KAPITEL SIEBENUNDVIERZIG

VARG

Varg wachte schreiend auf. Es war ein dumpfes Geräusch, wie aus weiter Ferne, das jedoch lauter wurde, als sein Bewusstsein zurückkehrte, so, als wäre er lebendig begraben worden und bahnte sich jetzt mit den Fingern den Weg aus der Erde. Er keuchte, krümmte sich und spürte, wie Hände ihn festhielten.

»Ganz ruhig, Hirnlos«, sagte jemand.

Er ignorierte das, sah verschwommene Gestalten um sich herum, kämpfte weiter, wand sich, bis noch andere Hände ihn packten und festhielten. Er sah sich keuchend um, während seine Sehkraft schärfer wurde. Er schmeckte Eisen und spuckte Blut. Die erste Person, die er wahrnahm, war Røkia. Sie hielt ihn fest. Ihr Gesicht war sorgenvoll verzerrt.

»Du bist bei Freunden«, sagte sie. Er atmete keuchend aus und sank in ihren Armen zusammen. Und in denen von Svik, wie er bemerkte.

Er war immer noch in derselben Kammer. Der erstickende Gestank von Blut erfüllte die Luft. Olvirs Leichnam lag neben ihm. Seine Gliedmaßen waren verdreht, seine Kehle war eine aufgerissene klaffende Wunde. Dann sah er Torvik, und im nächsten Moment schien die Trauer ihn zu überwältigen.

Torvik ist tot. Vol ist verschwunden.

Jemand brüllte immer noch. Es krachte und hämmerte, und er sah Einar, der vor der Tür der Kammer stand, in der das Knochenschwert aufbewahrt wurde.

Bevor Skalk es gestohlen hat.

Einar stemmte sich gegen die Tür, hielt sie mit der Schulter zu, unterstützt von einigen anderen Blutgeschworenen. Sulich und Halja. Sie alle hielten die Tür zu. Varg sah, wie die Tür zitterte und wackelte. Einar hatte Mühe, sie geschlossen zu halten. Gedämpfte Geräusche drangen hindurch, ein Hämmern, ein dumpfes Knurren und ein von Trauer und Wut gefärbtes Brüllen.

»Was ist da drin?« Varg dachte, sie hätten einen weiteren Troll gefangen.

»Glornir«, antwortete Svik.

Varg blinzelte verblüfft.

»Er ist … etwas aufgebracht«, erklärte Svik. »Es ist besser, wenn er im Moment nicht mit uns anderen zusammen ist.«

Wieder krachte es gegen die Tür, und etwas splitterte.

»Was ist denn passiert?«, flüsterte Varg und rieb sich mit den Knöcheln die Augen.

»Vol ist verschwunden«, sagte Røkia, als würde das alles erklären.

»Ich weiß«, murmelte Varg. »Aber …«

»Vol ist keine einfache Thrall«, erklärte Svik. »Sie ist Glornirs Frau.«

Varg brauchte einen Moment, um das zu verarbeiten.

»Skalk hat sie geraubt«, sagte er dann. »Yrsa hat Torvik erstochen.« Sein Magen verkrampfte sich vor Wut und Trauer. »Ich …« Er hielt inne, als ihm Skalks Angebot einfiel, und dass er einen Augenblick mit dem Gedanken gespielt hatte, es zu akzeptieren. Eine Welle von Scham überflutete ihn, und ein Gefühl von Verlust. Wenn Vol verschwunden war, dann war damit auch seine Chance vertan, sein Gelübde an Frøya einzulösen.

»Wir müssen Vol zurückholen.« Varg rappelte sich auf. Seine Seite tat weh, seine Rippen pulsierten vor Schmerz und es nahm ihm den Atem, aber er machte weiter. Er schwankte und widerstand dem Drang, sich zu übergeben.

»Das ist die richtige Haltung.« Svik lächelte Varg an. »Aber vielleicht solltest du dir vorher etwas anziehen.«

Varg blickte an sich hinunter und sah, dass er zwar noch seine Stiefel und seine Hose trug, aber keine Tunika. Sein Waffengürtel war ebenfalls weg.

Svik hielt ihm eine Leinentunika hin und half ihm, sie über den Kopf zu ziehen. Dann folgte eine aus Wolle. Varg zischte und keuchte und biss die Zähne vor Schmerz zusammen. Røkia hielt ihm seinen Waffengürtel hin. Sein Scramasax, sein Hackmesser und seine Faustaxt hingen daran, ebenso sein Beutel. Eine Last wurde ihm von den Schultern genommen bei diesem Anblick, und er nahm Røkia den Gürtel ab.

Wieder krachte die Tür in den Zargen, und Einar wurde in den Raum zurückgeschleudert. Er kroch hastig wieder zur Tür und stemmte sich dagegen.

Varg konnte es nicht glauben. »Glornir ist stark, aber das kann er nicht mit einer Tür machen, wenn Einar auf der anderen Seite steht«, sagte er.

»Er kann«, widersprach Svik.

»Aber wie?«

Svik sah Røkia an. Die Kriegerin nickte.

»Es ist an der Zeit«, sagte sie.

»Das denke ich auch«, meinte Svik gelassen. Er sah Varg an. »Glornir ist Berserkir«, erklärte der junge Krieger.

Varg starrte ihn an, und beinahe hätte er vor Verblüffung laut aufgelacht.

»Glornir ist ein Besessener?«, stieß er hervor.

»Ja. Er ist von den Göttern erwählt. Das Blut von Berser dem Bären fließt durch seine Adern.«

Varg blickte ungläubig zur Tür.

»Ich bin auch ein Besessener«, fuhr Svik fort. »Refur der Fuchs lebt in meinem Blut weiter.«

Varg sah ihn an, und in der Kammer herrschte Schweigen. Selbst Glornirs Hämmern und sein Gebrüll verstummten für wenige Augenblicke.

»Das ist einer deiner sonderbaren Scherze«, stammelte Varg.

»Das ist kein Scherz.« Svik schüttelte den Kopf. Er trat dichter zu Varg, zupfte an seinem roten Bart, und plötzlich war sein Blick sehr eindringlich. Sein Gesicht verwandelte sich, eine subtile Veränderung seiner Gesichtszüge, schärfere Kanten. Seine blauen Augen schienen sich zu umwölken, veränderten sich zu einem grünlichen Gelb, und die Zähne in seinem Mund wurden klein und spitz.

»Siehst du«, sagte Svik lächelnd. Und fletschte die Zähne.

Varg stolperte zurück und prallte gegen die Wand.

»Irgendwann wird die Zeit kommen, da du die Bestie in deinem Blut beherrschen und sie rufen kannst, wenn sie gebraucht wird. Aber davon bist du noch weit entfernt.« Svik legte den Kopf schief, sein Nacken knackte und seine Augen wurden wieder blau. Und seine Zähne waren wieder normal.

»Das kann nicht wahr sein«, sagte Varg und schüttelte den Kopf. »Du und Glornir, ihr seid Besessene …«

»Es ist wahr«, gab er zurück. »Nur sind es nicht nur Glornir und ich, sondern alle Blutgeschworenen. Wir alle sind von den Göttern auserwählt.«

Varg blickte von Svik zu Røkia und zu Einar. Røkia nickte, und Einar warf einen Blick über die Schulter auf Varg und grinste.

»Willkommen, Bruder«, sagte Einar.

»Bruder?«, flüsterte Varg.

»Ja«, sagte jemand von der anderen Tür. Edel stand mit ihren zwei Wolfshunden im Eingang. »Denn auch du bist besessen, Varg Hirnlos.« Sie griff in einen Beutel an ihrem Gürtel und zog einen Leinenfetzen heraus. Er war schwarz von getrocknetem, verkrustetem Blut. Sie hielt ihn hoch. »Mit diesem Tuch wurden deine Verletzungen behandelt, nachdem du gegen Einar in Liga gekämpft hattest. In meinen Adern lebt Hundur der Hund, und ich witterte den Wolf in dem Moment in dir, als dein Blut vergossen wurde.«

»Wolf«, murmelte Varg.

»Ja, Ulfrir lebt in deinen Adern«, mischte sich Røkia ein. »Du bist Úlfhéðnar, so wie ich.« Sie lächelte schüchtern.

»Nein«, gab Varg zurück.

»Betrachte dich selbst«, fuhr Røkia fort. »Du hast es dein ganzes Leben lang verborgen, unterdrückt, stimmt’s? Aber es ist immer da gewesen. Ein Flüstern in deinem Kopf. Ein Heulen in deinem Blut. Eine Wildheit, ein roter Nebel, der dir Kraft und Schnelligkeit verlieh, wenn du sie am dringendsten brauchtest.« Sie warf einen vielsagenden Blick auf Olvirs Leichnam, seine zerfetzte Kehle, und Varg erinnerte sich daran, wie er auf Kolskeggs Gehöft aufgewacht war. Wie er Kolskegg und eine Handvoll seiner Freigelassenen tot dort hatte liegen sehen und überall Blut gewesen war. Und Kolskegg war die Kehle herausgerissen worden.

»Du weißt, dass es wahr ist«, sagte Røkia.

Varg starrte sie alle der Reihe nach an und hatte das Gefühl, dass sich die Welt zu drehen begonnen hatte. Seine Eingeweide verkrampften sich, er bekam kaum Luft, als würden die Wände ihn zerquetschen, ihm die Luft aus der Lunge pressen. Er beugte sich vor, erbrach sich, wischte sich den Mund und stolperte davon, vorbei an Edel und zur Tür hinaus.

Dort gabelte sich ein Tunnel, aber er folgte einfach achtlos und taumelnd dem Weg vor sich. Er führte in eine größere Kammer, und seine Schritte hallten von den Steinen zurück wie ein Schwarm Fledermäuse. In der Mitte dieser großen Halle war ein grob gemeißelter riesiger Steinbrocken. Große Ketten waren in ihn eingehämmert und vier eiserne Schellen hingen daran, für Handgelenke und Knöchel. Der Fels war löchrig und wies Furchen auf wie die Schürze eines Schmiedes. Dicht an dem Felsen sah Varg eine Handvoll Blutgeschworene, die sich um ein Herdfeuer scharten. Sie hoben grüßend die Hände.

»Luft«, keuchte er.

Sie deuteten auf einen Tunnel, und Varg rannte los. Der Weg stieg an, und dann sah er Licht, stürmte hinaus in den strahlenden Tag, fiel auf die Knie und atmete tief die frische, saubere Luft ein. Er hatte immer noch den Gürtel in der Hand, an dem die Waffen und sein Beutel hingen.

Ich bin ein Besessener. Er wusste, dass es stimmte. Der Gedanke schwebte wie eine dunkle, bösartige Wolke durch seinen Kopf. Er wollte es nicht glauben, fühlte sich beschämt, angewidert, abgestoßen. Besessen. Weniger wert als ein Thrall, und nur dazu gut, um gejagt, versklavt und benutzt zu werden. Aber er wusste, dass es stimmte, denn jetzt fügte sich sein ganzes Leben zusammen, ergab einen Sinn, als hätte jemand einen Schlüssel in ein Schloss gesteckt.

Er blickte hoch und sah zahllose Blutgeschworene auf der schlammigen Lichtung. Ein Herdfeuer brannte und ein Topf hing darüber. An einer anderen Stelle sattelten Krieger eine Reihe von Pferden und legten ihnen Geschirr an. Die Leiche des Trolls lag dicht bei Varg, dort, wo die Kreatur gefallen war. Die anderen Toten waren zur Seite der Lichtung getragen und dort nebeneinander hingelegt worden, Skraelinge, Krieger und Thralls. Die Krieger hatte man ihrer Rüstung und ihrer Waffen entledigt.

Eine Reihe von Thralls stand dicht am Herdfeuer. An ihrer Spitze befreite ein Mann mit Hammer und Meißel sie von ihren eisernen Schellen und ihrem Thrall-Kragen. Der Mann hob den Kopf, und Varg erkannte Jökul. Der bemerkte Varg, gab Hammer und Meißel einem anderen Blutgeschworenen, ging zum Herdfeuer, löffelte Haferbrei in einen Napf und ging damit zu Varg. Der Schmied hatte immer noch einen Verband um den Kopf.

»Also haben sie es dir erzählt«, sagte der Schmied, als er sich neben Varg hockte.

Der nickte.

»Hier, du siehst aus, als bräuchtest du etwas zu essen.«

Varg fuhr mit der Zunge durch seinen Mund und schmeckte immer noch Blut. Aber nicht sein eigenes.

Jökul zog eine Wasserflasche aus seinem Gürtel und reichte sie ihm.

Varg spülte seinen Mund, spuckte das Wasser aus und trank dann etwas davon. Dann gab er Jökul die Flasche zurück, der ihm die Schüssel mit Haferbrei hinschob.

»Iss, das hilft.«

Varg schnupperte an dem Haferbrei, und sein Magen knurrte. Er begann zu essen.

»Es ist ein Schock, das kann niemand bestreiten«, fuhr Jökul fort. »Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich die Wahrheit herausfand. Ich stamme von Gröfu dem Dachs ab.« Er schüttelte den Kopf und dachte eine Weile nach, dann seufzte er. »Aber du solltest schnell damit Frieden schließen. Wir müssen Vol finden und Torvik rächen.«

Varg sah ihn an und spürte, wie seine Worte einen Funken in seiner Seele entzündeten.

In dem Moment trat Svik aus dem Tunneleingang, in Begleitung von Edel und Røkia. Sie sahen Varg und Jökul und gingen sofort auf sie zu. Dann setzten sie sich zu den beiden.

»Kopf hoch.« Svik lächelte. »Ich weiß, du bist eifersüchtig und würdest auch gern von Refur dem Hübschen abstammen wie ich, aber du kannst nicht alles haben.«

Varg musterte sie der Reihe nach mit finsterem Blick. »Ihr habt mich alle getäuscht. Warum habt ihr es mir so lange verschwiegen?«

»Du wurdest sehr genau beobachtet«, erklärte Edel gelassen. »Wir müssen vorsichtig sein. Würde sich herumsprechen, was wir sind, würden wir zu Gejagten werden und nicht länger die Jäger sein. Wir mussten uns erst davon überzeugen, dass man dir vertrauen kann. Hätten wir es dir gesagt und du hättest uns verlassen …« Sie zuckte mit den Schultern. »Vigrið ist kein sicherer Ort für die Besessenen.«

»Besessen zu sein bedeutet aber nicht, dass du sofort ein Blutgeschworener wirst.« Jetzt lächelte Svik nicht mehr. »Wir sind nicht die einzigen Besessenen im Land, nicht einmal die einzige Kriegerhorde von Besessenen. Und nicht alle sind so … umgänglich wie wir.« Er beugte sich vor und sah Varg eindringlich in die Augen. »Uns genügt es nicht zu wissen, dass du ein Besessener bist. Wir mussten auch herausfinden, was für eine Art Mensch du bist, hier drin.« Er tippte Varg mit dem Finger gegen die Brust. »Ein Eidhalter oder ein Eidbrecher?«

Varg senkte den Kopf und schämte sich, als er daran dachte, wie kurz davor er gewesen war, Skalks Angebot anzunehmen.

Aber ich bin nicht gegangen. Ich bin hier.

»Und jetzt wissen wir es«, sagte Røkia. Sie lächelte wieder, was Varg beunruhigte. Er war an diesen Gesichtsausdruck bei ihr nicht gewöhnt, außer, wenn sie ihn im Kampf flachgelegt oder ihm einen weiteren blauen Fleck zugefügt hatte.

»Du hast viele Fragen.« Svik musterte Varg eindringlich. »Und wir werden versuchen, sie alle zu beantworten. Aber vorher musst du Folgendes hören: Wir sind die Blutgeschworenen, und wir stehen uns näher als eine Familie. Wir sind eine Bruderschaft, eine Schwesternschaft, wir leben und wir sterben gemeinsam. Du hast das Gelübde noch nicht abgelegt, aber du bist einer von uns. Dessen bin ich mir sicher.«

Varg konnte es noch nicht ganz fassen. Sein ganzes Leben lang war er einsam gewesen, abgesehen von Frøya. Sie hatten die Flamme des Lebens in ihren Herzen gegenseitig am Leben erhalten. Ihre einzige Familie, ihr einziges Heim waren sie füreinander gewesen.

»Bevor du deine Fragen stellst, müssen wir erfahren, was Skalk getan hat. Erzähl uns alles, was sich zugetragen hat«, bat Edel ihn.

Varg holte tief Luft, unterdrückte die Fragen, die in seinem Kopf herumsummten wie Bienen in einem Korb, und begann zu sprechen.

»Das ist alles, woran ich mich erinnern kann«, sagte Varg und atmete erschöpft aus.

Svik, Røkia, Edel und Jökul saßen schweigend da.

»Gut, dass du diesen Arschkriecher von Olvir erledigt hast«, sagte Jökul schließlich.

Røkia stand auf und ging über die schlammige Lichtung davon.

Einar tauchte im Tunnelausgang auf. Er sah Varg und die anderen und näherte sich ihnen. Um den toten Troll machte er einen Bogen.

»Keiner von deiner Familie, hoffe ich!«, rief Svik dem Hünen zu.

Einar schüttelte nur den Kopf. »Svik macht nur Scherze. Ich bin nicht wirklich ein Halbtroll«, sagte er zu Varg. »Ich habe nur große Knochen.«

»Was ist mit Glornir?«, fragte Edel ihn.

»Er ist wieder bei Verstand«, sagte Einar. »Er kommt gleich.«

Svik stand auf und ging in den Tunnel.

Einar sah Varg an. »Also, Beißer, geht es dir gut?«

Varg starrte zurück und wusste nicht einmal, wie er darauf antworten sollte.

Røkia kehrte zu ihnen zurück. Sie hatte ein zusammengerolltes und mit einem Strick zusammengebundenes Kettenhemd in den Armen und einen Helm in der Hand. Als sie sie erreicht hatte, ließ sie das Kettenhemd und den Helm Varg vor die Füße fallen.

»Das gehört dir. Du hast es im Kampf mit deinem Blut und deiner Kühnheit errungen.«

Es waren das Brynja des rotäugigen Mannes und sein Helm.

»Du hast schon eine ganz beachtliche Sammlung aufgehäuft, seit du bei den Blutgeschworenen bist.« Edel zupfte einen ihrer Wolfshunde am Ohr, der daraufhin ihren Arm leckte.

»Das hast du wahrlich«, bestätigte Einar. »Ich denke, wir bringen dir Glück.«

Varg legte eine Hand auf die Rippen, wo der Rotäugige ihn mit seinem Knochenschwert getroffen hatte.

»Wenn das Glück ist, möchte ich nur ungern herausfinden, wie Pech aussieht«, murmelte er.

»Das sieht so aus.« Røkia deutete auf die entkleideten, bleichen und blicklosen Leichen, die auf einer Seite der Lichtung lagen.

Glornir kam aus dem Tunnel marschiert. Auf dem Rücken trug er seinen Schild und in einer Schlinge seine lange Bartaxt. Svik ging rechts neben ihm und redete mit ihm, Sulich flankierte ihn auf der linken Seite. Der Rest der Blutgeschworenen, die nicht schon auf der Lichtung waren, folgte Glornir. Sie trugen ihre Kettenhemden, waren schwer bewaffnet und hatten ihre Schilde auf den Rücken geschoben.

Glornir ging zu Varg, blieb vor ihm stehen und sah auf ihn herab. Seine Augen waren blutunterlaufen und von dunklen Ringen umrandet. In seiner Schläfe pochte eine Ader.

»Du weißt jetzt, was wir sind«, verkündete Glornir. »Und was du bist.«

»Das weiß ich«, erwiderte Varg leise.

»Ich, Glornir Schildbrecher, Herr der Blutgeschworenen, lade dich ein, dich uns anzuschließen, Varg Hirnlos. Beuge mit uns deinen Rücken auf der Ruderbank, stehe mit uns im Schildwall, im Schlachtensturm, trinke mit uns in der Methalle. Wirst du unser Gelübde ablegen?«

Varg stand auf und sah die Blutgeschworenen an, Svik, Røkia, sie alle. Und sie alle starrten ihn an.

»Das werde ich«, antwortete Varg.

Jubel brandete über die Lichtung.

Glornir zog das Schwert an seiner Hüfte, blickte auf den scharfen Stahl, nahm einen Armreif aus geflochtenem Silber von seinem Oberarm, mit Bärenköpfen an den Enden. Er schob den Armreif auf seine Klinge und hielt sie Varg hin.

»Nimm das zum Zeichen, dass ich in deiner Schuld stehe. Und dass du einer von uns bist.«

Varg starrte das Schwert und den Armreif an, dann streckte er die Hand aus. Glornir neigte die Waffe, und der Armreif rutschte an der Klinge herab und fiel in Vargs Handfläche. Er schob ihn über seinen linken Oberarm und drückte ihn zu.

Svik grinste anerkennend.

»Das Gelübde wird bald gesprochen«, sagte Glornir. »Aber dafür ist jetzt nicht der richtige Moment. Jetzt müssen wir zuerst meine Frau zurückholen.«

Wieder schwiegen die Blutgeschworenen, aber diese Ruhe klang bösartig und drohend. Varg fühlte sich mit diesem Schweigen verbunden.

Skalk, die Blutgeschworenen kommen und holen dich!