L ogan
Es war kurz nach 11, als ich vor Noels Haus vorfuhr, also eigentlich schon fast zu spät für Brunch, aber er hatte mir versichert, dass er nie früher frühstückte, also konnte ich ausschlafen. Für ihn wäre ich auch früher aufgestanden, aber so war es mir lieber. Ich war nicht die Person, die nach ein paar Stunden Schlaf munter aus dem Bett sprang, und bei unserem ersten Zweierdate wollte ich keine Imitation eines Bären abgeben, den man aus dem Winterschlaf gerissen hatte.
Er würde irgendwann rausfinden, dass ich damit nicht gut klarkam, zu früh aufzustehen, aber das hatte Zeit, bis unsere Beziehung etwas gefestigter war.
Auch jetzt hatte ich bereits drei Kaffee getrunken, bevor ich Noel abholen gefahren war. Ja, ich war ein Junkie, da half nichts.
Noel war noch nicht zu sehen, also zog ich mein Handy heraus, um ihm zu schreiben. Als ich die Nachrichten öffnete, starrte ich darauf. Er hatte meine Guten Morgen- Nachricht noch nicht gelesen, aber heute früh um sechs war er zuletzt online. War er schon so früh aufgestanden?
Er hatte etwas davon gesagt, dass er manchmal vergaß, ins Bett zu gehen. War das hier auch passiert? Oder hatte er nur vergessen, auf sein Handy zu schauen?
Was sollte ich jetzt machen? Warten?
Ich saß fast eine halbe Stunde im Auto, aber er las die Nachricht nicht, kam nicht nach unten und ging auch sonst nicht online. Ein Teil von mir überlegte, ob er es sich mit dem Date doch noch anders überlegt hatte, aber dann hätte er doch abgesagt, oder?
Vielleicht sollte ich Adam anrufen und ihn fragen, ob er etwas gehört hatte? Den Gedanken verwarf ich allerdings wieder. Auch wenn Adam die Rolle als Noels Aufpasser übernommen hatte, Noel würde lernen müssen, mit mir und Mitch zu reden, wenn das klappen sollte. Und wenn er doch kein Date wollte, dann würde ich es schon merken, auch wenn er sich nicht traute, es mir zu sagen. Von seinen Reaktionen und der Tatsache, dass er viel entspannter geworden war, während er mit uns schrieb, ging ich allerdings nicht davon aus, dass er das Date nicht wollte.
Mit einem Seufzen wählte ich seine Nummer. Ich würde es gleich wissen.
Es klingelte so lange, dass ich schon aufgeben wollte und doch Adam anrufen, ob Noel krank war oder Ähnliches.
„’lo“, murmelte Noel ins Handy, kurz bevor ich den Anruf wirklich unterbrach.
„Habe ich dich geweckt?“, fragte ich besorgt.
„Hmm. ’los?“ Okay, er klang, als würde er noch schlafen.
„Sorry. Aber ich stehe vor deiner Tür und warte schon seit –“
„Fuck!“ Jetzt war er wach, so wie er klang. „Fuck, fuck, fuck. Scheiße. Wie spät –“ Ich hörte ein Stöhnen. „Scheiße. Sorry.“
Ich grinste, auch wenn ich es vielleicht nicht sollte. Der Kleine konnte ganz schön fluchen.
„Was ist passiert?“
„Ich habe meinen Wecker nicht gehört oder so. Bin zu spät ins Bett.“ Noels Stimme war teilweise genuschelt, als würde er panisch durch die Wohnung rennen.
„Macht nichts. Lass dir Zeit mit Fertigmachen, okay?“ Ich runzelte die Stirn. Wir waren sowieso schon spät dran und wenn wir nicht bald zu dem kleinen Frühstückscafé fuhren, das ich ausgesucht hatte, würden wir nichts mehr bekommen.
„Ich bin gleich –“ Irgendetwas schepperte, dann hörte ich Noels Stimme. „Drecksding!“
„Alles okay?“, fragte ich besorgt. Was war passiert?
„Kaffeetasse. Wollte sie nur schnell –“ Er stoppte. „Egal. Wir gehen eh frühstücken, oder?“
Ich lachte. Er war so verdammt süß, so zerstreut und tollpatschig. „Dir ist aber nichts passiert, oder?“
Noel seufzte. „Nein. Ich brauche noch ein paar Minuten, dann bin ich so weit.“
Ich sah auf die Uhr am Armaturenbrett. „Was hältst du davon, wenn ich uns was hole und wir essen bei dir? Oder fahren zu mir, wenn dir das lieber ist? Dann hättest du noch Zeit, um dich fertig zu machen.“
Noel zögerte nur kurz. „Wenn das für dich okay wäre, könnten wir zu dir? Bei mir ist es nicht so ordentlich …“
„Klar, Baby, wenn dir das lieber ist. Ich fahre schnell, okay? Irgendwas Bestimmtes, was du gerne oder gar nicht magst?“
Noel antwortete mit einer eher kurzen Liste von Dingen, die er nicht mochte, und dann machte ich mich auf den Weg, um uns Frühstück zu holen. Ich hatte zwar einiges daheim, aber für das erste Date wollte ich dann doch etwas mehr als nur Sandwich und Eier anbieten. So wie ich Noel inzwischen einschätzte, gehörte er zu den Leuten, die sich keinerlei Mühe gaben, irgendwas Gesundes zu essen, also wäre er mit fast allem zufrieden, aber in mir weckte das nur noch mehr den Wunsch, mich um ihn zu kümmern.
Nachdem ich den reservierten Tisch im Café abgesagt hatte, fuhr ich dorthin, um Brunchplatten zum Mitnehmen zu holen. Das war eine Auswahl an warmen und kalten Speisen und wir würden beide einiges finden, was uns schmeckte. Um ganz sicherzugehen, nahm ich auch noch ein paar süße Teilchen mit, und ein paar herzhafte auch. Wenn etwas übrig blieb, konnte Noel das mitnehmen und morgen noch essen. Ich runzelte die Stirn, als ich die Tüten betrachtete, die in eine Kiste gepackt wurden. Vielleicht sollte ich Mitch noch einladen. Und die Belegschaft vom Club. Ich hatte es wohl etwas übertrieben.
Verdammt, mein Bedürfnis, mich um ihn zu kümmern, war stärker, als ich es erwartet hatte. Ich dachte, es würde im Laufe der Zeit zunehmen, aber das hoffte ich nicht, sonst müsste mich Mitch zurückhalten. Und der war sicher nicht geeignet dazu. Er war eher der, der es mit mir zusammen noch mehr übertreiben würde.
Ich seufzte. Hoffentlich kam Noel damit zurecht, sonst wären die ganzen Überlegungen hinfällig. Mitch und ich hatten beschlossen, Noel gemeinsam zu erklären, was genau wir wollten, und ihm zu zeigen, wie es wäre, wenn wir uns um ihm kümmern dürften.
Er hatte es ihm gleich sagen wollen, aber ich hoffte, Noel käme besser damit zurecht, wenn er es erst erlebte, und wir ihm dann sagten, was genau das alles enthielt. Mitch hatte schließlich nachgegeben und wir hatten ausgemacht, Noel nur zu versichern, dass wir nicht auf harte Sachen standen, sollte er sich darum Sorgen machen. Solange er es mochte, wenn wir uns um ihn kümmerten, war es egal, ob das Ganze ein offizielles Label hatte.
Bepackt mit meinen Essensvorräten für mindestens eine Woche machte ich mich wieder auf den Weg zurück zu Noel, in der Hoffnung, dass er sich wirklich nicht verletzt hatte, während er sich fertig machte.
Hatte er nicht, stellte ich fest, als ich ihn erneut anrief, dass ich da war. Es war wohl wirklich nur seine Kaffeetasse gewesen, auch wenn ich nicht ganz verstand, warum er einen Kaffee brauchte, wenn wir doch frühstücken wollten. Auf jeden Fall kam er sofort nach unten, als ich anrief. Ich war ausgestiegen, um ihn zu begrüßen, und stellte fest, dass die Idee gut gewesen war, denn Noel schien sein Verschlafen sehr peinlich zu sein. Das konnte ich verstehen, auch wenn es mich gar nicht so sehr störte. Immerhin bedeutete es, dass ich ihn im privaten Umfeld meines Hauses treffen konnte, nicht in einem Café. Außerdem war er immer noch irgendwie total niedlich verschlafen, auch wenn er Zeit gehabt hatte, sich fertig zu machen.
Noel kam auf mich zu, die Hände verlegen in die Taschen seiner Jeans geschoben. Diese hier war viel weiter und unförmiger als die, er im Zoo angehabt hatte, aber es sah irgendwie auch süß aus. Als hätte er sich keinerlei Mühe gegeben, gut auszusehen, weil wir auf ein Date gingen.
„Morgen, Baby.“ Auch wenn ich ihn schon ein paarmal so genannt hatte, beobachtete ich sein Gesicht genau, um herauszufinden, ob ihn der Kosename störte. Tat er nicht, so wie sein Gesicht aufleuchtete.
„Morgen, Logan.“ Er wandte die Augen ab, als er diese Antwort murmelte. Bevor er sich weiter Sorgen machen konnte, weil er verschlafen hatte, trat ich auf ihn zu und legte meine Arme um ihn. Es war warm genug, dass er nur ein T-Shirt trug, ein schwarzes, dünnes, das es mir nur allzu gut erlaubte, seinen schlankeren Körper darunter zu spüren. Ich wollte noch viel mehr tun, als ihn nur so an mir spüren, aber das ging nicht. Erstens hatte ich mit Mitch etwas vereinbart und außerdem hatte ich nicht vor, hier auf dem Parkplatz unanständige Dinge mit Noel zu machen. Leider.
Das ließ mir nur übrig, ihn eingehend zu küssen, um ihm zu zeigen, wie sehr ich mich freute, ihn wiederzusehen. Noel ließ sich in den Kuss sinken, sobald meine Lippen seine berührten. Er seufzte, sein Körper verschmolz mit meinem und er öffnete die Lippen, um meine Zunge in seinem Mund willkommen zu heißen.
Sein warmer, nach Zahnpasta riechender Atem mischte sich mit meinem, als er leise stöhnte und seine Hände zögerlich auf meine Hüften legte. Fuck. Warum genau hatten Mitch und ich diese dumme Regel aufgestellt? Manchmal hasste ich es, dass ich so verantwortungsbewusst war, und in diesem Moment, mit Noels sexy Körper an meinen gepresst, tat ich das mehr, als ich zugeben wollte. Ich konnte seinen Schwanz spüren, der sich langsam, aber entschlossen aufrichtete, um meinen ebenso interessierten zu treffen.
Bevor das hier noch ausarten konnte, beendete ich den Kuss, hielt aber Noel schwer atmend noch einen Moment in den Armen. Er ließ seinen Kopf an meine Schulter sinken und schien absolut zufrieden damit. Er passte so perfekt in meine Arme, wie ich es in Erinnerung hatte. Da er kleiner und schlanker war, hatte ich das Gefühl, ihn beschützen und umsorgen zu können, auch wenn Körpergröße damit überhaupt nichts zu tun hatte. Max und sein Dom Pres waren da mit eines der besten Beispiele, denn Max war nicht nur größer, sondern auch weitaus muskulöser als Pres. Das bedeutete bei den beiden nichts, denn Pres war der, der in dieser Beziehung die Peitsche schwang. Im wörtlichen Sinne.
Noels Magen grummelte laut und mit einem verlegenen Lachen zog er sich zurück. „Sorry. Hab nichts gegessen, weil du –“
Ich drückte ihm einen Kuss auf die Lippen, um seine Entschuldigung zu stoppen. Dafür gab es keine Notwendigkeit, immerhin hatte ich ihn zum Brunch eingeladen – und viel zu viel Essen im Auto.
„Es ist alles gut, ich bin froh, wenn du Hunger hast. Stell dir vor, ich würde dich zum Essen ausführen und du wärst schon satt. Das wäre unangenehm und peinlich.“ Ich zwinkerte ihm zu und er lachte.
Mann, wie schön dieses Geräusch klang. Als hätte er seine Schüchternheit verloren und sich erlaubt, mir genug zu vertrauen, dass er sich nicht hinter einer Maske verstecken musste. Ich wollte das den ganzen Tag hören.
Aber erst musste er etwas essen, allein der Gedanke, dass er hungrig war, gefiel mir ganz und gar nicht. Es störte mich mehr, als ich vor mir selbst zugeben wollte, auch wenn es einfach ein Zeichen meines Bedürfnisses war, ihn zu umsorgen. Das machte es eher noch schlimmer als besser, denn ich wollte nichts mehr, als ihn füttern. Sogar fast noch mehr, als ich ins Bett mit ihm wollte. Fast. Wobei, auch ihn nackt im Bett füttern hätte seine Reize …
Ich stoppte diese allzu lebendigen Bilder in meinem Kopf und ergriff stattdessen Noels Hand, schob meine Finger zwischen seine und führte ihn zu meinem Auto. „Na komm, Baby, lass uns frühstücken.“
Noel stieg ins Auto und ich konnte es mir nicht nehmen lassen, mich über ihn zu beugen, ihn anzuschnallen, seinen sexy Duft noch einmal einzuatmen und dann einen kleinen Kuss auf seine Lippen zu drücken. Er war wie eine Droge, von der ich nicht genug bekommen konnte. Meine Gedanken flatterten kurz zu Mitch. Auch er war so, wenngleich auf eine ganz andere Art. Sie beide waren so grundverschieden und trotzdem, ich wollte sie beide so sehr. Nicht auf die gleiche Weise, ganz sicher nicht, aber Himmel, ich wollte sie. Miteinander. Die beiden sehen, berühren, schmecken. Sie miteinander ansehen, wie sie sich verwöhnten, küssten, liebten. Mitmachen, sie beide spüren –
„Alles okay?“, fragte Noel und riss mich damit aus meinem viel zu realistischen Tagtraum. Fuck, das war nicht gut, wenn ich mich so sehr in dem, was heute nicht passieren würde, verlor. Gar nicht gut.
„Ja, sorry, war nur in Gedanken kurz woanders.“ Ich warf ihm ein etwas verlegenes Grinsen zu, um zu überspielen, wie ich ihn mir gerade vorgestellt hatte.
Noel lachte leise, dann legte er eine Hand auf meine, die am Schaltknüppel lag. „Danke, dass du mich abholst, und dass du gewartet hast. Ich wollte wirklich nicht verschlafen, aber …“ Er verstummte.
„Das ist nicht schlimm, Baby. Mir gefällt ehrlich gesagt weniger, dass du erst so spät ins Bett bist. Adam hat auch schon erwähnt, dass du damit Probleme hast.“
Noel nickte bedrückt, also drückte ich aufmunternd seine Finger. „Wenn du magst, kann ich dir dabei helfen, eher einen Rhythmus zu finden. Aber erst mal Frühstück. Bevor sich dein Magen selbst auffrisst.“
Noels Magen suchte sich genau diesen Moment aus, um erneut laut zu knurren, aber Noel lachte diesmal nur. „Das klingt, als wäre er schon dabei.“
Ich lachte mit ihm, legte den Schalter um auf Drive und fuhr aus dem Parkplatz, um ihn mit zu mir nach Hause zu nehmen.
Dort würde ich ihn füttern, verwöhnen und mich und Mitch verfluchen, weil wir diese bescheuerte „Kein Sex“-Regel aufgestellt hatten.