8

Die Tanngrísnir

Auch Ford Prefect war unterwegs, um sich ein Bier zu gönnen. Der beteigeuzische Reisereporter war fest entschlossen, den Frieden und die Ruhe der Reise im Dunklen Raum bis zum Letzten auszukosten. Er hängte Decken über die Bullaugen in seinem Zimmer, replizierte einen Humpen Goggles-Bier und setzte sich an den Bordcomputer. Sein Anhalter durch die Galaxis war zwar auch mit einer ziemlich guten Sub-Etha-Verbindung ausgestattet, aber der Bordcomputer der Tanngrísnir war so schnell, dass er ein Echtzeit-Hologramm von einem tausend Lichtjahre entfernten Ort ohne jede erkennbare Verzögerung abspielen konnte.
Megablitz-froody, dachte Ford, der nichts über Hologramme wusste, außer dass sie manchmal ganz schön Funken sprühten und man nicht daran lecken durfte.
Ford loggte sich bei uBid ein und wettete mit sich selbst um einen zweiten Humpen Bier, dass er nicht das voraussichtliche Einkommen seines verbliebenen Arbeitslebens verwetten konnte, bevor er einmal geblinzelt hatte. Die Wette hatte er im Handumdrehen gewonnen. Er kaufte ein paar Luxus-Raumjachten, tausendfünfhundert Liter Bounce-O-Gel mit Knoblauch, einen kleinen Kontinent auf Antares für seinen Lieblingsneffen und mehrere Gieß-mich-nicht-sonstfress-ich-dich-Megatopfpflanzen für die Redaktionsmitglieder bei InfiniDim Enterprises, die er am wenigsten ausstehen konnte, und bezahlte das Ganze mit seiner unlimitierten Dine-O-Charge-Kreditkarte.
Ich würde womöglich einen Hauch von Schuld empfinden, das dem Anhalter aufzuhalsen, dachte Ford, wenn der Chefredakteur, Zarniwoop Vann Harl, nicht so eine rückgratlose Marionette wäre und Bestechungsgelder von den Vogonen nähme.
Als Reisereporter hatte Ford im Prinzip nichts gegen die Annahme von Bestechungsgeldern, aber es gab Grenzen, und für Ford Prefect lag diese Grenze da, wo man ihn auf eine der übleren Arten ermorden wollte – Mordversuche durch Alkoholvergiftungen würde er großzügig vergeben und höchstwahrscheinlich vergessen, aber wenn man ihm mit thermonuklearen Sprengköpfen nachstellte, wurde Ford sauer.
Als Ford seine Frustkäufe beendet hatte, blinzelte er ein paarmal und lehnte sich auf dem Stuhl zurück.
Danke, Doxu Ribonu-Clegg, dachte er. Danke, dass du das Sub-Etha erfunden hast.
ANMERKUNG Genaugenommen hat Doxu Ribonu-Clegg das Sub-Etha nicht erfunden, sondern vielmehr seine Existenz entdeckt. Die Sub-Etha-Wellen gibt es schon mindestens so lange wie die Götter, und sie hatten nur darauf gewartet, dass jemand Daten in sie pumpte. Die Legende besagt, dass Ribonu-Clegg erschöpft auf einem Feld seines Heimatplaneten gelegen hatte, und als er so in den Keil des Weltraums über sich starrte, fiel dem namhaften Professor auf, dass dieser ganze Raum mit Informationen erfüllt war und dass es vielleicht möglich wäre, über diese kosmischen Verbindungen ein paar von seinen eigenen Informationen zu transportieren, wenn man sie denn in sehr kleinen Häppchen schickte. Also eilte Ribonu-Clegg zurück in sein rudimentäres Labor und konstruierte den ersten Satz Sub-Etha-Transmitter aus Pfeffermühlen, mehreren lebenden Kleinfingerratten, diversen ausgeschlachteten Laborgeräten und einer professionellen Haarschneideschere. Nachdem er diese Komponenten verbunden hatte, lud Ribonu-Clegg die Phot-O-Pix aus seinem Hochzeitsalbum hoch und hoffte, dass sie auf der anderen Seite des Zimmers wieder zusammengesetzt werden würden. Das klappte zwar nicht, aber auf der anderen Seite erschienen die Gewinnzahlen der nächsten Lottoziehung, was den Professor dazu brachte, die Erfindung zum Patent anzumelden. Ribonu-Clegg nutzte die Lottogewinne dazu, ein Team Anwaltshaie einzustellen, die daraufhin erfolgreich achtundneunzig Firmen verklagten, die tatsächlich funktionierende Sub-Etha-Transmitter erfunden hatten, was den Professor zum reichsten Mann auf seinem Heimatplaneten machte, bis er durch einen bösen Fehltritt in den Pool seiner Anwälte fiel, die ihren Instinkten gehorchten und ihn zerfleischten.
 
Ford saß vor seinem vierten Humpen, als die Tür aufglitt und ein grün leuchtendes Parallelogramm seinen Wandbildschirm erhellte.
»Hey. Lass das. Ich versuch, mich zu entspannen, indem ich Firmengelder verprasse. Mach das Licht aus.«
»Sehr witzig«, sagte eine so sarkastische Stimme, dass selbst die auditiv beschränkten Nussbaum-Mäuse von Oglaroon die darinliegende Unaufrichtigkeit über ihre Schnurrhaare erkannt hätten.
Ford drehte sich auf seinem Stuhl um und sah, dass das grüne Licht von einer Person in der Tür abgestrahlt wurde.
»Du wirkst etwas grün heute«, merkte er an.
Random musterte ihn finster. »Das würdest du auch, wenn man dich stundenlang in eine Röhre sperrt und in eine Wolke aus grünem Gas einhüllt, die die ganze Zeit versucht, dich glücklich zu machen.«
»Glück? Tja, das ist wohl einfach nichts für dich, oder?«
»Nicht wenn die eigene Mutter direkt vor der Nase mit einem schrecklichen Alien rumpoussiert. Widerlich.«
Ford nickte neunmalweise. »Ach ja, das DeBeouf-Prinzip. Ich hab was darüber in so einem Ding mit richtigen Seiten gelesen. Du weißt schon, eins von den altmodischen Geräten, wo man Papier umblättern muss.«
»Ein Buch«, sagte Random, womöglich mit einem finsteren Blick, was aber kaum feststellbar war.
»Ja, das war’s. Ich nehme mal an, dass du über diese neuesten romantischen Entwicklungen nicht sehr glücklich bist?«
Random stampfte ins Zimmer, und kleine Wölkchen aus grünem Pulver stiegen bei jedem Schritt von ihren Schultern auf. »Nein, das bin ich nicht. Dieses Alien ist so arrogant, das ist so ein …«
»Abwiegler?«, half Ford ihr aus.
»Genau.«
Fords Finger trommelten ungeduldig in der Luft herum und warteten sehnsüchtig darauf, wieder den Griff des Humpens umschließen zu dürfen. »Und warum sprichst du nicht mit Arthur darüber? Er ist dein biologischer Patriarch.«
Random lächelte bitter. »Arthur? Das habe ich versucht, aber er hat sich auch verliebt. In diesen verdammten Computer.«
Das überraschte selbst Ford ein bisschen. Nicht dass Leute sich nicht in Maschinen verliebten – ein Cousin von ihm hatte zwei Jahre lang mit einem Sandwichtoaster zusammengelebt -, aber Arthur war so verklemmt, so prüde, so ein totaler Erdling.
»Wo die Liebe hinfällt«, sagte er und griff damit wieder auf das Broschürenwissen aus einem Friedenskurort zurück, den er einmal auf Hawalius besucht hatte. »Urteile nicht, wenn du nicht willst, dass jemand anders kommt, vielleicht gar jemand Grünes, und dich beurteilt, und du sagst dann, na komm schon, was soll diese ganze Beurteilerei, urteile nicht, wenn du nicht willst, dass jemand anders kommt und so weiter.« Ford atmete tief durch. »Ich habe ein paar Bier getrunken, daher fasse ich es in eigenen Worten zusammen.«
Er zuckte, rechnete damit, den nassen Fisch des Zynismus um die Ohren geschlagen zu bekommen, aber Random war die Liebenswürdigkeit in Person.
»Das ist echt gut, Ford. Weise, irgendwie. Ich werd wieder auf mein Zimmer gehen, dieses grüne Zeug hier abduschen und gründlich darüber nachdenken, dass ich nicht über Leute urteilen soll.«
Ford winkte ihr wohlwollend zum Abschied. »Dieser Klumpen goldener Lebensweisheit ist umsonst, junge Dame. Und wenn du wieder ein paar weise Worte brauchst, kannst du gern beim alten Fordie reinschauen. Ich hab haufenweise Ratschläge über die etwas abseitigeren Themenbereiche parat, von denen die meisten Leute nicht mal einen blassen Schimmer haben. Was man macht, wenn ein Planet kurz vor der Explosion steht, zum Beispiel. In dem Punkt bin ich wahrscheinlich der größte Experte im ganzen Universum, das kannst du mir glauben.«
Dann wandte er sich wieder seinem Monitor zu, zufrieden darüber, dass er seiner Nebenrolle als Ford Prefect, Erzieher der Jugend, zumindest für dieses Leben in ausreichendem Maße gerecht geworden war.
Erziehung. Da ist doch nichts dabei. Ich weiß gar nicht, warum Eltern immer so einen Wind um die Sache machen.
Wäre Ford etwas weniger weggetreten gewesen, hätte er sich vielleicht an seine eigene Jugend erinnert und daran, dass Teenager sich nur aus drei Gründen um Liebenswürdigkeit bemühten. Erstens: Dem Gegenüber musste eine schockierende Nachricht schonend beigebracht werden, wobei es dann häufig um die Themenbereiche Schwangerschaft, Missbrauch biochemischer Substanzen oder verbotene Liebesbeziehungen ging. Zweitens: Der Teenager hatte eine höhere Sarkasmusebene erreicht, die allenfalls für andere Meister dieser Kunst erkennbar war, zu denen der Erwachsene, dem man mit Sarkasmus begegnete, gewiss nicht gehörte. Und drittens: Ein paar liebenswürdige Worte waren ein hilfreiches Ablenkungsmanöver, wenn der liebenswürdig daherredende Teenager sich etwas unter den Nagel reißen wollte.
In dem Moment, als Ford hätte klarwerden können, dass seine unlimitierte Kreditkarte fehlte, hatte er sie auch schon wieder. Und kurz davor hatte Random Dent das Retrokauffenster von uBid benutzt und etwas von einem vor langer Zeit verstorbenen Verkäufer ersteigert. Etwas, was ein bisschen perfider war als hundert Gallonen Bounce-O-Gel. Mit Knoblauch.
Knoblauch im Gelee, nicht im perfiden Kaufobjekt.
 
»Ich bin der unglücklichste Mensch im ganzen Universum«, erläuterte Arthur Dent dem Computer der Tanngrísnir. »Mir passieren immer schlimme Dinge, ich weiß nicht wieso, aber das war schon immer so. Meine Oma hat mir immer Ochsenaugen gegeben und mich ihren kleinen Unglücksmagneten genannt.«
Das funkensprühende Hologramm, das im Schneidersitz am Fußende der Koje saß, kniff etwas die Augen zusammen, während es Arthurs Erinnerungen absuchte.
»Oh«, sagte es. »Ochsenaugen. Im ersten Moment dachte ich …«
»Egal, wo ich auch hinkomme, immer wird alles von Aliens kaputt gemacht und in die Luft gejagt.«
»Du aber nicht«, sagte Fenchurch.
»Was?«
»Dich haben sie nicht kaputt gemacht oder in die Luft gejagt. Ein langes und erfülltes Leben hast du schon hinter dir, und jetzt steht dir noch eins bevor.«
Arthur runzelte die Stirn. »Schon, aber … Da war diese ewig lange Morgenmantel- und Pyjama-Periode. Wie viel Pech kann man haben? Ganz zu schweigen von der Zeit, als ich auf …«
»Die meisten deiner Spezies sind tot«, unterbrach der Computer, wobei er genau den Augenblick abpasste, in dem Arthur in seiner Erinnerung bei Fenchurch mit einer Unterbrechung gerechnet hätte. »Die Chancen standen eine Milliarde zu eins gegen dich, und du hast trotzdem überlebt. Zweimal sogar. Das scheint mir ziemlich glücklich gelaufen zu sein. So viel Glück hat eigentlich höchstens ein Romanoder Filmheld.«
»Ich verstehe, was du meinst, trotzdem …«
»Und du hast eine wunderschöne Tochter.«
»Das ist wahr. Aber sie ist ziemlich launisch.«
»Tatsächlich? Wie seltsam für ein Mädchen in der Pubertät. Du musst wahrhaft verflucht sein.«
Arthur war verblüfft. Niemand wollte ihn verstehen. Und dann verunsicherte ihn die holografische Fenchurch durch einen plötzlichen Themenwechsel sogar noch mehr. Es war nichts so Bizarres wie »Hinter dir! Ein Affe!«, nein, sie sagte plötzlich:
»Liebe kann ein Hauptwort oder ein Tunwort sein.«
»Verstehe«, sagte Arthur. »Und was ist mit dem Glück von eben?«
»Ach, das war nur so Smalltalk. Eigentlich geht es dir um die Liebe.«
»Ich suche die Antwort auf die Frage, was Liebe ist?«
»Ja. Und warum du offenbar nicht darüber hinwegkommst, dass du deine Liebe verloren hast.«
Arthur spürte, dass sich sein Herzschlag beschleunigte, als sie ihm diese Wahrheit präsentierte. »Kennst du sie? Kannst du es mir sagen? Aber jetzt komm mir bitte nicht mit einer Zahl.«
Fenchurch kratzte sich am Ohrläppchen, das bei der Berührung Funken sprühte. »Ich kann dir sagen, was über Liebe im Wörterbuch steht, ich kann alle Synonyme aufzählen und so weiter. Außerdem kann ich dir alles über Endorphine, Synapsen und Muscle-Memory sagen. Aber die Schwingungen, in die dein Herz aufgrund deiner Leidenschaft gerät, sind mir ein Rätsel. Ich bin ein Computer, Arthur.«
Arthur versteckte seine Enttäuschung hinter dem gewohnten forschen Händereiben und dem Versteifen der Oberlippe.
»Selbstverständlich. Kein Problem.«
»Ich wurde für ein ewiges Leben geschaffen, du hingegen wurdest geschaffen, um zu leben.«
»War das nicht auch so ein Slogan der Sirius-Kybernetik-Corporation?«, fragte Arthur und runzelte die Stirn.
Fenchurch erwärmte zwei Pixel-Cluster, um ein Erröten zu erzeugen. »Schon möglich. Das bedeutet aber nur, dass eine ganze Werbefirma geglaubt hast, dass du diesen Satz glauben wirst.«
»Ach. Dann gibt’s also gar keine Antworten?«
»Nein, nur Fragen.«
»Dabei hab ich gedacht, dass wir gerade die große Frage nicht kennen.«
Fenchurch inspizierte ihren Finger. »Die große Frage ist für jeden eine andere. Für mich geht es um die Halbwertzeit des Schiffsreaktors. Ich bin gar nicht fürs ewige Leben geschaffen. Das war nur so ein Spruch.«
»Und wie ist die Antwort auf diese Frage nach der Halbwertzeit?«
»Ich weiß sie nicht. Das verdammte Ding hat einen Hauch göttliche Magie abbekommen. Eigentlich hätte vor zehntausend Jahren schon Schluss sein müssen.«
»Dann gibt es also für dich auch keine Antwort?«
»Offensichtlich.«
»Also hängt wohl alles an Thor. Ich weiß, dass er dein Boss war, mir kam er aber wie ein schrecklicher Langweiler vor.«
Fenchurch starrte verträumt in die Vergangenheit. »Ein Langweiler? Nein. Er war wunderbar. Einfach göttlich.«
Arthur konnte sich nicht daran erinnern, diesen Ausdruck je im Gesicht der echten Fenchurch gesehen zu haben. »Ich denke, da werden wir uns wohl nicht einig werden.«
»Also gut, Arthur Dent. Soll ich ganz zufällig eine Frage aus deiner Erinnerungsablage auswählen?«
»Gute Idee.«
Der Computer ging ein paar Dateien durch, dann fragte er: »Möchtest du eine Tasse Tee?«
Arthur lächelte. »Das ist mal eine Frage, die ich beantworten kann.«

Asgard

ANMERKUNG Die Asen haben immer ein Riesentamtam darum gemacht, wie absolut wunderschön Asgard doch ist. Odins Sohn Baldur wird mit dem Satz zitiert: »Alles ist gewaltig, riesig und brillant. Ihr Sterblichen mit eurem armseligen Zeug und Kram habt ja überhaupt keine Ahnung, was wirklich tolles Zeug ist. Wir haben hier Zeug, das würde euch voll zerbröseln, und dann haben wir noch anderes Zeug in Gläsern, so Lotionen und so, damit könnten wir euch wieder zusammensetzen. Dann ist da noch diese kosmische Kuh, die, na, ihr wisst schon, Walhalla aus dem Eis geleckt hat, und dieser alte Typ, der Odins Vater aus seiner Achselhöhle ausgeschwitzt hat. So’n Zeug passiert jeden Tag auf Asgard.«
Das ist ein typisches Beispiel für das schwammige Pro-Domo-Gewäsch, das Boam Katharsey, den charismatischen Anführer des Horrizionischen Kults des Agnostizismus, dazu brachte, sich im Bauch einer Ziege nach Asgard einzuschmuggeln, um den Planeten persönlich in Augenschein zu nehmen. Die immer wieder zitierten Katharsey-Berichte lesen sich folgendermaßen: »Der Geruch, der mir von unterhalb meines Verstecks in die Nase steigt, ist fast unerträglich, aber ich werde für euch ausharren, meine Freunde. Es überrascht mich keineswegs, dass niemand mehr an diese Götter glaubt, denn sie sind wirklich unausstehlich. Ich höre das Knistern eines Feuers, also muss ich mich aus diesem Tierkadaver herausschneiden, bevor man ihn in den Herd steckt, ganz gleich, was mich draußen erwartet. Ich werde also einfach mein Messer nehmen … mein Messer … Wo ist mein nichtsverdammtes Messer? Ich weiß genau, dass ich es dabeihatte, es war hier in der Tasche von meiner Schottenhose. O Mist, Zark, ich hab die Cordhose angezogen! Die Flammen kommen näher, ich spüre die Hitze. Hilfe! HILFE! Ich glaube! Ich glaube! Esst mich nicht. Bitte. Nicht …« Und ab da wurden Boam Katharseys Worte unverständlich, und man konnte nur noch zweimal »meine Beine« und einmal »Mami« heraushören. Zehn Jahre nach Boams Opfer erreichte der Glaube an die Asen auf seinem Heimatplaneten den Höhepunkt, und auf dem meistverkauften T-Shirt stand in großen, gut lesbaren Buchstaben: ICH GLAUBE. ESST MICH NICHT.
Der Punkt ist: Damals in den Tagen von Boam Katharsey wussten die Sterblichen nur sehr wenig über Asgard, und wir wissen heutzutage sogar noch weniger, weil kein lebender Sterblicher je Asgard besucht und diesen Besuch überlebt hat, um darüber zu berichten – und jeder Sterbliche, der behauptet, es doch getan zu haben, ist entweder Odin in Verkleidung, der ein bisschen was erleben will, oder vollkommen und absolut übergeschnappt.
 
Zaphod Beeblebrox fuhr mit einer sehr feudalen Seilbahn vom Fuß der Regenbogenbrücke auf die Oberfläche Asgards hinab. Die Seilbahn war nicht nur sehr bequem, mit einem automatischen Helmpolierer und einem sehr clever konstruierten Käfig mit Fußwärmerdrachen ausgestattet, sondern auch noch sehr praktisch, da sie direkt ins Zentrum von Walhalla führte.
Vor ihm stand der diensthabende Zoll-Wikinger in einer eisenbewehrten Kabine, der ziemlich überrascht wirkte, als ein Sterblicher aus der Kabine stieg. Er war sogar so überrascht, dass ihm direkt die Augen aus den Höhlen ploppten.
»Puh«, sagte Zaphod. »Das ist ja echt widerlich. Kannst du das nochmal machen?«
»Nein, kann ich nicht«, sagte der Wikinger und drehte sich die Augen wieder rein. »Wer bei Hel bist du?«
Zaphod reagierte in der altehrwürdigen Art, eine Frage mit einer Gegenfrage zu kontern. Er schätzte diese Technik vor allem, weil sie beim ursprünglichen Fragesteller oft eine große Erregung auslöste.
»Was zur Hölle bist du?«
»Ich stelle hier die Fragen.«
»Welche Fragen willst du schon stellen … hier?«
Der Wikinger rollte die Augen, was ähnlich klang wie das Teeschlürfen einer alten, zahnlosen Person. »Willst du mich ärgern?«
»Wer will dich ärgern?«
Der Wikinger sprang auf. »Gut. Ich bin ein reanimierter toter Wikinger. Okay? Wir ziehen in den Krieg, um im Kampf zu sterben, damit wir hierherkommen. Und wenn wir hier sind, reanimieren sie uns und machen uns zu beschissenen Beamten. Ich war Kapitän und hab ein eigenes verdammtes Langboot gehabt. Wir haben England dem Erdboden gleichgemacht und diese Sachsen da zu Brei gehauen. Und zum Dank krieg ich dann einen Schreibtischjob. Einen scheiß Schreibtischjob, ist das nicht unglaublich? Ich! Erik der Rote. Und den Namen hatte ich nicht nur wegen der roten Haare, sondern vor allem wegen der blutroten Hände. Und das war nicht mein eigenes Blut, klar?« Erik hörte auf zu schreien, wohl vor allem, weil seine Augen sich wieder gelockert hatten.
»Wow«, sagte Zaphod. »Das musst du aber ziemlich lange mit dir rumgetragen haben.«
»Es schwärt schon eine Weile«, gab der Wikinger zu und wischte mit dem Ärmel über ein Auge.
»Fühlst du dich jetzt besser?«
Erik seufzte. »Ja. Ist ganz gut, wenn man sich mal Luft machen kann.«
Zaphod klopfte ihm auf die Schulter. »Du musst ein bisschen auf dein Karma achten, Kumpel.«
»Danke. Das ist das erste Mal, dass jemand was Nettes zu mir sagt, seit ich mich auf die Warteliste für die große Raubexpedition in der Bretagne hab setzen lassen. Wenn ich könnte, würde ich eine Träne vergießen.«
»Schon gut. Zaphod wirkt Wunder, wo andere Präsidenten versagen.«
Erik hielt sich ein Klemmbrett sehr nah vors Gesicht. »Ach ja, Beeblebrox. Heimy, der Skibursche, hat angerufen und dich angemeldet. Hat natürlich nicht erwähnt, dass du ein Sterblicher bist. Warum sollte man auch Rücksicht auf Eriks Herz nehmen, wo der doch sowieso schon tot ist. Typisch.«
»Ich suche Thor.«
»Ts, ts, ts«, sagte Erik. »Der ist wirklich nicht schwer zu finden. Sitzt an der Quelle des Urd. Geh geradeaus nach Yggdrasil, der Riesenesche, dann links, und gib den Einhörnern kein Geld, sonst glauben die noch, sie müssten überhaupt nicht mehr arbeiten. Und wenn du einen Kerl siehst mit so einer Hakennase, der auf den Namen Leif hört, dann richte ihm doch von mir aus, dass wir wahrscheinlich unsere Augen vertauscht haben.«
Selbst Zaphod fand den goldenen Baum problemlos, obwohl er von Horden reanimierter Wikinger abgelenkt wurde, die wie Zombies durch die Kopfsteinpflasterstraßen schlurften, Kleidung aus der Reinigung abholten oder lustlos mit der Leine in einer knochigen Hand hinter winzigen Hunden herstapften.
»Das ist lächerlich«, sagte er schließlich. »Die haben doch alle Hakennasen.«
Der Baum selbst war riesig, und seine glitzernden Zweige hingen tief über dem Boden, weil sie durch die Schwerter und Schilde gefallener Helden herabgezogen wurden, wie auch durch die Werbetafeln für ZugaNugget-Müsli, die, laut Text auf den Plakaten, den Transport von gefallenen Helden via Walküre von ihrer sterblichen Ebene auf die nächste sponserten.
Zaphod brach seinen Miniauftrag, die Suche nach dem Wikinger namens Leif, ab und bog in eine ziemlich schäbige Gasse, in der Scheiße von Wänden lief, die ebenfalls aus Scheiße bestanden, und weil sie sich in einem magischen Reich befanden, floss die Scheiße sogar die Wände hinauf.
»Scheiße«, sagte Zaphod und beglückwünschte sich dafür, eine Aussage gemacht zu haben, die nicht nur ein Kraftausdruck war, sondern auch noch einen Sachverhalt beschrieb und als Warnung für alle dienen konnte, die hinter ihm in der Gasse standen.
»Sprichst du mit mir, Blondie?«, fragte eine Stimme, und Zaphod erkannte, dass das, was er für einen Abwasser-Stalagmiten gehalten hatte, in Wahrheit eine verdreckte Wurzel der Riesenesche Yggdrasil war, die das Kopfsteinpflaster von unten durchstoßen hatte.
»Entschuldigung«, sagte Zaphod, der es fast überhaupt nicht lächerlich fand, sich mit einem Baum zu unterhalten. Er hatte in den letzten Jahren mit viel seltsameren Dingen gesprochen. »Ich hab dich für ein Teil vom Abwassersystem gehalten.«
»Könnte man fast so sehen«, sagte Yggdrasil aus keinem von Zaphod zu entdeckenden Mund. »Bei den Mengen Dreck, die die hier direkt auf den Boden kippen. Das geht dann alles durch meine Wurzeln nach oben. Kaum verwunderlich, dass es mit meinem IQ immer weiter bergab geht. Man ist, was man isst, nicht wahr?«
»Ich suche Thor.«
»Den Großen Roten? Da musst du gleich hier durch die Tür.«
Zaphod spähte in die Dunkelheit, sah aber ebenso wenig eine Tür wie den Mund der Baumwurzel.
»Ich seh nichts.«
»Du musst die Zauberworte sagen.«
Zaphod rieb sich die Schläfen und konzentrierte sich. »Okay. Nicht vorsagen. Ich spüre, dass etwas aus dem Äther kommt. Lautet es Bäume sind froody?«
»Schmeicheleien bringen einen immer weiter«, sagte der Baum, teilte ein paar Kletterpflanzen an der feuchten Wand, worauf dahinter ein nikotingelbes Leuchten erschien. »Immer hinein mit dir, Blondie.«
Zaphod trat ein. Er brauchte sich nicht zu bücken, da die Tür hinter den Kletterpflanzen für eine viel größere Person gebaut war.

Nano

Hillman Hunter sah aus seinem Bürofenster auf die tropische Erhabenheit des Planeten am Rand des Nebels, den er gekauft hatte.
Du hast das Richtige getan, Hillers, sagte die Stimme seiner Nano in seinem Kopf. Wenn du diese Leute nicht von der Erde weggeholt hättest, wären ihre Atome jetzt über die ganze Galaxis verteilt. Und was meinst du wohl, was den Leuten lieber ist? Ein paar kleinere Unruhen und Aufstände oder ganz viele Tote?
Hillman wusste, dass seine Nano Recht hatte, trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, dass er irgendwie übers Ohr gehauen worden war. Man hätte noch einen besseren Deal machen können, aber irgendwie hatte Zaphod Beeblebrox andere Möglichkeiten vor ihm versteckt gehalten, und der Gedanke, ausgerechnet von diesem Schwachkopf behumst worden zu sein, tat Hillman richtig weh.
Die Gegensprechanlage auf seinem Schreibtisch summte und lenkte seine Aufmerksamkeit von der Aussicht ab. Er wedelte kurz mit der Hand über dem Sensor, und das kleine Hologramm seiner Sekretärin erschien auf dem Schreibtisch.
»Ja, Marilyn?«
»Hier ist eine Dame, die Sie sprechen möchte.«
»Hat sie einen Termin?«
Marilyn stöhnte, als ob es eine schwierige Frage wäre. »Sie sagt, sie wird einen haben.«
»Das klingt etwas rätselhaft, Marilyn. Könnten Sie sie um eine Erklärung bitten?«
Bevor Marilyn antworten konnte, erschien eine Frau in Hillmans Bewerberstuhl. Aus den letzten Bewerbungsgesprächen hatte Hillman sich an leicht flackernde Gotteserscheinungen gewöhnt, aber diese Frau saß plötzlich da, als ob jemand einen Schalter umgelegt hätte.
»Jaysus!«, jaulte er.
»Nein, eigentlich nicht. Mein Name ist Gaia, Hillman Hunter«, sagte sie mit wohltönender, beruhigender Stimme.
»Ach ja. Gaia, die Urmutter.« Hillman blätterte einen Stapel Lebensläufe durch, der auf seinem Schreibtisch lag. »Eigentlich hatte ich keine Bewerbungsgespräche mit Göttinnen geplant.«
Gaia sah Hillman mit ihren tiefbraunen Augen an. »Nein, aber für mich hätten Sie eine Ausnahme gemacht, also habe ich gedacht, es schadet nicht, die Dinge etwas zu beschleunigen.«
Die Kombination aus diesem Blick und der Stimme hatte eine hypnotische Wirkung, und Hillman fühlte sich in Gesellschaft dieser attraktiven Dame sofort sehr geborgen.
»Das war wohl … Ich halte das für ein sehr vernünftiges Vorgehen.«
Gaia hatte ein herzförmiges Gesicht mit sinnlichen Lippen. »Sie haben doch einen Moment Zeit, mit mir zu reden, nicht wahr, Hillman?«
»Ja. Jaysus, ja, begorrah!«
»Ich bin die Urmutter der Erde, jetzt allerdings ohne Erde, und habe mir eine neue Heimat gesucht. Ich könnte hier glücklich werden, Hillman. Und auch Sie könnten glücklich werden.«
»Ja, Urmutter. Glücklich wie ein Brummer auf der … sehr glücklich.«
»Und weitere Bewerbungsgespräche können Sie sich auch sparen.«
»Ja. Warum sollte ich noch Bewerbungsgespräche mit anderen Göttern führen?«
Gaia lächelte und beugte sich vor. Hillman sah ihre schlanken, aber kräftigen Finger. »Ich kann diese Erde ernähren. Ich kann alles zum Wachsen bringen.«
»Das ist großartig. Sachen zum Wachsen und Gedeihen bringen ist eine tolle Sache.«
Die Urmutter breitete ihre Arme aus, und Hillman roch den süßen Duft der Sommer seiner Jugend. »Die Frauen werden fruchtbar und vollbusig sein, und die Männer werden sie begehren.«
»Na, das wird aber auch Zeit.«
»Wir müssen nur noch die Gehaltsfrage klären.« Genau das hätte man zu Hillman Hunter nicht sagen dürfen. Der Nebel in seinem Kopf lichtete sich, und er verspürte das Bedürfnis, ein paar bohrende Fragen zu stellen.
»Gehaltsfrage? Was für eine Gehaltsfrage?«
»Na ja, das Gesamtpaket ist erschreckend klein. Man kann doch nicht erwarten, dass ich mir davon ein Gefolge aufbauen kann …«
»Ein Gefolge, ja? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich in der Ausschreibung etwas von einem Gefolge geschrieben habe. Es ist nur eine Stelle zu vergeben.«
»Aber eine Göttin meines Formats wird doch gewiss …«
Hillman war wieder ganz der Alte und stürzte sich wie ein Hai auf die Blöße, die er erkannt hatte. »Eine Göttin Ihres Formats? In Ihrem letzten Job haben Sie nicht mehr viel gerissen. Soweit ich weiß, wurde der Planet von Hungersnöten geplagt, und die meisten Ernten, die eingefahren wurden, waren mit Pestiziden verseucht.«
»Auf der Erde ist das ein wenig außer Kontrolle geraten«, gestand Gaia ein. »Aber es wird nicht wieder passieren.«
»Ach, wirklich? Dann erklären Sie mir doch mal, wie Sie das verhindern wollen. Nehmen wir an, es käme zu einem Glaubenskrieg, weil plötzlich andere Götter in Mode kommen. Wie würden Sie darauf reagieren?«
Gaia lächelte liebenswürdig. »Ich habe mich auch in der Vergangenheit mit solchen Problemen konfrontiert gesehen. Ich kann sehr streng sein, wenn die Situation dies erfordert.«
»Könnten Sie das bitte etwas genauer ausführen?«
»Ich weiß noch, wie Uranos den Zyklopen im Tartaros eingesperrt hatte, so dass er das Licht nicht sehen konnte. Das hat mir erhebliche Schmerzen bereitet, denn schließlich – aber das wissen Sie womöglich gar nicht – handelt es sich bei Tartaros im reflexologischen Sinne um meine Gedärme. Also habe ich aus Feuerstein eine große Sichel hergestellt, und als Uranos für seinen wöchentlichen lüsternen Gruß in meine Kammer eindrang, habe ich ihm von meinem Sohn Kronos mit dieser Sichel sein bestes Stück abhacken lassen.« Gaia freute sich so sehr über diese Erinnerung, dass sie vor Aufregung in die Hände klatschte. »Ach, das war eine Nacht. Aber ich denke, damit habe ich Ihre Frage beantwortet. Hart, aber fair, ist mein Motto. Die Sichel habe ich noch irgendwo – man weiß ja nie, wozu ein paar Tropfen göttliches Blut noch gut sein können.«
Hillman schlug ein Bein über das andere und empfand einen Phantomschmerz, von dem er inbrünstig hoffte, dass er ein Phantom bleiben würde.
Auf den Lebenslauf schrieb er neben Gaias Namen vier Worte:
Nur über meine Leiche.

Asgard

Zaphod betrat eine Taverne der zertrümmerten Träume. Sie erinnerte ihn an die dunkelsten Höhlen, aus denen man ihn je rausgeschmissen hatte, und er fühlte sich sofort wie zu Hause.
Der Laden ist ganz nach meinem Geschmack, dachte er. Sogar die Luft hier drinnen ist gefährlich.
Und das war sie. Die Bazillen ballten sich zu kleinen farbigen Wölkchen zusammen, trieben so in der trüben Luft herum und versuchten verzweifelt, die verknöcherten Wikinger-Zombies und Halbgötter zu infizieren. Ausnahmsweise war Zaphod einmal froh darüber, dass Left Brain ihm, während er schlief, sämtliche Impfungen von A bis Z in den Körper gejagt hatte. LB hatte zumindest behauptet, dass es Impfungen gewesen waren.
Ein Wölkchen summte um Zaphods Kopf und trällerte »Offene Schrunde, schwärende Wunde«. Der Geruch der antivitalen Substanzen in Zaphods Schweiß verjagte es jedoch.
In einem Film hätten in diesem Moment alle Anwesenden in ihren Handlungen innegehalten, um den attraktiven Fremden zu betrachten, der den Raum betreten hatte. Die meisten Stammgäste in der Quelle des Urd waren allerdings so betrunken, dass sie kaum den Humpen auf dem Tisch vor sich erkannten, an einen prüfenden Blick für einen Neuankömmling war also gar nicht zu denken. Eine Säuferin rief zwar tatsächlich: »Herzlichen Glückwunsch, Herr Präsident!«, litt jedoch wahrscheinlich an Halluzinationen. Zaphod ging die drei Steinstufen hinab, die sich hinter der Tür befanden, dann musste er ein paar heftig qualmende Pfützen umkurven, bis er die Theke erreichte, die sich wie eine Klippe hoch über ihm auftürmte.
Ein blasser reanimierter Wikinger-Barkeeper, der sich die letzten etwa zehn verbliebenen blonden Haare über die glänzende Glatze geklebt hatte, sah auf ihn herab. »Was kann ich für dich tun, Junior?«
»Du kannst mir sagen, wo Thor ist«, antwortete Zaphod.
Der Barkeeper pfiff durch ein Loch in seiner Wange. »Was hat so einer wie du mit Thor zu besprechen? Ich meine, du lebst doch, oder?«
»Dann hat er wohl nicht die beste Laune?«
»So könnte man es nennen«, sagte der Barkeeper. »Er säuft und spielt Schach. Und je öfter er verliert, desto mehr säuft er.«
»Gewinnt er nicht auch mal?«
Der Barkeeper kicherte. »Gewinnen? Hier drinnen kann man nicht gewinnen, Junior.«
Zaphod sah zum Wikinger hinauf. »Du heißt nicht zufällig Leif, was?«
Der Barkeeper war sofort in Rage. Er zog eine Mini-Axt aus einem Schulterhalfter und schlug damit von oben auf die Theke ein.
»Sag Erik, wenn er über Augäpfel reden will, soll er herkommen. Richte ihm das von mir aus. Er soll herkommen, dann klären wir das!«
»Ich sag’s ihm«, antwortete Zaphod und wich langsam zurück. »Falls ich das Gespräch mit Thor überlebe.«
»Vor Thor brauchst du wirklich keine Angst zu haben«, sagte der Barkeeper und deutete mit dem Daumen in eine dunkle Nische ganz hinten in der Bar. »Aber auf die anderen kleinen Arschlöcher musst du aufpassen.«
Zaphod blinzelte sehr selbstsicher. »Keine Sorge. Ich hab jahrelang im Showgeschäft gearbeitet. Ich weiß, wie man mit kleinen Arschlöchern umgeht.«
 
Für asgardische Verhältnisse war die Bar nicht sehr groß. Zaphod hatte aber das Gefühl, abgenommen zu haben, als er schließlich bei Thors Tisch angelangt war. Unterwegs war er an mehreren Raufereien vorbeigekommen, an ein paar magischen Ritualen (bei einem kam ein heißer Bratspieß zum Einsatz, und ein Rudel Wölfe heulte im Chor), einem Begräbnisscheiterhaufen, in dem mehrere Leichen, aber auch viele Würste aufgestapelt waren, und an einem zugefrorenen See, auf dem Zwerge auf Schlittschuhen von einem dreibeinigen Monster gejagt wurden.
Hier könnt ich’s aushalten, dachte Zaphod.
Kurz vor Thors Alkoven war dann Schluss mit Jux und Dollerei. Offenbar gab es ein ungeschriebenes Gesetz, demzufolge man den Donnergott lieber zufriedenlassen sollte. Oder es hatte mit dem Vermerk zu tun, den jemand gut lesbar mit etwas, was wie verklumptes und geronnenes Blut aussah, auf die weiß gekalkte Wand geschrieben hatte. Er lautete: Wenn ihr mich zufriedenlasst, werde ich euch eventuell nicht umbringen. Versprechen kann ich nichts. Ein Eventuell muss reichen.
Als Zaphod über die Demarkationslinie trat, spürte er zum ersten Mal, seit er die Bar betreten hatte, dass sich verärgerte Blicke auf ihn richteten.
Keine Sorge, Zaphod, sagte er zu sich selbst. Es ist doch schon eine Ewigkeit vergangen, seit das mit Thor und dir passiert ist. Wahrscheinlich hat er es längst vergessen. Ich kann mich ja selbst kaum noch daran erinnern. Es hatte irgendetwas mit einem interplanetaren Vorfall, einem Regenschirm mit mythischen Kräften und einer geheimen Formel für eine mit kulinarischen Preisen überhäufte Eiscreme zu tun. Zaphod runzelte die Stirn. Nein. Die Sache mit dem Regenschirm und der Eiscreme hatte er bei einem ganz anderen Gott verbockt.
Jetzt sah Zaphod seinen ehemaligen Freund, der mit dem Rücken zu den anderen Gästen an einem runden Tisch saß. Was war das für ein Rücken – breiter als ein normaler Gletscher, mit Muskelknoten in der Größe von Hünengräbern und einem gewaltigen Höhenrücken zwischen den Schultern. Seine roten Haare hatte er zu einem dünnen Pferdeschwanz zusammengebunden, und die Hörner an seinem Helm waren vergilbt von den vielen langen Nächten in dieser schlechten Luft.
Zaphod hatte sich gerade überlegt, dass es am besten wäre, das Eis mit einem kleinen Witz zu brechen, als die Stille durch einen Tumult schrill piepsender Heliumstimmen gestört wurde.
»Das soll es also jetzt sein?«
»Das ist der tolle Zug, über den du so lange nachgedacht hast?«
»Wie lange machen wir das hier schon? Und nach all den Jahren hast du immer noch nichts dazugelernt.«
Zaphod trat leise in den Alkoven und spähte unter Thors gebeugtem Ellbogen hindurch.
Der Donnergott wurde von einer Gruppe goldener Schachfiguren auf der anderen Seite des Bretts beschimpft. Seine eigenen Schachfiguren waren aus Holz und wirkten so verschüchtert, dass sie sich nichts zu sagen trauten.
Der kleine goldene Springer war am streitlustigsten. »O Mann. Darüber haben wir doch oft genug gesprochen. Du darfst deinen König nie so entblößen. Das sind grundlegende Dinge. Das ist hier ja wie in einem verdammten Kindergarten.«
»Passt bloß auf«, grummelte Thor, und bei dem Ton lief Zaphod ein Schauer über den Rücken. Diese Stimme – wie ein erwachender Tiger, der tief unten in einem Brunnen grollte. Kein Wunder, dass die Ladys nicht genug davon bekommen konnten.
»Oder was?«, fragte der Springer herausfordernd. »Wir sind das historische Schachspiel der Asen. Du kannst uns nicht umbringen, wir sind genauso unsterblich wie du und noch viel älter als du, wie ich hinzufügen möchte.«
»Ich kann euch freche Knilche einschmelzen und mir daraus einen Pisspott machen. Was würdet ihr davon halten?«
Der Springer lachte. »Du kannst uns drohen, solange du willst, Donnerlieschen, du bist trotzdem schachmatt.«
Thor trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Dann stellt euch gefälligst wieder auf. Ich muss noch etwas erledigen, wozu ich bisher nicht gekommen bin.« Und damit wirbelte er in einer fließenden Bewegung auf seinem Hocker herum und schleuderte den sehr großen Kriegshammer, der auf seinen Oberschenkeln gelegen hatte, in Richtung von Zaphods Kopf.
Der Hammer stoppte einen Zentimeter vor Zaphods Nase und trieb Zaphod darauf in eine Ecke wie ein Schäferhund seine Herde.
»Tolle Hammertechnik«, piepste Zaphod. »Ich hab doch gewusst, dass du mich nicht umbringst.«
Thor wandte sich wieder ab. »Sieh zu, dass du hier verschwindest, bevor ich Mjöllnir das machen lasse, was er schon seit dem verwünschten Tag vorhat, an dem wir uns kennengelernt haben.«
Zaphod versuchte, aus der Ecke herauszukommen, aber der Hammer klopfte ihm so lange gegen die Stirn, bis er wieder mit dem Rücken an der Wand stand.
»Komm schon, alter Freund. Ich bin extra von weither gekommen, weil ich mit dir reden will.«
Thor grunzte. »Weißt du wirklich, warum du hier bist? Erinnerst du dich überhaupt noch daran?«
»Nicht ganz genau«, sagte Zaphod. »Aber jetzt sei nicht ungerecht, immerhin schwebt ein gigantischer Hammer vor meinem Gesicht, und du weißt doch, dass die Leute mein Gesicht lieben, der stört also schon ein bisschen die Konzentration.«
Thor ließ die Schultern sinken und seufzte. »Mein Gesicht haben die Leute auch geliebt. Ich wurde verehrt, bis du in mein Leben getreten bist.«
»Du kannst auch wieder verehrt werden. Ja, genau deshalb bin ich hier. Jetzt weiß ich es wieder.«
»Hau ab, Zaphod. Behalt dein Leben und verschwinde einfach aus meinem. Der einzige Grund dafür, dass ich dich nicht umbringe, ist der, dass man die innere Leere nicht mit Leichen füllen kann. Das habe ich in meinen therapeutischen Gruppensitzungen gelernt.« Er schnippte mit den Fingern, und Mjöllnir sprang zurück in seine Hand. »Geh jetzt, Beeblebrox. Ich muss den Sponsor für meine Aggressionstherapie anrufen.«
»Du kannst auch mit uns reden«, sagte ein goldener Turm.
Thor rieb sich den glänzenden Kopf. »Das weiß ich. Ich weiß, dass ihr immer für mich da seid.«
»Sollen wir den Sterblichen umbringen?«, fragte ein Bauer. »Der Turm kann ihm in die Kehle krabbeln und ihn ersticken.«
»Nein, das ist er nicht wert. Aber ich weiß das Angebot zu schätzen.«
Selbst wenn er mehr Zeit gehabt hätte, wäre ihm wohl nichts Besseres eingefallen, doch so zögerte Zaphod nicht einmal die halbe Sekunde, die er gebraucht hätte, um die Idee zu verwerfen. Er kletterte auf die Fußstütze, von dort auf einen Stuhl, dann die Sprossen der Lehne hinauf, bis er schließlich vor Thor auf dem Tisch stand.
Der Donnergott hatte sich über sein Bier gebeugt, als wollte es ihm jemand wegnehmen. Er hatte den Blick gesenkt und sah bedrückt drein. Irgendwo braute sich etwas zusammen. Und in seinem, Thors, Fall handelte es sich dabei nicht um eine bloße Metapher, vielmehr schwebte über seinem Kopf eine echte Minigewitterwolke, aus der Blitze wie Drachenzungen hervorschnellten.
»Netter Laden«, sagte Zaphod und setzte sich auf den Rand eines Aschenbechers. »Könnte ein paar Großbildschirme gebrauchen. Vielleicht noch einen Whirlpool. Manchmal mag ich ein bisschen Gesprudel zu meinem Bier.«
Thor nahm sein Bierglas und knallte es so heftig auf den Tisch, dass der Schaum über den Rand schwappte.
»Nur zu«, sagte er. »Da hast du Gesprudel und Bier.« Zaphod ging mit diesem Vorschlag so um, wie er mit den meisten Vorschlägen umging: Er nahm sie beim Wort. Er zog sich bis auf die Unterwäsche aus und dachte gerade noch daran, die Batterien rauszunehmen, bevor er sich in den Humpen schwang. Er tauchte bis zum Kehlkopf ein und vollführte dann ein paar Züge dreiarmiges Rückenschwimmen, während er bernsteinfarbene Fontänen in die Luft blies.
»Mir gefällt der Laden«, blubberte Zaphod. »Er hat eine nette … wie sagt man?«
»Toilette.«
»Nein, das andere.«
»Atmosphäre.«
»Ja, das mein ich.«
Thor grollte, und die Wolke über seinem Kopf wallte vor Elektrizität auf. »Dies ist die Quelle des Urd, Zaphod. Hier treiben sich die Halbgötter herum und anderes übles Gelichter. Ich komm nur her, damit mich keiner stört.«
»Übles Gelichter?«, rief der goldene Läufer auf Zaphods Augenhöhe. »Das ist etwas hart. Versuch mal, dein Temperament ein bisschen in Schach zu halten, Kumpel.«
Zaphods Aufmerksamkeit wurde vom Aufblitzen diverser braun gebrannter Beine und Hunderter weißer Zähne abgelenkt.
»Guck mal. Ich glaube, die durchtrainierten Ladys da winken uns zu.«
Thor spähte heimlich zwischen seinen Fingern hindurch in den Tavernenraum. Eine Gruppe stattlicher Walküren wusch sich an den Wasserfässern mit langsamen Bewegungen Blut von ihren Brustpanzern.
»Vergiss es, Zaphod. An die kommst du nicht ran.«
Zaphod kletterte aus dem Humpen. »Ich komm da nicht ran? Was willst du damit sagen?«
»Ich mein das ganz konkret. Guck dir die Mädels doch an. Selbst mit einem Trampolin kommst du gerade mal bis an ihre Schienbeinschützer. Wenn ich so darüber nachdenke, komm nicht mal ich an die ran.«
Zaphod schüttelte sich wie ein Hund. »Jetzt hör aber auf! Das ist nicht der Donnergott, den ich von früher kenne. Ich weiß noch genau, wie mein Freund Thor sich für ein Wochenende mit einer gewissen Miss Eccentrica Gallumbits zurückgezogen hat, und hinterher hat sie dann ihn dafür bezahlt.«
»Lass gut sein, Zaphod.«
Zaphod schlüpfte hastig in seine Hose. »Genau das brauchst du jetzt, alter Knabe. Wir beide machen uns einen schönen Abend mit ein paar netten Ladys. Ich geh mal kurz zu denen rüber.«
»Nein.«
»O doch. Ich mag zwar winzig sein, aber ich habe dieses gewisse je ne sais quoi.«
»Dieses gewisse was?«
»Ich weiß nicht was«, gab Zaphod zu, »aber das hat mich noch nie von etwas abgehalten.«
Zaphod hatte ein Funkeln im Auge, das Thor nur zu gut kannte.
ANMERKUNG Dieses Funkeln hat nichts mit Baby-Fonokeln zu tun. Es handelt sich vielmehr um einen Blick enthemmter Leidenschaft, wie man ihn ähnlich auch im Auge der Narcissifische vom Flargathon sieht, die bereit sind, sich bei ihrer Suche nach einem Partner viel weiter aufzublasen, als es die Elastizität ihrer Schuppen erlaubt. Der männliche Narcissifisch lässt sich gern dazu hinreißen, spektakulär zu explodieren, wenn er nur das Weibchen auf diese Art beeindrucken kann. Eine Narcissifisch-Explosion ist in der Tat ein sehr beeindruckender Anblick, und das Weibchen wird, wie man ihm fairerweise zugestehen muss, das Opfer würdigen und häufig mehrere Tage lang von der Rolle sein, bevor es dann wieder seine beste Perlenkette anlegt und sich auf den Weg zum Riff macht. Siehe auch: »Love will tear me apart« von Scaly Finnster (†); »Komm zurück, Zaphod. Ich warne dich.«
 
Zaphod ging um einen Spucknapf herum zum Rand des Tischs. »Das ist genau das, was du jetzt brauchst, Thor. Du wirst es mir danken.« Er richtete seine strahlenden Augen auf die Walküren. »Hallo, meine Damen. Vielleicht kennt ihr mich noch nicht, aber spätestens morgen werdet ihr mich vermissen.«
Der leicht verwirrte Ansatz eines Lächelns auf den Gesichtern einiger Walküren wurde plötzlich von einer gebogenen Glaswand verzerrt. Im ersten Moment dachte Zaphod, die Luft flimmere durch einen hitzigen Anfall walkürischer Lust, dann aber merkte er, dass Thor ein Schnapsglas über ihn gestülpt hatte, was Zaphod noch einmal eindringlich verdeutlichte, wie winzig er in dieser Welt war. Tatsächlich schien er immer gerade so groß zu sein, wie Thor ihn haben wollte. Zaphod war sich sicher, dass er noch ein paar Sekunden vorher nicht unter das Glas gepasst hätte.
»Ach, komm schon, Thor«, rief er, die Stimme wurde aber sofort wieder zu ihm zurückgeworfen.
Komisch, dachte Zaphod. Bei dieser Akustik klingt meine Stimme irgendwie weinerlich.
»He, du sollst mir zur Seite stehen«, fuhr er fort. »Wir sind ein Team. Denk nur an die Anti-Grav-Tänzerinnen in Han Dold City.«
Thor zog das Glas zu sich heran, haarscharf am Turm vorbei, der sich lauthals beschwerte. Zaphod war gezwungen, in großen Sprüngen über den Tisch zu tanzen, um nicht zu Fall zu kommen.
»Ich war nie auf Han Dold.«
»Wirklich nicht? Ich hätte schwören können … Dann muss das jemand anders aus Asgard gewesen sein. Ich kann mich noch gut an einen roten Bart erinnern. Bist du sicher, dass du das nicht warst?«
»Ich bin sicher, Zaphod. Ich bin ein Gott – wir vergessen nichts -, und genau das ist ja auch ein wichtiger Teil des Problems.«
Thor nahm das Glas weg, und dann spürte Zaphod, dass er wuchs, bis er sich Thor fast ebenbürtig vorkam, nicht mehr wie ein Schoßhund.
»Problem? Welches Problem?«
Thor schlug mit der Faust auf den Tisch, so dass Bier über die Bohlen schwappte.
»Welches Problem? Welches verzarkte Problem, Zaphod? Ist das dein Ernst? Das fragst du auch noch?«
Zaphod runzelte die Stirn. »Das sind viele Fragen. Welches Problem … Welches verzarkte Problem … Was war noch die dritte?«
»Ach, es hat doch alles keinen Sinn«, sagte Thor und schluckte so viel Bier, dass man darin eine ganze Mammaloid-Herde hätte ertränken können. »Zaphod Beeblebrox würde keine zwei halben Bullenkekse für irgendein anderes Wesen als sich selbst geben.«
Diese Aussage traf Zaphod zutiefst, weil er schon die Tatsache, dass er gewisse andere Personen mit seiner Gegenwart beehrte, als einen Akt der Nächstenliebe betrachtete.
»Das ist ja furchtbar, was du da sagst. Immerhin war ich jahrelang dein bester Freund.«
»Bis du mich überredet hast, das Video im Sub-Etha zu veröffentlichen«, sagte Thor verbittert. Die kompakte kleine Gewitterwolke franste aus und gab einen leichten Nieselregen von sich. Man brauchte keinen Hirnforscher, um die Symbolik zu erklären.
Zaphod stellte fest, dass er jetzt nur noch ungefähr einen Kopf kleiner war als der Gott. Er ließ sich auf den benachbarten Hocker plumpsen und dachte, er könnte vielleicht einen Scherz machen, um die Stimmung zu verbessern.
»Ist dein Stuhl auch so hart?«, sagte er und trommelte auf den Tisch. Bum, bum.
Thor tätschelte Mjöllnirs Kopf. »Noch ein Mal, Zaphod. Nur noch ein einziges Mal.«
»Können wir das Video nicht einfach vergessen? Das ist Vergangenheit, und eins kann ich dir über die Vergangenheit sagen. Dass sie nämlich genau das ist, was das Wort besagt – vergangen. Erinnerst du dich an diesen Satz über die Vergangenheit? Der ist auch schon Vergangenheit. Ich kann mich kaum noch dran erinnern, außer dass er den Begriff die Vergangenheit enthielt. Die Vergangenheit besteht aus Erinnerungen, die aus lauter toten Dingen bestehen, die einem nichts anhaben können, wie es, sagen wir, zum Beispiel ein spitzer Stock könnte. Atome und so. Quarks auch. Könnte ich mir jedenfalls vorstellen. Aber übrig gebliebene, die da einfach nur rumliegen und niemandem was tun.«
»Kommst du mal irgendwann auf den Punkt, Zaphod? Oder liegt der auch schon in der Vergangenheit?«
Zaphod legte einen Arm um Thors breite Schultern. »Was ich sagen will, ist Folgendes: Vielleicht hab ich dir damals mit diesem Video einen nicht so guten Rat gegeben, aber die Ticketverkäufe für deine Konzerte waren echt im Keller, und irgendwas musste man ja machen, damit dein Profil wieder ganz oben auf die Liste kam. Und diese mit versteckter Kamera gedrehten Videos waren damals voll angesagt, und wenn du ganz ehrlich bist, musst du doch zugeben, dass sie ein paar Leuten ganz gut gefallen haben.«
»Ein paar Leuten«, grummelte Thor. »Wie den Mitgliedern von diesem Kult auf dem Partyschiff. Diese Freaks sind vollkommen darauf abgefahren. Unglücklicherweise hat es dem Rest der Galaxis, also den normalen Sterblichen, nicht gefallen, ihren Gott so gefesselt zu sehen wie einen ganz normalen Perversen aus irgendeinem dunklen Hinterhof.«
»Ich gebe zu, dass es auch ein paar Gegenreaktionen gab.«
Thor massierte sich die Schläfen. »Gegenreaktionen … Gegen… Ich weiß, wie oberflächlich du bist, Zaphod, ich kenne dich lange genug, aber selbst du musst gemerkt haben, welche Auswirkungen das gehabt hat. Mein Vater hat den ganzen Planeten in die Luft gejagt, auf dem wir gefilmt haben. Alle meine schönen Tempel wurden niedergerissen. Ich bin in der Beliebtheitsliste der Gottheiten von Platz vier auf Platz achtundsechzig zurückgefallen, noch hinter Skaoi. Skaoi! Den Gott der verzarkten Schneeschuhe!«
»Schneeschuhe sind auch wichtig. Ach, komm schon, alter Freund, kannst du die ganze Geschichte nicht aus deinem Gedächtnis streichen? Ich hab das schon längst getan.«
Thor fuhr sich mit acht Fingern durch den Bart. »Aber dieses Kostüm, Zaph? Und die Pom-Pom-Kraken.«
Zaph, dachte Zaphod. Ich hab ihn.
»Auch das war vielleicht eine Fehleinschätzung.«
»Und das, was ich da gesagt habe«, sagte Thor und erschauerte.
»Du hast geschauspielert. Eine Rolle verkörpert.«
»Odin hat sich einen Ast gelacht. Genaugenommen sogar einen ganzen Wald. Und meine Mutter kann mich nicht mehr angucken. Sie hat Loki erzählt, dass sie dann immer das Latex-Bustier sieht.«
»Das war Kunst – echte Kunst versteht nicht jeder.«
»Weißt du, wie viele Aufrufe der Clip gehabt hat? Er war in den vergangenen fünf Jahren die Nummer eins im ganzen Sub-Etha-Netz.«
»Du sagst es. In den vergangenen fünf Jahren. Das Video ist Vergangenheit. Nächstes Jahr wird es ein neues Thor-Video geben, das dich wieder ganz nach oben katapultiert, wo du auch hingehörst.«
»Ach ja?«, fragte Thor finster. »Was hast du als Zugabe geplant? Soll ich schon mal das Bounce-O-Gel bereitstellen?«
Zaphod beugte sich zu ihm. »O nein, mein Freund. Keine gestellten Szenen mehr. Dieses Mal ist es real. Eine richtige Kraftprobe. Alte Schule. Ich habe den Unsterblichen gefunden, der dein Schiff geklaut hat, und er hat dich zu einem Duell herausgefordert.«
Die Gewitterwolke über Thors Kopf spie ein Bündel Blitze aus.
»Erzähl weiter, Zaph«, sagte der Gott. »Ich hör dir zu.«

Hillman Hunter

Hillman Hunter entsprach bis ins kleinste Detail dem Klischee eines Iren – mehr noch, er entsprach dem Klischee eines Paddy aus einer längst vergangenen Zeit, wie ihn sich ein ausgewanderter Kelte mit grün getönter Brille vorstellte, der den Kopf voll Whiskey und Nostalgie hatte. Auf dem Kopf hatte Hillman ein Nest aus lockigen roten Haaren, sein Gesicht war mit bronzefarbenen Sommersprossen übersät, und sein o-beiniger Gang ließ vermuten, dass er die Jugend im Sattel eines Vollblüters verbracht hatte. Und vor seiner Brust hing ein goldenes Kruzifix. Mit freundlichen Grüßen an die Fans des alten Diddle-ee-aye-Irentums, war Hillman Hunter ein echter Bilderbuch-Ire. Wenn Hillman Hunter in ein Zimmer kam, musste man sich richtig anstrengen, ihn nicht mit einem herzlichen Begorrah zu begrüßen, Gott für den angenehmen Tag zu danken und sich nach der Gesundheit von U2 zu erkundigen. Selbst seine Stimme klang genau so, wie man es erwartete, und warum hätte es auch anders sein sollen, schließlich hatte Hillman seinen Akzent Barry Fitzgerald abgelauscht, einem irischen Schauspieler aus dem zwanzigsten Jahrhundert, der in der Jugendzeit des Fernsehens schon ein alter Mann war. Und der ganze Rest an ihm war ebenso abgekupfert. Hillman färbte sich die Haare, seit er im Alter von achtzehn angefangen hatte zu ergrauen. Er hatte es zu einer wahren Meisterschaft mit dem Lockenstab gebracht und versorgte seine für gewöhnlich blasse Haut durch stundenlange Aufenthalte auf der Sonnenbank mit Sommersprossen.
Und was war das Motiv für das ganze Täuschungsmanöver? Ganz einfach. Es ging um etwas, was ihm seine Nano schon vor langer Zeit gesagt hatte.
»Die Leute erkaufen sich ihr Wohlgefühl«, hatte sie gesagt, während sie einem Schwein mit einer Getreidesichel die Kehle durchschnitt. »Wenn du es hinkriegst, dass sie sich wohlfühlen, werden sie dir alles abkaufen, ganz egal, was du ihnen andrehen willst.«
Die Verbindung von Weisheit und spritzendem Schweineblut hinterließ einen bleibenden Eindruck beim kleinen Hillman, und er vergaß die Lektion seiner Großmutter nie mehr.
Sorg dafür, dass sich die Leute wohlfühlen, und dann verkauf ihnen, was du willst.
Also hatte der junge Hillman sich in den beliebten Schauspieler verwandelt und angefangen, reichen Leuten teures Zeug zu verkaufen. Er handelte erst mit Autos und Jachten, arbeitete sich dann zu Pferden und Auslandsimmobilien vor. Er war sehr begabt. Ein Naturtalent. Die Leute schätzten sein folkloristisches Gehabe und waren ganz vernarrt in die Geschenke, die er selbst entworfen hatte – winzige, mit Miniaturdiamanten besetzte Shillelagh-Knüttel. Mit vierzig war Hillman allein durch Provisionen zum Millionär geworden. Mit fünfzig hatte er den halben Weg zum Milliardär hinter sich gebracht, pendelte in einem Jaguar zwischen seinen Residenzen und lief auf seinen Besitztümern mit zwei Bio-Hybrid-Hüftgelenken herum, die viel besser waren als die Originale und Fehlfunktionen und Brüche selbsttätig telefonisch beim Hersteller meldeten.
Hillman erkannte dann, dass man noch mehr Geld machen konnte, wenn man so clever war und es irgendwie hinbekam, sämtliche reichen Menschen an einem Ort zusammenzupferchen, wo man sie Tag für Tag für irgendwelches Zeug zur Kasse bitten konnte. Aber wie machte man das? Die Antwort erhielt er durch eine Kurzmitteilung in den Fernsehnachrichten. Es waren schwierige Zeiten, und der Orden der Schwestern des Gelegentlichen Beistands hatte nicht genug Mitglieder, wodurch die Schwestern sich gezwungen sahen, eines ihrer Grundstücke zu versteigern – um genau zu sein, die Insel Innisfree.
Hillman war so aufgeregt, dass seine linke Hüfte in Japan anrief.
Innisfree. Die Insel der Inspiration für Nanos absoluten Lieblingsfilm: Der Sieger. Die Zelluloidheimat seines Persönlichkeitsprofils. Das Schicksal hatte ihm zugeblinzelt, die Vorsehung hatte ihm einen braunen Umschlag zugesteckt, eine höhere Macht hatte ihm einen Hinweis eingehämmert.
Hillman überbot eine Briefkastenfirma, die jeder, der sich im Sub-Etha halbwegs auskannte, mit geringem Aufwand zu einem Freizeit- und Unterhaltungskonzern auf dem Barnardstern hätte zurückverfolgen können, und kaufte die komplette Insel mitsamt der Baugenehmigung für ein Refugium, in dem die Nonnen an den Wochenenden ihre Sherrypartys feiern wollten.
Und schon beim ersten Besuch auf seiner Insel, als er an einem diesigen Morgen in einem Boot mit Außenbordmotor über den Sligo Lough Gill übersetzte, wusste Hillman Hunter, dass er seinen Topf voller Gold am Ende des Regenbogens gefunden hatte.
»Bejaysus«, hatte er leise, und ohne aus seiner Rolle zu fallen, geflucht. »Es ist das gelobte Land.«
Statt eines Refugiums baute Hillman Irlands luxuriöseste Wellness-Residenz, und um sicherzugehen, dass wirklich nur die reichsten Menschen angelockt wurden, erfand er eine Religion und vermarktete sie im Verkaufsprospekt gleich mit.
ANMERKUNG Obwohl Hillman Hunter es zu diesem Zeitpunkt nicht wissen konnte, hatte das WooHoo-Magazin ihn zusammen mit Kar Paltonnle von Esflovian auf die Titelseite gebracht, der auch so ein Überredungskünstler war und es geschafft hatte, die Bewohner mehrerer geschlossener Wohnanlagen davon zu überzeugen, dass sie auserwählt waren, am Tag des Armageddons zu überleben. Ein außergewöhnlicher Glücksfall gab seiner Karriere einen kräftigen Schub, als Armageddon sich auf Esflovian tatsächlich blicken ließ und große Teile des Planeten in Schutt und Asche legte. Herr Paltonnle verdingte sich als Miet-Anführer für diverse Kulte und kam so zu einem ordentlichen Haufen unterschiedlichster Zahlungsmittel. Sein eigentliches Vermögen verdiente er jedoch mit Software, als er sich das von ihm entwickelte Programm Gott-Guru patentieren ließ, das jedem Möchtegern-Ego-Vangelisten die Möglichkeit gab, ein paar Fakten über die Gemeinde einzugeben, deren spirituelle Führung er zu übernehmen gedachte, worauf der Computer ein oder zwei Minuten überlegte, um dann den entsprechenden Katechismus auszuspucken, komplett mit der gewünschten Anzahl an Geboten, Rechtfertigungen für alle verlangten Vorurteile und einer vollständigen gottgegebenen Hierarchie. In der Deluxe-Version hatte der Käufer die Möglichkeit, sich selbst als offiziellen Gott registrieren zu lassen, da ihm durch die Ausnutzung einer Gesetzeslücke die eigentlich erforderlichen drei Wunder erlassen wurden.
Wir werden uns Naniten nennen, hatte Hillman ganz ohne Zuhilfenahme dieser Software beschlossen. Außerdem glauben wir an die Existenz des Planeten Nano, den Gott für alle Gläubigen bereithält. Diese Gläubigen werden sich eines Tages in einem Raumschiff versammeln und zum schon erwähnten Planeten fliegen – natürlich erster Klasse, weshalb es auch gut wäre, wenn diese Gläubigen sich schon vorher an einen bestimmten Ort begeben würden, um dort auf die Außerirdischen zu warten. Ansonsten könnten sie womöglich den Flug verpassen und entweder auf der Erde festsitzen, wo sie die Apokalypse erwartet, oder sie müssten ein späteres Raumschiff nehmen, auf dem dann womöglich nicht einmal mehr ein Platz in der Businessclass frei ist.
 
Hillman hatte das Evangelium zusammen mit ein paar Einheimischen an einem feuchtfröhlichen Wochenende in Casey’s Bar in Skibbereen zusammengeschustert. Das einzige größere Problem, das dabei auftrat, war die korrekte Schreibweise von »Apokalypse«, weil Hillman davon überzeugt war, dass da irgendwo ein X hineingehörte.
Darauf fällt doch niemand rein, spottete das Fremdenverkehrsamt, das ist alles viel zu unwahrscheinlich – was natürlich schon fast eine Garantie dafür war, dass dem Unterfangen ein Riesenerfolg beschieden sein würde.
Zuerst kamen die irischen Superreichen, dann die Russen und die Südafrikaner. Hillman traf eine Vereinbarung mit ein paar Mitgliedern des englischen Königshauses, was seine Glaubwürdigkeit erhöhen sollte, und daraufhin öffneten sich die Schleusentore, was Hillman maßlos ärgerte, da er eine zwanzigjährige Garantie auf diese Flutschleuse hatte und in der Folge zwei Drittel des dem Meer mühsam abgerungenen Strands verlorengingen.
Drei Jahre später war Hillman der Oberhirte seiner eigenen kleinen, megareichen Herde, die jeden Monat fünf bis zehn ihrer Schäfchen verlor, die Hillman beträchtliche Anteile ihres Vermögens hinterließen, wenn er ihnen versprach, ihre Köpfe bis zur Ankunft der Außerirdischen einzufrieren.
»Das funktioniert, weil es so einfach ist«, sagte Hillman oft zu Buff Orpington, seinem Stellvertreter. »Man muss nichts machen, um ein Nanite zu werden. Dir wird nichts abgeschnitten, keiner drückt dir den Kopf unter Wasser, es gibt keine Heilige Schrift, keine Schuld und keine Gebote. Man muss nur sehr reich sein und dienstags zum Mittagsbüfett ein Nanite-T-Shirt tragen. Einfacher geht es nun wirklich nicht.«
ANMERKUNG Tatsächlich gab es eine Religion, der man noch leichter angehören konnte als dem Nanoismus. Den Mitgliedern des Tempels von Sachte Sachte, der in den Geistzonen von Brequinda sehr beliebt war, wurde bewusst, dass die meisten großen Kriege im Universum von Eiferern verursacht wurden, die ihre Religion mit aggressiven Methoden zu verbreiten versuchten, also beschlossen sie, dass ihre eigene Taufmethode vollkommen schmerzlos sein würde und auch ohne Wissen des Täuflings durchgeführt werden konnte. Es reichte, wenn ein Gläubiger fünf Sekunden lang mit seinem kleinsten Finger auf eine Person zeigte und dabei leise »Piep« sagte, schon war man ein Mitglied der Kirche – zumindest in deren Augen. In den ersten fünf brequindanischen Jahren nach seiner Gründung war der Temple von SS die am schnellsten wachsende Religion in den Geistzonen. Unglücklicherweise wurde der Tempel vom Galaktischen Religionskonzil nicht anerkannt, da es keine heiligen Kriege im Namen von Sachte Sachte gab und nicht eine einzige Person verstümmelt worden war. Sie war daher nicht gemeinnützig, genoss also keine Steuerprivilegien, worauf es nicht einmal einen halben Mondzyklus dauerte, bis sie wieder aufgelöst wurde.
 
Hillman Hunter war stolz auf das, was er erschaffen hatte, und er hatte schon erste Verhandlungen mit einem australischen Minister über den Neubau eines zweiten Geländes am anderen Ende der Erde aufgenommen. Dann, eines Nachmittags, Hillman saß gerade auf der Toilette und spielte auf seinem Touchscreen-Handy eine Partie Billard, rief ihn jemand von einer auswärtigen Vorwahl per Videoanruf an. Das überraschte Hillman, da sein Handy gar nicht für Videoanrufe geeignet war. Er nahm das Gespräch trotzdem entgegen, achtete jedoch darauf, den Bildschirm immer von seinen nackten Knien abzuwenden. Er überlegte, ob seine Nano vielleicht böse auf ihn war, weil er ihren Namen missbraucht hatte, und aus dem Nachleben anrief.
Ein Gesicht erschien auf Hillmans Bildschirm. Es war nicht das Gesicht seiner Nano – zu wenige Kinne und Borsten.
»Einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich Ihnen«, sagte Hillman und strahlte aus seinem Innersten heraus vor Behaglichkeit. »Mit wem spreche ich bitte?«
»Du sprichst mit der Antwort auf deine Gebete«, sagte das Gesicht. »Du sprichst mit dem, der dich zum Ende deines Regenbogens führt.«
Hillman verwendete einen Spruch aus dem Sortiment seiner Nano. »Oh, really, O’Reilly
Das Gesicht runzelte die Stirn. »Was? Was soll das bedeuten? Sprich bitte deutlich. Dein Akzent scheint meinen Fisch zu verwirren. Bei den anderen Affen ist das nie passiert.«
Verrückt, dachte Hillman, nicht ohne Berechtigung. Reine Wahnvorstellung.
Da muss ich dir zustimmen, Hillers, flüsterte die Stimme seiner toten Großmutter.
»Ihre Lippen bewegen sich nicht synchron zu dem, was Sie sagen«, warf Hillman ein. »Und außerdem ist dies überhaupt kein Videohandy.«
»Eines meiner Wunder«, erklärte der geheimnisvolle Kopf auf eine unbestimmte Art, die Hillman noch besser kennenlernen sollte. »Und diese Sache mit den Lippen und den Wörtern liegt daran, dass du keinen Babelfisch hast und das Schiff insta-übersetzen muss. In Ordnung? Hätten wir das so weit geklärt, Affenmensch?«
Genug rumgealbert, dachte Hillman.
»Okay-ee-o«, sagte er. »Das Handy-Hack ist gut gemacht, jetzt muss ich mich trotzdem trollen. Ich muss eine Religion führen.« Er beendete das Telefonat und stand auf, um sich der feinmotorisch komplizierten Aufgabe des Schließens der Knöpfe seiner Tweedhose zu widmen.
»Nicht so voreilig«, sagte der Kopf, der jetzt vergrößert auf der Badezimmertür erschien. »Um mich abzuwürgen, muss man schon mehr tun, als ein Telefongespräch zu beenden, Hillman Hunter.«
Erschrocken ließ Hillman die Hose los, taumelte nach hinten und plumpste wieder auf die Toilette.
»Was im Namen all dessen, das mir heilig ist?«, keuchte er. »Wie haben Sie das gemacht?«
Der Kopf lächelte spöttisch. »Das? Das nennst du etwas machen? Ich ruf dich an und biete dir den ultimativen Machtrausch an, und du denkst, eine Projektion auf einer glatten Oberfläche mit einem Metallrahmen ist ›etwas machen‹? Hillman, mein Freund, du bist ein Ignorant. Nichts für ungut.«
Hillman hatte sich nicht angegriffen gefühlt, bis er die Worte ›nichts für ungut‹ gehört hatte. Dann kam ihm eine Idee.
»Sind Sie von Nano? Ist es das? Hab ich etwa die ganze Zeit Recht gehabt?« Hillman ging schon so lange mit der Nano-Nummer hausieren, dass er sie sich schon selbst halb abgekauft hatte.
Der Kopf lachte so heftig, dass er in eine Papiertüte atmen musste, um sich wieder zu beruhigen.
»Nein, du hast nicht Recht gehabt, du blöder Affe. Es gibt keinen Planeten Nano.« Und dann verzog sich sein Gesicht zu einem verschlagenen Lächeln. »Bisher wenigstens nicht.«
»Fahren Sie fort«, sagte Hillman, dessen Gespür für ein Geschäft seine tiefe Skepsis absolut überwog.
»Ich suche nach einer Investitionsmöglichkeit auf eurem Planeten, der übrigens nicht mehr lange existieren wird. Bei meiner Suche im Sub-Etha bin ich auf dieses kleine Gebiet gestoßen, und ich habe den Eindruck, dass die reichen Alten wirklich auch noch die letzte Goldmünze rüberschaufeln würden, wenn euch tatsächlich jemand nach Nano bringt, bevor die Erde explodiert. Und sobald sie im sagenumwobenen Nano angekommen sind, brauchen sie bestimmt einen obersten Anführer, der ihnen zeigt, wo’s langgeht.«
Oberster Anführer, dachte Hillman, und dann: Das ist so ein Karren voller Kuhfladen. Plötzlich flüsterte ihm die Stimme seiner Nano etwas zu, wie sie es häufig machte, wenn sein Leben am Scheideweg stand: Hör dem Mann zu, Hillers. Der Trottel weiß gar nicht, wie viel er für dich tun kann. Diese Apoxylippe kommt, und es wird Zeit, sich von diesem Planeten zu verabschieden.
Ich wusste doch, dass da ein X drin war, dachte Hillman. Dann sagte er laut: »Es bräuchte ein Bejaysus von einem überzeugenden Argument, damit diese Luftnummer bei mir zieht.«
Das Grinsen im Gesicht des Kopfes verbreiterte sich um ein paar Schneidezähne. »Wie wäre es mit einem großen Raumschiff, das sich einfach aus dem Nichts materialisiert? Glaubst du, damit könnte man die anderen Affen überzeugen?«
Hillman kümmerte sich nicht um die Affen-Bemerkung, denn schließlich ging es ums Geschäft. »Haben Sie irgendwelche Roboter?«
»Ich habe was Besseres«, sagte Zaphod Beeblebrox, denn natürlich war er der Verhandlungspartner. »Wie wäre es mit einem schwebenden Kopf?«

Nano

Hillman Hunter war also jetzt der große Boss des Planetoiden und präsidierte über siebenundachtzig ältere reiche Menschen und ihre Bediensteten. Er war wohlhabend und mächtig, hatte aber kaum mal eine freie Minute, um sich darüber zu freuen. Reiche Ruheständler, hatte er schnell gemerkt, waren die anspruchsvollsten Wesen der Galaxis. Nie war etwas gut genug oder schnell genug fertig. Die Tatsache, dass sich die magratheanischen Planetenbauer beim Abarbeiten der Mängelliste sehr viel Zeit ließen und dazu bei jeder Kleinigkeit einen Riesenaufstand veranstalteten, als ob sie noch nie gehört hätten, dass Häuser Fußböden und Dächer brauchten, machte die Sache natürlich nicht einfacher.
»Fenster wollen Sie auch noch?«, hatte der Vorarbeiter gefragt und die Augenbrauen vor Schreck so schnell hochgezogen, dass sie fast weggeflogen wären. »Das hätten Sie vor einem halben Jahr sagen sollen. Wäre überhaupt kein Problem gewesen für meine Jungs, die eben reinzubauen, aber wer ahnt denn so was? Wenn Sie jetzt wirklich noch Fenster wollen, müssen die Klempner warten, die übrigens schon auf den Baustellen sind. Und den Malern, die gleich nach den Klempnern dran sind, wird das auch nicht recht sein. Und ein paar Malerinnen sind mit den Klempnern verheiratet, was zu familiären Spannungen führen könnte. Außerdem fehlen uns Arbeitsmasseurinnen vor Ort, daher wird es in den Schultern bei ein paar von meinen Jungs zu unangenehm hohen Milchsäurekonzentrationen kommen. Aber es ist natürlich Ihr Geld und Ihre Entscheidung. Ich mein ja bloß, dass Sie das früher hätten sagen sollen, als es noch besser in den Zeitplan gepasst hätte, statt jetzt das gesamte Projekt mit diesen plötzlichen Forderungen zu gefährden.«
ANMERKUNG In der gesamten überlieferten Geschichte gibt es nur einen bestätigten Fall, in dem ein Handwerker in eine Änderung der Baupläne eingewilligt hat, ohne eine Szene zu machen. Dies betraf einen gewissen Carmen Ghettim, einen Autohändler von Beteigeuze, der die Bauplanänderungen frühzeitig zurückschickte, um den Handwerker noch vor dem Baubeginn zu informieren. Dazu muss erwähnt werden, dass Herr Ghettim diese Vorschläge von einem extrem bösartigen Hohlwangenterrier zustellen ließ.
 
Wenn er nicht mit Handwerkern verhandelte, verbrachte Hillman die meiste Zeit mit der Suche nach einem passenden Gott, der über den Planeten wachen konnte, eine Aufgabe, die sich als längst nicht so erbaulich erwies, wie er sie sich vorgestellt hatte. Hillman war davon ausgegangen, dass er philosophische Gespräche über die Natur der Glückseligkeit führte oder hingerissen über die Präsentationen göttlicher Macht staunte. Stattdessen hatte er sich durch Stapel aufgeblasener Lebensläufe kämpfen müssen, in denen Halbgötter versuchten, sich wichtigzumachen.
Hillman begriff schnell, was die kurze Erwähnung eines Sabbats im Sinne einer göttlichen Einkehr auf Seite zwei des Lebenslaufs tatsächlich bedeutete: Der Gott war die letzten zehntausend Jahre arbeitslos gewesen. Wenn ein Gott behauptete, einen graduellen Einfluss auf das Wetter zu haben, konnte man davon ausgehen, dass er sich die Wettervorhersage ansah und dann behauptete, für das Wetter, das es gab, verantwortlich zu sein, ganz egal, wie es wurde. Und wenn ein Gott immer wieder auf seine Allgegenwart hinwies, standen die Chancen nicht schlecht, dass irgendwo noch ein Zwillingsbruder von ihm herumspukte.
Pack, dachte er trübsinnig. Pack und Kuhfladen. Was er vermisste, waren echte Qualitäten.
Er steckte gerade den letzten Bewerbungsstapel in seinen Schreibtisch-Verbrennungsofen, als Buff Orpington seinen Kopf durch die Tür steckte.
»Ja, Buff? Sind alle so weit?«
Buffs fleischiges Gesicht wabbelte. »Es sind alle da, Hillman. Und wir sind uns einig darüber, dass wir ein paar Leuten mal einen kräftigen Tritt in den Hintern verpassen?«
Die kämpferischen Worte konnte Hillmans Stimmung nicht heben.
Einen kräftigen Tritt in den Hintern?, dachte er. Die meisten Kolonisten konnten bestenfalls gemächlich joggen. Die Hintern, in die die treten wollen, müssen fixiert werden, und zu hart dürfen sie auch nicht sein.
Bei den zur Debatte stehenden Hintern handelte es sich um die schlaffen Backen der Kolonisten in West-Nano, die aus religiösen Gründen Congs französischen Koch entführt hatten. Der Grund war, dass sie Tyromancer waren, die ihre Zukunft aus Weissagungen in Käse lasen. Jean Claudes berühmtestes Gericht war eine himmlische Quiche aus vier verschiedenen Käsesorten, Kapern und Räucherlachs. Gegen die Kapern und den Lachs hatten die Tyromancer nichts, die Käsefüllung hielten sie jedoch für Gotteslästerung.
Die Magratheaner haben mich noch gewarnt, dass so etwas passieren würde, dachte Hillman trübsinnig. Von seinem Heimatplaneten vertrieben zu werden sei das traumatischste Ereignis, das einem Lebewesen widerfahren könne – abgesehen von in Grillsauce getunkt und dann in eine Grube zum Gefräßigen Plapperkäfer von Traal geworfen zu werden, was immer das für ein Tier sein mag. Die Leute würden dazu neigen, Dinge fanatisch zu verteidigen, die sie zurückgelassen haben. Diese Tyromancerei hatte auf der Erde als eine Art Hobby angefangen, war dann auf Nano aber schnell zu einer Obsession geworden. Aseed Preflux hat es geschafft, die ganze Siedlung zur Konversion zu bewegen.
Hillman folgte Buff vor die Tür und dachte, dass Buff von hinten aussah wie ein Grizzlybär, den man in eine karierte Hose und eine Windjacke gesteckt hatte – ein besonders stämmiger Bär, dessen Arme so stark behaart waren, dass man die Haare im Wind rascheln hörte.
Auf dem Marktplatz waren die Soldaten zur Inspektion angetreten. Die Reihe übertraf Hillmans schlimmste Erwartungen. So waren inzwischen überhaupt keine Bediensteten mehr dabei. Nicht ein einziger Angestellter war noch auf ihrer Seite.
Er fuhr Buff Orpington an. »Wo sind die Privattrainer?«
»Weg.«
»Aber doch nicht Lewis?«
»Alle.«
»Und die Kosmetikerinnen?«
»Wir haben seit beinahe einer Woche keine Kosmetikerin mehr aus der Nähe gesehen. Meine Cristelle hat seit zehn Tagen keine Maniküre mehr bekommen. Sie weiß weder aus noch ein.«
Hillman war schockiert. »Zehn Tage! Das ist ja barbarisch. Warum hat mir das niemand gesagt?«
»Sie hatten doch so viel mit den Bewerbungsgesprächen zu tun. Hier geht alles zu Bruch, Hillman. Wir haben noch gerade mal sechs Köche für die ganze Siedlung. Die Leute sind gezwungen …« Buff holte tief Luft, um sich zu fangen. »… selbst zu kochen.«
Hillmans irisches Temperament flackerte auf. »Wir haben nicht mehrere gewaltige Vermögen bezahlt, um dann selbst kochen zu müssen. Was ist mit den Verträgen? Diese Leute haben schließlich Verträge unterschrieben.«
Buckeye Brown, ein texanischer Ölmilliardär, meldete sich zu Wort. »Mein Koch, Kiko, hat zu mir gesagt, ich soll mir den Vertrag dahin stecken, wo die Sonne nicht hinscheint. Er sagt, das ist eine ganz neue Welt hier, auf der wir alle gleich sind. Außerdem meinte er, dass wir unsere Bediensteten wie Sklaven behandeln.«
Hillman war entsetzt. So etwas passierte, wenn es an einer von einem Gott in Kraft gesetzten Hierarchie fehlte.
»Das muss ein Ende haben. Zuerst schlagen wir die Eindringlinge zurück, dann holen wir uns unsere Bediensteten aus der Wildnis zurück. Das ist nur zu ihrem eigenen Besten. Wie können junge, kräftige Leute ohne jede Kenntnisse über die Geschäftswelt hoffen, auf dieser saftigen, grünen Welt zu überleben? Bejaysus!« Das »Bejaysus« war ihm zu spät eingefallen. Hillman war so aufgeregt, dass er fast vergessen hatte, wer er zu sein vorgab.
Buckeye starrte finster auf die Spitzen seiner Ferragamo-Alligator-Mokassins herab, die, da war er so gut wie sicher, im Gelände Schrammen bekommen würden. »Wir sollen ins Gelände gehen? Mein Daddy hat mir davon erzählt, aber ich bin noch nie nicht da gewesen.«
Du bist auch nie nicht in der Schule gewesen, dachte Hillman. »Wir gehen nicht ins Gelände, Mr Brown. Für junge Leute ist das natürlich so eine Art Spiel. Nein, wir locken diese Schweine mit Premium-Plus-Apartments zurück.«
Buff war entsetzt. »Aber doch nicht Premium-Plus mit Blick auf die Lagune?«
»Wenn nötig schon.«
»Mit Hausmeister-Service rund um die Uhr?«
»Das halte ich momentan für unwahrscheinlich. Das Hausmeisterteam ist schon vor einem Monat abgesprungen. Wir müssten auch den Hausmeistern Apartments geben. Und ihnen vielleicht sogar noch zusätzlich die Mitgliedschaft im Fitness-Club anbieten.«
»Aber die Hausmeister können doch nicht für sich selbst hausmeistern«, jammerte Buff. »Das ist doch völlig verdreht. Ist denn die ganze Welt verrückt geworden?«
Wie alle guten Verkäufer hatte Hillman schnell eine Lösung parat. »Roboter, alter Junge. Wir besorgen uns Roboter. Ich habe gehört, dass die Sirius-Corporation Service-Roboter mit echtem menschlichem Persönlichkeitsbild haben soll. Das ist doch perfekt. Das kann gar nicht schiefgehen.«
»Das könnte vielleicht klappen«, sagte Buff etwas besänftigt. »Ansonsten müssten wir Außerirdische importieren, die wirklich gern in der Sonne arbeiten. Die könnten uns dann auch bezahlen. Danach müsstest du mal in deinem Anhalter- Reiseführer suchen.«
»Mache ich, sobald wir diese Scherzkekse verjagt haben.«
Hillman sah sich auf dem John-Wayne-Platz um und fragte sich, wie es passieren konnte, dass das Ganze so schnell in die Binsen ging. Noch vor einem halben Jahr war diese Plaza der strahlende Mittelpunkt ihrer neuen Gesellschaft gewesen, und jetzt spross das Unkraut zwischen den Steinplatten hervor, und eigenartige blaue Käfer fraßen Löcher in den Rasen.
Wir brauchen einen Gott. Und zwar fix.
Buckeye Brown räusperte sich. »Woher wissen wir eigentlich, dass die Tyromancer gerade heute ihren Angriff starten?«
Die Antwort auf diese Frage gab Buff, der sich freute, wichtige Informationen zu haben und weitergeben zu können. Er stellte sich breitbeinig vor die Soldaten und wippte leicht auf den Hacken, als bereitete er sich darauf vor, ein Gewicht zu stemmen. »Heute ist der einzige Tag, an dem sie Zeit haben. Von Montag bis Mittwoch wird Käse gemacht. Freitag ist Käse-Lese-Tag. Samstag und Sonntag sind der Kontemplation über die Nachricht des Käses vorbehalten. Also ist der Donnerstag der einzige Tag, an dem weltliche Dinge gestattet sind.«
»Und woher wissen wir das?«
»Oh, Aseed hat uns eine Mail rübergesubbt. Falls sich einer von uns ihnen anschließen will. Ich muss zugeben, dass die Präsentation eigentlich ganz gelungen war. Mit jeder Menge Symbolen von fliegendem Käse. Und wenn wir uns ihnen nicht anschließen, werden wir angeblich den ganzen Planeten in die VerEdamnis stürzen.«
Hillman fiel kurz das Kinn herunter, dann sagte er: »VerEdamnis? Das ist nicht dein Ernst.«
Buff grinste. »Ernst wie ein trockengefallener Brunnen, Hillman.« Er zog ein zerknicktes, muffelndes Messbuch aus der Tasche. »Äh... hier ist es: Der Tag der VerEdamnis wird die Ungläubigen in einer gewaltigen und schrecklichen Form heimsuchen, die womöglich mit Käse zu tun hat, aber jede gewaltige und schreckliche Form kann als vom Käse herbeigeführt angesehen werden.«
Hillman reagierte ziemlich stinkig auf das Wort »Käse«. »Gewaltig und schrecklich, bejaysus. Wer schreibt den Dreck?«
»Aseed. Er nennt es das erste Evangelium des Tyromancismus.«
»Dieser Emporkömmling von einem rotblonden Furzsack?«, fluchte Hillman. »Für wen hält der sich eigentlich?«
Diese Frage zog eine Runde entschlossenen Nichtantwortens aller versammelten Soldaten nach sich, weil Aseed, abgesehen von ein paar Styling- und Kleidungsfragen, Hillman fast wie ein Ei dem anderen ähnelte. Und offenkundig war Hillman der Einzige, der das nicht bemerkt hatte.
Glücklicherweise blieben ihnen weitere peinliche Situationen erspart, weil Buffs Handy in seiner Tasche zu flöten begann.
»Oh, mein Handy. Wie schade – gerade wollte ich die Frage beantworten, für wen Aseed sich eigentlich hält, aber jetzt klingelt mein Handy, also geh ich lieber ran und beantworte die Frage nicht. Echt schade.«
Er zog das Handy aus der Tasche und schob es auf. »Ja? Bist du dir da sicher? Okay. Wir sind unterwegs.« Buff schloss das Handy wieder und streckte es dann in einer sehr melodramatischen Geste hoch in die Luft. »Die Tyromancer kommen.«
»Was? Wirklich? Wer war das?«
»Das war Silkie. Sie steht Wache im Café der Bücherscheune.«
Die Bücherscheune war das höchste Gebäude in der Shopping Mall. Es hatte ein verglastes Café im zweiten Stock. Von dort aus konnte man als Wachtposten die Hauptstraße im Auge behalten, während man die Neuerscheinungen überflog. Für diese Aufgabe meldete Silkie Bantam sich meistens freiwillig, weil sie als leidenschaftlicher Fan von Horror-Romanen während der Wache ein paar spannende Kapitel lesen konnte.
»Und wie klang sie?«
»Angespannt. Sie musste sich selbst Kaffee kochen.« Hillman spürte, wie ihm alles durch die Finger zu rinnen drohte. Jetzt waren auch noch die Angestellten der Bücherscheune übergelaufen. Er musste noch heute einen Schlussstrich unter diese Streitereien mit den Tyromancern ziehen.
»Also gut. Dann wollen wir mal, meine Freunde und Kupferstecher«, sagte er und stampfte mit dem Fuß auf, um sich in Fahrt zu bringen. »Wie sieht es mit den Waffen aus?«
Das war Buffs Domäne. Er war früher auf der Erde ein großer Kirk-Douglas-Fan gewesen, also hatte man ihm die Verantwortung für die Waffen übertragen.
»Gar nicht so schlecht«, sagte er und führte die zusammengewürfelte Brigade an den Fuß der John-Wayne-Statue. Auf dem Sockel hatten sie ihre Kriegswerkzeuge ausgebreitet.
»Das meiste sind eigentlich Gartengeräte«, gab Buff zu. »Dieser Rasenkantenschneider hat ein ganz schönes Gewicht. Damit kann man jemandem ein paar ziemlich heftige Schnittwunden verpassen. Wir haben ein paar Rechen zum Stoßen und Beinstellen und so. Ich habe dieses Neuner-Eisen mitgebracht – natürlich ist das nicht aus meinem besten Golfschlägersatz, aber man kriegt ganz gut Schwung dahinter. In den richtigen Händen eine ziemlich gefährliche Waffe.«
Obwohl er höchstpersönlich den Vertrag aufgesetzt hatte, in der die Mitnahme echter mechanischer Waffen von der Erde untersagt wurde, hatte Hillman doch auf ein etwas schlagkräftigeres Arsenal gehofft.
»Das ist wunderbar«, sagte er mit aufgesetztem Enthusiasmus. »Zeigen wir diesen Hosenscheißern, wie die Männer von Cong kämpfen können.« Er nahm den Rasenkantenschneider und wollte schon den Startknopf drücken, als Buff ihm auf den Ellbogen tippte.
»Warte damit lieber, bis es so weit ist. Da ist nicht mehr besonders viel Benzin drin.«
»Verstehe.«
»Normalerweise kümmert José sich darum, aber der ist mit einem von deinen Zimmermädchen durchgebrannt.«
»Schon klar. Okay. Na ja, mit dem, was wir haben, kann man schon was anfangen.«
Sie schlenderten in der Gruppe zum Haupttor. Das Gelände war den Ufern der Insel Innisfree nachempfunden, mit einem zusätzlichen Einkaufszentrum am hinteren Ende der Lagune. Im flachen Wasser standen ein paar Pootletink-Vögel, von denen einige lasen, die meisten aber nur in der Sonne lagen und jammerten, dass es doch unglaublich sei, wie schnell man sich als Vogel an das faule Leben gewöhne und seinen Elan verlor, sobald einem jemand eine krokofreie Lagune zur Verfügung stellte.
ANMERKUNG Die Pootletink-Vögel waren lange Zeit Opfer ihrer eigenen Attraktivität und natürlich der ewigen Inzucht gewesen. Über Jahrhunderte wurden die Pootletinks in der ganzen Galaxis als Weber feinster Gobelins geschätzt, bis ein gewisser Handelsattaché des galaktischen Rats ihre Gefieder als außerordentlich hübsch und die Vögel zu einem absoluten Muss für jede Lagune erklärte, die etwas auf sich hielt. Das war das Ende der hergebrachten Lebensweise der Pootletinks. Die Kulturgeier rückten ihnen zu Leibe und begannen, Pootletinks zu züchten, wobei sie, auf der Suche nach dem perfekten Gefieder, eine radikale Auslese nicht scheuten und die schönsten Exemplare dann als Zierde des Gartenteichs des einen oder andern Diplomaten in die gesamte Galaxis verschickten. Die Pootletinks wehrten sich kaum gegen diese Vorgehensweise, da sie eitle Kreaturen sind, die sich freuen, wenn sie angestarrt werden und im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Die Kulturgeier hingegen haben nicht die Spur einer narzisstischen Ader und verbringen ihre Zeit am liebsten damit, anderen Spezies das Leben zu versauen und ihre Kröten dann für Schnaps und übersüßte Desserts zu verprassen. »Wir befinden uns an entgegengesetzten Enden des gleichen Spektrums«, merkte ein Kulturgeier einmal einem Pootletink gegenüber an, worauf der Pootletink erwiderte: »Ja, sofern ein Ende dieses Spektrums aus Scheiße besteht und ihr euch dort befindet.«
 
»Ich muss in zwei Monaten meine Doktorarbeit fertig haben«, lispelte ein Pootletink einem Freund zu. »Und ich habe noch nicht einmal mit der Recherche angefangen.«
Ein anderer sah Buff auf der Brücke. »Hey, Buffy. Was macht dein Golfschwung?«
»Sieht gut aus, Perko. Wird immer besser. Hast du dein Buch schon zu Ende geschrieben?«
Perko rollte die Augen. »Ich hab das alles komplett ausformuliert im Kopf, Buff. Ich muss mich einfach endlich auf meinen Hintern setzen und anfangen zu tippen, wenn du weißt, was ich meine.«
»Ich weiß sehr gut, was du meinst«, entgegnete Buff, der keine Ahnung hatte, wovon der Vogel sprach, aber einfach in der Stimmung war, positive Statements abzugeben.
Die kämpfenden Männer von Cong folgten Hillman den Asphaltstreifen entlang zum Stadttor, das ihr Anführer mit einer Kurbel öffnen musste.
»Irgendeiner von uns hätte den Code für das Tor auswendig lernen sollen«, schnaufte Hillman beim Kurbeln. »Das ist doch lächerlich. Die Magratheaner haben uns die Reservecodes jetzt zwar rübergesubbt, aber das sind Hunderte. Für elektronische Tore, Registrierkassen und alle möglichen Sub-Etha-Geräte. Hier braucht man für alles einen Code.«
Als das Tor so weit offen war, dass sie hindurchschlüpfen konnten, stellten sich die Männer an den Kontrollpunkt und blickten über die mit purpurnem Gras bewachsenen Hügel hinüber zum tropischen Wald, der die beiden Gebiete voneinander trennte. Das dichte Astgewirr hing voller Früchte und wilder Tiere. Darunter tat sich ein halbelliptischer Tunnel auf, der mit einem Laser zur anderen Seite hindurchgebohrt worden war.
Hillman nahm sein Handy und zoomte die Öffnung des Lasertunnels heran.
»Ich seh die irregeleiteten Hosenscheißer«, schnaubte er. »Sie kommen in Golfcarts. Jaysus, das ist nicht gerade die Leichte Brigade, was?«
Die versammelte Gruppe lachte herzlich, wie sie es von Soldaten in Kriegsfilmen kannten, dann nutzten auch sie ihre Handys, um den herannahenden Konvoi heranzuzoomen.
»Ich zähle zehn«, sagte Buckeye, der das teuerste Handy mit dem besten Objektiv besaß. »Und wir sind nur zu acht.«
»Ja, aber wir haben die Stellung oben auf einem Hügel«, entgegnete Hillman.
»Und?«
»Und jeder weiß, dass es ein entscheidender Vorteil ist, wenn man oben auf einem Hügel ist … Verdammt, in so einer Situation ist es entscheidend
Buckeye war eingeschnappt. »Das wusste ich nicht. So was muss auch nicht jeder wissen, oder?«
»Aber jetzt weißt du’s.«
»Ich denke schon.«
»Na ja, dann weiß es doch jeder, stimmt’s?«
Hillman empfand keine Freude über seinen Sieg in der kleinen verbalen Auseinandersetzung. Sie wollten in ihrer Siedlung ein friedliches Miteinander pflegen. Da durfte es keine Auseinandersetzungen geben.
»Ich versteh einfach nicht, was daran so gut sein soll«, sagte Buckeye schmollend. »Ein paar von uns tragen Mokassins. Die haben unheimlich dünne Sohlen. Und hier ist alles voll mit spitzen Steinen.«
»Ich hab meine Golfschuhe angezogen«, sagte Buff mit einem blutrünstigen Grinsen. »Damit ich auf den Schweinehunden herumtrampeln und ihnen das Gehirn zermatschen kann.«
ANMERKUNG Zufällig war Buff Orpington ein direkter Nachkomme von Sigurd, dem edlen Wikinger. Mr Orpington wusste das nicht. Er wusste nur, dass er sich häufig Honig ins Bier rührte und darüber fantasierte, die Zöpfe seiner Frau mit einer Axt abzuhacken. Später sollte er die genetische Erinnerung von einem Babelfisch-Hybriden aus dem Gehirn extrahieren lassen und dazu übergehen, auf dem Golfplatz Seehundfell-Leggins zu tragen.
 
In diesem Moment wurde Hillman klar, wie schnell die bevorstehende Konfrontation außer Kontrolle geraten konnte. »Immer mit der Ruhe, Leute. Hier werden keine Gehirne zermatscht. Erstens sind die OP-Schwestern mit ein paar Caddies in den Bunker vom fünfzehnten Loch gezogen, und zweitens sind wir nicht die Arbeiterklasse. Wir werden gar nicht kämpfen, falls es nicht unbedingt erforderlich ist.«
»Alles klar, Hillman«, sagte Buff ernüchtert. »Aber was ist, wenn sie uns beleidigen? Oder vielleicht unsere Großeltern?«
Der rosige Ton wich aus Hillmans Wangen. »Wenn hier irgendjemand meine Na … äh … Großmutter beleidigt, schlag ich ihm den Schädel ein.«
 
Die Naniten waren nicht die Einzigen, die die Straße im Auge behielten. Ein kleine Gruppe geschmeidiger, hungriger Fleischfresser hockte in der dichten Vegetation am Rande der Tunnelmündung. Ihre kräftigen Finger waren gekrümmt, die Sehnen in Erwartung des Angriffs gespannt. Einer von ihnen, eine besonders grobschlächtige Gestalt, führte ein Stück Brotrinde an seinen Mund, biss mit kräftigen Zähnen etwas davon ab, das ihm vom Anführer der Horde aber sofort aus der Hand gerissen wurde.
»Was glaubst du, was du da machst?«, herrschte der Anführer, der Lewis Tydfil hieß, ihn an.
»Ich brauch ein bisschen Energie«, erwiderte der Untergebene, der nur unter seinem Vornamen bekannt war: Pex.
»Aber das ist Brot.«
»Na und?«
»Kohlenhydrate nach drei Uhr nachmittags? Bist du des Wahnsinns?«
»Ist doch nur ein Stück Rinde. Mehr nicht.«
Tydfil hielt das Stück Brot hoch, so dass alle Privattrainer und Kosmetikerinnen es sehen konnten. »Ein Stück Rinde. Mehr nicht. Weißt du, wie viele Stücke Würfelzucker in diesem Stück Rinde sind? Na, weiß es einer von euch?«
»Zwei vielleicht?«, antwortete Pex besorgt.
»Sieben!«, kreischte Tydfil. »Sieben Stück Würfelzucker. Wenn du das nach drei Uhr isst, kannst du dir genauso gut eine Zuckerpumpe in den Arsch schieben.«
»Ach, komm schon, Lewis.«
»Fünfzig Liegestütze auf den Fingerknöcheln. Los.«
Pex runzelte die Stirn. »Ich hatte eben Hunger. Ich hab keine Lust mehr, mir Obst von den Bäumen zu pflücken. Ich will endlich wieder was essen, das frisch aus dem Ofen oder vom Herd kommt.«
»Darum sind wir ja hier. Los jetzt, mach deine Liegestütze.«
Pex sah den Blick einer Kosmetikerin, an der er Gefallen gefunden hatte. Ihre Fingernägel sahen aus, als ob sie sie erst in Blut, dann in Diamanten getaucht hätte. Der Gedanke, sich vor ihren Augen demütigen zu lassen, gefiel ihm ganz und gar nicht.
»Nein, Tydfil. Die kannst du selber machen. Wer hat dich hier überhaupt zum Anführer gemacht?«
Lewis Tydfil richtete sich zu seiner vollen Größe auf und beugte ein Knie, um seinen zweiköpfigen Wadenmuskel besser zur Geltung zu bringen. »Ich habe mich selbst aufgrund meiner Qualifikationen zum Anführer gemacht.«
»Ich habe auch Qualifikationen.«
»Du bist Fitnesstrainer«, sagte Tydfil in einem Tonfall, der normalerweise mörderischen Diktatoren, Serienkillern oder attraktiven Freunden von Exfreundinnen vorbehalten war. »Jeder Schwachkopf kann sich ein Wochenende in einem schäbigen Fitnessstudio rumtreiben und Fitnesstrainer werden.«
»Ich hab auch eine Urkunde.«
»Und ich habe einen Universitätsabschluss«, donnerte Tydfil.
»Ich habe mich auf Rundhanteln spezialisiert.«
Wieder übertrumpfte Tydfil ihn: »Ich bin Fachkraft für die Kinesis Wall und darf Überweisungen von Ärzten entgegennehmen.«
Pex zog vorne aus seiner Short eine aufgerollte Zeitschrift hervor, was für die Kosmetikerin eine leichte Enttäuschung war.
»Ich wurde für eine Fotostrecke in Men’s Health fotografiert. Guckt mal, das bin ich hier auf dem Titel.«
Tydfil schlug den letzten Nagel in den Sarg seines Widersachers. »Ich war Ernährungsberater in einer Reality-Show. Es waren sogar echte Serienstars dabei!«
Pex konnte nicht mehr mithalten. Er ließ sich auf die Fingerknöchel sinken und fing an, die Liegestütze in Zehnerserien herunterzuzählen.
»Gut«, sagte Tydfil. »So, und ihr anderen achtet darauf, dass ihr nicht dehydriert, und macht weiter eure Stretchübungen. Sie können jetzt jeden Moment kommen.« Er sah ein paar von seinen Kameraden an. »Wir bleichen schon wieder aus. Noch etwas Tarnung, bitte.«
Zwei Kosmetikerinnen mit Selbstbräunertanks auf dem Rücken sprühten Streifen auf die Gliedmaßen des Trainers.
Ein Powerwalker kam aus dem Wald. »Sie kommen die Straße entlang. Jean Claude sitzt im letzten Cart.«
»Seid ihr bereit?«, fragte Tydfil. »Das ist unsere Chance. Wir schnappen uns Jean Claude, und dann gibt’s Buchweizen-Crêpes für alle. Jetzt wärmen wir uns durch langsames Joggen auf, und wenn ich das Zeichen gebe, greifen wir an.«
»Was für ein Zeichen ist das?«, fragte Pex vom höchsten Punkt eines Liegestützes.
»Ich werde dir einfach mit meiner Startpistole in den Kopf schießen.«
»Was?«
»Aber vielleicht sage ich auch einfach Angriff. Sonst noch Fragen?«
Pex’ Kinnlade fiel tief herab. »Nein. Schon klar.«
Tydfil lächelte breit und mit perfekten Zähnen. »Gut. Also los. Immer schön hoch die Knie. Und schön die Brust rausstrecken.«
 
Kaum hatten die Golfcarts den Tropenwald verlassen, erschien wie aus dem Nichts eine Gruppe Privattrainer und stürzte sich auf den letzten.
»Was zum …«, jaulte Buckeye. »Habt ihr das gesehen? Habt ihr gesehen, was die gemacht haben?«
Er bekam keine Antwort, weil alle konzentriert das Schauspiel verfolgten, das sich in einiger Entfernung auf dem Asphalt vor ihnen abspielte. Der Angriff war nicht sehr präzise durchgeführt, aber es ging Schlag auf Schlag. Eine Gruppe braun gebrannter und getönter Sportler stürmte aus dem Unterholz am Waldrand und kreiste den Cart ein, in dem Jean Claude saß. In einem wahren Gewirr aus Bizeps drängten sie den Cart an den Straßenrand und von dort weiter in den Graben. Nach einem kurzen Aufblitzen von Gymnastikanzügen und Haargel waren sie verschwunden. Der Fahrer hatte nicht einmal die Chance, den Notfallknopf zu drücken, den er an einer Schnur um den Hals hängen hatte. Vom Überfall blieb nur eine Staubwolke zurück, die sich dann langsam wieder legte, dazu hörte man die leiser werdenden Flüche eines etwas untersetzten Trainers, der sich offenbar nicht richtig aufgewärmt hatte. Aber selbst die waren schon verklungen, bevor an der Spitze des Konvois bekanntgeworden war, dass die Nachhut fehlte.
»Jaysus«, flüsterte Hillman, und dieses eine Mal meinte er es ernst. »Das war … es ist unglaublich. Ich wusste überhaupt nicht, dass sich Menschen so schnell bewegen können.«
Buff, der sich mal einen Vortrag über individuelles Training angehört hatte, nickte verständnisvoll. »Jau. So sind sie, die Trainer. Extrem gut geschmiert.«
»Sie haben sich in Wilde verwandelt«, krächzte Buckeye. »Wir sind hier nicht mehr sicher. Glaubt ihr wirklich, dass wir einen von denen mit einem Rasenkantenschneider aufhalten können? Wir sind verloren! Verloren!«
Es wurde Zeit für etwas Führung. »Jetzt reißt euch mal zusammen, ihr Angsthasen«, fauchte Hillman. »Als Erstes müssen wir uns um die Tyromancer kümmern.«
Das stimmte. Die Tyromancer waren nicht umgekehrt. Allenfalls kamen sie sogar noch schneller auf die Naniten zu. Höchstwahrscheinlich flohen sie den Ort des Hinterhalts aus Angst, dass die Trainer noch einmal zuschlagen könnten.
»Sollen wir jetzt den Hügel runterrennen?«, fragte Buckeye.
»Vergiss die Sache mit dem verdammten Hügel einfach«, fauchte Hillman, als ihm einfiel, dass Buckeye genaugenommen ein Kunde von ihm war. »Mach dir keine Sorgen um den Hügel. Folgt einfach meiner Führung.«
»Und schlagt ihnen die verzarkten Schädel ein.«
»Verzarkt, Buff? Was, bitte sehr, soll ›verzarkt‹ bedeuten?«
»Das ist nur so ein Wort, das ich bei den Kaufleuten am Raumhafen aufgeschnappt habe.«
»Dann behalt es ab jetzt für dich. Besonders vor den Damen will ich es nicht hören.«
Buff zuckte die Achseln. »Kein Problem. Ich wünschte, ich hätte jetzt ein Schwert in der Hand. Einen großen, verzarkten … sorry … einen großen Bihänder mit schaflederbezogenem Griff. Wenn ich so ein Schwert hätte, würde ich glücklich und zufrieden sterben und direkt in den Himmel kommen.«
Buckeye zupfte an seinem Ärmel herum, ein Zeichen für Nervosität. »Wenn wir das hier hinter uns haben, musst du dich mal mit meiner Frau unterhalten. Schließlich ist sie die Psychiaterin der Siedlung. Zumindest wenn es uns gelingt, sie vom Strand zurückzulocken. Sie lebt da jetzt mit einem jungen Rettungsschwimmer zusammen. Nach ihren eigenen Worten ist das ein klarer Fall von projiziertem, umgekehrtem Ödipuskomplex. Ich hab alles versucht, weißt du – sogar eine Tablettenkur mit diesen Bastardpillen gemacht, damit sie sich aussuchen kann, ob sie den guten oder den miesen Typen will.«
»Ich hoffe, dass ich die heutige glorreiche Schlacht nicht überlebe«, sagte Buff, ohne Buckeyes Leidensgeschichte auch nur zur Kenntnis zu nehmen.
Die Golfcarts der Tyromancer kamen Nanos einzige Schnellstraße entlang – ein ausgezeichnetes Beispiel für einen Overkill an »Zukunftsfähigkeit« – den Hügel hinauf auf die Gruppe zu.
»Ist vielleicht auch besser für dich«, murmelte Buckeye.
Obwohl er hinterher behauptete, dass es keine Absicht gewesen sei, stieß die Spitze von Buffs Golfschuh genau in diesem Moment gegen Buckeye Browns Mokassin und hinterließ ein paar tiefe Schrammen.
ANMERKUNG Dieser relativ harmlose Vorfall mündete in einen »Wie du mir, so ich dir«-Rachefeldzug, der sich im Lauf der Jahrhunderte weiter aufschaukelte und in der Zerstörung von drei Planeten, achtzehn Schlachtkreuzern der Mokassin-Klasse und einem gemütlichen Familienhotel auf einer neutralen Welt kulminierte. Auf der Habenseite kann man eine verbotene Liebesaffäre zwischen zwei jüngeren Mitgliedern beider Familien verbuchen, die später zu einem Film, mehreren Büchern und einem mittelprächtig erfolgreichen Theaterstück verarbeitet wurde. Siehe auch: »Brown & Orpington: Ein neues Geschlecht« von Bandera Brown-Orpington.
 
Die Tyromancer tuckerten den Hügel in einer ziemlich coolen Halbkreisformation herauf. Mit dem positiven Eindruck ging es dann aber schnell wieder bergab, als der Fahrer von Nummer vier nach dem Anhalten vergaß, die Bremse anzuziehen, worauf der Cart rückwärts den Hang wieder hinunterrollte und erst von einem Bantally-Baum gestoppt wurde, der sich, zum Glück für die beiden Insassen, offenbar im Winterschlaf befand, weil er sie sonst gewiss mit einem Fluch belegt hätte.
»Ganz großer Auftritt«, höhnte Buff und schwang nonchalant seinen Golfschläger.
Aseed Preflux stieg aus dem ersten Cart, nahm sich einen Moment Zeit, um den verblüfften Fahrer am Fuß des Hügels mit einem »Du Idiot«-Blick zu strafen, und wandte sich dann an die Naniten.
Die Ähnlichkeit zwischen ihm und Hillman war faszinierend – bis hin zu den leichten Geheimratsecken und dem koboldhaften, spitzen Kinn. Wenn sich die Naniten ihre Gegner etwas genauer angeguckt hätten, wäre ihnen vielleicht aufgefallen, dass es in den beiden Gruppen mehrere Doppelgänger gab.
»Der Käse hat mir prophezeit, dass du unsere Ankunft mit diesen Worten kommentieren würdest«, sagte Aseed.
»Schade, dass der Käse nichts von dem Hinterhalt am Waldrand gesagt hat, findest du nicht, Jüngelchen?«, erwiderte Hillman schnell. Seine Männer belohnten die Bemerkung mit einer Sechs auf der Lachskala, die von eins, einem freundlichen Glucksen, bis zehn, brüllendem Gelächter, ging. Dabei wäre für Hillmans Bemerkung offensichtlich allerhöchstens eine Vier angemessen gewesen.
»Spotte nicht über den Käse!«, sagte Aseed wütend. »Sonst führst du uns noch alle in die VerEdamnis.«
Buff zielte mit dem Neuner-Eisen auf Aseeds Kopf. »Du bist bald auch nur noch Schmierkäse.«
Noch mehr Gelächter. Eine gute Acht.
Auf Aseed Preflux’ Wangen erschienen rote Punkte. »Ja, macht nur weiter so. Reißt ruhig Käsewitze. Ist ja so leicht, was?«
»Ein leichter Halbfettkäse«, murmelte Buckeye.
»Seht ihr. Nur zu, nur zu. Damit wir das möglichst schnell hinter uns haben und endlich zur Sache kommen können.«
Aseeds Männer versammelten sich hinter ihm und versuchten so bedrohlich und kriegslüstern auszusehen, wie sie nur konnten, obwohl sie nur mit Geräten bewaffnet waren, die irgendetwas mit Käse zu tun hatten.
»Was ist das?«, fragte Hillman und deutete auf ein Holzwerkzeug. »Reinigt man damit Abflüsse?«
»Das ist ein Butterstößel! Wie Sie ganz genau wissen!«
»Woher sollte ich das wissen, Jüngelchen? Ich habe meine Leute, die mir den Käse machen, bevor ich ihn auf einen Cracker schmiere.«
»Ihr macht euch der Gotteslästerung schuldig«, kreischte Aseed, und seine Freunde stimmten mit ein.
»Nichts als Phrasen-Asen«, sagte Buff.
»Was?«
»Ach nichts, Hillman. Lass mich die Käsköppe fertigmachen. Sie sind ohnehin nur noch zu acht.«
»Noch nicht, Buff. Vielleicht wollen unsere Freunde ja gar nicht kämpfen. Vielleicht sind sie nur gekommen, um uns Jean Claude zurückzubringen.«
»Sind wir nicht!«, schrie Aseed, dann ging ihm die Puste aus. »Ehrlich gesagt, haben wir ihn auch gar nicht mehr. Die Trainer haben ihn. Wahrscheinlich ist er jetzt bei denen am Strand.«
»Wir haben es gesehen. Und dann habt ihr einen Gläubigen auf dem Schlachtfeld zurückgelassen?«
Aseed formte aus seinen Zeigefingern und Daumen ein Dreieck und führte es an die Stirn. »Der Käse verlangt Opfer«, sagte er dann.
Die anderen taten es ihm nach.
»Gerinne in Frieden«, intonierten sie mit so feierlichen Mienen, dass eine Werbeagentur sie als Vorher-Bilder in einer Kampagne für Blam-O-Brain, das Antidepressivum für die ganze Familie hätte vermitteln können.
Hillman und die Naniten setzten sofort die Hinterher-Mienen auf und fingen so heftig an zu lachen, dass ihnen zwei Fürze entfuhren. »Gerinne in Frieden!«, prustete Hillman. »Was kommt als Nächstes: Tut sich das Ferment auf, und es regnet Schimmelkäse?«
Aseed seufzte. »Das heißt, Sie werden sich uns nicht anschließen?«
»Nein, das werden wir nicht. Warum schließen Sie sich uns nicht an, Preflux? Machen Sie einfach mal halblang mit dem ganzen Käse. Wir sind hier alle ziemlich locker drauf. Und wenn wir zusammenhalten, können wir die Bediensteten überlisten.«
»Nein. Alle müssen sich dem Käse fügen.«
»Gerinne in Frieden.«
Jetzt musste Hillman seufzen. »Dann müssen wir wohl kämpfen.«
»Das ist wohl die einzige Möglichkeit. Aber nicht ins Gesicht schlagen.«
»Natürlich nicht. Wir sind doch keine Tiere. Und nicht in die Klöten.«
»Es ist uns verboten, die Klöten von Ungläubigen zu berühren, außer wenn wir Handschuhe aus Quark tragen. Leider ist es uns bisher nicht gelungen, solche Handschuhe zu produzieren.«
»Alles klar. Also nicht ins Gesicht und nicht in die Klöten.«
Buff sah aus, als ob er von einem riesigen Gummiband zurückgehalten wurde. »Jetzt macht schon. Lasst uns einfach loslegen.«
»Eins noch«, sagte Aseed. »Ich und meine Jünger werden mit der Butterhand in der Tasche kämpfen, es wäre daher eine Geste des Fairplay …«
»Also gut. Nur einhändig, nicht ins Gesicht, nicht in die Klöten.«
»Einverstanden. Wenn wir gewinnen, schließt ihr euch unserer fröhlichen Schar an. Wenn ihr gewinnt, probieren wir so lange weiter, bis wir gewonnen haben.«
Hillman schloss die Augen und lauschte der Stimme seiner Nano.
Was soll ich machen, Nano?
Die Antwort kam sofort. Haut diesen Haufen Kuhfladen zu Brei. Verpasst ihnen eine Abreibung, die sie nie vergessen.
Klaro, Nano, klaro.
Laut sagte er: »Okay, Buff, zeig, was du kannst.«
Beim Grinsen schien Buff Orpington mehr Zähne zu entblößen, als in einem menschlichen Gebiss tatsächlich vorhanden sind.
»Aaaarghhh!«, schrie er und trommelte sich wie ein Bär auf die Brust, während ihm Bilder von brennenden Klöstern durch den Kopf schossen. »Tod den Tyromancern.«
»Oder wenigstens eine Tracht Prügel«, sagte Hillman und drückte die Ein-Taste des Rasenkantenschneiders.
»Nicht in die Klöten«, quiekte Aseed, als der riesige Buff Orpington sich auf ihn stürzte. »Nicht in die Kl-ö-ö-ö-ö-…«
In diesem Moment erschien am Himmel ein gigantisches Käserad, das über den Köpfen der Kämpfer bedrohlich summend rotierte. Diese plötzliche und äußerst unerwartete Erscheinung zog die Aufmerksamkeit schneller auf sich, als es das Erscheinen von Eccentrica Gallumbits in einem T-Shirt mit dem blinkenden Slogan »Freitags Freif***« bei einem Kongress jungfräulicher Computerfreaks an einem Freitagnachmittag getan hätte. Selbst Buff Orpingtons Kampfeslust schwand schlagartig und hinterließ stattdessen einen trüben Nebel aus Zweifel und Unglauben in seinem Kopf.
»Das kann doch nicht sein«, sagte er. »Das ist doch unmöglich.«
Aseed Preflux wurde blasser als eine Scheibe Doppelrahm-Cheddar.
»Die VerEdamnis!«, heulte er und berührte die Stirn mit den Fingern. »Und Sie haben sie heraufbeschworen, Hillman Hunter!«
Hillman schaltete den Rasenkantenschneider aus. »Was? Nein, bestimmt nicht. Das kann einfach nicht angehen. Ist das wahr?«
Aseed und seine Tyromancer wichen hektisch triangulierend von der Mauer der Siedlung zurück.
»Wir werden nicht für eure Sünden sterben, Hunter. Sie müssen dem Zorn des Käserads allein ins Gesicht sehen.«
Die Tyromancer drehten sich auf den Absätzen um und flohen, was nicht leicht war, da sie sich die ganze Zeit verbeugen und das Zeichen des Käsedreiecks machen mussten, wodurch mehr als die Hälfte von ihnen in den unkrautüberwucherten Rabatten zu Fall kam, bevor sie schließlich ihre Golfcarts erreichten und so schnell es ihnen die Elektromotoren erlaubten, in den Dschungel zurücksurrten und bereit waren, sich einem möglichen Spießrutenlauf durch die Privattrainer zu stellen. Hätte der Käse sie festhalten und strafen wollen, wäre das wohl kein Problem gewesen. Aber wie es aussah, gab sich der Käse damit zufrieden, gebieterisch über den Naniten zu schweben.
»Wofür hältst du das?«, fragte Hillman Buff leise aus dem Mundwinkel heraus.
Buff zuckte die kräftigen Schultern. »Ich weiß nicht. Gouda vielleicht. Oder Cheddar.«
Der Käse hatte dann genug von seinem Dasein als Käse und verwandelte sich zur Abwechslung in ein rollendes Auge, was eines seiner Lieblingsmotive war.
Hillman seufzte, atmete sehr tief durch, und sein ganzer Körper entspannte sich, als ob seine Knochen plötzlich flüssig geworden wären. »Na klar. Das hätte ich mir gleich denken können.«
Das riesige Auge fing wie wild an zu rollen und verwandelte sich dann in einen Bildschirm, auf dem eine RealityShow über einen Behemoth mit dem Namen Pinky lief. Pinky lief ein paar Sekunden lang Amok, dann explodierte der Bildschirm und wurde zu einer Wolke aus kleinen pelzigen Bällen mit Zähnen, die ihren eigenen Pelz auffraßen, bis darunter schließlich ein glänzendes weißes Raumschiff zum Vorschein kam. Ein so cooles Raumschiff, dass andere Raumschiffe (wie zum Beispiel der Sirius-All-Welt-Gelände-Raumer) dagegen so cool wirkten wie ein paar Pickel auf der Nase eines vierzigjährigen Mannes, der während seiner Präsentation über die effizientesten Möglichkeiten zur Entfernung von Verstopfungen in Abflussrohren auf einem Fahrrad mit Stützrädern in seinem Büro im Kreis fuhr. ANMERKUNG Diese Analogie funktioniert fast überall ziemlich gut, außer in der Stadt Shank nahe der berühmten Unendlichkeitsspulen von Allosimanius Syneca. In Shank leben die Pshawrian, denen von Kindesbeinen an beigebracht wird, sich den Erwartungen ihrer Umwelt zu widersetzen. Wenn jemand dann doch einmal die Erwartungen erfüllt, bekommt er noch zwei Chancen, dann wird man von der Spitze einer der fingerförmigen Mondklippen geworfen. Die meisten Leute bekommen allerdings keine drei Chancen, weil das genau den Erwartungen entsprochen hätte. In Shank wäre ein pickeliger Vierzigjähriger auf einem Fahrrad mit Stützrädern die Verkörperung unerwarteter Coolness. Die Tatsache, dass es in der Präsentation um verstopfte Abflussrohre ging, hätte man als nette Dreingabe gesehen, da die Schwerkraft auf Allosimanius Syneca nur 1,2 Meter pro Sekunde zum Quadrat beträgt und Abwässer einfach in den Weltraum davonschweben.
 
Das glänzende weiße Raumschiff waberte noch etwas, dann stabilisierte es sich mit dem Geräusch des Zusammenpralls einer riesigen Zitronenscheibe mit einem gigantischen Goldbarren. Ein Teil vom Rumpf zischte und blubberte wie ein Glas Limonade und löste sich dann ganz auf, worauf eine große Gestalt mit einem Helm auf dem Kopf erschien, zu dessen Aura offenbar ein Chor von Engeln gehörte, der in göttlicher Harmonie den Namen »Thor« anstimmte.
»Halleluja«, flüsterte Hillman.
Buff Orpington sank weinend auf die Knie.