KAPITEL DREIUNDVIERZIG

VARG

Varg folgte Svik und den anderen den bewaldeten Hang hinab. Der Boden wurde eben, als er sie einholte. Sein Herz schlug ihm bis in den Kopf wie eine Trommel, und alles um ihn herum schien deutlicher geworden zu sein; heller, schärfer und lauter. Glornir schritt in die Mitte der Lichtung. Seine Augen waren dunkle Becken in den Augenlöchern seines Helms, und er hielt seine lange Bartaxt quer vor seinem Körper. Edel war bei ihm, flankiert von ihren Wolfshunden, sowie eine Handvoll anderer Blutgeschworener. Skalk, Olvir und Yrsa warteten hinter ihnen an der Baumgrenze. Und um die Lichtung tauchten weitere Gruppen der Blutgeschworenen auf. Jede wurde von einem Hauptmann von Glornir angeführt: Røkia, Sulich und Vol.

Die Thralls auf der Lichtung gafften sie mit offenem Mund an, die Krieger schrien, einige erstarrten und blickten nur erstaunt in ihre Richtung, andere reagierten. Die Skraelinge waren unnatürlich still. Ihre Köpfe ruckten wie die von Raubvögeln hin und her, als sie die verschiedenen Gruppen der Blutgeschworenen musterten, die zwischen den Bäumen auftauchten. Als Varg näherkam, sah er, dass sie in etwa Gesichtszüge von Männern und Frauen hatten, kleine dunkle Augen, Münder und Nasen, aber sie waren uneben, wie geschmolzenes Kerzenwachs, und aus ihren Unterkiefern wuchsen kleine Hauer.

Eine Frau in einem Kettenpanzer setzte ein Horn an die Lippen und stieß hinein, lange und laut.

Die Thralls schrien auf. Viele ließen ihre Fuhrwerke im Stich und rannten mit klirrenden Ketten in alle Richtungen davon.

Einer der Skraelinge zog eine kurze, breite Klinge aus dem Gürtel. Sie sah aus wie ein Zwischending zwischen Schwert und Hackmesser. Er hackte auf eine Thrall ein. Sie schrie auf, als sie zusammenbrach, und das Blut spritzte aus einer klaffenden Wunde zwischen Schulter und Hals. Andere versuchten, die flüchtenden Thralls wieder in den Tunnel zu treiben, oder scharten sich zusammen, um sich den Blutgeschworenen zu stellen.

Auf der Lichtung schien der Wahnsinn ausgebrochen zu sein.

»Zu mir!«, knurrte Svik, und Varg trat hastig an Sviks linke Seite. Die kleine Gruppe bildete eine lockere Reihe, mit angehobenen Schilden, aber ohne sie zu überlappen. Schlamm schmatzte unter Vargs Schuhen. Alle Blutgeschworenen rückten auf die Lichtung vor, und das Netz zog sich vor dem Tunneleingang zusammen. Sie waren dem Feind zahlenmäßig überlegen, denn auf der Lichtung befanden sich vielleicht zwei Dutzend Krieger und etwa ein Dutzend Skraelinge.

Die ersten Speere zischten durch die Luft, als die Blutgeschworenen den Angriff eröffneten. Krieger stürzten schreiend und blutüberströmt zu Boden. Einer der Skraelinge stieß einen unmenschlichen, schrillen Schrei aus und taumelte, als ein Speer seinen Torso durchbohrte. Das Geschöpf riss an dem Speer, während Blut aus der Wunde quoll und seine Tunika aus Tierhaut tränkte. Dann packte der Skraeling den Schaft mit seiner Faust und riss den Speer heraus. Er sah die Blutgeschworenen an und riss seinen Kiefer weit auf. Und kreischte.

Sie sind schwierig umzubringen, dachte Varg.

»Schildwall!«, rief die Frau, die ins Horn gestoßen hatte. Die Krieger scharten sich um sie und überlappten ihre Schilde.

Sie bildeten eine leicht gebogene Reihe, als die letzten Thralls verschwanden. Dann setzten sich die Skraelinge in Bewegung und griffen die Blutgeschworenen an. Zwei stürzten sich auf Sviks Gruppe.

»Schilde!«, schrie Svik.

Varg drängte sich dichter an Svik, wie Røkia es ihn gelehrt hatte, bis sich ihre Schultern berührten und ihre Schilde mit einem Knall überlappten. Vargs Schild überlappte den von Svik, und sein Rand drückte fest gegen seinen eisernen Schildbuckel. Torvik stand links von Varg und machte mit seinem Schild dasselbe. So bildeten die sieben eine solide Wand aus Lindenholz und Eisen. Die beiden Skraelinge griffen sie an. Sie kreischten mit unmenschlichen Stimmen und liefen schneller, als Varg es für möglich gehalten hätte. Sie sprangen förmlich über den Boden und benutzten beim Rennen die Knöchel ihrer Fäuste.

»Bereit!«, schrie Svik, spreizte die Füße und stemmte den linken Arm und die Schulter in den Schild. Varg machte dasselbe und blickte dabei über den Rand, hielt seinen Speer in der Faust.

Der erste Skraeling krachte in ihren Schildwall. Svik, Halja und Vali fingen den Aufprall ab. Der Skraeling warf sein ganzes Gewicht gegen sie, es knallte dumpf, und die Schilde ruckelten, verteilten die Wucht des Aufpralls. Der Skraeling prallte von den Schilden zurück und landete rücklings im Schlamm. Speere durchbohrten ihn.

Dann hatte der zweite Skraeling sie erreicht. Er krachte gegen Varg und Torvik. Der Knall war ohrenbetäubend, in Vargs Schulter explodierte Schmerz und er segelte durch die Luft. Er landete auf dem Boden, sämtliche Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst und er rollte sich herum, verfing sich in seinem Schild und verlor seinen Speer. Dann kam er zur Ruhe, zappelte im Schlamm herum, rang keuchend nach Luft und richtete sich auf Hände und Knie auf.

Torvik schrie. Er war zwanzig Schritt von Varg entfernt gelandet, rappelte sich jedoch gerade hoch und schwang seinen Speer. Der Skraeling stand zwischen ihnen, geduckt, knurrend, und Speichel troff von seinen Hauern. Die Kreatur griff an ihren Gürtel und zückte eine breite Klinge. Sie war kürzer als ein Schwert, aber länger als ein Scramasax und breiter als ein Hackmesser. Sie zischte die beiden an, und ihr Kopf ruckte zwischen Torvik und Varg hin und her wie der eines Falken. Dann griff sie Torvik mit schrillem Kreischen an.

Wut flammte in Varg auf. Rein und weißglühend, wie im Faustkampfring, wenn er niedergeschlagen worden war, oder wie damals, als Einar ihn zu Boden geschlagen hatte. Es war eine instinktive Reaktion auf die Gefahr zu verlieren. Die meisten Leute würden nicht wieder aufstehen.

Der rote Nebel, hatte Frøya es genannt. Was auch immer es war, es strömte jetzt durch Varg hindurch, erfüllte seine Adern, seinen Körper, seinen Geist. Der Schmerz in der Schulter verschwand. Er rappelte sich hoch und rannte auf den Skraeling zu, wobei er unartikulierte Drohungen ausstieß.

Torvik fing einen Schlag des Skraelings mit seinem Schild ab. Das Holz splitterte, und er taumelte ein paar Schritte zurück. Dann stieß er mit seinem Speer zu und hinterließ eine blutige Wunde auf der Schulter der Kreatur. Aber die schüttelte sich nur, kreischte erneut und schwang ihre Waffe. Torvik riss den Schild herum, die Klinge grub sich hinein, und erneut explodierten Splitter.

Varg sprang auf den Rücken des Skraelings. Die Kreatur grunzte, und sie stürzten beide zu Boden. Der Skraeling bockte und zappelte unter Varg, der ihm immer wieder den eisernen Buckel seines Schildes auf Kopf und Schultern hämmerte und die Kreatur wortlos anbrüllte. Die schlug mit ihren langen Armen zu, traf ihn am Kopf und er fiel zur Seite. Er sah, dass der Skraeling sich aufrappelte. Blut strömte über eine Seite seines zerstörten Gesichts, dann hob er seine Waffe.

Varg versuchte aufzustehen, rutschte jedoch im Schlamm aus.

Jetzt stand der Skraeling unmittelbar vor ihm.

Und dann drang ein Speerblatt aus seinem Bauch, und die Kreatur bog kreischend den Rücken durch. Torviks verzerrtes Gesicht tauchte hinter ihr auf. Der Skraeling packte den Speer und riss ihn durch seinen Körper heraus, dann drehte er sich zu Torvik herum. Der starrte die Kreatur ungläubig an.

Der Boden bebte, ein Schatten tauchte auf, und eine Axt hackte in den Skraeling, durchtrennte ihn von den Schultern bis zu den Rippen, und die Kreatur brach mit einem gurgelnden Seufzer zusammen.

Einar setzte seinen Stiefel auf den toten Skraeling und riss seine Axt heraus.

»Hoch mit dir!«, sagte er zu Varg.

»Nimm meine Hand, Bruder!« Torvik zog Varg hoch. Beide blieben schwer atmend stehen, mit aufgerissenen Augen und blutbeschmierten Gesichtern.

Der Kampflärm war ohrenbetäubend. Varg sah, dass Svik und die anderen gegen den Schildwall aus sechs oder sieben feindlichen Kriegern drückten. Schilde krachten gegeneinander und Stahl klirrte auf Stahl. An einer anderen Stelle schwang Glornir seine Bartaxt mit beiden Händen. Ein Skraeling stürzte in einer Fontäne aus Blut zu Boden. Røkia schrie einen Schlachtruf und führte ihre Gruppe Blutgeschworene an, als sie durch einen anderen Schildwall von gepanzerten Kriegern brachen. Sie rammte ihren Speer einem Mann in den Bauch. Überall wütete der Tod, die Luft war vom metallischen Geruch nach Blut und dem Gestank von Fäkalien geschwängert. Und wohin auch immer die Blutgeschworenen gingen, ihre Feinde schienen vor ihnen zu fallen.

»Jetzt wird sich nicht ausgeruht«, knurrte Einar ihnen zu, als er in Richtung Svik ging.

Varg wechselte einen kurzen Blick mit Torvik, der ihn angrinste, dann folgten sie dem Hünen. Varg hob seinen Schild und zückte seinen Scramasax. Die beiden schlossen sich erneut Sviks Schlachtreihe an und schoben gegen den feindlichen Wall aus Schilden. Varg überlappte seinen Schild mit dem von Vali. Torvik ging zum anderen Ende der Schlachtreihe.

Ihnen standen sieben Krieger gegenüber, Frauen und Männer, die fauchten und schoben, knurrten und geschützt hinter ihren Schilden mit ihren Speeren zustachen. Varg stemmte die Schulter in seinen Schild und legte sein ganzes Gewicht hinein. Er schob, sah einen blonden Bart und das Schimmern eines Speerblattes. Er riss den Kopf zur Seite und spürte, wie die eiserne Klinge an seinem Helm vorbeischabte. In dem Helm wurde das Geräusch ohrenbetäubend verstärkt. Er stach mit seinem Scramasax tief zu, unter seinem Schildrand, und spürte, wie die Klinge etwas Weiches traf. Dann hörte er ein Stöhnen, und der Druck auf seinem Schild ließ nach. Er holte mit seinem blutüberströmten Scramasax aus und drückte weiter, stach hoch zu und hörte, wie die Klinge über die vernieteten Ringe eines Brynja kratzte.

Ein lauter Befehl ertönte, und die feindlichen Krieger traten einen Schritt zurück. Varg war vollkommen erschöpft. Seine Glieder waren schwer und Schweißtropfen liefen ihm in die Augen.

Diese Schildarbeit ist schwerer als ein Faustkampf zwischen den Haselruten.

»Auf sie!«, schrie Svik, trat einen Schritt vor und schloss die Lücke. Der Rest der Reihe folgte ihm. Neben Varg zischte Vali den Feind wie eine erboste Schlange an. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt. Er hatte seinen Speer in der Leiche eines Skraelings stecken gelassen und schwang jetzt eine Bartaxt. Er hakte die Schneide in den Schildrand des Kämpfers ihm gegenüber und zog. Der Krieger, der den Schild hielt, taumelte einen Schritt vorwärts. Es war ein dunkelhaariger Mann mit einer gebrochenen und schlecht gerichteten Nase, der Vali Beleidigungen entgegenschleuderte. Jökul drosch seinen Hammer auf den Helm des Kriegers und schlug eine faustgroße Beule hinein. Das unverkennbare Knacken von Knochen ertönte, und der Mann brach zusammen.

Svik trat über die Leiche hinweg, stach mit seinem Speer zu und drängte sich in die Lücke ihres Schildwalls. Vali, Halka und Jökul folgten ihm, und der feindliche Schildwall platzte auseinander wie ein aufgeschlagenes Ei. Einer von ihnen kämpfte weiter. Einar machte kurzen Prozess mit ihm, und die anderen wandten sich zur Flucht.

Varg stand da, während in ihm Erschöpfung mit Wut rang. Er spürte immer noch, wie der Zorn durch ihn pulsierte, wie kaltes Feuer, wie ein ferner Trommelwirbel, und sein Körper zuckte in dem Verlangen zu kämpfen.

Dann drang ein Brüllen aus dem Tunneleingang über die Lichtung, lauter als das Krachen eines gefällten Baums. Varg zuckte bei dem Lärm zusammen.

Eine Gestalt polterte aus dem Tunnel, fast so groß und breit wie der Eingang selbst. Es war der Troll, den sie am Wasserfall gesehen hatten. Varg war nicht klar gewesen, wie groß er wirklich war. Groß wie zwei Männer und so breit wie drei donnerte das Geschöpf auf die Lichtung. Schlamm quoll zwischen seinen dicken krallenbewerten Zehen hervor und spritzte durch die Luft. Der Troll war nackt und muskulös wie ein Bulle. Seine Schuppenhaut war von Moosflecken bedeckt, und zwischen seinen Beinen schwangen seine Hoden wie zwei Felsbrocken hin und her. In den Fäusten hielt er eine mit Eisen beschlagene Keule. Gelbe Hauer ragten aus seinem Unterkiefer hervor, und die kleinen bösartigen Augen funkelten unter der dicken gewölbten Stirn.

Dahinter bewegten sich Gestalten, ein Dutzend Krieger, angeführt von einem grauhaarigen Mann in einem ölig schimmernden dunklen Brynja. Auf seinem Kopf saß ein eiserner Helm mit einem Nackenschutz aus Ketten, sein grauer Bart war zu einem dicken Zopf geflochten, und ein dunkler Umhang blähte sich wie Flügel hinter ihm. Er trug viele Armreifen aus Silber und Gold, hatte keinen Schild, sondern hielt einen langen zweihändigen Krummsäbel in den Fäusten. Es war kein Schwert aus Eisen oder Stahl, sondern gelblich und von grauen Adern durchzogen, wie alte Knochen. Und es schien in den Händen des Mannes zu schimmern. Macht strahlte von ihm aus wie Hitzewellen. Das Kribbeln in Vargs Blut wurde stärker, lauter und wilder, rief ihn, gab ihm Leben und Energie, und gleichzeitig unterdrückte es ihn, zerquetschte ihn, als wäre er in einen tiefen Bergsee gesprungen und das Gewicht des Wassers über ihm drohte ihn zu zermalmen.

Der Mann stellte sich vor den Troll, und ein Dutzend Krieger fächerten sich hinter ihm auf. Sie alle waren gepanzert und hielten scharfes Eisen in den Fäusten. Er hob das Knochenschwert über seinen Kopf. In seinem vom Helm beschatteten Gesicht flackerten rote Augen wie Glut, als er die Blutgeschworenen finster betrachtete.

»Ihr hättet nicht herkommen sollen!«, sagte er und setzte sich in Bewegung.

Glornir trat ihm entgegen, und die Blutgeschworenen verteilten sich hinter ihrem Häuptling.

Der Troll brüllte und stampfte polternd vorwärts.

Die Speere der Blutgeschworenen zischten durch die Luft. Einige durchbohrten die dicke Haut des Trolls, und Blut quoll heraus, andere prallten ab. Das Ungetüm schlug nach den Speeren und zerbrach die Schäfte.

Glornir schwang seine langstielige Axt über seinem Kopf und führte einen mächtigen Schlag gegen den rotäugigen Krieger. Der trat vor, und sein Knochenschwert fuhr herab. Die Waffen prallten aufeinander, und es klirrte ohrenbetäubend. Glornir wurde durch die Luft geschleudert. Der Rotäugige hielt kurz inne, bevor er ihm folgte.

Svik stieß einen Schlachtruf aus und stürzte sich auf den rotäugigen Mann. Seine Gruppe folgte ihm – Halja und Vali, Einar, Jökul und Torvik. Varg blieb einen Moment stehen und kämpfte gegen die pulsierenden Schmerzwellen an, die das Knochenschwert ausstrahlte. Dann rannte auch er los.

Zwischen Svik und Glornir lagen etwa vierzig Schritte. Der Häuptling war wieder aufgesprungen und schüttelte sich. Blut lief aus seiner Nase. Er umklammerte immer noch seine Bartaxt, stellte sich dem rotäugigen Mann entgegen und hob die Waffe. Der Fremde schritt auf ihn zu und hob das Knochenschwert.

Svik schrie, und Varg und die anderen stimmten in seinen Schlachtruf ein. Weitere Blutgeschworene rannten auf sie zu. Varg hörte, wie auch Røkia einen Schrei ausstieß, und sah, wie sie ihren Speer auf den Rotäugigen schleuderte. Es war ein machtvoller Wurf, und der Speer flog zielsicher auf die Brust des Mannes zu.

Der aber schlug den Speer mit seinem Knochenschwert aus der Luft. Die beiden Hälften landeten zersplittert vor seinen Füßen.

Svik und seine Leute rannten über den Schlamm und die mit Blut getränkte Lichtung.

Ein Schatten tauchte vor ihnen auf, jemand brüllte, und Vali war plötzlich verschwunden, flog in einer Fontäne aus Blut durch die Luft. Halja kreischte. Der Troll sprang vor sie, füllte Vargs gesamtes Blickfeld aus und verdeckte seine Sicht auf Glornir. Mit seiner eisenbeschlagenen Keule schlug er nach Svik. Der rothaarige Krieger sprang nach vorn und schlug einen Purzelbaum, tauchte unter dem Schwung der Keule ab und sprang wieder auf die Füße, schlammbedeckt. Er lief weiter, schleuderte seinen Speer auf den Troll und zückte sein Schwert, noch bevor der Speer traf. Ein lauter Schmerzensschrei gellte über die Lichtung, als das Speerblatt tief in den Schenkel des Trolls eindrang. Svik schlug einen Haken, vermied einen stampfenden Tritt und schlug mit dem Schwert gegen das Bein des Trolls. Einar und Jökul machten einen Bogen um die wütende Kreatur, während sie auf sie einhackten. Torvik rannte direkt auf sie zu, warf seinen Speer und die Klinge durchbohrte die Schulter des Trolls. Wieder brüllte er vor Schmerz und schwang seine Keule. Alle sprangen zurück, selbst Einar, aber die Spitze der Keule streifte Svik, der von den Füßen gerissen wurde und durch den Schlamm rollte.

Varg verlagerte sein Gewicht auf die Zehen, dann rannte er los, folgte dem Schwung der Keule, wich einem Faustschlag aus, der sich in den Boden grub, dass der Schlamm spritzte, und rammte seinen Schildrand auf den Fuß des Trolls. Es war, als hätte er gegen einen Felsbrocken geschlagen. Er fühlte den Aufprall in seinem ganzen Arm und konnte den Schild nicht mehr festhalten. Er sprang hoch, packte Sviks Speerschaft, der immer noch im Schenkel des Trolls steckte, und zog sich am Körper des Trolls hoch. Er zog seinen Scramasax über den Bauch der Kreatur. Die Klinge durchtrennte ein paar Schichten der zähen, lederartigen Haut, und Blut quoll heraus. Aber der Schnitt war nicht tief genug, um ihm den Bauch aufzuschlitzen. Die Kreatur brüllte, packte Varg mit seiner riesigen Faust am Hals und hob ihn hoch. Dann drückte sie zu.

Der Schmerz war unerträglich, seine Knochen drohten zu brechen, und er bekam nicht einmal genug Luft, um zu schreien. Helle Flecken tanzten vor seinen Augen, dann wurde es plötzlich dunkel. Furcht durchströmte ihn, mischte sich mit seiner Wut, und er knurrte und wehrte sich und rammte seinen Scramasax in die Faust des Trolls.

Dann war er plötzlich gewichtslos, stürzte, verlor seinen Scramasax und landete krachend auf dem Boden. Er rollte ein Stück weiter und blieb liegen, atmete Schlamm ein. Dann spuckte und keuchte er, während er versuchte aufzustehen und Luft in seine Lunge drang. Er richtete sich auf und sah, dass Svik auf den Rücken des Trolls geklettert war und wie besessen mit seinem Scramasax in die Muskeln zwischen Nacken und Schulter stach. Einar schwang seine Axt und hinterließ eine klaffende Wunde im Schenkel des Trolls. Jökul war ebenfalls nähergetreten und hämmerte auf die Zehen der Kreatur ein. Der Troll brüllte vor Wut.

Varg stieß sich hoch und schüttelte sich. Es schmerzte zwar, wenn er schluckte, aber das war erheblich besser, als tot zu sein.

Der Troll brüllte ohrenbetäubend, ließ die Keule fallen und drehte sich im Kreis, schlug sich auf den Rücken, um Svik loszuwerden. Dunkles Blut spritzte in einer Fontäne aus seinem Hals. Mit der Faust erwischte er Jökul, der durch die Luft flog und mit verdrehten Gliedmaßen krachend auf dem Boden landete.

Varg hörte einen Schrei hinter sich und fuhr herum. Er erstarrte einen Moment bei dem Anblick, der sich ihm bot.

Glornir war auf ein Knie gesunken, Blut strömte aus den Wunden auf seiner Schulter und seiner Brust, sein Brynja hing an vielen Stellen zerfetzt an ihm herab. Der Rotäugige stand vor Glornir, umringt von Leichen. Dann hob er sein fahles Knochenschwert.

Varg erkannte, wer den Schrei ausgestoßen hatte.

Vol trat vor und hob die Hand. Sie stellte sich vor Glornir, zog einen Scramasax, fuhr damit über ihre Handfläche und rief Worte, die Varg nicht verstand.

»Bein af því gamla, þú munt ekki fara framhjá!«, schrie sie, während sie mit ihrer blutigen Hand Figuren in die Luft malte. Glühendes Feuer flackerte auf, gerade Linien tauchten in der Luft auf, und eine Seiðr-Rune aus Blut und Flammen bildete sich über Glornir. Sie glühte rot und orange, als das Knochenschwert auf seinen Schädel hinabsauste. Die Klinge traf auf die Rune, und schillerndes Licht flammte auf und blendete Varg einen Moment. Er blinzelte, und als er wieder etwas erkennen konnte, sah er, dass das Knochenschwert langsamer geworden war, als würde es sich durch Wasser bewegen. Dann hielt es inne, mitten in der flammenden Seiðr-Rune, als hätte der rotäugige Mann seine Waffe in Holz gehackt und könnte sie nicht herausziehen. Er legte sein ganzes Gewicht in das Schwert, und die Muskeln in seinen Armen traten hervor. Varg sah, dass er knurrte und irgendwelche Worte zischte, die er nicht verstehen konnte.

Vol erwiderte fauchend etwas und stemmte sich in die Seiðr-Rune, als wäre sie ihr Schild in einem Schildwall. Sie hatte die Hand hoch erhoben, drückte die Handfläche dagegen und ihr Gesicht war zu einer schmerzhaften Grimasse verzerrt. Während sie die Lippen bewegte, strömten Worte in einem ständigen Fluss aus ihrem Mund.

Um sie herum versuchten die Blutgeschworenen sie zu erreichen, kämpften erbittert mit der Handvoll Krieger, die dem Rotäugigen gefolgt waren.

Das Knochenschwert bewegte sich und strahlte Wellen von Macht aus. Die Seiðr-Rune flackerte und fauchte, wie eine blakende Fackel, als sich das Knochenschwert wieder zu bewegen begann und durch die Flammen schnitt.

»Guðir bein brjóta þig, kló tæta þig!«, brüllte der Rotäugige. Speichel flog aus seinem Mund, und sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse, die Adern traten hervor, und schließlich explodierte die Seiðr-Rune. Vol wurde zurückgeschleudert, prallte gegen Glornir und beide stürzten zu Boden. Der Rotäugige trat vor sie und hob sein Schwert erneut.

Helle Wut loderte in Varg auf, gespeist von seiner Furcht, blendend weiß in seinem Kopf. Er fauchte und rannte los, griff nach seiner Faustaxt und seinem Hackmesser und sprang.

Der rothaarige Mann hielt mit hocherhobenem Schwert inne und warf einen Blick über die Schulter, sah, dass Varg auf ihn zuflog, drehte sich weg. Zu spät.

Varg prallte gegen ihn, hackte mit Faustaxt und Hackmesser auf den Mann ein. Die beiden stürzten zu Boden und rollten herum. Varg kam zur Ruhe und suchte hastig Halt, während das Feuer in seinem Blut ihn durchströmte, ihn drängte zu töten und zu zerfetzen. Wenn er im Faustkampfring gekämpft hatte, dann hatte der rote Nebel ihm Energie gegeben, einen Schwall von rücksichtsloser Stärke und Geschwindigkeit und gleichzeitig eine Klarheit der Gedanken und das instinktive Wissen, dass er niemals aufgeben würde. Aber er hatte dieses Gefühl immer zurückgehalten, weil er wusste, dass es zum Tod seines Widersachers führen würde, wenn er dem nachgab. Es war fast so, als hätte er einen Kampfhund an der Leine gehalten. Aber hier und jetzt ging es um Leben und Tod. Alles, was in seinem Leben eine Rolle spielte, stand in diesem Moment auf dem Spiel, während dieser nächsten Herzschläge. Ohne bewusst darüber nachzudenken, ließ er den Kampfhund in seiner Seele los.

Er stand geduckt da und merkte, dass er seine Faustaxt verloren hatte. Aber noch hielt er das Hackmesser in den Händen. Er sah den rotäugigen Mann an, sah ihn überdeutlich, während alles um sie herum zu verschwommenen Schatten verblasste, die kämpften und kreischten und bluteten. Der Rotäugige richtete seinen finsteren Blick auf Varg, und seine Wut verwandelte sich in Überraschung.

Varg hatte ihm den Helm vom Kopf geschlagen. Es war ein alter Krieger, sein grauer Bart war zu einem Zopf geflochten und sein Kopf kahlrasiert. Blut lief ihm aus einer Wunde über die Seite des Kopfes, und ein Hautfetzen hing herunter. Er hatte sein Knochenschwert verloren und suchte mit rot glühenden Augen danach. Dann fand er es und packte es rasch, riss es hoch, als Varg sich aufrappelte und sich erneut auf den alten Mann stürzte. Sein Hackmesser zischte in hohem Bogen herab, und er hatte die Zähne in einer Grimasse der Wut gefletscht. Er glaubte, schwach das Knurren eines Wolfs zu hören.

Der Rotäugige schlug in einem horizontalen Bogen mit seinem Schwert nach ihm.

Vargs Hackmesser grub sich knirschend, tief in den Schädel des rotäugigen Mannes. Er spaltete ihn, und Blut und Knochen spritzten. Sein Körper zuckte und verkrampfte sich, und seine Kraft verschwand mit einem einzigen Herzschlag. Aber sein Schwung trug sein Schwert weiter, und es prallte gegen Vargs Taille.

Ein sengender Schmerz und grellweißes Licht durchzuckten Vargs Körper, und er heulte auf. Dann umfing ihn die Dunkelheit.