Kapitel Zwölf

M itch


Eigentlich hätte ich nicht einmal überrascht sein sollen, als mein Handy piepste, kaum dass ich den Parkplatz verlassen hatte.

Logan würde das nie einfach so auf sich zukommen lassen, was zwischen uns dreien passieren könnte, und es lag auch überhaupt nicht in seiner Natur, einfach mal etwas abzuwarten. Er musste wissen, um was es ging und woran er war.

Auf meinen Lippen lag noch sein Geschmack, denn ich hatte auch ihn zum Abschied geküsst – eingehend, natürlich –, aber wirklich sicher war ich mir noch nicht, wie er mit der ganzen Sache umgehen würde. Logan war ein Planer, jemand, der Sicherheit brauchte. Die Ironie, dass ich derjenige mit dem Job war, der genau das erforderte, entging mir nicht. Allerdings bestand die Möglichkeit, dass er es mehr brauchte als ich, weil ich diesen Drang im Job schon ausleben konnte. Wobei, wenn ich so darüber nachdachte, vielleicht brauchte ich mehr die Kontrolle, wo er die Planung haben musste, um sich sicher zu fühlen.

An der nächsten roten Ampel zog ich mein Handy hervor, um die Nachricht zu lesen.

Können wir reden?

Ich grinste in mich hinein, weil ich so richtiggelegen hatte. Logan musste definieren, wie es weiterging.

Die Ampel sprang auf Grün, also gab ich Gas, ohne die Nachricht zu beantworten. Erst als ich zu Hause war, zog ich mein Handy wieder hervor, um Logan zu schreiben.

Klar können wir reden. Telefon oder persönlich?

Ein Teil von mir wollte ihn gleich noch mal treffen. Ich hatte noch nicht genug von ihm bekommen, bei Weitem nicht. Die Male, die wir uns geküsst hatten – und das eine Mal, das aus dem Ruder gelaufen war –, waren einfach unglaublich gewesen. Und jetzt, mit der Aussicht, dass wir das wieder haben könnten? Verdammt, ich wollte ihn. Ich wurde schon hart, wenn ich nur daran dachte. Und das war, bevor ich mir Noel zusammen mit Logan vorstellte. Die beiden waren heiß. Heißer als heiß.

Erst dachte ich, ich würde eifersüchtig werden, und das war ich auch, nachdem Logan und ich in seinem Büro rumgemacht hatten. Damals war ich mir sicher gewesen, ich war eifersüchtig darauf, dass Noel mit Logan enden könnte, aber irgendwann zwischen den Küssen heute war mir klar geworden, dass ich eifersüchtig darauf war, dass die beiden mit dem jeweils anderen enden könnten. Ich wollte nicht einen. Ich wollte sie beide.

Gleichermaßen, wenn auch nicht auf die gleiche Art.

Mein Handy piepste wieder und ich zog es hervor. Persönlich könnte besser sein, meinst du nicht?

Das klingt fast, als würdest du noch ein Date haben wollen. Ich konnte nicht anders, ich musste ihn einfach etwas ärgern.

Ich will kein Date. Das hatten wir schon. Nur reden.

Ärgern ließ er sich also nicht.

Ich antwortete: Dann reden, auch gut. Willst du vorbeikommen oder irgendwo in der Öffentlichkeit?

Ich glaube nicht, dass wir beide uns irgendwo privat treffen sollten, zumindest nicht, bis wir festgelegt haben, wie die Regeln sind.

Ein Teil von mir war fast enttäuscht, andererseits konnte ich nicht leugnen, dass der Vorschlag, nicht allein zu sein, ziemlich sinnvoll klang. Ich traute keinem von uns zu, die Hände bei sich zu behalten, und die Sache zwischen uns dreien würde so oder so schon schwierig werden, da mussten wir nicht noch vorher miteinander in die Kiste springen. Oder aufs Sofa. Oder auf den Tisch. Oder –

Ja, er hatte recht. Ich gab es ungern zu, aber er hatte komplett recht.

Logan antwortete fast sofort. Heute nicht mehr, ich musste doch noch mal in den Club, aber wie sieht es übermorgen aus? Morgen muss ich arbeiten .

Mist, das würde nicht einfach werden, das zu navigieren, denn ab Montag musste ich wieder ran, und wenn ich Feierabend hatte, wäre Logan bereits in der Arbeit. Das könnte es schwierig machen, einander zu sehen, was vor allem am Beginn einer Beziehung nicht gut war.

Zählte es eigentlich als Fernbeziehung, wenn man es einfach nie schaffte, sich zu treffen?

Ich holte mir ein Bier aus dem Kühlschrank und machte es mir auf der Couch bequem, bevor ich überlegte, was ich Logan antworten sollte.

Dass es nicht leicht sein würde, eine Dreierbeziehung zu führen, hatte ich mir schon gedacht, seit dem Moment, als ich verstand, dass ich sie beide wollte. Dass es an so einfachen Dingen wie Arbeitszeiten scheitern würde, eher weniger. Ich hatte auch keine Ahnung, wie wir das ändern sollten, nachdem Noel der Einzige war, der diese Zeiten flexibel planen konnte, wohl aber laut Adam genau deswegen ständig vergaß, Pausen zu machen oder zu schlafen. Das ging auch nicht, damit machte er sich kaputt, und es sprach nicht gerade für regelmäßige Arbeitszeiten, nach denen wir etwas planen konnten.

Es war aber auch genau die Art von Fürsorge, die ich liebte, wenn ich dafür sorgen konnte, dass er einen Zeitplan einhielt. Nur hatte es Logan in den Wahnsinn getrieben, wenn ich es nicht schaffte, seine Schlaf- oder Essensgewohnheiten zu ignorieren. Er hasste es, wenn ich mich da einmischte, und das war dann auch einer der Gründe gewesen, warum wir uns getrennt hatten. Mit Noel war das anders, es klang, als würde er uns beide brauchen, um dafür zu sorgen, dass er einen festen Tagesplan einhielt.

Aber ich war schon wieder viel zu schnell, ein klares Zeichen dafür, wie sehr ich es wollte. Mit Logan war es schon immer schwer gewesen, mich zurückzuhalten, wie unsere Begegnungen in seinem Club gezeigt hatten. Der Mann hatte etwas an sich, was all meine Selbstkontrolle in Flammen aufgehen ließ. Und was Noel anging … er hatte einem zweiten Date zugestimmt, und er hatte uns beide geküsst. Das bedeutete noch lange nicht, dass er auch Gefühle für uns beide entwickelte, dass es sowohl zwischen ihm und Logan als auch zwischen ihm und mir klappen würde, ganz zu schweigen von Logan und mir. Es hatte seine Gründe, warum wir uns getrennt hatten, und gegenseitige Anziehung war keiner davon gewesen. Was, wenn es wieder nicht klappte? Dann wäre auch Noel noch mit in der Sache drin, der sich dann entweder für einen von uns entscheiden müsste oder aber ohne jemanden dastand, etwas, was ich mir nicht einmal vorstellen wollte.

Ich nahm noch einen Schluck von meinem Bier, lehnte mich zurück, schaltete den Fernseher ein, nur um eine Geräuschkulisse um mich zu haben, und ging dann unseren Chat noch einmal durch.

Noel war so süß, so unschuldig. Ich konnte es nicht riskieren, ihm das Herz zu brechen. Vielleicht wäre es einfacher, mich gleich zurückzunehmen und Logan das Feld zu überlassen? Andererseits, das hatte ich vorher schon in Betracht gezogen, und schon da hatte ich festgestellt, dass ich das nicht könnte. Ich wollte Noel, wollte ihn so sehr, dass es wehtat. Und was Logan anging, ich hatte nie aufgehört, ihn zu wollen, das zu wollen, was wir gehabt hatten. Logan war der Mann, mit dem ich alt werden wollte, zumindest abgesehen davon, dass wir in gewissen Dingen nicht kompatibel waren.

Verdammt, ich drehte mich im Kreis.

Nach noch einem Schluck Bier öffnete ich meine Unterhaltung mit Logan wieder.

Dann komme ich morgen Abend bei dir im Club vorbei. Wir müssen klären, wie das laufen soll, sonst geht das nicht gut aus. Noel ist zu unerfahren, ich denke, den sollten wir erst mal raushalten, aber wir beide müssen reden.

Erst als ich die Nachricht abgeschickt hatte, fiel mir noch etwas ein. Immerhin waren wir nicht in der Öffentlichkeit, wenn wir uns in seinem Büro trafen. Reden, wie in tatsächlich mit Worten etwas besprechen, nicht das, was wir die letzten Male getan haben.

Logan antwortete fast sofort. Spaßbremse.

Ich weiß. Aber das letzte Mal, als wir beide uns in deinem Büro „unterhalten“ haben, hat es nicht so toll geendet. Das wollte ich eigentlich nicht noch mal wiederholen.

Diesmal dauerte es etwas länger, bis Logans Nachricht auftauchte. Du bist entschieden zu vernünftig, aber ich gebe dir recht. Reden also, ohne Spaß dazu. Und ohne rausstürmen, okay?

Ich verzog das Gesicht. Ja, ohne rausstürmen. Das war nicht mein bester Moment, aber ich war einfach sauer und wütend.

Ich konnte es verstehen, glaube mir. Aber jetzt machen wir es anders, okay? Wir sind immerhin erwachsen genug, um das zu regeln, bevor wir Noel damit verletzen.

Das war ein verflucht guter Grund, sich zusammenzusetzen und wirklich zu reden, was wir zwei erwarteten und wollten.

Nicht, dass ich Logan verletzen wollte, keinesfalls, aber er war jemand, der mir die Stirn bot, von dem ich wusste, dass er mindestens genauso gut austeilte, wie er einsteckte. Noel war das nicht, er brauchte jemanden, der sich um ihn kümmerte. Das bedeutete nicht, dass er nicht stark war, ganz sicher nicht, aber bei ihm war das Verlangen, ihn zu beschützen und zu umsorgen, viel zu stark, um die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, ihn mit unüberlegten Handlungen zu verletzen.

Das war der Unterschied zwischen den beiden, Logan und Noel. Ich wollte keinem von ihnen wehtun, sicher nicht, aber Logan war ein guter Opponent, wenn es um Diskussionen ging, oder auch darum, wenn ich jemanden brauchte, der mir die Stirn bot. Das mochte Noel auch sein, aber ich konnte mir nicht vorstellen, mich mit ihm über alltägliche Dinge zu streiten. Ich wollte sie für ihn tun, wollte mich um ihn kümmern, nicht streiten, wie der Geschirrspüler eingeräumt gehörte.

Dann komme ich morgen vorbei. Passt irgendeine Zeit besonders gut?

Es dauerte wieder, bis Logan antwortete, aber wenn er im Club war, wunderte mich das nicht. Ich hoffte nur, es war kein Notfall, denn eigentlich hatte er sich heute freinehmen wollen. Ich war halb versucht, ihn zu fragen, hielt mich aber zurück. Es ging mich nichts an.

Nein, ich denke, ich kann mir die Zeit dann nehmen. Früher ist besser, da ist noch nicht so viel los.

Dann sehen wir uns morgen.

Am nächsten Tag war ich unterwegs zum Club, allerdings deutlich weniger selbstsicher, als ich es am Tag zuvor gewesen war. Ich hatte entschieden zu viel Zeit gehabt, um nachzudenken, was nur dazu geführt hatte, dass ich mir erneut alle Gründe, warum es eine beschissene Idee war, wieder etwas mit Logan anzufangen, aufgezählt hatte. Und seit gestern hatte ich viel, viel Zeit gehabt.

Irgendwann in der Nacht hatte ich mich davon überzeugt, dass ich einfach alles sein lassen sollte. Die Gedanken und Zweifel waren mir gestern schon gekommen, aber je länger ich darüber nachdachte, desto mehr traten sie in den Vordergrund.

Es war der perfekte Weg, uns alle zu zerstören.

Aber konnte ich mich zurücknehmen? Konnte ich sie gehen lassen? Das war die Frage, die ich mir nicht beantworten konnte, egal, wie sehr ich es versuchte. Mein Kopf wusste, dass es das Beste wäre, wusste, dass eine Dreierbeziehung so nicht klappen konnte. Mit einem Ex und einem unerfahrenen jungen Kerl. Wie sollte das gehen?

Wir alle drei würden als Singles enden, mit gebrochenen Herzen.

Ich könnte es verhindern, wenn ich mich nur rausnahm, wenn ich ihnen sagte, dass es nicht ging. Es wäre die beste Lösung.

Als ich auf den Parkplatz vom Club fuhr, war ich noch nicht weiter, was das anging. Mein Verstand schrie eine Sache, mein Herz eine ganz andere. Und eine gewisse Region unterhalb meines Gürtels? Die erinnerte sich nur zu gut daran, was das letzte Mal mit Logan passiert war. Ich musste tatsächlich einen Moment im Auto warten, bis ich mich wieder unter Kontrolle hatte, sonst würde ich mit einem Ständer in den Club gehen. Peinlich, peinlich.

Ganz sicher nicht das, was ich tun wollte.

Als ich mich beruhigt hatte, stieg ich aus dem Auto und machte mich auf den Weg über den Parkplatz. Mein Schwanz war zumindest ruhiger, meine Gedanken nicht so sehr. Ich wusste, was ich tun sollte, aber das bedeutete immer noch nicht, dass ich es tun würde.

Dieses Mal war ein anderer Mann am Empfang, und ich konnte nicht behaupten, dass ich traurig war, dass ich Adam nicht unter die Augen treten musste. Mit seinen Fragen und wissenden Blicken wollte ich nicht auch noch umgehen müssen, zumindest nicht, solange ich nicht wusste, wie das mit Logan weitergehen würde.

Wenigstens hatte ich mittlerweile meinen Mitgliedsausweis, also kam ich ohne Probleme rein und dann stand ich auch schon vor Logans Büro, weitaus früher, als es mir lieb war.

Auf mein Klopfen antwortete er, dass ich reinkommen sollte, und dann stand ich vor ihm. Dunkle Haare, blaue, tiefgründige Augen und Lippen, die mich vergessen ließen, was ich sagen wollte. Die mich alles vergessen ließen, worüber ich nachgedacht hatte. Warum ich das nicht tun sollte.

Fuck.

„Hey.“ Logans Stimme war zögerlich, so, als wüsste er nicht genau, wie er reagieren sollte. Da waren wir schon zu zweit. Er stand auf, kam aber nicht um den Schreibtisch herum, vermutlich, um ihn als Barriere zwischen uns zu halten.

„Hey.“ Ich räusperte mich, wusste dann aber nicht mehr, was ich sagen sollte. All die Gründe von heute Nacht waren verschwunden. Einfach weg. Ich konnte es nicht. Ich konnte nicht gehen. Noel war eine Sache, ich wollte wirklich, wirklich sehen, wohin das zwischen uns führen könnte, aber Logan war ein anderes Thema. Er war … Er war, was ich wollte, was ich mir wünschte. Ich hatte ihn gehabt, geschmeckt, geküsst. Berührt.

Das war mit nichts zu vergleichen, konnte mit nichts mithalten, was ich je erlebt hatte. Auch mit Noel war es explosiv gewesen, und ich konnte es kaum erwarten, seinen Körper zu erkunden, aber – er war nicht Logan. Es war eine ganz andere Art von Verlangen, so, wie Logan ein ganz anderer Mensch als Noel war. Und ich wollte sie. Beide. Fuck. Damit war ich wieder am Anfang, als hätte ich mir all diese Gedanken nicht gemacht.

Wir standen da und starrten uns an. Logan schien genauso wenig zu wissen, was er sagen sollte, wie ich es tat.

Gab es überhaupt etwas zu reden? Oder konnten wir einfach dazu übergehen, dass wir es auf seinem Schreibtisch trieben? Ich konnte ihn förmlich schmecken, konnte ihn sehen, wie ich ihm das letzte Mal –

„Gehen wir runter an die Bar und holen uns was zu trinken.“ Logan unterbrach meinen Tagtraum, was vielleicht besser war. Sonst hätte das hier damit geendet, dass wir beide kamen, egal, wie schlecht die Idee war.

Ich nickte, blieb aber wie angewurzelt stehen. Meine Beine hatten irgendwie nicht mitbekommen, dass wir laufen sollten.

Logan kam um den Schreibtisch herum und blieb vor mir stehen. Nahe. Zu nahe. Ich konnte ihn riechen, sein Deo, Aftershave, Duschgel. Ihn, seinen ganz eigenen Duft. Mein Schwanz zuckte, versuchte sein Interesse zu bekunden, aber ich ignorierte ihn. Logan sah mir in die Augen, aber ich konnte seinen Blick nicht lesen, nicht erkennen, was genau er wollte. Erst als er noch näher kam, eine Hand hob und sie sanft an meine Wange legte, atmete ich scharf ein. Ich hatte den Atem angehalten, ohne es zu merken.

Er lehnte sich näher, so nahe, dass seine Lippen fast meine berührten, und dann schloss er die Distanz. Ich seufzte und die ganze Anspannung, die ganzen Zweifel fielen von mir ab. Das war es. Das war er, der, mit dem ich zusammen sein sollte. Meine andere Hälfte.

Logan küsste mich mit einer Sanftheit, die ich nicht erwartet hatte. Es war kein Lass uns ficken- Kuss, sondern etwas Zärtlicheres. Intimeres.

Und es zeigte mir, wie falsch ich gelegen hatte. Wir hatten einander einmal verloren. Ein zweites Mal konnte es nicht geben.

Meine Hände lagen auf Logans Hüften, unsere Oberkörper waren aneinandergedrückt, und während ich den harten Körper an meinem genoss, ging es hier nicht um Sex. Das war etwas anderes, etwas Tieferes. Etwas, das ich kaum erklären konnte. Ich wusste nur, dass es sich richtig anfühlte.

Wir küssten uns lange, mit Zunge, mit Händen, die den anderen festhielten, aber ohne das Ganze zu einer wilden Raserei werden zu lassen. Darum ging es nicht. Nicht jetzt.

Logan war es schließlich, der sich zurückzog, schwer atmend, aber mit einem glücklichen Gesichtsausdruck. „Das war eine Begrüßung, wie ich sie mag.“

Ich lachte, dann vergrub ich meinen Kopf an seiner Schulter und schloss kurz die Augen, um seine Nähe zu genießen. Wir wollten und sollten reden, aber erst brauchte ich ihn noch bei mir, musste ihn spüren, musste mir beweisen, dass er echt war. Dass das echt war.