Kapitel 15 Richard
Richard zwang sich, nicht nach unten zu sehen. Ein grauer Schleier legte sich auf seine Seele. Verdammt. Evan würde sich zu Recht abwenden und er würde ihn vermissen. Den festen kleinen Hintern, der sich im Bett warm gegen seine Mitte presste. Die vollen Lippen, die ihn am Morgen küssten. Ihre Unterhaltungen am Abend, die Art, wie sie schweigend zusammen arbeiten konnten.
Da sank Evan auf die Knie. Für einen Moment ließ er seine Hand zwei Finger breit über Richards Knöchel schweben, dort, wo die Narben begannen.
„Tut es noch weh?“, fragte er leise.
„Nein“, gab Richard irritiert zurück und starrte nun doch nach unten.
„Darf ich?“ Evan wartete die Antwort nicht ab. Vorsichtig strich er mit den Fingerspitzen über die Brandnarbe, erkundete die Unebenheiten. Fast wirkte er wie ein Blinder, der Punktschrift las. So andächtig fuhr er das Narbengewebe ab. Richard blinzelte verstört. Was ging hier vor sich? Zum ersten Mal seit langer Zeit starrte er selbst auf den Weg, den die Flammen in seine Haut gefressen hatten. Er begann etwas oberhalb des Knöchels, breitete sich nach oben aus und bedeckte die Außenseite des rechten Oberschenkels. Wie ein Quilt wirkte die Oberfläche, durchzogen von einigen Hauttransplantationen. Ein Teil seines rechten Arms wies ähnliche Muster auf.
Noch nie hatte ihn jemand dort angefasst. Er selbst berührte die Stellen nicht, wenn es sich vermeiden ließ. Dabei schmerzten sie schon lange nicht mehr. Da er bis vor einer Woche seine Erektionsfähigkeit verloren hatte, hatte es keinen Grund dazu
gegeben. Selbst bei Evans Blowjob hatte er darauf geachtet, dass der nicht mehr als den Schaft zu sehen bekommen hatte.
„Was tust du denn?“, fragte er perplex.
„Wie eine Landkarte“, gab Evan nur zurück und beugte sich vor.
Richards Lippen öffneten sich, doch kein Wort drang aus seinem Mund. Er wollte protestieren, aber die Fassungslosigkeit ließ ihn verstummen. Sanft streifte Evan mit seinen Lippen über die breite Narbe am Oberschenkel. Sieh nicht hin.
Aber Evan sah hin, betrachtete den teils verbrannten Hoden. Nur Flammenspitzen hatten ihn erreicht, sorgten für eine dünne Narbenspur. „Das muss sehr wehgetan haben“, sagte Evan leise und schmiegte seine Lippen auf die Narbe.
„Ich bin vier Jahre lang nicht mehr hart geworden“, erklärte Richard leise. „Laut der Ärzte gab es keinen medizinischen Grund dafür.“
Evan nickte. Küsste den vernarbten Hoden noch einmal. Dann widmete er sich dem anderen, während er unentwegt über Richards Oberschenkel strich. So, als wäre es nicht abstoßend und widerlich, solche Narben zu berühren. Die sanften Lippen, die Zunge, die über die Wurzel seines Schaftes spielte, ließ Nebel in Richards Kopf aufsteigen. Wärme durchströmte ihn, vertrieb die eisige Kälte seiner Erinnerungen. Nach und nach sah er Evan wirklich – starrte ihn nicht nur an. Bemerkte, wie liebevoll Evan über seine Narben strich, sich seinen Hoden widmete. Doch als sein Schwanz zuckte und begann sich aufzurichten, legte er Evan beide Hände auf die Schultern. Ohne Druck schob er ihn von sich fort.
„Du musst das nicht tun“, sagte er mit rauer Stimme. „Es ist nicht Teil des Spiels.“
„Gut. Ich spiele nicht.“ Evan hatte den Kopf in den Nacken gelegt und sah ihn an. „Du nimmst mich ernst, auch wenn ich
vor dir knie. Bei dir darf ich so sein, wie ich bin“, sagte er. „Und ich will dich genau so, wie du bist.“
Richard schüttelte den Kopf. „Sieh mich an. Schau wirklich hin – ist es das, was du willst?“
Evan ließ seinen Blick über die Narben schweifen und schließlich auf Richards Schaft ruhen. Der stand auf halbmast, wohl etwas unsicher, in welche Richtung er sich bewegen sollte. Aber Evan lehnte sich vor, züngelte darüber und schon richtete sich Richards Erektion komplett auf. „Ja“, erwiderte Evan schlicht. „Du bist es wirklich, den ich will. Schon so lange“, fügte er an. „Was sollten ein paar Narben daran ändern? Du überfällst meine Freunde und hasst meinen Hund und ich will dich trotzdem.“
„Seit wann ist es dein Hund?“, fragte Richard verwirrt.
„Du hast ihn doch für mich mitgebracht?“ Evan blinzelte und lächelte breit.
„Ja, schon.“ Richard schüttelte den Kopf. So offen hatte er das nicht zugeben wollen. „Von mir aus. Das Minimonster gehört dir.“
Und schon ließ Evan seine Lippen wieder an Richards Schwanz auf und ab wandern, küsste beide Hoden. Seine Finger spielten dabei über Richards Narbengewebe, berührten und streichelten einen Weg nach unten, dann wieder zurück.
Richard legte eine Hand auf Evans Hinterkopf und schüttelte kaum merklich den Kopf. „Wieso bist du nicht angewidert?“, fragte er, während er Evan durchs Haar strich.
„Sie gehören zu dir“, erklärte der, während er Richards Hoden mit seinen Fingern massierte. „Und ich mag jeden Teil von dir. Sehr.“
Und dann verstummte er, küsste eine Spur über Richards Schaft und nahm ihn endlich auf. Richard stöhnte. Mit einem letzten Gedanken klammerte er sich an die Kontrolle. Ließ sich dann von der Lust fortspülen.
Evan massierte seinen Schaft mit Zunge und Lippen, setzte seine Zähne so virtuos ein, dass Richard kehlige Lustlaute von sich gab. Langsam und mit Bedacht brachte Evan ihn an den Rand der Klippe. Immer wieder nahm er ihn auf, ließ den Schaft langsam an seiner Zunge vorbeigleiten. Nicht für einen Augenblick unterbrach er das Spiel seiner Fingerspitzen. Richard lehnte sich gegen die Kommode und versank tief im Treibsand seiner Begierde – Hand in Hand mit Evan. Der richtete sich mit einem Mal auf, lehnte sich in einen zärtlichen Kuss und ließ Richard in seiner Hand kommen. Der Höhepunkt breitete sich wie ein Feuerwerk in ihm aus, verdrängte jede andere Absicht. Mit einem Arm hielt er Evan fest gegen seine Brust gepresst, während sie sich beide in dem langen Kuss auflösten.
„Es ist viel schöner, wenn du ab jetzt auch nackt schläfst“, verkündete Evan, während er ein wenig später Richard mit einem nassen Waschlappen säuberte.
„Das ist dein Fazit?“, fragte Richard, immer noch ein wenig verwirrt.
„Klar“, bemerkte Evan, sprang auf die Füße und brachte den Lappen zurück ins Bad. „Ist doch viel praktischer um diese Jahreszeit. Wir wärmen uns gegenseitig.“
Kopfschüttelnd sah Richard ihn an. Inzwischen hatte er auch seine Strümpfe abgestreift. Zum ersten Mal seit langer Zeit stand er wieder nackt vor einem Mann. Einem jungen Mann, der von ihm im Bett gewärmt werden wollte. Wie hatte das passieren können? Geschlagen hob Richard eine Schulter. Evan war nicht entsetzt fortgelaufen, hatte sogar einige seltsame Dinge gesagt und getan. Für heute würde sich also die Blase um sie beide wieder schließen.
Und da schmiegte sich Evan auch schon von hinten an seinen Rücken. „Es ist schon spät, ich weiß. Aber können wir es tun, Sir? Die Nummer eins auf meiner Liste?“
Richard strich über Evans Finger, die er vor seinem Bauch verschränkt hatte. Der lange Tag, die vielen Menschen und seine dunklen Erinnerungen – all das lastete schwer auf seinen Schultern. Aber Evans ebenso harmloser wie rührender Wunsch hellte den Bereich in seinem Hirn auf, der Evan nichts abschlagen konnte.
„Aber ich kann es nicht mit einem normalen …“, begann Richard.
„Kein Problem“, verkündete Evan aufgeregt. „Sunny hat mir eine kleine Dose mitgebracht. Damit kann man es tun, und später ganz leicht entfernen.“
„Du hast Sunny davon erzählt?“ Richard zog die Augenbrauen zusammen. „Von deiner geheimen Liste?“
„Natürlich nicht“, erklärte Evan ein wenig zu gut gelaunt für die späte Uhrzeit. „Na ja, er wird sich denken, dass ich es nicht an mir selbst ausprobieren will.“
Richard seufzte schwer. „Jetzt ist es ohnehin egal. Jack und Liam wissen, dass wir hier nicht nur arbeiten und uns vor bösen Jungs verstecken.“
„Na und?“, fragte Evan. „Wir wissen doch auch, dass Jack und Liam nicht nur Monopoly zusammen spielen. Oder bin ich dein geheimer Geliebter?“ Er lachte leise. „Nur vor wem werde ich versteckt? Dein Chef ist ein offen schwuler Unternehmer, ein Teil deines Jobs ist es, einen Partyclub für schwule Männer zu organisieren.“
Richard drehte sich um, dachte über die Frage nach. Er legte Evan eine Hand an die Wange, küsste ihn auf die Lippen. „Mein Geliebter, ja?“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Und die Worte klangen richtig. „Vielleicht wollte ich es vor mir selbst geheim halten“, sagte er und lachte. Dann tätschelte er Evans
Hinterbacke. „Hol die ominöse Dose und zieh dich aus“, befahl er.
„Ja, Sir. Sehr gerne“, antwortete Evan mit leuchtenden Augen.