July

Der Tag davor

»D u bist dir auch wirklich sicher?«

Ich rolle mit den Augen. »Dein Ernst, Asher? Willst du Brief und Siegel darauf? Soll ich mit meinem eigenen Blut unterschreiben?«

Er ist zwar mein Boss, aber seitdem ich ihm gestanden habe, dass ich etwas Spezielles ausprobieren möchte, gehen wir von Mal zu Mal vertrauter miteinander um. Von daher wage ich inzwischen auch, ihm entnervte Blicke zu schenken oder zynische Sprüche an den Hals zu werfen.

»Du weißt, dass ich dich das fragen muss.« Asher lehnt sich in seinem ledernen Bürostuhl zurück und beobachtet mich nachdenklich. »Und genauso weißt du auch, dass ich tatsächlich deine Unterschrift dafür brauche. Vielleicht nicht mit deinem Blut ...«, fügt er an und sein Mundwinkel zuckt kurz, »allerdings mit Brief und Siegel. Ich vertraue dir zwar voll und ganz, dass du mich nicht wegen irgendetwas verklagst, aber ich muss mich trotzdem rechtlich absichern. Ich hoffe, du verstehst das.«

»Natürlich.« Ich nicke und schaue für einen Moment auf meine Füße. Dies ist einer der Zeitpunkte, in denen unser Verhältnis mit einem Wermutstropfen beträufelt wird. Eine Situation, in der Asher mein Boss ist und kein Freund.

Er lacht leise. »Außerdem bist du damit ebenfalls abgesichert, falls etwas passiert, das wir beide gerade nicht beeinflussen können. Eine Schwangerschaft beispielsweise.«

Abrupt schaue ich hoch und reiße die Augen auf. »Das will ich ja wohl nicht hoffen!«

»Ebendrum.« Er grinst. Keine Ahnung, ob er das gesagt hat, um die dünne Eisschicht, die gerade leise knirschend zwischen uns entstehen wollte, zum Schmelzen zu bringen. Vielleicht war es auch einfach nur ein Instinkt von ihm.

Ja, vielleicht verhalten wir uns tatsächlich wie gute Freunde – oder zumindest wie vertraute Arbeitskollegen.

»Okay.« Wieder nicke ich und weiß auf einmal nicht mehr, was ich sagen soll, aus Angst, dass ich zu sehr ins Private abdrifte.

Möglicherweise habe ich mir eben mit meinen blöden Sprüchen doch zu viel herausgenommen. Manchmal merke ich einfach nicht, wann ich ungezwungen mit Asher umgehen kann und wann ich lieber meine Klappe halten und vorgeben sollte, dass er für mich nichts weiter als mein Boss ist.

»Mir liegt etwas an dem Wohlsein meiner Angestellten, Tamara«, erklärt er sanft. »Das brauche ich dir nicht zu sagen. Wenn du unter einundzwanzig wärst, würde ich das hier nicht zulassen. Selbst wenn du am Boden liegst und bettelst, als würde dir ohne diesen ganzen Mist hier etwas fehlen. Diesen Fauxpas leiste ich mir nicht noch mal.«

Ja, ich weiß! Er lässt keine Gelegenheit aus, mich daran zu erinnern, dass ich bei der Einstellung seine bis dahin jüngste Mitarbeiterin war, und er bis heute die Entscheidung anzweifelt, mich mit gerade achtzehn Jahren als Escort-Girl einzusetzen. Obwohl es in diesem Gespräch offiziell nur um den Begleitjob geht. Prostitution ist in den Staaten nach wie vor illegal.

Natürlich schlafe ich mit den Kunden, sofern ich nicht abgeneigt bin, und lasse mich für den Sex bezahlen. Darum geht es ja. Auf das gute Gehalt bin ich als fast mittellose Jurastudentin angewiesen und mit dem Trinkgeld kann ich mir den ein oder anderen Luxus gönnen.

»Asher. Bitte nicht wieder die alte Leier.« Ich schüttele den Kopf und unterdrücke ein Schmunzeln. »Es war von Anfang an meine Entscheidung, ob ich mit einem der Kunden Sex hatte. Ich mache diesen Job, weil es mich nicht stört, meinen Körper zu verkaufen. Es macht mich sogar scharf, wie du weißt.«

Fast unmerklich spannt Asher seine Kieferlinie an, doch dann seufzt er und zuckt mit den Schultern. »Gut. Lässt sich jetzt sowieso nicht mehr ändern.«

»Ich weiß, was du denkst«, füge ich dennoch hinzu und kann mir das Grinsen kaum noch verkneifen. Asher und ich sind vom selben Schlag. Uns machen dieselben Dinge geil. Aus keinem anderen Grund hat er die Agentur gegründet: vorrangig, um seinen eigenen Körper anzubieten. »Du meinst, ich war damals noch ein Kind und meine Kunden an der Grenze zum Pädophilen, weil sie mich gebucht haben. Na und? Da stehe ich drüber.«

»Sagt die Dreiundzwanzigjährige.«

»Ja, na gut! Vielleicht habe ich in zehn Jahren eine andere Haltung gegenüber Achtzehnjährigen, allerdings kann ich dir versichern, dass ich mich zum Zeitpunkt der Einstellung nicht mehr wie ein Kind gefühlt habe. Natürlich ging es mir da vorrangig ums Geld, damit ich meine Mom aus der Wohnwagensiedlung holen und mir gleichzeitig das College finanzieren konnte. Aber ich hatte von Anfang an Spaß bei der Arbeit , und das ist doch die Hauptsache, oder?«

»Okay. Das wollte ich hören.«

Zufrieden schmunzelnd langt er nach seinem Laptop und macht ein paar Mausklicks, um den Mitschnitt zu beenden. Wichtige Gespräche mit Angestellten filmt er nämlich – natürlich mit unserem Einverständnis. Ich bin inzwischen schon derart daran gewöhnt, dass es für mich gar keinen Unterschied mehr macht, ob er unsere Besprechungen aufnimmt oder nicht.

Jetzt dagegen bin ich ein wenig irritiert.

»Und sonst? Geht’s dir gut?«, fragt er im Plauderton und lehnt sich wieder im Stuhl zurück. Dabei komme ich nicht umhin, zu beobachten, wie sich das maßgeschneiderte Hemd um seinen beeindruckend muskulösen Oberkörper spannt.

Gleich. Gleich reißen die Nähte und ich bekomme endlich einmal ein Stück seiner Haut zu sehen  …

Nein. Ich darf mich nicht von seinem fesselnden Äußeren ablenken lassen.

Mit meinem Zeigefinger deute ich auf das Notebook. »Jetzt sag nicht, deine Anwälte haben dir wegen meines damaligen Alters auf die Füße getreten. Weil ich noch nicht einundzwanzig war.«

»Nein. Es geht allgemein darum, dass du sehr jung bist und irgendwer – vielleicht später auch du selbst – behaupten könnte, dass ich dich negativ beeinflusse.« Erneut zuckt sein Mundwinkel. »Andererseits kann ich ja nichts für deine abgedrehten Neigungen.«

Mit gerunzelter Stirn setze ich mich in meinem Stuhl zurecht und schlage die Beine übereinander. »Was soll das, Asher?«

»Na ja, jetzt geht’s los, oder? Ich schätze, nach dieser Erfahrung wirst du nicht mehr dieselbe sein.«

Mein Herz macht einen aufgeregten Hüpfer. »Wäre das denn so verkehrt?«

»Ganz sicher nicht. Da sind einige Kunden, die sich jetzt schon die Finger nach dir lecken. Wenn sie erst einmal erfahren, was sie mit dir anstellen dürfen ...«

»Moment. Von welchen Kunden redest du da?«

»Diejenigen, von denen ich dich bisher ferngehalten habe. Bei manchen tun sich Abgründe auf, in die du nur einmal hineinschaust, denn danach bist du verloren.«

»Wow. Das klingt ...« Faszinierend. Ein Lächeln zaubert sich auf mein Gesicht.

»Hör auf, Tamara. Dieses begeisterte Grinsen lässt mich echt an deinem Verstand zweifeln. Und daran, ob ich dich wirklich wegschicken soll. Ich würde dich ja selbst unterweisen, weil ich dich gut genug kenne und bestimmt einschätzen kann, wo deine Grenzen liegen, aber ... nein.«

Das ist es. Darauf habe ich gewartet. Asher bestätigt meine persönliche Auffassung, dass er eigentlich der richtige Lehrer für mich wäre. Doch mehr als diese Worte kann ich nicht von ihm verlangen.

Es ist nicht leicht, diesen schmalen Grat zu bewandern, ohne dass einer von uns beiden das Gefühl bekommt, zu weit zu gehen. »Danke, Asher«, sage ich schlicht. »Für alles.«

Perplex legt er die Stirn in Falten, doch dann nickt er. »Ich bin zwar dein Boss, und in der Vergangenheit habe ich tatsächlich einige Angestellte unterwiesen und eingearbeitet, aber diese Zeiten sind vorbei.«

»Ich weiß. Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Ich habe da vollstes Verständnis, dass das gegen deine Prinzipien verstößt.«

Trotzdem schade. Ein Teil von mir hat sich erhofft, er hätte mich her zitiert, um mir mitzuteilen, dass er für mich eine Ausnahme mache.

Ja, okay. Ich schwärme für Asher. Und sei es nur wegen seiner düsteren Tendenzen. Bis vor Kurzem hat er selbst Kundinnen bedient, und das, was er mit ihnen gemacht hat, ist ... heiß. Finde ich zumindest. Ich würde ihn auch gerne dafür bezahlen, um vor mir in die Rolle eines finsteren und vor allem gefährlichen Liebhabers zu schlüpfen. Geht bloß nicht mehr.

Asher gibt ein drohendes Grummeln von sich und seine Miene verfinstert sich. »Themenwechsel, Tamara.«

»Was denn? Ich habe nur gesagt, dass ich Verständnis habe.«

»Nein.« Erneut gibt er dieses Grummeln von sich.

»Was, nein? «

»Du hast kein Verständnis. Ich weiß, was du denkst. Was ihr alle denkt. Ihr fragt euch, warum ich keine Kundinnen mehr bediene und weshalb ich keine der Angestellten mehr einarbeite, wenn sie mich darum bittet. Es geht euch einen Scheiß an. Das ist auch nichts, worüber ich reden möchte. Setz diese Therapeutenfratze, die du gerade aufgesetzt hast, sofort wieder ab.«

»Welche Therapeutenfratze denn bitte? Ist mir doch egal, woher diese neuen Prinzipien kommen. Vielleicht hast du ja einfach keine Zeit mehr dafür?« Ich zucke mit den Schultern, gebe allerdings dem Drang nach, seinem stählernen Blick auszuweichen, und mache stattdessen eine weitläufige Armbewegung durch den Raum. »Aber wenn du jeden verdammten Tag stundenlang und ohne Ansprache in deinem Büro hockst, kommt man halt irgendwann auf die Idee, dass du niemanden zum Reden ...« Mist. Sein angepisster Blick hat meinen eingefangen und schießt jetzt diverse tödliche Salven auf mich ab. Ich hole tief Luft: »Also. Du sitzt hier, starrst mich düster an und knurrst deine Worte mürrisch heraus, anstatt normal mit mir zu sprechen, und dann sollen wir denken, dass alles in Ordnung mit dir ist? Wir wollen doch nur für dich da sein, Asher. Weil du es auch immer für uns bist und weil wir dich wertschätzen.«

Man könnte meinen, dass Asher nichts anderes als ein Zuhälter für uns ist. Das stimmt aber nicht. Er ist unser Boss. Er führt eine Escort-Agentur und bezahlt uns ausschließlich dafür, dass wir unseren Kunden Gesellschaft leisten. Als Escort hat man nicht immer Sex mit ihnen. Es gibt Frauen – und auch Männer – im Team, die sie tatsächlich nur auf Veranstaltungen begleiten: ins Stadion, ins Theater, auf eine Privatparty oder schlicht ins Restaurant. Außerdem sorgt Asher dafür, dass wir keine Probleme bekommen. Er durchleuchtet die Kunden bis ins kleinste Detail und kümmert sich darum, dass wir bei jedem einzelnen Termin hundertprozentig in Sicherheit sind. Ihm ist es wichtig, dass wir uns wohlfühlen. Das Geld, das wir mit sexuellen Handlungen dazuverdienen, ist unser Douceur . Davon zieht er uns keinen Cent ab.

»Hör auf, Tamara. Du bewegst dich auf sehr dünnem Eis. Und du solltest langsam echt aufhören, mich zu provozieren.« Wie auf Kommando lässt er seinen ausgeprägten Kieferknochen mahlen. Wenn er das tut, wirkt er auf mich besonders attraktiv. Diese Wut, die ihn manchmal packt, macht mich nervös – und diese Art von Nervosität liebe ich.

»Wo provoziere ich denn?«, beschwere ich mich, obwohl ich genau weiß, dass gerade diese Frage eine reine Provokation an sich ist.

Seine mürrische Art reizt mich. Ich muss ihn herausfordern. So lange, bis er mich zurechtweist. Am besten darüber hinaus. Das ist meine Natur. Wenn ich könnte, würde ich meine gesamte Energie dafür aufwenden, gegen Asher anzukämpfen, damit er mich am Ende des Tages doch noch besiegt .

Das macht die ganze Sache in meiner Vorstellung so heiß: Ich möchte, dass ein Mann mir seinen Willen aufzwingt, aber das alles soll nicht kampflos stattfinden. Er muss mir jeden verdammten Tag beweisen, dass er die Kraft und Gerissenheit besitzt, sich gegen mich durchzusetzen.

Einem solchen Mann würde ich zu Füßen liegen.

So viel zu meinen Fantasien. Mein Verstand ist da ganz anderer Meinung: Freiheiten, Frauenrechte, eigener Wille stehen an erster Stelle.

Schön für dich, Verstand. Interessiert mich nicht.

»Reiß dich zusammen, Tamara. Ich meine es ernst.« Er funkelt mich warnend an, was mir wohl begreiflich machen soll, dass er die diesbezügliche Unterhaltung jetzt im Keim ersticken wird, bevor hier irgendetwas – oder irgendwer – ausartet.

Wieder senke ich den Blick auf meine Füße. Stimmt. Sein Privatleben geht mich nichts an.

Ich höre die Maus klicken und sehe automatisch auf. Was denn nun noch?

»Denk dran: Lev ist kein Kunde. Er ist dein Lehrer und du bist seine Schülerin. Er bezahlt dich nicht. Du willst etwas von ihm und nicht umgekehrt. Du wirst nach seinen Regeln spielen, und zwar vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Wenn er dir ein Safeword nennt, darfst du dich glücklich schätzen. Das, was er treibt, hat nichts mit irgendwelchen BDSM-Richtlinien zu tun. Er tut ausschließlich, wonach ihm ist. Das Einzige, worauf du hoffen kannst, sobald du dich auf ihn einlässt, ist, dass das Ganze nach exakt drei Wochen vorüber sein wird. Und dann hat er dich entweder gebrochen und du bist ihm hörig oder ich habe eine perfekt ausgebildete Angestellte. Vielleicht auch beides. Doch wenn er Gefallen an dir findet, wird er dich unter Umständen nicht wieder gehen lassen.«

Alles klar. Jetzt geht es ans Eingemachte.

Jedes einzelne von Ashers Worten ist wie ein Mantra, das er mir auf seine eigene, eindringliche Art einzuprügeln versucht. Keine Ahnung, welche Reaktion er damit auslösen möchte. Aber allein die Vorstellung, wie dieser Lev mich als seine persönliche Schülerin erzieht, lässt meine Knie weich werden und mein Herz flattern wie die Flügel eines aufgescheuchten kleinen Vogels.

Ich kann es gar nicht abwarten.

»Okay … Lev. Ich höre diesen Namen zum ersten Mal. Ist das ...«

»Russisch. Sein Privatjet steht heute Abend um 22 Uhr für dich bereit. Sei um Gottes willen pünktlich, Tamara.«

Oh ja, die liebe Pünktlichkeit. Nicht gerade mein größtes Talent. Seit fünf Jahren bemühe ich mich, mir abzugewöhnen, ständig zu spät zu meinen Terminen zu erscheinen, aber bisher hat es nur mäßig geklappt.

»Jetzt sag mir nicht, dass ich nach Russland muss.«

»Doch. Tundra und Taiga. Und Wald. Ganz viel Wald. Lev war bereits so frei, die Sache mit deinem Visum und allen weiteren Einreiseunterlagen zu regeln. Du brauchst also nur noch deinen Reisepass einzustecken.«

»Was? Wie kannst du einem vollkommen Fremden erlauben, sich um meine Reiseunterlagen zu kümmern, wenn ich weder dir – und ihm schon gar nicht – meine offizielle Erlaubnis erteilt habe?« So viel zum Thema Datenschutz. Klasse. »Was soll das, Asher? Du kannst doch nicht einfach mit meinen sensiblen Daten hausieren gehen. Das bedeutet ja, dass dieser Lev meinen bürgerlichen Namen kennt. Meine Adresse. Alles!«

Asher verschränkt die Arme vor der Brust, lehnt sich zum dritten Mal in seinem weichen Ledersessel zurück und schenkt mir einen seiner arrogantesten Augenaufschläge. »Tja. Ich habe dich gewarnt. Das ist erst der Anfang, Tamara. Du willst dich auf einen russischen Oligarchen einlassen? Du willst, dass dieser seine Spielchen mit dir treibt? Das ist es, was dich in dem Metier erwartet, das du vor zwei Minuten noch unbedingt betreten wolltest.« Er schürzt die Lippen. »Kalte Füße?«

Nervös beginne ich die Hände zu ringen. Ich muss aufpassen, dass ich nicht anfange, an meiner Nagelhaut herumzuzupfen. Asher springt jedes Mal im Dreieck, wenn ich das in seiner Gegenwart mache.

Er hat meine Finger bereits im Visier und zieht die Stirn kraus. »Tamara ...!«

Erschrocken schiebe ich die Hände unter meine Schenkel und senke ergeben den Blick. Verdammt.

Asher hat diesen Tick: All seine Angestellten sollen um jeden Preis absolut gepflegte Hände und Füße haben. Und dazu gehört, dass ich weder an den Fingernägeln kaue noch an meiner Nagelhaut herumzupfe.

Aber das hat selbstverständlich nichts damit zu tun, dass dieser Oligarch bereits alles von mir weiß, bevor ich überhaupt gefragt wurde!

Genau. Beim Thema bleiben, Tamara!

Ich schaue auf, begegne Ashers Blick und sehe ihm fest in die Augen. »Wow. Okay. Hat er auch meine Kreditkartendaten? Ist ja nicht so, dass ich etwas zu verheimlichen habe. Eigentlich ist es mir egal. Aber es wäre trotzdem nett gewesen, nicht vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.«

Asher nickt. Seiner gelangweilten Miene nach zu urteilen, trifft ihn mein Vorwurf ungefähr so hart wie ein von mir geworfener Wattebausch. »Wie gesagt. Ich habe dich gewarnt.«

»Du hast mir nicht gesagt, dass er alles von mir bekommt. Inklusive des Zugriffs auf mein gesamtes Leben!«

Asher bleibt ungerührt. »Doch. Genau das habe ich getan.«

»Dann hättest du wohl mal nachhaken müssen, ob ich dich wirklich verstehe.«

Drei weitere Sekunden fixiere ich seinen reglosen Blick und warte auf eine Reaktion. Vielleicht auch auf eine Entschuldigung.

War wohl nichts.

Ich stoße ein tiefes Seufzen aus und nicke ebenfalls. »Damit kann ich leben.« Ob das stimmt, werde ich noch herausfinden. »Muss ich ja.«

Es ist ein komisches Gefühl, dass ein Mann am anderen Ende der Erdkugel so ohne Weiteres auf meine Daten zugreifen darf . Damit wäre er schließlich imstande, meine gesamte Identität mit einem einzigen Klick zu löschen. Einfach so. Glaube ich zumindest. Vielleicht habe ich bloß zu viele Spionagethriller gesehen.

Ob Lev zu solchen Mitteln greifen würde, wenn ich ungehorsam wäre? Ein verräterisches Prickeln fließt durch meine Eingeweide.

Meine Güte, diese Vorstellung kann ich doch nicht aufregend finden!

»Dieser Lev ... Weißt du ungefähr, was er mit mir vorhat?«

»Kannst du es dir nicht denken? Lev ist mein Kaliber. Du weißt, welche Aufträge ich angenommen habe.«

Entführungs- und Vergewaltigungsfantasien beispielsweise. Besonders beliebt war bei seinen Kundinnen das Szenario, wie Asher in das Haus der Kundin einbricht und von ihr auf frischer Tat ertappt wird. Er überwältigt sie und vergeht sich an ihr.

Natürlich gab es immer ein Safeword und der Sex mit der Kundin war einvernehmlich, aber diese Rollenspiele waren so realistisch wie möglich gestaltet.

Ich würde gerne sagen, dass es ganz schön krank ist, welche Neigungen manche Frauen haben, doch ich bin selbst nicht besser. Ich finde es anregend, mich für Sex bezahlen zu lassen – und mit völlig Fremden zu schlafen. Das ist ähnlich gestört wie eine Vergewaltigungsfantasie.

»Tamara?« Asher holt mich zurück ins Hier und Jetzt. »Alles klar?«

Ich zucke mit den Schultern. »Einerseits kann ich es nicht abwarten, diesen Lev kennenzulernen, andererseits habe ich echt Schiss. Ich will das, was du mit deinen Kundinnen gemacht hast, unbedingt ausprobieren. Dir würde ich da voll und ganz vertrauen.«

»Du weißt bloß nicht, ob du das mit einem Fremden durchziehen könntest«, beendet Asher meinen Gedankengang.

»Ja«, bestätige ich und bekräftige seine Theorie obendrein mit einem Nicken. »Was, wenn er ... es zu ernst nimmt? Am Ende sind es doch einfach nur meine Fantasien. Wenn ich mir vorstelle, wie ein Mann mich vollkommen beherrscht, heißt es nicht, dass ich es mir im realen Leben wünsche. Dafür sind sexuelle Fantasien ja da. Und dafür mache ich diesen Job. Dafür liebe ich diesen Job.«

»Ich weiß, Tamara. Aber ich weiß auch, wie sehr du dein Studium vernachlässigt hast, seitdem ich dir reizvollere Aufträge in Aussicht gestellt habe. Das kann ich nicht gutheißen«, geht er direkt auf meine letzte Aussage ein, und ich frage mich, ob er gerade bewusst von Lev ablenkt.

Verblüfft halte ich für einen Augenblick die Luft an. »Du befürchtest also, dass ich mein Studium hinschmeiße, um nur noch als Escort-Girl zu arbeiten.« Womit er gar nicht so falschliegt. Schließlich verdient man wirklich gut. Um nicht zu sagen: atemberaubend gut. »Ich weiß tatsächlich nicht, ob mir ein Dasein als Anwältin Spaß machen würde«, gebe ich zögernd zu. Immerhin bin ich nicht gerade die typische Juristin, wie man sie sich vorstellt. Ich bin ein Freak. Mein genereller Umgangston ist viel zu flapsig und ich ecke ständig überall an. Als Anwältin wird mir alles, was ich tue und sage auf die Goldwaage gelegt. Hinzu kommt meine chronische Unpünktlichkeit. Ich weiß jetzt schon, dass mich niemand vor Gericht ernst nehmen wird.

»Weil dich das Studium langweilt und du mit deinen steifen Kommilitonen nichts anfangen kannst – aber als Escort so sein darfst, wie du bist. Ich kenne das. Ich habe Wirtschaft studiert. Ist auch nicht besser. Trotzdem eine beschissene Ausrede. Du wirst nicht hinschmeißen , Tamara. Damit wir uns verstehen. Sonst werde ich Lev dazu auffordern, höchstpersönlich dafür zu sorgen, dass du deinen Abschluss machst. Und das wird mit Sicherheit eine schmerzhafte Angelegenheit für dich.«

Unter seinen Worten zucke ich merklich zusammen. »Ja, klar!« Ich räuspere mich leise, weil mich die Vorstellung, auf welche Weise dieser Lev mich dazu bringen könnte, für meine Prüfungen zu lernen, ziemlich anheizt. »Aber momentan fühle ich mich einfach gut in dem, was ich jetzt tue.«

Er runzelt die Stirn. »Okay.«

»Verflucht, wohin hat sich unser Gespräch eigentlich entwickelt? Wollten wir nicht darüber reden, was mich in Russland erwartet?« Ich schenke ihm ein schmales Lächeln und bemerke jetzt erst, wie ich ein wenig nervös auf meinem Stuhl hin und her rutsche.

»Soll ich Lev absagen?«, fragt er auf einmal. Keine Ahnung wieso. »Ein Wort und ich tue es. Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob das etwas für dich ist.«

Sofort lege ich die Stirn in Falten. »Wie bitte? Was soll das denn heißen?«

»Das soll heißen, dass du gerade dreiundzwanzig geworden bist und in Kreise eingeführt werden willst, für die du eventuell nicht bereit bist.« Er lehnt sich vor und stützt sich auf der gläsernen Tischplatte ab. »Du musst es mir nur jetzt sagen.«

»Du denkst also, ich packe das nicht?« Keine Ahnung, welche Gefühle mich mehr beherrschen. Die Verwirrung darüber, dass Asher offenbar selbst nicht so genau weiß, was er tut, oder die Empörung, dass er mich eindeutig unterschätzt.

»Ich denke so einiges. Und vor allem denke ich gerade, dass du lieber für deine Klausuren pauken solltest und nicht nach Russland fliegen.« Seine hellgrauen Augen nehmen ein gefährliches Funkeln an und beginnen mein Gesicht abzuscannen.

Verschämt senke ich den Blick auf meine Hände, die ich krampfhaft auf meinem Schoß zusammengefaltet habe. Er hat recht. Ich hänge mit meinem Lernpensum gewaltig hinterher. Obendrein geht meine Motivation, das Studium im Herbst zu beenden und als Anwältin zu arbeiten, gegen null. Ich will den Escort-Job einfach nicht aufgeben.

Doch darum geht es hier nicht – und das muss ich ihm begreiflich machen: Ich atme tief durch und schaue wieder zu ihm auf. »Ich packe das, Asher. Versprochen. Ende des Jahres habe ich meinen Abschluss in der Tasche und bin zudem eine gut ausgebildete Angestellte, die deine speziellen Kunden befriedigt. Sofern du bereit bist, mich weiterhin zu beschäftigen.« Ich lächele zaghaft.

»Hm.« Nachdenklich fährt er sich über den kurz geschorenen Schopf. »Du weißt, dass ich ein gewisses Potenzial in dir sehe – sofern man in diesem Gewerbe überhaupt von so etwas reden kann. Sonst würde ich dich niemals zu Lev schicken.« Er stößt ein lautes Seufzen aus und starrt auf einmal die Wand hinter mir an, besser gesagt das wertvolle Gemälde, das eigentlich in ein Museum gehört. Aber da es in der Kunstszene offiziell als verschollen gilt, hängt es hier, wo es weder Kläger noch Richter gibt, völlig unbehelligt.

Reiche Leute und ihre Geheimnisse.

Auf einmal trifft mich wieder sein Blick. »Tamara. Ich werde dich zu nichts zwingen, und ich werde dich vor allem nicht nach deinem Abschluss rauswerfen. Allerdings kann ich dir nur raten, Berufserfahrung als Anwältin zu sammeln, selbst wenn es ein unbezahltes Praktikum bei einem freiberuflichen Anwalt ist.« Nahezu herausfordernd sieht er mich an. »Denn der Tag wird kommen, an dem ich dir sagen muss, dass ich keine Kunden mehr für dich habe. Du weißt, worauf sie stehen, Tamara. Noch bist du eine meiner meistgebuchten Angestellten; mit deinen dunkelblonden, langen Haaren und den blauen Augen wirkst du eben wie das nette Mädchen von nebenan – und das ist es, was sie wollen. Früher oder später wird allerdings ein Mädchen kommen, das dir den Rang abläuft. Und wenn du dann mit einem abgeschlossenen Studium, aber ohne Berufserfahrung dastehst, sieht es nicht besonders vielversprechend für dich aus.«

»Das ist mir klar. Nur ... keine Ahnung. Wahrscheinlich hast du recht, und ich bekomme gerade kalte Füße, weil die Prüfungsphase in weniger als drei Monaten beginnt.«

»Davon bin ich überzeugt.« Asher lässt ein leichtes Schmunzeln durchblicken und steht mit einem Mal auf. Für ihn ist das Gespräch beendet.

Ich springe ebenfalls auf die Füße und streiche meine Bluse glatt. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sich ein Abgrund zwischen Asher und mir aufgetan hat. Als würde er versuchen, mich abzuschieben.

Er umrundet den Schreibtisch und begleitet mich zur Tür. »Wir sollten ohnehin abwarten, wie du drauf bist, wenn du aus Russland zurückkehrst.«

Abrupt bleibe ich stehen. »Was sollen eigentlich diese ständigen Andeutungen? Das klingt mir langsam ein wenig zu unheimlich. Meinst du, er bringt mich um und verscharrt mich im tiefsten Sibirien – dort, wo mich niemand findet?«

Er ist zwei Schritte weiter gelaufen als ich, doch nun schnellt sein Kopf zu mir und er schenkt mir wieder diesen typischen schneidenden Blick. »Das denkst du also von mir? Dass ich dich zu einem psychotischen Serienkiller schicke?«

Ich zucke mit den Schultern. »Nein, eigentlich nicht, aber deine Andeutungen lassen trotzdem darauf schließen, dass mit diesem Lev irgendetwas nicht stimmt.«

Jetzt wendet er sich mir endgültig zu und verschränkt die Arme vor der Brust. Den Einschüchterungsmodus hat er echt drauf.

Nervös umfasse ich meine Handtasche, die in Höhe meines Oberschenkels herumbaumelt, und drücke die Finger in den weichen Stoff.

Mit gerunzelter Stirn verfolgt er meine Bewegung. Keine Ahnung, was er denkt. Eventuell, dass ich mit dem Gedanken spiele, mein Pfefferspray herauszuholen und ihn damit zu bedrohen, wenn sein Gesichtsausdruck nicht bald freundlicher wird.

»Lev ist ein langjähriger Freund von mir, Tamara. Ich vertraue darauf, dass er dir nichts antut, was du nicht verdient hast, und dich vor allem in einem Stück zurück nach Valentine schickt.« Seine Augenbrauen ziehen sich während seiner Worte noch weiter zusammen. Wahrscheinlich findet er es echt nicht witzig, wenn ich von diesem Lev nur das Schlimmste erwarte.

Russische Oligarchen haben nun einmal nicht den besten Ruf. Dafür kann ich doch nichts. Sie sind allgemein dafür bekannt, sich ihre Welt so zu drehen, wie sie sie haben wollen. Regeln existieren für sie nicht. Sie schreiben ihre eigenen Gesetze, sie stehen über den Dingen. Sie sollen korrupt sein und inoffiziell diejenigen, die den Staat lenken.

»So? Er tut mir nur Dinge an, die ich verdient habe? Wie darf ich das verstehen?«, hake ich nach, obwohl es mir von Anfang an darum ging, Grenzerfahrungen zu machen und gewisse Tabus vielleicht sogar zu überschreiten. Ich möchte wissen, wie weit ich gehen kann – und will. Um das herauszufinden, brauche ich möglicherweise genau so jemanden wie Lev. Was auch immer er mit mir vorhat.

»Wie ich es dir bereits gesagt habe. Es könnte sein, dass er dich bricht. Es könnte sein, dass er dir einen derartigen Mindfuck verpasst, dass du ohne ihn nicht mehr atmen kannst, Tamara. Unter Umständen wirst du vollkommen verändert zurückkehren – falls du es überhaupt tust.«

Ich starre ihn an. »Was? Meinst du das ernst?« Oh Gott. Das klingt so abartig. Abartig aufregend. Ich muss diesen Lev unbedingt kennenlernen.

»Seit wann mache ich Witze über die Kunden?«

Stimmt. Aktuell frage ich mich, ob Asher in meiner Gegenwart überhaupt schon einmal Witze gemacht hat.

»Es könnte also tatsächlich sein, dass er mich nicht mehr gehen lässt?«

Nein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mir derart seinen Willen aufzwingen würde – und ich mir so etwas auch noch gefallen lasse. Dann müsste ich ja über Nacht mein gesamtes Leben hier in Valentine aufgeben. Inklusive Studium. Ich müsste mich auf einen wildfremden, womöglich gestörten Mann verlassen, der mich für den Rest meines Lebens ertragen wird – oder zumindest durchfüttern. Das ist mir eine Stufe zu heftig. Ehrlich gesagt glaube ich auch nicht, dass Asher das wirklich zulassen würde.

»Ja. Ich weiß, das ist für dich gerade schwer vorstellbar, aber so ist er. Vermutlich ist es nicht für immer. Es könnte allerdings sein, dass er dich für einen längeren Zeitraum für sich beansprucht, sofern er Gefallen an dir findet.«

Schnaubend stemme ich eine Hand in die Seite. »Und was, wenn das nicht auf Gegenseitigkeit beruht? Ich bezweifle, dass ich die nächsten Monate oder Jahre in Russland verbringen möchte.«

Für einen Moment zucken Ashers Augenbrauen empor. »Glaub mir. Wenn er Gefallen an dir findet, wirst du auch Gefallen an ihm finden. Du wirst ihm verfallen und deine Welt wird sich nur noch um ihn drehen. Und wenn er dich eines Tages freigibt, wird es für dich sein, als würdest du aus einem langen erotischen Traum aufwachen.« Er mustert mich so intensiv, dass ich kurz davor bin, das Gesicht hinter meiner Handtasche zu verstecken, damit er endlich aufhört. »Darum bin ich mir ja nicht sicher, ob jetzt der geeignete Zeitpunkt ist, um dich zu ihm zu schicken. Du sollst gefälligst dein Studium beenden. Ich werde ihn wohl dazu anhalten müssen, dich zum Lernen zu bringen. « Ein spöttisches Funkeln blitzt in seinen Augen auf.

Ich blinzle entrückt und kann langsam nicht mehr einordnen, welche Arten von Empfindungen in mir vorgehen. Es ist wie eine Mischung aus ›Ich kann es gar nicht abwarten, diesen Lev kennenzulernen ‹ und ›Ach, du Scheiße, das hört sich nach einem psychopathischen Sektenanführer an ‹. »Und so einem Typen setzt du mich aus?«

Asher schmunzelt. »Das hört sich gefährlicher an, als es wirklich ist. Lev ist charismatisch und weiß, wie man Menschen manipuliert, ja. Es könnte sein, dass er dich zerstört. Aber er würde es nur tun, wenn er sich sicher ist, dass du es so brauchst .« Er seufzt und dreht mir den Rücken zu. »Und außerdem habe ich sein Wort, dass er dich nicht zu sehr verdirbt. Wenn er dich zurückschickt, möchte ich keine willenlose Fickpuppe, die alles mit sich machen lässt, sondern eine selbstbewusste Frau, die ihre Kunden um den Finger wickelt, während diese glauben, die Kontrolle zu haben.«

»Okay.« Was soll ich sonst dazu sagen? »Du machst mir trotzdem Angst. Das hört sich für mich danach an, als würde dieser Lev mir eine Gehirnwäsche verpassen, und ich bin mir nicht sicher, ob ich das will.«

»Deswegen lasse ich dir ja die Wahl. Ich habe keine Ahnung, was er mit dir vorhat. Ich weiß nur, dass er damit einverstanden war, dich zu unterweisen, nachdem ich ihm deine Bilder und Videos gezeigt habe. Er war sofort einverstanden. Das ist bei ihm kein gutes Zeichen.«

»Kein gutes Zeichen? Eben hast du doch versucht, mir gut zuzureden. Entscheide dich mal!« Mir wird schlecht. Vor Nervosität, aber auch vor Aufregung. Heilige Scheiße. Wie geht es mir bitte, wenn ich Lev erst einmal gegenüberstehe? »Würdest du mir denn jetzt abraten, zu ihm zu fliegen, oder nicht?«

»Es kommt darauf an, was du wirklich willst. Ich kann mir keinen besseren Lehrer für dich vorstellen. Nur gehe ich als dein Boss auch ein gewisses Risiko ein. Wenn du wegen Lev nicht mehr für mich arbeiten willst, könnten ein paar meiner Kunden abspringen. Kunden, die einiges mit dir anstellen würden, wenn sie dürften.« Etwa eine Armlänge vor der Milchglastür, die mich aus seinem Büro herausführt, bleibt er noch einmal stehen und sieht mich ernst an. »Außerdem habe ich mich falsch ausgedrückt: Lehrer ist nicht ganz richtig. Er wird dir schlicht zeigen, was dich erwarten könnte . Er wird sich ein paar Herausforderungen für dich ausdenken und dich testen. Er wird herausfinden, wie weit er gehen kann und wie weit du gehen wirst. Er wird es mir mitteilen, und auch dich wird er informieren, ob er dich für geeignet hält. Das ist alles. Ich kann dir bloß nicht sagen, was in seinem kranken Kopf vorgeht. Er ist ziemlich kreativ.«

»Hattest du wenigstens schon andere Mädchen bei ihm, oder bin ich die Erste?«

»Meinen Berichten nach zu urteilen, müsste dir doch eigentlich klar sein, dass schon einige bei ihm waren. Allerdings hat Lev sich jedes Mal etwas Neues ausgedacht. Da war eine meiner Angestellten, die er direkt, nachdem er sie in Augenschein genommen hatte, zurück in den Flieger gesteckt hat. Eine andere verbrachte zwei Jahre bei ihm, obwohl Lev sie nur für ein Wochenende gebucht hatte. Wie gesagt. Es ist alles möglich.« Er öffnet die Tür. »Noch Fragen? Letzte Chance, Tamara.«

Ich atme tief durch, trete an Asher vorbei, drehe mich noch einmal zu ihm um und schüttele den Kopf. »Nein. Ich ziehe das durch. Du hast mich zwar echt nervös gemacht, aber ich weiß genau, dass ich es mein Leben lang bereuen würde, wenn ich jetzt einen Rückzieher mache.«

»Du könntest im Nachhinein allerdings auch bereuen, dich dafür entschieden zu haben.« Sein Blick ist todernst und ein Teil von mir möchte diesen Lev echt nicht kennenlernen. Mein Bauchgefühl sagt mir nämlich, dass diese Sache nicht gut enden wird.

Andererseits kann ich es nicht abwarten, mich kopfüber in dieses Abenteuer zu stürzen: »Ich glaube, es ist genau das, was ich gerade brauche. Um einen klaren Kopf zu bekommen.«

Er nickt. »Das könnte sein.«

Mit verschränkten Armen lehnt er sich an den Türrahmen, während ich angespannt die Lippen aufeinanderpresse.

»Dann sehen wir uns in drei Wochen – oder auch nicht.«

»Okay.« Ich wirbele auf dem Absatz herum und will so schnell wie möglich dieses Gebäude verlassen.

»Ach, Tamara«, ruft Asher auf einmal hinter mir her. Abrupt bleibe ich stehen und drehe mich zu ihm herum. »Du brauchst wirklich nur deinen Reisepass. Alles Weitere stellt Lev für dich bereit.«

Wieder blinzle ich entrückt. »Geht klar.« Meine Stimme klingt ein wenig ungläubig und skeptisch. Also, die Pille werde ich auf jeden Fall einpacken. Und ein paar weitere Dinge, deren Gebrauch ich mir von keinem Mann, der mich überhaupt nicht kennt, verbieten lasse.

Meine Güte. Der Typ muss echt gestört sein. Dabei dachte ich bisher, Asher könne so schnell niemand toppen. Da habe ich mich wohl getäuscht.