Kapitel Elf

L ogan


Ich hielt Noel fest an mich gedrückt, unsicher, was ich von dieser neuen Entwicklung halten sollte. Irgendwie war mir nie der Gedanke gekommen, dass er uns beide wollen könnte, und noch viel weniger hätte ich erwartet, dass Mitch damit einverstanden wäre.

Als ich ihn nach all den Jahren wiedersah, war da so viel Liebe und Sehnsucht in meinem Herzen, aber ich konnte es einfach nicht riskieren, wieder verletzt zu werden. Aber was, wenn Noel das Bindeglied zwischen uns beiden wäre? Was, wenn er die Lösung war, die wir vor Jahren nicht gesehen hatten? Ich hatte mich nie in einer Beziehung mit zwei Männern gesehen, aber jetzt, wo ich sie beide in meinen Armen hielt, konnte ich mir vorstellen, dass es klappen könnte. Ich kannte Noel nicht besonders gut, aber er passte einfach hierher, zu uns beiden. Wir würden die Zukunft abwarten müssen, aber ich war bereit, es zu versuchen.

Noel und Mitch küssten sich vollkommen unbeeindruckt von den paar seltsamen Blicken, die wir ernteten. Es widerstrebte mir, die beiden zu unterbrechen, aber ich wollte Noel auch noch mal küssen, bevor wir ihn gehen ließen, um seine Gedanken zu sortieren. Auch wenn er jetzt sehr willig und offen für die Idee schien, mussten wir ihm Zeit geben.

Also zog ich mich zurück und drückte Mitchs und Noels Schultern. „Das ist ein echt heißer Anblick, aber wir sollten überlegen, wie es jetzt weitergeht. Und außerdem wird das hier jetzt dann unanständig, wenn wir uns nicht zurückhalten.“ Außerdem hätte Noel dann ganz sicher keine Zeit, über irgendwas nachzudenken, außer er konnte das, während er gefickt wurde. Und sollte das der Fall sein, machten entweder Mitch oder ich wirklich etwas falsch.

Noel sah mich an, die vollen Lippen vom Küssen geschwollen. „Du findest das heiß?“

Ich lächelte ihn an. „Glaube mir, wenn wir nicht in der Öffentlichkeit wären, würde ich euch beiden gerne noch viel länger beim Knutschen zusehen. Ich müsste nicht einmal mitmachen, nur zuschauen ist perfekt. Wobei, da hätte ich auch nichts dagegen. Und wenn wir jetzt nicht aufhören, suche ich ein Gebüsch, glaub mir.“ Ich zwinkerte ihm zu.

Mitch lachte leise, als er Noels komplett ungläubigen Blick bemerkte, mit dem er mich anstarrte. Wieso hatte ich das Gefühl, dass Noel keinerlei Ahnung hatte, wie sexy er war?

„Ich stimme dir nur ungern zu, aber du hast wohl recht.“ Mitch zog sich zurück, nahm stattdessen Noels Hand und verschränkte ihre Finger.

Noel starrte zu ihm auf, die Augen immer noch groß und ein bisschen verloren. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er wegen den Küssen schon nicht mehr wirklich denken konnte. Das sollte nicht so sexy sein, wie es war, oder?

Schließlich schien er sich zu fangen und bemerkte Adam, der etwas entfernt dastand und sehr offensichtlich in die andere Richtung blickte. „Kann ich kurz mit ihm reden?“

Ich nickte. „Natürlich, mach nur.“ Meinem inneren Dom gefiel es sehr, dass er fragte, auch wenn es wahrscheinlich nur aus Höflichkeit passierte. Aber egal, er hatte um Erlaubnis gebeten und das zählte.

Noel drehte sich um und eilte zurück zu Adam, während mein Blick Mitchs traf.

„Meinst du, wir können das zum Laufen bringen?“ Er sah mich unsicher an.

„Ich habe keine Ahnung, um ehrlich zu sein. Vielleicht wäre es besser, es nicht zu versuchen, bevor wir alle wieder verletzt werden.“ Ich sah Mitch weiterhin in die Augen und versuchte herauszufinden, was er wirklich wollte, aber ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht lesen.

Aber eigentlich war es klar. Sollten wir scheitern, würde es Noel das Herz brechen, und an meines wollte ich gar nicht erst denken, genauso wenig wie an Mitchs.

„Ich denke, wir sollten es versuchen. Wir können es nicht wissen, wenn wir es nicht versuchen, und ich würde wirklich gerne sehen, wohin das führen könnte.“

Ich starrte ihn an und versuchte zu verstehen, was genau er damit sagen wollte. Es klang wie ein Ja, aber wie ein sehr zögerliches.

„Ist das ein Ja oder ein Nein?“

„Die Liebe war noch nie das Problem zwischen uns beiden. Vielleicht können wir es mit Noel tatsächlich schaffen. Er geht mit unserer Dominanz vermutlich besser um als wir beide. Und alles andere war nie ein Problem.“ Mitchs Augen waren dunkel und intensiv und brannten … vor Verlangen?

„Glaubst du wirklich, dass dich jemand aushält?“, fragte ich grinsend.

„Oh, du …“ Er warf mir einen harten Blick zu, aber ich hörte das Lachen in seiner Stimme.

„Was willst du denn machen? Mir den Hintern versohlen?“, fragte ich und wich ihm aus, als er einen Schritt auf mich zukam.

„Nein, ich glaube, das hebe ich mir für Noel auf, nur für den Fall, dass er sich danebenbenimmt.“ Mitch hielt mit einem Glitzern in den Augen inne. „Ich werde ihm einfach deine schmutzigen Geheimnisse erzählen.“

„Wage es ja nicht.“ Ich starrte ihn an, nicht ganz sicher, ob er seine Drohung wahr machen würde.

„Das ist ein Problem, wenn du dich wieder mit deinem Ex-Freund triffst.“ Er grinste. „Ich kenne dich viel zu gut. Und das solltest du dir merken.“

Jetzt war es an mir zu grinsen, und diesmal trat ich einen Schritt näher, was mich fast in Kussnähe brachte. „Das Problem ist – es geht in beide Richtungen. Ich kann ihm auch eine Menge über dich erzählen.“

„Verdammt.“ Daran hatte er offensichtlich nicht gedacht. „Ich schätze, wir müssen uns hinsetzen und ein paar harte Limits besprechen.“

Ich nickte und sah zu Noel hinüber, der sich mit Adam unterhielt. „Wir müssen uns auch mit ihm zusammensetzen. Vielleicht klappt das zwischen uns, vielleicht auch nicht, aber ich möchte ganz sicher nicht, dass einer von uns verletzt wird, nur weil wir nicht genug geredet haben. Ich denke, eine Dreierbeziehung ist sowieso schon schwierig, aber in unserem Fall könnte es noch schlimmer werden. Nach dem, was ich von Adam gehört habe, ist Noel sehr unerfahren und ich will nicht, dass er uns vertraut, nur um am Ende verletzt zu werden.“

Vielleicht war ich etwas voreilig, aber ich wollte sichergehen, dass wir das von vornherein festlegten.

Wir waren noch weit davon entfernt, eine Beziehung zu führen. Erst mal mussten wir uns besser kennenlernen. Um eine Beziehung wie unsere einzugehen, brauchten wir Vertrauen, und wenn wir das nicht hatten, würde es auf keinen Fall funktionieren.

„Ich denke, das sollten wir machen. Wenn du daran arbeiten willst und … du weißt schon … unsere Probleme wie Erwachsene besprechen willst, dann gibt es vielleicht einen Weg. Noel sollten wir aus dem Gespräch heraushalten, zumindest am Anfang. Mit unserer Vergangenheit sollten wir erst ein paar Dinge klären, bevor wir ihn ins Spiel bringen.“

„Auf jeden Fall.“ Ich blickte wieder zu Noel, der gerade in Adams Arme gezogen wurde.

„Ich will nur nicht, dass irgendwelche Erwartungen entstehen und wir dann feststellen, dass wir es völlig falsch gemacht haben.“

„Ja, da hast du absolut recht.“ Mitch trat vor, zog mich in seine Arme und drückte mir einen sanften Kuss auf die Lippen. Erschrocken brauchte ich einen Moment, bevor ich meine Arme um ihn legte und die Lippen öffnete, um den Kuss zu erwidern. Mitch küsste mich tief, nicht ganz so dominant wie zuvor, aber trotzdem so anders, als es mit Noel gewesen war. Keinesfalls schlechter allerdings. Ganz sicher nicht.

Ich ließ mich in seine Arme sinken und genoss das Gefühl, ihn wiederzuhaben, diesmal ohne schlechtes Gewissen, ohne „Wir sollten das nicht tun“ und mit Noel, der wusste, was vor sich ging und deshalb hoffentlich nicht verletzt wegrennen würde.

Als Mitch den Kuss beendete, atmeten wir beide schwer. Verdammt, wie sehr hatte ich ihn vermisst … und wie viel besser war es, ihn jetzt wieder in meinen Armen zu haben.

Mitch legte seine Stirn an meine, genauso schwer atmend.

„Das ist wirklich nicht das, was ich erwartet habe, als ich mir vorgestellt habe, mit euch in den Zoo zu gehen“, flüsterte ich und stahl mir einen weiteren Kuss. Wie sollte ich auch widerstehen, wenn Mitch so verführerisch vor mir stand?

„Geht mir genauso, aber ich beschwere mich sicher nicht.“

Ich nickte, Mitch drückte mir noch einen Kuss auf die Lippen, dann drehen wir uns um und machten uns auf den Weg zum Eingangsbereich, wo Adam immer noch einen Arm um Noel gelegt hatte, aber mittlerweile sahen sie uns beide an.

„Das war ein toller Tag heute.“ Noel strahlte so glücklich, dass ich mich gleich noch mal zu ihm lehnen musste, um ihn zu küssen. Verdammt, seine Lippen machten süchtig. Und vielleicht schaffte ich es nicht, mich nach einem kurzen Kuss von Noel zu lösen. Genau genommen erst, als sich Mitch sehr, sehr laut und aufdringlich räusperte. Dann zog ich mich langsam aus dem Kuss zurück und ließ meine Stirn noch einen Moment an Noels ruhen, bevor ich Mitch einen bösen Blick zuwarf.

Mitch lachte nur und zog Noel zu einem schnellen Kuss zu sich, dann drückte er mir einen auf die Lippen, sehr zu meiner Überraschung.

„Also, ich denke, wir sollten Schluss machen. Auch wenn ich nichts dagegen hätte, das Date noch länger andauern zu lassen, Logan sollte noch in den Club schauen, Adam vielleicht auch, und generell denke ich, haben wir erst mal genug, um darüber nachzudenken, was heute passiert ist.“ Mitch klang entschieden zu vernünftig.

Noel sah ihn an, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er dankbar war, dass er erst mal seine Gedanken sortieren konnte, oder ob er verlangen sollte, das Date fortzusetzen. Ich konnte es ihm nachempfinden, mir ging es ähnlich. Und auch wenn ich mir heute freigenommen hatte, ich brauchte Zeit für mich allein, um mit der ganzen Sache klarzukommen und wirklich zu verarbeiten, was passiert war. Also nickte ich. „Ich glaube, Mitch hat recht, so ungern ich das auch zugebe. Wir sollten uns Zeit nehmen, das alles zu verarbeiten und einander besser kennenlernen. Wir beide haben genug Vergangenheit miteinander, dass wir aufpassen sollten, dass es uns nicht um die Ohren fliegt, und nichts für ungut, Baby, aber du musst auch erst mal lernen, mit zwei so Sturköpfen wie uns zurechtzukommen.“

Mitch schnaubte. „Ein Sturkopf vielleicht. Ich bin der umgänglichste Typ –“

Den Satz beendete er nicht, weil ich ihn mit einer Hand auf dem Mund stoppte. „Ich glaube nicht, dass du Noel gleich so anlügen willst, oder?“

Mitch wurde rot, dann begann er zu lachen. Das war nicht ganz die Reaktion, auf die ich gehofft hatte, aber besser als streiten. „Warum habe ich das Gefühl, dass wir beide oft genug aneinandergeraten werden?“

Ich grinste ihn an, aber diesmal war es Noel, der sich einmischte. „Weil ihr streitet und ich dann derjenige bin, zu dem ihr beide lieb seid. Klingt doch gut.“

Wir drehten uns beide zu ihm um. Er stand da, ein Grinsen im Gesicht, die Augen immer noch strahlend, als hätte er nicht gerade mehr oder weniger offen gesagt, dass er eine Beziehung mit uns haben wollte. Oder es zumindest versuchen wollte.

„Irgendwie habe ich das Gefühl, es wird auch uns beide brauchen, um diesen Frechdachs im Zaum zu halten.“ Mitch zwinkerte mir zu. „Aber das sollte eine Aufgabe sein, die Spaß macht.“

„Oh ja. Das auf jeden Fall.“

Noel nickte, als wäre er auch damit einverstanden, aber Adam verdrehte die Augen. Typisch. Erst uns beiden eine solche Rede halten, dass wir seinen besten Freund nicht verarschen sollten, und dann, wenn es tatsächlich ernst werden könnte, war er derjenige, den es störte. Egal. Der Tag, an dem ich über ihn lachen konnte, würde noch kommen. Irgendwann würde er einen Kerl sehen und wollen, und dann könnte ich die Augen verdrehen und ihn ärgern.

„Dann schreiben wir uns in der Gruppe und machen aus, wann wir uns das nächste Mal sehen.“

Noel nickte, genauso wie ich.

Mitch trat zu Noel, dann zog er ihn in einen Kuss. „Ich kann dich nicht ohne vernünftige Verabschiedung gehen lassen.“ Mit diesen Worten küsste er ihn, als wollte er sich nicht verabschieden, sondern eher hier auf dem Parkplatz allen zeigen, wie scharf er Noel fand. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, die beiden zusammen zu sehen – auch wenn ich mir noch nicht vorstellen konnte, dass das Wirklichkeit werden könnte –, aber Public Play war hier vielleicht doch nicht so toll. Sonst hätte ich mich vorhin nicht zurückhalten müssen, oder? Darauf hatten wir uns doch geeinigt.

Ich warf einen Blick zu Adam, der sehr betont seine Fingernägel ansah. Ich fand es heiß, Mitch und Noel so zusammen zu sehen, aber trotzdem kam ich mir etwas komisch vor, weil ich danebenstand. Wie es für Adam war, wollte ich mir gar nicht erst vorstellen. Noel war ihm wirklich verdammt wichtig, wenn er sich das alles antat, nur um auf ihn aufzupassen. Es war gut, wenn man einen solchen Freund an seiner Seite hatte. Auch wenn der einen mehr oder weniger bedrohte, wie es Adam getan hatte.

Als sich Mitch schließlich von Noel trennte, atmeten sie beide schwer, Noels Augen waren halb geschlossen und er sah so entspannt aus, als würde er jeden Moment einfach zu Boden sinken.

Mitchs Küsse waren definitiv nicht langweilig, also hatte das wohl eher etwas damit zu tun, wie sehr Noels ursprüngliche Anspannung nachgelassen hatte. Ich liebte es, ihn so zu sehen. Wenn das zwischen uns klappte, würde ich alles tun, um öfter diesen Ausdruck auf sein Gesicht zu bringen.