VARG
Varg löffelte kalten Haferbrei in seinen Napf.
»Sei nicht so enttäuscht!«, mahnte ihn Svik. Der Krieger lehnte an einem Baum. Um sie herum färbte sich der Himmel über den Zweigen der Lichtung, auf der sie lagerten, im Licht der Morgenröte. Sonnenstrahlen tauchten sein Gesicht in Gold.
»Er ist kalt«, beschwerte sich Varg.
»Es gibt auf dieser Welt schlimmere Dinge als kalten Haferbrei.« Svik grinste ihn an. »Du wirst höchstwahrscheinlich einige davon sehr bald kennenlernen.«
»Das macht mich nicht fröhlicher, falls du versucht hast, mich aufzuheitern«, gab Varg zurück und blickte weiter mürrisch auf den Brei.
Glornir hatte verboten, Feuer zu machen, als sie das Vorgebirge vor dem Knochenmassiv erreicht hatten.
In Wahrheit war Varg an weit schlimmeres Essen gewöhnt. Die Speisen, die man den Thralls auf Kolskeggs Gehöft gegeben hatte, waren kaum besser gewesen als die Abfälle, die man an die Schweine verfütterte.
Merkwürdig, wie schnell wir uns an Besseres gewöhnen können. Noch vor gar nicht allzu langer Zeit war heißer Haferbrei mit Sahne und Honig ein unvorstellbares Festmahl. Und jetzt … ist es normal.
»Hier, nimm etwas von meinem Käse.« Svik schnitt ein keilförmiges Stück von einem harten runden Käse ab, der auf einem Brett neben ihm lag. »Nimm es, bevor deine schlechte Laune mich ansteckt und ich mir die Kehle durchschneide.«
»In diesem Fall iss den Käse bloß nicht!«, sagte Røkia zu Varg. Sie stieß ihn mit dem Ellbogen an, als sie kalten Haferbrei in ihren Napf löffelte. »Das wäre die Antwort auf alle meine Wünsche.« Sie lächelte Svik kalt an.
»Sie liebt mich wirklich.« Svik winkte mit dem Käse Varg zu, der ihn nahm und sich neben den schlanken, strahlenden Krieger setzte.
»Und du liebst Käse wirklich, stimmt’s?«, bemerkte Varg.
»Käse hat mir das Leben gerettet«, erwiderte Svik.
»Oh nein, nicht schon wieder diese Geschichte!« Røkia verdrehte die Augen. »Frag ihn bloß nicht, wie!«
»Wie?«, fragte Varg.
Svik grinste und machte es sich an dem Baum gemütlich. Andere Blutgeschworene sammelten sich um sie, und auch Einar drängte sich hindurch und setzte sich dicht neben Svik und Varg.
»Ich liebe diese Geschichte«, sagte Einar.
»Aber nur, weil einer aus seiner Familie darin vorkommt«, knurrte Røkia.
»Ich bin kein Troll.« Einar warf Røkia einen verletzten Blick zu. »Ich habe einfach nur große Knochen.«
Røkia hob skeptisch eine Braue.
Torvik gesellte sich ebenfalls zu ihnen.
»Svik kann großartig Geschichten erzählen, hat man mir gesagt«, flüsterte Torvik Varg zu.
»Als ich noch jung war«, hub Svik mit seiner Geschichte an, »hatte ich zwei ältere Brüder. Wir lebten auf einem Gehöft direkt an einem Wald. Eines Tages, früh am Morgen, kamen meine beiden Brüder aus dem Wald gerannt, zu Tode verängstigt. Sie hatten Holz für unseren Wintervorrat gefällt, aber ein Troll war aufgetaucht und hatte gedroht, sie zu fressen.«
»Trolle sind wirklich so«, flüsterte Einar Varg zu.
»Da ich trotz meines jungen Alters stolz und praktisch veranlagt war, wollte ich das nicht akzeptieren«, deklamierte Svik. »Wir brauchten das Holz für den Wintervorrat, oder wir würden frieren. Außerdem gefiel mir der Gedanke nicht, dass jemand meine Familie bedrohte. Also machte ich mich auf in den Wald und nahm einen Käselaib in einem kleinen Hanfsack mit, weil ich eine Weile unterwegs sein könnte und vielleicht Hunger bekäme.«
»Sehr vernünftig«, bemerkte jemand.
»Ich fand das tote Holz und die gefällten Bäume, an denen meine Brüder gearbeitet hatten. Ihre Äxte und Sägen und andere Werkzeuge lagen noch da, wo sie sie hatten fallen lassen. Von einem Troll war nichts zu sehen, also nahm ich eine Axt und setzte die schwere Arbeit fort. Schon bald wurde ich müde und machte eine Pause. Ich setzte mich auf einen Holzstamm und nahm den Käse heraus, um etwas zu essen. Aber als ich das tat, fühlte ich, wie der Boden bebte, und ich hörte Zweige und Äste knacken. Ich drehte mich um. Ein Troll schritt auf mich zu, die Hörner und Stoßzähne gesenkt.«
»Wie alle wissen, bedeutet das, dass der Troll wütend und auf einen Kampf aus war«, flüsterte Einar Varg zu. »Trolle verteidigen ihr Revier sehr leidenschaftlich.«
Varg nickte.
»Ich gebe zu«, fuhr Svik fort, »dass mich der Anblick dieses Trolls ängstigte. Ich war erst vierzehn oder fünfzehn Winter alt, und dieser Troll war größer als Einar. Außerdem konnte ich ganz eindeutig erkennen, dass er mir Böses wollte. In meiner Angst stand ich einfach nur da und starrte die Kreatur an, während ich meinen Käse festhielt.«
Varg sah sich um. Mindestens zwei Dutzend Blutgeschworene hatten sich um sie versammelt, und immer mehr kamen hinzu, aßen ihren Brei und lauschten mit einem Lächeln auf ihren Gesichtern. Skalk war ebenfalls dabei, zusammen mit Olvir und Yrsa. Die drei lauschten aufmerksam.
»Der Troll stampfte auf mich zu, aber dann blieb er plötzlich stehen«, spann Svik die Geschichte weiter. »Er stand einfach nur da und starrte mich an. Genauer, er starrte auf meine Hand. Ich blickte dorthin und sah, dass ich in meiner Angst eine Faust geballt hatte, und in dieser Faust war der Käse. Ich zerquetschte ihn. Genauer, ich hatte ihn so fest zerquetscht, dass die Molke herausströmte und eine Pfütze zu meinen Füßen bildete. Der Troll blinzelte.
›Du bist stark für einen Kleinen‹, stellte er fest. ›Ich habe noch nie gesehen, dass jemand einen Felsen mit bloßen Händen zerquetschen kann.‹« Svik grinste in die Runde. »Trolle sind nicht gerade die Schlauesten«, sagte er und tippte mit dem Finger an seine Schläfe. »Er dachte, ich hätte einen Felsbrocken mit der Faust zerquetscht. Da ich vermutete, dass ich das zu meinem Vorteil nutzen könnte, klärte ich ihn nicht über seinen Irrtum auf. Stattdessen erklärte ich ihm sehr höflich, dass ich Holz für meinen Wintervorrat schlagen würde, und dass es besser wäre, mich nicht wütend zu machen oder aufzuhalten. Der Troll hatte so große Angst, dass ich ihn mit meinen steinzerquetschenden Fäusten zermalmen könnte, dass er sogar anbot, mir zu helfen.«
Gelächter brandete unter den Kriegern auf, und am lautesten lachten Olvir und Yrsa. Varg lächelte unwillkürlich ebenfalls.
»Und was ist dann passiert?« Einar klang so aufgeregt wie ein Kind am Morgen seines Namenstages.
»Du weißt genau, was als Nächstes passiert, du Esel!« Røkia verdrehte die Augen.
»Ich mag es, wie Svik es erzählt«, knurrte Einar.
»Nachdem wir das ganze Holz geschlagen und gespalten hatten, lud der Troll mich auf einen Löffel Haferbrei in seine Höhle ein«, sagte Svik. »Ich hatte Angst abzulehnen, also ging ich mit. Seine Höhle war groß und dunkel und feucht, aber darin lagerte ein riesiger Schatz: Waffen, Münzen, Reifen aus Bronze und Silber, die er den Kriegern abgenommen hatte, die er getötet hatte. Der Troll hängte einen Kessel mit Haferbrei über das Feuer, und schon bald war er fertig. ›Was hältst du von einem Wettkampf?‹, sagte er und sah mich listig an. ›Wollen wir herausfinden, wer den meisten Haferbrei essen kann?‹
›Natürlich‹, erwiderte ich. Ich wusste, dass eine Weigerung den Troll beleidigen und wütend machen würde, aber innerlich zitterte ich. Denn ich wusste, dass der Troll es als Schwäche ansehen würde, wenn ich den Wettkampf verlor, und mich dann höchstwahrscheinlich töten würde.« Er sah sich um. Alle Anwesenden hatten sich vorgebeugt, ihre Näpfe mit Haferbrei schienen vergessen.
»Als der Troll losging, um zwei Löffel und Näpfe zu holen, nahm ich rasch den Hanfsack, in dem mein Käse gewesen war, und stopfte ihn in meine Tunika. Die Öffnung des Sacks war dicht an meinem Hals versteckt. Der Troll kehrte mit zwei Näpfen zurück, von denen jeder so groß war dieser Topf hier.« Svik deutete auf ihren Haferbrei-Kessel, der so groß war wie Vargs Schild. Die Krieger pfiffen und schüttelten die Köpfe.
»Jedenfalls füllte der Troll meinen Napf und gab ihn mir. Er war so schwer, dass ich ihn nicht heben konnte, also bat ich den Troll, ihn einfach zwischen meinen Beinen auf den Boden zu stellen. Dann begannen wir zu essen«, sagte Svik. »Ich sah, dass der Troll seine Mahlzeit sehr genoss, und hörte es auch, denn er schmatzte ohrenbetäubend laut. Schon bald war ich vollkommen satt. Also überprüfte ich, ob er mich scharf beobachtete, und als er es nicht tat, kippte ich den nächsten Löffel Brei in den Hanfsack unter meiner Tunika. Ich machte das so lange, bis der Hanfsack prallvoll war, aber der Troll aß immer noch.« Svik verzog das Gesicht. »Ich war verloren, hatte Todesangst und war gleichzeitig so satt, dass ich glaubte, platzen zu müssen. Dann hatte ich eine Idee.«
Er hob einen Finger und sah die Zuhörer der Reihe nach an.
»›Ich bin vollkommen satt‹, sagte ich zu dem Troll. ›Ich glaube nicht, dass ich noch einen Löffel herunterbekomme.‹
Der Troll lächelte mich an, und Haferbrei tropfte von seinem Kinn. ›Es gibt ein Schicksal für Gewinner und eines für Verlierer‹, sagte der Troll, und ich wusste genau, was er damit meinte. Langsam griff ich zu meinem Gürtel, in dem ein kleines, scharfes Messer steckte. Ich zückte es. Der Troll runzelte die Stirn und wappnete sich für meinen Angriff. Stattdessen jedoch richtete ich das Messer auf mich und stach mir in den Bauch.«
Die Zuhörer keuchten auf, als Svik den Stoß nachspielte und so tat, als ramme er sich eine Klinge in die Eingeweide. Er krümmte sich und verzerrte vor Schmerz das Gesicht. Dann setzte er sich wieder aufrecht hin und lächelte. »Aber statt dass meine Eingeweide herausquollen, spritzte nur Haferbrei auf meine Hände. Ich hatte durch meine Tunika in den Hanfsack darunter gestochen und ihn dann aufgeschlitzt, sodass der Haferbrei herausquoll.«
Beifälliges Gemurmel machte sich auf der Lichtung breit.
»›Ah, das fühlt sich schon besser an‹, sagte ich zu dem Troll und aß sofort noch mehr Haferbrei aus meinem Topf. Geschickt schaufelte ich es an meinem Mund vorbei in den Hanfsack. Mit jedem angeblichen Bissen sickerte mehr Haferbrei aus dem Loch in meiner Tunika.«
Einar grinste strahlender als die Sonne über diesen cleveren Trick.
»Der Troll starrte mich mit Augen an, die so groß waren wie zwei Teller. Dann nickte er respektvoll. ›Du bist ein Mann, der seinen Haferbrei ernst nimmt‹, sagte er, seufzte und machte sich mit einem Kopfschütteln wieder über seine eigene Schüssel her. Schließlich sah ich, dass er satt war. Er bewegte sich unbehaglich und verzog das Gesicht. ›Ich kann es nicht glauben‹, sagte der Troll schließlich. ›Aber ich glaube, ein Mensch hat mich im Essen geschlagen. Mein Bauch ist so voll, dass er gleich platzt.‹
›Ah‹, erwiderte ich. ›Ich weiß genau, wie du dich fühlst. Niemand verliert gerne einen Fresswettbewerb. Schon gar nicht gegen einen so kleinen und unbedeutenden Menschen wie mich.‹ Der Troll nickte zustimmend und runzelte die Stirn. ›Letztlich kommt es nur darauf an, wie sehr du gewinnen willst und wie weit du dafür gehen würdest‹, sagte ich und blickte vielsagend auf den Schnitt in meiner Tunika und den Haferbrei, der immer noch heraussickerte.
Der Troll starrte mich an, und seine finstere Miene wich einem Lächeln. ›Ich bin genauso mutig wie du, kleiner Mann, und ich bin bereit zu tun, was ich tun muss, um zu gewinnen.‹ Mit diesen Worten zog der Troll sein eigenes Messer aus Feuerstein aus seinem Gürtel und schlitzte sich damit den Bauch auf. Bis zum heutigen Tag sehe ich seine verwirrte Miene, als seine Eingeweide auf seinen Schoß klatschten, statt des Haferbreis.«
Einen Moment herrschte Stille auf der Lichtung, dann brach lautes Gelächter aus. Varg stimmte mit ein, und am lautesten lachte Einar. Er schlug mit der flachen Hand auf den Boden. Olvir und Yrsa wischten sich Lachtränen aus den Augen, und Olvir beugte sich vor und stützte die Hände auf die Knie.
»Aus diesem Grund gehe ich niemals irgendwohin, ohne einen Käselaib mitzunehmen«, sagte Svik, als das Gelächter erstarb.
»Ah, das ist wirklich listig.« Einar wiegte sich hin und her vor Vergnügen.
Glornir kam auf die Lichtung. Sein Brynja glänzte in der Sonne. »Wollt ihr vielleicht allen Vaesen im Umkreis von hundert Wegstunden verkünden, dass wir hier sind?«, erkundigte er sich finster. »Auf die Beine, wir rücken ab.«
Im nächsten Moment brach heftige Betriebsamkeit im Lager aus. Torvik sprang auf und hielt Varg die Hand hin.
»Komm mit, Bruder, es gibt kein Lamm für den faulen Wolf.« Torvik grinste.
»Ich bin nicht faul«, erwiderte Varg, als er aufstand. Aber er dachte vor allen Dingen daran, dass Torvik ihn gerade Bruder genannt hatte. Sofort schossen ihm Gedanken an Frøya durch den Kopf, die ihn ihr ganzes gemeinsames Leben lang Bruder genannt hatte. Sie war seine einzige Freundin gewesen, die einzige Person, der er trauen konnte, und jetzt war sie fort. Dass Torvik ihn Bruder nannte, hatte ihn an sie erinnert und widerstreitende Gefühle in ihm ausgelöst. Er hatte Schuldgefühle, wenn er an seine Schwester und seinen unerfüllten Schwur dachte. Ein anderer Teil von ihm jedoch mochte das. Torvik hatte ihm das Gefühl gegeben, als wäre er nicht mehr länger allein in dieser harten Welt.
Varg half, das Lager abzubauen und die Ausrüstung auf die drei Pferde zu laden, die sie von dem Gehöft mitgenommen hatten. Als die Sonne über den Rand der Welt geklettert war, brachen sie auf. Torvik und die anderen Kundschafter folgten Edel in das Vorgebirge, vor Glornir und den Blutgeschworenen. Varg ging mit dem Schild auf dem Rücken und dem Speer in der Faust bei den anderen mit. Die Schatten fielen lang und dunkel über den bewaldeten Hügel, und die Blutgeschworenen bildeten eine lockere Kolonne vor und hinter Varg. Sie marschierten durch ein Land aus bewaldeten Hügeln und dunklen Tälern, aus sonnenüberfluteten Weiden und Flüssen, die sich wanden und glitzerten wie juwelenbesetzte Schlangen. Die Morgensonne strahlte hell, als Varg die Bäume hinter sich ließ und auf einen Hang aus hügeligen Weiden trat. Es war erst acht Tage her, seit sie das Schiff und das verlassene Gehöft hinter sich gelassen hatten, und jetzt erfüllte das Knochenmassiv den ganzen Horizont. Es erhob sich so hoch und erstreckte sich so weit, wie Varg sehen konnte. Die schneebedeckten Gipfel und dunkelgrünen Hänge mit ihrem dichten Kiefernwald sahen aus wie weißes Haar und ein moosbesetzter Umhang auf den Schultern eines uralten kolossalen Giganten. Die Tage wurden länger, als sie sich weiter nach Norden bewegten, und das Jahr näherte sich der Sommersonnenwende, bei der das Tageslicht die Dunkelheit einen ganzen Monat lang in Schach halten würde.
In der Ferne sah er Edel und ihre Hunde, die die Kundschafter anführten. Sie überquerten einen Fluss und verschwanden im Wald dahinter. Dichter vor sich sah er Glornir, der neben Vol ging. Er beschleunigte seine Schritte, marschierte durch das grüne Gras und die lila Heide, und als er näher kam, sah er, dass Vol sich zu Glornir beugte und sprach.
»Sie sollte uns mittlerweile erreicht haben«, sagte Vol gerade. Varg schnappte die Worte auf, weil der Wind sie ihm zutrug. Glornir marschierte einfach weiter, ohne etwas zu erwidern, und benutzte den Schaft seiner langen Bartaxt als Gehstock.
»Wir sollten nach ihr suchen und nicht zusammen mit Helkas Hurenmeister ins Knochenmassiv marschieren.« Vol sprach lauter.
Glornir sah sie an. »Wir sind die Blutgeschworenen, gedungene Krieger. Davon leben wir.« Er zupfte an seinem grauen Bart. »Ich sorge mich auch um sie, aber Vigrið ist ein großes Land, und wir wissen nicht, wo wir suchen müssen. Sie muss uns finden. Ich habe kein Geheimnis aus unserem Pfad gemacht, oder wo wir abgestiegen sind …«
Varg rutschte auf einem Flecken sonnenverbrannten Grases aus. Als er sich aufrichtete, drehten sich Glornir und Vol um und blickten ihn an.
»Was?«, fuhr Glornir ihn an.
Varg beschleunigte seine Schritte, bis er neben ihnen ging.
»Die Akáll, von der ich gesprochen habe …«, begann er.
»Nein«, beschied ihm Glornir. »Vielleicht kommt die Zeit, wenn du einer von uns geworden bist, aber dieser Moment ist noch nicht gekommen.« Er sah Varg finster an. »Ich habe dir das bereits erklärt. Frag mich nicht noch einmal.«
Varg öffnete den Mund und spürte, wie der Ärger sich in ihm rührte, ausgelöst von dem drängenden Gefühl, dem Bedürfnis, das er jeden wachen Moment empfand. Seinen Eid zu ehren. Ihn zu ehren und seine Schwester zu rächen.
»Sag es nicht.« Vol hob die Hand. Sie starrte Varg an, aber ohne Glornirs Zorn. Wenn überhaupt, sah er Mitgefühl in ihrem Blick. Er ging langsamer und fiel zurück, trabte allein weiter, mit gesenktem Kopf. Die Wut in seinem Bauch ließ nicht nach, und seine Frustration fachte die Flammen an. Es war wie eine schlafende Esse, mit glühenden Kohlen unter der Asche, die nur auf einen frischen Windstoß aus dem Blasebalg warteten.
Vielleicht kommt die Zeit, sagst du. Aber wann kommt diese Zeit, wenn überhaupt? Verschwende ich das bisschen Zeit, das mir bleibt, auf eine Aufgabe, die mir nichts bedeutet? Was bedeutet mir Königin Helkas Volk? Ich kenne sie nicht, und sie kümmert mich auch nicht. Trauer und Wut schnürten ihm die Kehle zu. Frøya ist die Einzige, die mir jemals wichtig war.
Er hörte Stimmen hinter sich und drehte sich um. Skalk schritt über die Weide, in Begleitung von Olvir und Yrsa. Varg blinzelte die Tränen aus seinen Augen, unterdrückte mit großer Willenskraft die Gefühle, die in ihm siedeten, und schob sie in die tiefen, dunklen Ecken seiner Seele.
Ein Galdurmann, sagte eine Stimme in seinem Kopf. Einer, der eine Akáll durchführen kann …
Skalk schien Vargs Aufmerksamkeit bemerkt zu haben, denn er sah ihn an, und Varg wich seinem Blick nicht aus.
Diesmal befahl Varg dieser eindringlichen Stimme in seinem Kopf nicht zu schweigen.