallten vielfach von den Betonwänden.
Richard zuckte zusammen, presste die Box dichter an sein Bein. „Schhh, du Teufelsbraten“, raunte er. „Gleich bringe ich dich zurück und du kannst den nächsten an jaulen.“
Aber verstärkt durch die nackten Wände hallten die Töne durch die Hallen. Richard rollte mit den Augen. Das kleine Ding hatte eine Stimme wie ein irischer Wolfshund. Eilig wollte er den Wagen erreichen. Stoppte erneut. Unter dem ohrenbetäubenden Kläffen war das Geräusch von Schritten auszumachen.
Richard sah sich mit skeptischem Blick um, stellte die Box neben den Wagen ab. Wieso rannte jemand durch die Tiefgarage? Mit einem Griff nahm er die Pistole aus dem Schulterholster, hielt sie unter seiner Jacke versteckt.
Er umrundete den Wagen, stoppte an der Beifahrerseite.
Kratzspuren überzogen den schwarzen Lack. „Mistkerle“, schnaufte er. Jemand hatte versucht, einzubrechen, und war offensichtlich dabei gestört worden.
Hastig lief er zurück, schwang sich auf die Fahrerseite und hob die Transportbox auf den Beifahrersitz. Der Mini verstummte augenblicklich. Er schloss die Türen, verriegelte sie von innen und startete den Wagen. Schon fuhr er los. Verdammt. Er musste nach Evan sehen. Besser er rief an. Die Telefone waren heute nach Evans Angaben überprüft und gesichert worden. Während er die Garage verließ und auf die Straße bog, gab er den Sprachbefehl, Evan anzurufen.
„Sir?“, fragte der und ein Augenzwinkern klang in der förmlichen Anrede mit.
„Alles okay bei dir?“
„Bestens. Hoffentlich hast du Hunger. Ich habe eine Kleinigkeit gekocht. Bei dir auch alles in Ordnung?“
Richard schwieg für einen Moment. „Ein übergewichtiges Frettchen hat einen Einbruch in den Wagen verhindert“, erzählte er beiläufig. Tatsächlich hatte er Jacks Einladung zum Abendessen abgelehnt und dabei an eine weitere Pizza mit Evan gedacht.
„Ein Einbruch? Und was für ein Frettchen? Richard, was ist los bei dir?“ Klang Evan etwa besorgt?“
„Nichts. Ich bin in zwanzig Minuten bei dir.“ Aus den Augenwinkeln sah er die Box. „In dreißig“, verbesserte er. Zuerst musste er den Kläffer loswerden. Wobei der ein guter wach ... was auch immer, war. Da gab das Tierchen schon wieder Laut und jaulte leise, so als hätte es seine Gedanken verstanden.“
„Ist das ein Hund?“, fragte Evan, mit einem Mal aufgeregt. „In deinem Auto?“
„Nein!“, versicherte Richard. „Ich habe es im Battery Park gefunden und bringe es jetzt ins Tierheim.“
„Ins Tierheim?“ Wieso klang Evan so entsetzt? „Aber wenn sie den Hund nicht vermitteln können, werden sie ihn töten.“
Richard seufzte tief. „Es ist kein
Hund!“, betonte er. „Eher ein dickes Frettchen. Eines, das Fremdsprachen beherrscht. Was weiß ich.“
„Ein bellendes Frettchen? Habe ich noch nie gehört“, gab Evan zu bedenken.
Richard brauste weiter über die Straßen Manhattans Richtung Brooklyn Bridge. Mindestens fünf Hunde und zehn Katzen.
Nein, er konnte das Miniaturbiest nicht mitnehmen. Es verursachte Dreck und eine Menge Lärm. Aber Evan wäre gestern fast erschossen worden, hatte sein Haus verlassen müssen. Auf keinen Fall! Ein Tier kam nicht infrage.
„Eine Nacht“, hörte er sich sagen. „Morgen früh bringen wir es in ein Tierheim.“
„Ich bin total gespannt, was du gefunden hast“, freute Evan sich laut und Richard konnte ihn förmlich lächeln sehen.
Verdammt. Er wollte selbst gerne wissen, was er da mitschleppte.