Und so kam der große Crasedes in die Stadt Apamea, am Ufer des Epiossees, und obschon keine Dokumente überdauerten, die belegen, was er zu den Königen jener Stadt sagte, bestätigen zahlreiche Quellen aus zweiter Hand, dass er die übliche Botschaft überbrachte. Kapitulation, Vereinnahmung und Integration ins Imperium. Mittlerweile hatte sich herumgesprochen, dass die Hierophanten in der Region waren, und viele waren von Angst erfüllt. Dennoch wiesen die Könige und reichen Landbesitzer von Apamea den großen Crasedes schroff zurück.
Crasedes reagierte nicht so wütend, wie mancher befürchtet hatte. Stattdessen schritt er einfach zum Stadtplatz, setzte sich in den Staub und türmte einen Haufen aus grauen Steinen auf.
Der Legende nach baute Crasedes von Mittag bis Sonnenuntergang daran, und sein Konstrukt wurde außergewöhnlich groß. Die Größenangaben unterscheiden sich – manche sagen, der Haufen sei dreißig Schritt hoch gewesen, andere reden von mehreren Hundert Schritten. In jedem Falle lassen alle Versionen der Geschichte zwei wichtige Details aus. Erstens: Falls der Steinhaufen außerordentlich hoch war, wie schaffte es Crasedes, ein durchschnittlich großer Mann, die Steine immer weiter aufzuhäufen? Angeblich konnte Crasedes Objekte schweben lassen und selbst fliegen – doch das wird in dieser Geschichte nicht erwähnt. Wie also schaffte er es?
Und zweitens: Wo kamen die ganzen Steine her?
Einige Quellen gehen davon aus, dass Crasedes Hilfe beim Auftürmen der Steine hatte. Diese Interpretationen behaupten, Crasedes habe zuvor eine kleine Metallkiste hervorgeholt und geöffnet, die für die Zuschauer leer gewirkt habe. Dann hätten die Bewohner von Apamea gesehen, wie sich Fußabdrücke im Staub um den Haufen bildeten, von Füßen, die größer waren als die eines Menschen. Diese Versionen gehen davon aus, dass Crasedes eine Art unsichtbares Wesen oder einen Geist in der Kiste gefangen hielt, das oder den er freiließ, wenn er Hilfe benötigte. Doch solche Geschichten gleichen so manchem fantastischem Kindermärchen über die Hierophanten – Fabeln über Crasedes, der die Sterne mit seinem magischen Stab tanzen ließ und dergleichen –, daher müssen wir ihnen mit Skepsis begegnen.
Ungeachtet aller Einzelheiten legte Crasedes einen Stein auf den anderen und hörte nicht damit auf. Als die Nacht anbrach und die Bürger Apameas das wunderliche Werk betrachteten, packte sie die Angst, und sie gingen fort.
Am Morgen kehrten sie zum Stadtplatz zurück. Crasedes saß noch im Staub und wartete geduldig. Der Steinhaufen hingegen war fort. Und wie die Leute später herausfanden, waren auch alle Könige und reichen Landbesitzer Apameas verschwunden, mit ihren Familien, Alt und Jung, all ihrem Besitz und allen Gebäuden, in denen sie gelebt und gearbeitet hatten. Alles war über Nacht wie vom Erdboden verschluckt. Vielleicht waren sie und alles andere an jenem Ort, an den auch der Steinhaufen verschwunden war.
Der Zweck des Haufens bleibt unklar, wie auch der Verbleib jener, die sich Crasedes in Apamea widersetzten; ein Rätsel, dessen Auflösung uns die Geschichtsschreibung schuldig bleibt. Apamea jedenfalls leistete Crasedes keinen Widerstand mehr und fügte sich der Herrschaft der Hierophanten. Dennoch wurde es wie alle Länder des Abendländischen Imperiums letztlich völlig zerstört. Die Quellen sind sich einig: Niemand weiß, ob dies durch einen Bürgerkrieg geschah oder ob die Hierophanten gegen eine andere, größere Macht kämpften.
Dieser Gedanke beunruhigt mich – und doch kann ich ihn nicht einfach abtun.
– Giancamo Adorni, Stellvertretender Hypatus des Hauses Guarco, »Gesammelte Geschichten aus dem Abendländischen Imperium«