Das Auto, das gleichzeitig mit seinem Wagen vor der Einfahrt hielt, war Kluftinger schon am Ortsausgang von Kempten aufgefallen, als es sich im Kreisverkehr rüde vor seinen Passat drängen wollte, was der Kommissar mit einem geschickten, aber waghalsigen Manöver verhindert hatte. Schließlich war er spät dran, und jede Minute zählte. Die ganze Fahrt hatte der Saab dann an seiner hinteren Stoßstange geklebt, war ihm in Altusried bei allen Abbiegemanövern gefolgt – und hielt nun nur einige Meter vor seiner Haustür auf der Straße.
Als Kluftinger ausstieg, verließ auch der andere Fahrer seinen Wagen, ein dunkelhäutiger Mann mit pechschwarzem Haar. Misstrauisch beäugte ihn der Kommissar. War er ihm gefolgt? Doch nun schien er ihn nicht weiter zu beachten. Langsam ging Kluftinger auf seine Haustür zu – da kam der Fremde ebenfalls näher. Der Kommissar beschleunigte seinen Schritt, was seinen Verfolger nicht zu beeindrucken schien, denn er behielt sein Tempo bei. Jetzt kam es darauf an: Kluftinger überschlug im Kopf die Entfernung zur Haustür, setzte sie ins Verhältnis zu der Geschwindigkeit, mit der sie sich beide bewegten, rechnete die Zeit dazu, die er fürs Aufsperren benötigte – und kam zu dem einzigen Schluss, den diese Variablen zuließen: Er begann zu rennen. Ohne sich noch einmal umzusehen, erreichte er im Laufschritt die Tür, fummelte hektisch den Schlüssel ins Schloss, warf sich gegen die Tür, die weit aufschwang, stolperte ins Innere, wirbelte herum, sah den Mann, der nun mit erhobener Hand auf ihn zulief – und knallte ihm die Tür vor der Nase zu.
Keuchend lehnte er sich innen gegen die Wand. Das war knapp gewesen. Er wischte sich über die Stirn, dann zuckte er zusammen: Die Türglocke ertönte.
»Jesses, Vatter, hast du mich erschreckt«, sagte Markus, als er in den Windfang kam. »Hast du geklingelt?«
»Nein, ich nicht, das war …«
»Ich mach mal auf.«
»Warte, draußen …«
»Ist jemand, schon klar. Ich denke, der will rein.« Markus nickte und öffnete die Tür.
Davor stand – natürlich – der Mann, der ihn eben verfolgt hatte. Kluftinger spannte die Muskeln an und sah, dass sein Sohn dem Mann freundschaftlich auf die Schulter klopfte und ihn hereinbat.
»Vatter, darf ich vorstellen: Anand Chandra.«
Offenbar kannten sich die beiden. Der Kommissar war erleichtert – und schämte sich ein wenig für sein Verhalten gerade eben. »So, grüß Gott, Herr … Aneinanda.«
»Chandra.«
»Freilich.«
»Darf ich?«, fragte der Fremde.
»Was denn?«
»Komme herein?« Der Mann hatte einen starken Akzent.
»Anand ist Inder«, sagte Markus.
»Inder, klar.« Sie lächelten sich eine Weile verlegen an, dann fuhr der Kommissar fort: »Und, was treibt Sie in unsere Gegend? Geschäfte? Die indische Küche wird ja immer beliebter, hört man, gell? Oder was mit Computern? Da seid ihr ja besonders … also, ich mein …«
»Wir kennen uns von der Arbeit, aus der Klinik in Kaufbeuren. Anand ist da Seelsorger. Und unser Pfarrer für die Taufe.«
»Ja, genau.« Kluftinger lachte, doch als er merkte, dass Markus es ernst gemeint hatte, hörte er abrupt auf. Er nahm seinen Sohn beiseite und zischte ihm zu: »Wird unser Enkele jetzt Hindu? Tät evangelisch nicht reichen? Ist uns doch völlig fremd, alles.«
»Vatter, beruhig dich. Die Taufe wird streng katholisch ablaufen.«
»Ja?« Zweifelnd blickte er zu dem Inder, der noch immer freundlich lächelnd an der Tür stand. »Kann der das?«
»Bestimmt.«
»Ja, dann, willkommen im Hause Kluftinger, Herr … Pfarrer.«
Nachdem alle am Esstisch Platz genommen hatten, blickte Kluftinger zufrieden in die Runde. Bis auf seinen Vater, der sich verspätete, war die ganze Familie anwesend: Markus und Yumiko saßen auf der Eckbank, sein Enkelkind schlief neben ihnen in der Wippe, ihm gegenüber saß seine Mutter, die bei Markus nachgefragt hatte, ob der »richtige Pfarrer« denn keine Zeit habe. Neben ihm hatte Erika Platz genommen. Und daneben der indische Priester.
»Was willst du denn damit?«, fragte Erika ihren Mann, als er Markus’ Laptop aufklappte.
»Der Bub hat mir den Computer gegeben, damit ich dem Joshi eine Mail schreiben kann. Interessiert den sicher auch, was wir mit seinem Enkele alles so anstellen.«
»Das ist aber sehr lieb von dir, dass du meinen Papa einbeziehst«, sagte Yumiko und lächelte ihm zu.
»So, dann fangen wir mal an, oder?«, schlug Markus vor. »Anand?«
»Ja, dank fur Einladung, isch freue mir, dass isch kann machen die Taufe, stimmt’s?«
Der Mann hatte eine angenehm helle Stimme und redete in einem sympathischen Singsang, fand Kluftinger, auch wenn er die Frage nicht verstand. Vielleicht meinte der Pfarrer das aber auch nur rhetorisch. Aus dem Augenwinkel sah er, dass seine Mutter ihm einen besorgten Blick zuwarf, doch er ignorierte ihn fürs Erste.
»Wie haben Zeremonie von Tauffeier denn vorgestellt?«
Kluftinger begann zu tippen:
For Joshi
The Enkel wird ja jetzt soon getauft, also geblessed, so to say. Taufe is a holy thing in the Abendland, that gives it wahrscheinlich not in the Shintoismus. It means that the Kind …
Er beugte sich zu Yumiko und fragte: »Was heißt denn tauchen auf Englisch?«
»Dive«, antwortete seine Schwiegertochter.
»Danke.«
… is dived in water. Besser gesagt under water, and so, it kriegs … becomes a ghost. Nicht irgendeinen Geist, sondern den heiligen. By us, it is an Inder, who dives the kid. Früher, in the Bible, haben sie es mit fire getauft, aber jetzt mit water. Hauptsache, the holy ghost drives into the Enkelkind.
Er wurde abgelenkt, als der Pfarrer nach den Taufpaten fragte.
»Wir haben nur einen«, sagte Markus.
»Was, bloß einen?«, empörte sich Hedwig Maria Kluftinger. »Zwei sind doch besser, wenn einem von denen was passiert, gell, Herr … also Pfarrer?«
»Auch einer ist moglich, wenn Eltern wollen so.«
»Oma, lass uns mal machen. Einer reicht uns. Ist ja eh nur symbolisch.«
»Symbolisch?« Hedwig Maria bekam rote Flecken im Gesicht.
»Wir sind froh, dass wir überhaupt einen haben. Der Jascha macht’s nicht, weil er schon lange Atheist ist, die Laura ist in Oxford, und der Martin wird demnächst Moslem.«
»Jessesmaria.« Markus’ Oma bekreuzigte sich.
»Und deswegen nehmen wir den Mick.«
»Den Mick?« Jetzt machte Kluftinger große Augen. »Aber der ist doch …«
»Was?« Markus hob die Brauen.
»Nix. Ich mein, ich hab ja persönlich nix dagegen, aber weil er halt …«
»Schwul ist?«
»Ja, ich mein: Geht das dann trotzdem? Weil, wenn der Moslem nicht darf, könnt’s ja sein …«
»Aaaah, macht nixe«, mischte sich nun der Pfarrer wieder ein. »Bei uns auch viele sind so.«
Kluftinger fragte nicht nach, was der Mann mit »bei uns« meinte, und ließ das Thema auf sich beruhen.
»Nehmt’s halt noch jemand dazu. Aus der Familie«, beharrte Hedwig Maria. »Den Opa zum Beispiel.«
»Wessen Opa, meinen oder den unseres Kindes?«, wollte Markus wissen.
»Deinen natürlich. Dein Vater hat schon genug um die Ohren, gell, Bub?«
Kluftinger nickte.
»Ich weiß nicht«, wandte Erika ein. »Der Taufpate soll doch die Erziehung des Kindes übernehmen, wenn mit den Eltern mal was ist.«
»Ach, und das könnt mein Mann nicht, oder wie?«
»Doch, doch, aber er sollt ja im Idealfall lange für das Kind da sein … ich mein, vom Alter her … ach, egal.« Erika winkte ab, und ihre Schwiegermutter schaute fragend zu ihrem Enkelsohn.
»Ich glaub, der eine Pate wird uns locker reichen«, beendete Yumiko das Thema.
Ein anderer wichtiger point ist der Taufpate. Here, some say Tauf-Dodel. Meiner war der Onkel Joseph, aber alle haben ihn nur Schnaps-Sepp genannt. Whiskey-Jo, so to say. Der hat nicht umsonst so geheißen. Er hat sich nach der Taufe schön die Lichter ausgeschossen. He shot himself the lights out. Klar, war billig, weil mein Vater alles gezahlt hat. Aber eigentlich soll der Pate …
»Yumiko, was heißt denn Pate auf Englisch?«
»Godfather.«
»Entschuldigung, aber so was muss ich ja nicht wissen …«
»Nein, Godfather.«
»Jaja, ich hab’s verstanden. Kann man auch netter sagen, als Gott, Vatter, du weißt ja mal wieder gar nix …« Beleidigt machte Kluftinger ein Doppelkinn und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich weiß es halt nicht. Pate-Uncle, oder wie heißt es denn?«
»Nein, ich meine: Godfather heißt Pate«, erklärte Yumiko.
»Ach so. Echt?«
Sie nickte. Kluftinger zuckte mit den Achseln und schrieb weiter:
Also, der Godfather, das ist der Mann, der das Kind sozusagen als seins annimmt. He takes the child for him. I mean, he is the second father of the child. Wenn Markus …
Kluftinger dachte nach. Er wollte in Zusammenhang mit seinem Sohn nicht die Worte sterben oder Tod verwenden, also schrieb er stattdessen:
Wenn Markus is away sometime, this father comes ins Spiel. Er kümmert sich um die Yumiko. Und das Kind. For always. Deswegen muss man natürlich schauen, dass es passt, between den beiden. But I think she likes the Godfather schon very much.
Zufrieden über seine bisherige interkulturelle Aufklärungsarbeit wandte sich Kluftinger wieder dem Pfarrer zu, der gerade fragte, ob die beiden denn schon einen Taufspruch ausgesucht hätten.
Markus schlug sich gegen die Stirn. »Mist, das haben wir ganz verschwitzt. Sollen wir das jetzt schnell machen?«
»Gut, zeige ich euch Spruche. Kann ich kurz bekommen die Heilige Schrift?« Er blickte Kluftinger fragend an.
»Bibel? Ja, sicher, die hammer schon. Irgendwo.« Er versuchte sich zu erinnern, wann er sie das letzte Mal in der Hand gehabt hatte. War das nicht an Weihnachten gewesen? Also das Weihnachten, nachdem Markus in die Schule gekommen war und endlich lesen konnte? Da hatten sie ihn die Weihnachtsgeschichte vortragen lassen, allerdings bei der Stelle mit den Hirten aus Zeitgründen abgebrochen.
Aber wo zur Hölle war denn nun die Bibel? Er schaute zu Erika, die peinlich berührt mit den Schultern zuckte.
»Hol sie doch mal, Bub«, sagte seine Mutter, »dann kann der Herr Pfarrer sehen, was für schöne Exemplare es in Deutschland gibt. Wissen Sie, wir haben das Exemplar den beiden damals zur Hochzeit geschenkt. Ge-schenkt, verstehen?« Hedwig Maria sprach mit dem Inder, als sei er schwerhörig und begriffsstutzig zugleich.
»Ja, freilich, die schöne«, wiederholte Kluftinger, erhob sich langsam und ging zu ihrem winzigen Bücherregal, das fast vollständig von dem Lexikon ausgefüllt wurde, das sie vor vielen Jahren einmal beim Buchclub erstanden hatten. Doch außer diesem, einem Utta-Danella-Sammelband sowie ein paar weiteren Liebes-Schmonzetten und einem Goethe-Gedichtschuber, allerdings noch in der schützenden Plastikverpackung, stand nur wenig darin. »Ach, stimmt, die hab ich ja … woanders«, sagte Kluftinger, erhob sich und eilte in den Hausgang. Er hatte keine Ahnung, wo die Bibel sein konnte, suchte im Bügelzimmer, im Keller, sogar in der Küche. In seiner Verzweiflung ging er schließlich auch noch in Markus’ ehemaliges Kinderzimmer. Als er das Regal durchsah, das vor allem aus Lustigen Taschenbüchern mit Donald-Duck-Geschichten bestand, atmete er erleichtert auf. Da war sie ja: die Bibel. Zwar nicht genau das Exemplar, nach dem er gesucht hatte, aber immerhin. Er packte das Buch, ging damit wieder ins Wohnzimmer, legte es vor den Pfarrer auf den Tisch und sagte: »Bittschön.«
Alle starrten auf das DIN-A4-große, etwas vergilbte Buch mit einem Comic-Jesus auf dem Einband, das nun vor dem Inder lag. Meine erste Kinderbibel stand darauf.
»Was ist denn?«, fragte Kluftinger, nachdem niemand mehr etwas sagte. »Werden ja wohl die gleichen Geschichten drinstehen wie in der anderen, oder?«
»Das darf doch nicht wahr sein«, sagte seine Mutter mit aschfahlem Gesicht. »Zur Hochzeit haben wir die euch geschenkt. Fürs ganze Leben hätt die sein sollen, und ihr schmeißt sie einfach weg.«
Erika mischte sich ein: »Niemand hat irgendwas weggeschmissen.«
»Wo ist sie dann?«
»Die ist … also … was weiß ich«, wand sich Kluftinger. »Wird schon irgendwo sein.«
»Ich weiß immer, wo unsere Sachen sind«, erwiderte seine Mutter mit Blick auf Erika. »Vor allem die Geschenke.«
»Ach, ist das so?« Kluftinger kniff die Augen zusammen. »Und der Topflappen, den ich dir in der dritten Klasse gehäkelt hab?«
»Große Kommode im Wäschezimmer, dritte Schublade unten links«, kam es wie aus der Pistole geschossen. »Den nehmen wir bloß zu ganz besonderen Gelegenheiten.«
»Ach so, ja, gut. Aber was ist mit dem Tee-Ei, das wir euch zu Vatters Pensionierung geschenkt haben?«
»Werkzeugschrank, mittleres Fach. Nimmt er zum Aufbewahren von Reißnägeln, weil wir seit jeher nur Kaffee trinken.«
»Ja … Ordnung ist das halbe Leben, gell?«
»Nich schlimm, Spruche wir konnen suchen danach, stimmt’s? Was mit Lieder? Zum Beispiel Gottowielow?«
Kluftinger wog den Kopf hin und her. »Ich glaub, es passt doch besser, wenn wir was Deutsches singen, gell?« Erika und seine Mutter nickten.
»Is deutsche Lied. Klassische.«
»Wirklich? Kenn ich gar nicht.«
Anand Chandra begann lautstark zu singen: »Goßer Gottowielow-ben-disch. Heah, wie peisen deine Starke …«
»Ach, das meinen Sie. Großer Gott, wir loben dich.«
»Ja, habe doch gesagt.«
Kluftinger nickte. »Stellen Sie doch einfach was Nettes zusammen.«
»Brauchen wir noch Kartze.«
Die Übrigen blickten sich ratlos an. »Also, vielleicht macht man das in Indien so, aber Katzen haben wir hier bei der Taufe eigentlich eher selten.«
Der Inder nickte. »Meine ich nicht Katze. Meine … Kartze?«
Stille.
»Zu anzünden?«
Da fiel beim Kommissar der Groschen. »Kerze meint der Herr Ananandra.«
»Chandra«, korrigierte der.
»Ja, freilich. Habt’s ihr da schon eine?«
Yumiko schüttelte den Kopf. »Brauchen wir die jetzt schon?«
»Nein, erst zu Taufe. Aber vielleicht wolle selbst basteln?«
Markus blickte Yumiko an. »Also ich weiß nicht so recht …«
»Ach, das macht doch Spaß«, mischte sich der Kommissar ein. »Wir können euch helfen, das haben wir bei dir damals ja auch selber gemacht.«
Begeistert begann Kluftinger auf die Tastatur zu hämmern.
Jetzt hätt ich beinahe das mit der Kerze vergessen. Also Kerze, nicht Katze. Not cat, gell? Wird manchmal verwechselt. Wir haben eine Kerze bei der godfatherei. Meine war schön, aber der Schnaps-Sepp hat das heiße Wachs auf mich getropft. Kid is burnt with wax, you know? Aber not so schlimm. A little pain schadet nix. Markus and Yumiko like to make it themselves, with the candle. It makes fun, ich hab’s mit the Erika früher auch gemacht. Many years ago. Maybe we will joyn the kids, when they make it with the candle. It is easy: Als Erstes nimmt man da eine große candle ohne was drauf. Naked, quasi. Dann basteln beide damit. Man and woman work with it. Und wenn alles ready ist, they say things to each other. Das heißt dann Taufspruch.
Der Pfarrer nutzte die kurze Stille, um mit feierlichem Gesicht zu verkünden, wie sehr er sich freue, dass die jungen Leute ihr Kind überhaupt taufen lassen. »Ist nicht selbstverstandlich. Warum habt ihr entschieden dafur?«, wollte er von Markus und Yumiko wissen.
Die beiden sahen sich an, als wüssten sie nicht so recht, was sie sagen sollen. Kluftinger war gespannt auf ihre Antwort, denn für ihn gehörte es ganz einfach dazu, dass ein Kind getauft wurde – weil man das schon immer so gemacht hatte und die Verwandten es erwarteten. So war es auch damals bei Markus gewesen. »Also, erstens mal wollen wir, dass … unser Kind, wie soll ich sagen …«, begann Markus zu stammeln.
Die Türglocke ging. Noch bevor Kluftinger aufstehen konnte, war Markus bereits aufgesprungen und auf dem Weg in den Hausgang. »Ich geh schon«, sagte er und klang ein bisschen erleichtert.
Kurz darauf kehrte er mit Kluftingers Vater zurück.
Jetzt comes übrigens grad mein Vatter. Der Uropa vom Kind. Clock-Grandfather. Ich glaub ja, er war schon wieder bei einer Führung. He is now the big leader, here in Altusried. Sie marschieren mit Fackeln. Zum Kreuz. Viele Leute folgen ihm. But I do not want that he is the Führer. He is too old. And it is not legal, you know?
Nach einer kurzen Begrüßung brummte der neue Gast etwas missmutig: »Also, auch wenn ich euch alle wirklich gern seh, find ich’s übertrieben, dass die ganze Familie zusammenkommen muss, bloß wegen einer Kindstaufe. Was soll jetzt ich als Uropa da groß dazu beitragen? Noch dazu, wo die Oma erzählt hat, ihr tauft das Kind eh bloß, weil ihr einen Platz im katholischen Kindergarten wollt.«
Hedwig Maria Kluftinger versetzte ihrem Mann einen Stoß in die Rippen, während sich Yumiko und Markus peinlich berührt ansahen.
»Da hat der Opa vielleicht ein bissle was durcheinandergebracht, gell?«, baute Erika ihrem Schwiegervater eine Brücke, doch der dachte gar nicht daran, diese Hilfe anzunehmen.
»Nein, wieso soll ich was durcheinandergebracht haben? Bloß weil ich der Älteste bin, hab ich schon noch alle beieinander.«
Erika sah ihn eindringlich an. »Schon klar, aber ich mein halt … das ist ja nicht eigentlich der Grund, warum …«
»Das hat mir die Hedwig aber genau so erzählt: wegen dem Kindergarten, sonst käm eine Taufe gar nicht infrage. Stimmt’s, Hedwig?«
»Also, so hab ich das nicht gesagt.«
Der Pfarrer lächelte gelassen.
Kluftinger wechselte schnell das Thema. »Was ganz anderes: Wo kommst du eigentlich grad her, Vatter?«
Sein Vater blickte zu seiner Frau. Sie bewegte kaum merklich den Kopf hin und her. »Mei, ich, also … war, beziehungsweise bin …«, begann der eben noch so selbstsicher tönende Senior stockend wie vorher sein Enkelsohn.
»Der Vatter hat halt noch einen Termin gehabt, gell?«, kam ihm seine Frau zu Hilfe.
»Genau, das hab ich.«
»Was denn für einen?«
»Einen … unaufschiebbaren halt«, murmelte sein Vater und erntete dafür als Bekräftigung ein Kopfnicken seiner Frau.
»Ist ja jetzt auch gar nicht interessant für den Pfarrer und alle anderen«, erklärte Hedwig Maria.
»Also mich würd’s schon …«
»Himmelarschkreuzkruzifixsakrament, hab ich denn gar kein Recht mehr auf ein Privatleben?«
Nun räusperte sich der Priester und erklärte mit besorgter Miene: »Vielleicht ist ganz gut, ganze Familie kommt noch mal zu Beichte?«
»Also, ich glaub nicht, dass das wirklich nötig sein wird«, befand der Kommissar. Die anderen murmelten zustimmend.
Der Pfarrer schien anderer Ansicht. »Wichtig ist innere Reinigung von schlechte Gedanken und Worte vor so wichtige Sakrament, stimmt’s?«
Kluftinger überlegte. Auf eine Beichte, noch dazu bei einem völlig unbekannten Priester, hatte er überhaupt keine Lust. »Hat’s nicht früher immer noch so Bußgottesdienste gegeben? Für ein paar leichtere Sünden sollt’s das doch auch tun, oder, Herr Pfarrer?«
Der Mann wiegte den Kopf hin und her. »Vielleicht ja, obwohl nur Beichte ist richtiges Sakrament.«
»Ja, das macht nix. Aufs Sakrament sind wir eh nicht so scharf.«
Chandra lächelte unsicher, dann erhob er sich. »Das Weitere wir klare dann zu dritt in Elterngesprach in mein Buro, ja? Ich darf entschuldigen, gute Appetit.«
Alle verabschiedeten sich verwirrt von dem Geistlichen. Während Markus ihn zur Tür brachte, ging Kluftinger in die Küche, um sich ein Bier einzuschenken. Den Laptop nahm er mit. Wenig später kam sein Sohn herein und trank den Rest aus der Flasche. »Ganz schön stressig, so ein Pfarrersbesuch, oder, Markus?«
»Vor allem, weil der Opa mal wieder alles rausblasen muss, was er irgendwo gehört hat.«
»Wegen dem Kindergarten? Mei, ihr habt euch wenigstens Gedanken drüber gemacht, warum ihr die Taufe wollt.«
»Anders als ihr damals, stimmt’s, Vatter?«, sagte er augenzwinkernd.
Kluftinger grinste. »Erraten. Wie du nur immer draufkommst.«
»Ich kann in dir lesen wie in einem offenen Buch. Da sieht man eben doch, dass in unseren Adern dasselbe Blut fließt, gell, Vatter?«
»So, tut’s das?«
»Alles in der DNA. Wenn ich nicht vom Postboten bin«, fügte Markus hinzu und ging.
»Red bloß nicht so saudumm daher«, rief ihm der Kommissar noch hinterher, dann tippte er ein paar weitere Zeilen in den Laptop:
Joshi, was ich grad erfahren hab: They make the Taufzeug only because they want to give the child away. Maybe schon in one year oder früher. They want to give it to the people in the church. Dann sollen die drauf aufpassen und the Yumiko can wieder andere Sachen machen.
Da gesellte sich sein Vater zu ihm. »Was hast denn heut allweil mit deinem Computer? Übrigens, gegen so ein Bier hätt ich auch nix einzuwenden, Bub«, sagte er und deutete auf Kluftingers Krug.
»Kannst gleich das nehmen, ich mach mir noch mal eins.«
Der Vater schnappte sich dankend das Glas und wollte ebenfalls in Richtung Wohnzimmer verschwinden, da hielt der Kommissar ihn auf. »Wart mal!«
»Gibt’s noch was?«, fragte der unschuldig.
»Allerdings. Ich weiß genau, wo du warst, heut Abend.«
Kluftinger senior räusperte sich. »So, wo denn?«
»Du hattest wieder eine Führung, ist doch klar.«
Sein Vater erwiderte nichts.
Kluftinger senkte seine Stimme. »Sag mir wenigstens: Das Geheimnis, von dem die Rimmele da geredet hat, was soll denn das sein?«
»Hm?«
»Welches Geheimnis hat die Rimmele noch bei sich, das man extra dazu buchen kann?«
»Was weiß denn ich, da musst sie schon selber fragen. Geh einfach mal hin und erkundig dich. Die ist gar nicht so unrecht. Bei der Gelegenheit könnt ihr euch gleich aussprechen.«
»Jetzt sag’s mir halt.«
»Würd ich ja, aber ich weiß es nicht. Ich interessier mich vorwiegend für die Aufwandsentschädigung, die mir die Rimmele zahlt.«
Sein Sohn schüttelte den Kopf.
»Mei, das ist alles brutto wie netto bar auf die Hand, da fragt keiner danach. Falls ich mal nicht kann, also, ich kann dich da gern reinbringen.«
»Geht’s noch, Vatter?«
»Zier dich doch nicht so. Vielleicht zahlt sie dir nicht gleich den kompletten Satz. Ich hab mir ja auch alles erst überlegen müssen, was ich sag, und hab jetzt schon viel Erfahrung damit.«
»Ich bin beeindruckt!«
»Überleg’s dir.«
»Überleg du dir, ob du nicht endlich damit aufhörst, sonst …« Er ließ das Satzende im Ungewissen.
»Sonst was? Hängst mich beim Finanzamt hin?«
»Das nicht gerade, aber …« Wenn er ehrlich war, wusste er nicht genau, was er machen würde, sollte sein Vater seine Mitwirkung bei den Führungen nicht endlich unterlassen.
»Ich höre?«
»Ich … sag’s der Mama!« Erst als sein Vater zu lachen begann, realisierte der Kommissar, wie das geklungen haben musste.
»Die Mutter weiß es doch längst! Ich geh rüber, Bub. Zum Wohl.«
Zehn Minuten später saßen alle wieder um den Esstisch. Kluftingers Mutter fand, jetzt, wo der Pfarrer weg sei, könne man sich um die wichtigen Dinge kümmern: wo gefeiert wird und was es zu essen geben soll. Erika und ihre Schwiegermutter schlugen fast alle Gasthöfe und Cafés der näheren Umgebung vor, doch Markus und Yumiko hielten sich bedeckt.
»Und was ist mit der Fröhlichen Aussicht? Soll jetzt wieder ganz gut sein, seitdem sie einen neuen Koch haben«, unterbreitete Kluftingers Mutter einen weiteren Vorschlag in fast flehentlichem Ton. »Gibt wohl allerdings viel Vegetarisches.«
»Jetzt sag’s ihnen doch«, flüsterte Yumiko ihrem Mann zu.
Markus seufzte, dann erklärte er: »Okay, also … wir haben uns gedacht, dass wir nach der Kirche gar nix machen.«
Die anderen warfen sich für einen Moment irritierte Blicke zu, dann fuhr Erika unbeeindruckt fort: »Also, die Aussicht find ich nicht so toll, da riecht’s doch immer so nach Fritteuse. Und wenn wir nach Kempten gehen würden? Ich denk da ans Caféhaus in der Villa. Da hat die Probst Ingrid ihren Sechziger gefeiert, also das war nett und …«
»Gibt’s nimmer«, mischte sich Kluftinger ein.
»Was?«
»Das Café in der Villa. Die haben dichtgemacht.«
»Schade«, fand Erika.
»Entschuldigung«, hakte Yumiko ein, »ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, ob ihr Markus bloß nicht gehört oder ihn nicht ganz verstanden habt: Wir möchten nichts machen, nach der Taufe.«
Erika und ihre Schwiegermutter verfielen in eine Art Schockstarre, Kluftinger senior trank den Rest seines Biers in einem Zug leer, und der Kommissar schnappte sich den Computer, um die neuen Entwicklungen in seiner Mail an Yoshifumi Sazuka festzuhalten.
Markus präzisierte: »Also, so ganz stimmt das auch wieder nicht.«
»Na, das hab ich mir ja gleich gedacht«, sagte seine Oma erleichtert.
»Wir gehen Burger essen.«
»Ihr wollt … was essen?«
»Burger. Im Industriegebiet hat in einer ehemaligen Tankstelle ein echt guter Laden aufgemacht. Die haben sogar vegane Patties, die fast wie Fleisch schmecken.«
»Ich halt nix von dem Zeug. Wer weiß, was die an ihren großen Spießen da alles grillen«, ereiferte sich Kluftingers Vater.
»Das mit den Spießen sind Döner, Opa. Burger sind die …«
»Die labberigen Semmeln mit Hackfleischplatte drin«, ergänzte der Kommissar.
»Ich hätt’s nicht schöner sagen können, Vatter. Also, wenn ihr wollt, könnt ihr gern mitgehen. Müsst ihr aber auch nicht. Sonst wollen wir niemanden dabeihaben, um das Ganze nicht so hoch zu hängen. Die haben da eh bloß kleine Tische. So Diner-Boxen. Müssten wir uns halt aufteilen.«
»Aufteilen? Nein, wir wollen niemandem zur Last fallen. Nicht dass es heißt, die bucklige Verwandtschaft drängt sich auf«, brummte Kluftingers Vater.
»Burger, hm?«, brummte Kluftinger. Nicht dass er etwas gegen Feierlichkeiten in kleinem Rahmen hatte – allein schon von der finanziellen Belastung her hatte das durchaus Vorteile. Aber ein Essen in einer umgebauten Tankstelle fand selbst er unangemessen.
Markus versuchte, mit einem Themenwechsel die Stimmung ein bisschen aufzuheitern. »Ich hätte da noch eine gute Nachricht zu verkünden.«
»Ja? Was denn?« Erikas Neugier siegte erstaunlich rasch über ihre Verstimmtheit.
»Ich hab eine Stelle angeboten bekommen als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der OFA im Polizeipräsidium München. Ganz cool, oder?«
Sein Großvater strahlte. »Wirst doch noch was Richtiges, Bub. Schön, dass du in den Polizeidienst eintrittst, wie dein Vater und ich auch. Solide, ehrlich, sicher. Und wenn du fürs Erste nur bei dieser Hilfseinheit da bist, macht auch nix. Man kann sich hochdienen. Wann wirst verbeamtet?«
Markus schmunzelte. »Ich werd wahrscheinlich gar nicht verbeamtet. Die OFA ist auch keine Hilfseinheit, sondern die Operative Fallanalyse. Das, was man landläufig auch unter dem Namen Profiling kennt.«
Kluftinger nickte. Ihm war diese Spezialeinheit natürlich ein Begriff. Die Fallanalytiker kümmerten sich intensiv um komplizierte Fälle im Bereich der Schwerstkriminalität, erstellten Täterprofile, arbeiteten länderübergreifend. Und er wusste, wie schwer es war, in diesem Bereich unterzukommen. »Respekt«, sagte er daher anerkennend und klopfte seinem Sohn auf die Schulter. »Wie hast du denn das geschafft?«
»Sein Prof hat ihn so lange bearbeitet, bis er sich auf die einzige Assistentenstelle in Bayern beworben hat. Weil er sein bester Student ist«, sagte Yumiko mit warmem Lächeln, während ihr Mann bescheiden abwinkte.
»Aber ihr seid doch grad erst nach Kaufbeuren gezogen, da könnt ihr doch nicht schon wieder weg. Ich mein, auch für das Kind wär das ja nicht ganz leicht«, sagte Erika besorgt.
Ihre Schwiegermutter sprang ihr zur Seite: »Ja, da hat die Erika ganz recht. Stellt euch bloß mal vor, wenn so ein kleines Menschle in dieser Riesenstadt aufwachsen müsst!«
Markus schüttelte den Kopf. »Ich könnt mir vorstellen, dass es unserem Kind egal wäre, wenn wir umziehen würden, und es soll Leute geben, die in noch größeren Städten ohne nennenswerten Schaden groß geworden sind.«
»Außerdem, nur falls ihr es vergessen habt«, meldete sich Yumiko zu Wort, »früher oder später werden wir ohnehin eine lange Reise unternehmen. Nach Japan. Das hatten wir ja schon vor der Geburt vor.«
Kluftinger wurde auf einmal ganz flau im Magen. Sicher, die beiden hatten irgendwann mal vage angekündigt, eine gewisse Zeit in Yumikos Heimat verbringen zu wollen, danach aber nie mehr davon gesprochen. Und so hatte er vermutet, sie hätten diese aus seiner Sicht völlig unsinnigen Pläne längst aufgegeben. Er sah zu Erika und ahnte, dass sie dasselbe dachte wie er: München war die weit bessere Alternative als Osaka oder Tokio. »München hat auch schöne Ecken«, sagte er deshalb. »Und das Kind ist ja eh erst mal bei der Mama daheim. Ist doch toll, wenn man sich auf die Erziehung konzentrieren kann, gell, Miki?«
Sie sah ihn stirnrunzelnd an. »Na ja, konzentrieren, ich weiß nicht. Hat Markus euch nicht erzählt, dass ich promovieren werde?«
Kluftinger schüttelte den Kopf – wie alle anderen, die um den Tisch saßen.
»Drum versuchen wir ja auch, ziemlich bald einen Krippenplatz zu bekommen. Und die Kirche hat da einfach am meisten momentan.«
Kopfschüttelnd sagte Kluftinger senior: »Du hast doch so lang studiert – und jetzt willst du dich da auf so Messen hinstellen? Ich tät’s nicht, das sag ich dir!«
Hedwig Maria nickte.
»Opa, nicht promoten. Promovieren. Sie macht ihren Doktor«, erklärte Markus.
»Stimmt genau. Das ist für mich einfach die Chance, jetzt die Elternzeit vernünftig zu nutzen, bevor dann auch ich im Beruf durchstarten kann.«
»Musst aber schon auch den Markus unterstützen, gell, Mädle?«, erklärte Hedwig Maria bestimmt. »Wenn der abends heimkommt, braucht er was Warmes zu essen, morgens ein nahrhaftes Frühstück und eine Brotzeit. Ein arbeitender Mann will auch eine saubere und gepflegte Wohnung. Und die Wäsche! Sicher muss der Bub jetzt Hemden tragen in München.«
Markus hob die Hand. »Also, bevor die Verwirrung jetzt noch größer wird: Ich werde von Kaufbeuren aus mit dem Zug nach München pendeln, und die Promotion meiner Frau ist völlig okay für mich. Ich kann meine Hemden auch selber waschen, wenn’s drauf ankommt. Gell, Vatter?«
Kluftinger seufzte und hieb ein letztes Mal in die Tasten für seinen japanischen Freund Sazuka.
Your Tochter says that she has jetzt a promotion-job. Sie will ein Doktor sein. So ähnlich wie the Longhammer. Mei, everyone how he means. It can not be so schwer, wenn der es auch geschafft hat. I know his Doktorarbeit. About the Wechseljahre by the woman. Changing years. Egal. Markus leaves Yumiko now immer for Ofa. Wir sind happy, dass er zu Ofa kommen darf. But we hope dass er nicht wegen ihr ganz nach Munich zieht, sondern bei Yumiko und dem Child in Kaufbeuren bleibt. That is all for today, goodbye, my Freund.