»Das alles deutet, wie ich abschließend zusammenfassen möchte, schon sehr darauf hin, dass der Hagen damals an dem Tötungsdelikt zum Nachteil der Karin Kruse zumindest beteiligt war, obwohl die Beweislage dafür natürlich noch längst nicht ausreicht, wie wir uns selbst eingestehen müssen.« Kluftinger horchte seinen Worten nach und wusste selbst nicht, warum er sich eben dieses hochtrabenden Polizeijargons bedient hatte, um den anderen von seiner Entdeckung der Beinschiene und vom Telefonat mit Willi Renn zu berichten.
Hefele war der Erste, der sich dazu äußerte: »Okay. Das heißt aber auch, dass es zumindest plausibel wäre, dass er sich wegen drohender neuer Ermittlungen aus Panik selbst erschossen hat. Zumal ja sein Überfall auf dich im Wald noch dazugekommen wäre.«
Kluftinger presste die Lippen zusammen. »Nach wie vor bin ich bei der Selbsttötung skeptisch. Ich weiß aber auch, dass das schwer zu klären sein wird, wenn wir keine Beweise finden. Bin aber voll bei dir, Roland, was die Frage mit dem Überfall im Wald angeht. Ich denke, er war dabei, wir müssen jetzt also noch den Zweiten suchen.«
»Da würd ich mich wundern, wenn wir den nicht im Dunstkreis der Lederer-Gang finden«, erklärte Luzia Beer, und die Kollegen nickten.
Auch Kluftinger erschien diese Auffassung plausibel. »Wegen der Fußspuren im Wald, könnte da bitte jemand …«
Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihn. Sandy streckte ihren Kopf herein. »Sorry, Chef«, sagte sie, dann wartete sie ab, wie Kluftinger reagieren würde.
»Ja?«
»Also, das kam gerade per Mail von den Kollegen der Bereitschaftspolizei. Die haben extra die Priorität auf sehr hoch gesetzt, mit drei Ausrufezeichen, da wollt ich Ihnen das nicht vorenthalten.« Sie wedelte mit zwei ausgedruckten Seiten, die sie ihm schließlich überreichte. Er überflog die Mail, ließ die Blätter sinken, sah in die Runde und erklärte: »So, Männer … ich mein, Kollegen … zefix, also, Mitarbeitende: Hier steht, dass gestern mehrere Anwohner in den umliegenden Wohnblocks in Hegge zwei Schüsse gehört haben, und – jetzt passt auf – Renns Leute haben am Illerufer, das der Wohnung von Hagen gegenüberliegt, ein Projektil in einem Baum gefunden – eindeutig aus meiner Dienstwaffe abgegeben. Was sagt ihr jetzt?«
Eine Weile war es still, dann gab Maier zu bedenken: »Das stützt natürlich deine These, ist aber auch kein Beweis, dass Hagen von jemand Drittem getötet wurde, da er ja auch selbst vorab schon geschossen haben könnte.«
Kluftinger seufzte. Natürlich hatte Maier damit recht, dennoch waren für ihn die Dinge mit dieser Nachricht noch klarer. Erst jetzt merkte der Kommissar, dass Sandy noch immer neben ihm stand. »Ist noch was, Fräulein Henske?«
»Ich wollte nur ergänzen, dass ich kurz nach der Mail noch einen Anruf von Herrn Renn bekommen habe – also eigentlich auf Ihrem Apparat, aber …«
»Ja?«, hakte der Kommissar ungeduldig nach. »Um was ging’s denn?«
»Ich soll Ihnen sagen, dass die Schuhspur aus dem Wald bei Opprechts nicht mit einer von Hagens Schuhen identisch ist, und auch die Art, wie seine Sohlen abgelaufen sind, stimmt nicht mit den … wie hat der Willi noch gesagt? Ach ja, mit der besonderen Abnutzung bei dem gesicherten Abdruck überein. Die von Hagen seien nicht mal annähernd so ungleich abgenutzt.«
Kluftinger sah sie mit großen Augen an.
»Können Sie damit was anfangen, Chef?«
»Klar, ja, damit können wir was anfangen. Ist nur … schade.«
Sandy Henske ging wieder, und Kluftinger blickte in die enttäuschten Mienen seiner Mitarbeiter. Er zuckte mit den Schultern. »Wäre ja auch zu schön gewesen. Aber letztlich ändert sich nichts für uns. Das heißt nicht, dass Hagen nicht im Wald war – schließlich hatte er meine Pistole.«
»Und wir können dem anderen Scheißtyp aus dem Wald mit der Spur seine Anwesenheit beweisen«, ergänzte Lucy.
Hefele fügte an: »Wenn wir ihn ermittelt haben.«
Kluftinger sah sie zufrieden an. Aus seinem durch Strobls Tod geschundenen Rumpf-Kollegium, in dem es an allen Ecken und Enden hakte, wurde allmählich ein funktionierendes Team. »Gut, Männ…, gut, Leute. Und damit wir den anderen bald haben, machen wir uns alle wieder an die Arbeit. Wenn’s was Neues gibt, halten wir uns gegenseitig auf dem Laufenden, ja?«
Alle standen auf und verließen den Raum. Kluftinger holte sich noch einen Kaffee in der kleinen Küche, setzte sich an seinen Schreibtisch und wählte Georg Böhms Memminger Büronummer. Sofort stellte ihn die Sekretärin zum Gerichtsmediziner durch. »Georg, servus.«
»Hast schon wieder Sehnsucht nach mir?«
»Du, ich weiß, es ist noch nicht viel Zeit vergangen, aber ich wollt dir sagen, dass Willis Leute ein zweites Projektil in einem Baumstamm am Flussufer gegenüber gefunden haben. Und man hat auch gestern Abend zwei Schüsse in Hegge gehört, nicht nur einen. Die These, dass es keine Selbsttötung war, hat also durchaus Berechtigung. Wenn du ganz genau auf die Schmauchspuren und vielleicht auch auf den Schusswinkel schaust, wär’s gut.«
»Schön, dass du mich noch mal drauf hinweist, dass ich exakt arbeiten soll.«
»Nein, Georg, so mein ich das nicht, aber …«
»Schon klar, du willst, dass ich die Beweise liefere, dass sich Hagen nicht selber erschossen haben kann.«
»Kurz gesagt: ja.«
»Ich schau natürlich, was ich machen kann, aber sag mal, wieso kommst nicht einfach vorbei? Ich hab ihn gleich auf dem Tisch und fänd’s ganz schön, wenn einer von euch mal wieder dabei wär. Kannst mir also helfen, seine Finger auf alle Schmauchspuren durchzufieseln und den Eintrittskanal am Kopf schön zu vermessen und zu dokumentieren, oder?«
»Du, Georg, ich mein … also … normalerweise natürlich gern, aber grad heut geht’s wahnsinnig schlecht.«
Böhm machte eine kurze Pause, bevor er seufzend sagte: »Ja, gut, wenn das so ist, dann zieh ich meine Wasserleiche aus dem Wehr halt vor, und wir machen den Hagen gemütlich morgen zusammen, okay? Acht? Halb neun? Was passt dir am besten?«
Kluftinger schluckte. Fieberhaft überlegte er.
»Klufti? Hallo? Bist noch dran?«
»Ich … ja, klar. Ich schau bloß grad in den Kalender. Au, da seh ich: ganz schlecht. Ich bin ja auch noch Interims-Präsident, momentan. Da hab ich natürlich ganz viele so … Präsidialsachen zu machen. Und blöderweise ist ausgerechnet morgen früh eine davon.«
»Wow, da muss ich ja bald Sie zu dir sagen! Oder dich gleich im Pluralis Majestatis anreden. Aber okay, kein Problem, machen wir’s morgen Nachmittag. Ich kann mir meine Zeit schon vertreiben bis dahin. Kommt sicher tagesaktuell noch was Schönes rein.« Böhm lachte kehlig auf.
Kluftinger wusste genau, welches Spiel er mit ihm trieb. »Vormittag und Nachmittag sind morgen präsidial verplant. Tut mir leid. Aber ich schick dir den Maier vorbei, wenn du willst.«
»Du … dann würd ich’s vielleicht doch allein machen«, klang Böhm nun schon etwas weniger forsch. »Brauchst das Ergebnis ja sicher schnell.«
Na also, Kluftinger würde ihn einfach mit seinen eigenen Waffen schlagen. Und beschloss, gleich noch ein wenig nachzulegen: »Ehrlich jetzt, Georg. Er freut sich, der Richie. Und einen Maier in Ehren kann niemand verwehren.«
»Wir machen’s so: Ihr geht eurer Arbeit nach, ich komm allein klar, war ja schließlich vor Ort und weiß, worauf’s ankommt. Ich meld mich bei dir, wenn ich was find. Fang gleich an jetzt. Servus!«
Noch bevor Kluftinger etwas erwidern konnte, hatte Böhm das Gespräch beendet. Der Kommissar grinste, dann lehnte er sich in seinem Bürostuhl zurück, legte die Füße auf die Tischplatte und schloss die Augen. So konnte er am besten nachdenken. Ob ihre Hypothese tatsächlich zutreffen sollte? War Paul Hagen der Mörder von Karin Kruse? Und jener Schüler, der ein fatales intimes Verhältnis mit ihr angefangen hatte? Eine »verbotene Liebe«? Und warum hatte alles geendet? Was waren seine Motive? Eifersucht auf Mendler, den verheirateten Liebhaber der Lehrerin? Hatte es einen Streit gegeben zwischen Karin und Paul, der eskaliert war und mit dem Tod der jungen Frau geendet hatte? Andererseits: War der Teenager von den Fotos, dieser dürre, blasse Jüngling mit dem Oberlippenflaum und der Behinderung wirklich der Typ für eine Liebschaft mit der Klassenlehrerin? Wohl kaum. Aber was sagte das schon? Wie hatte ihn Lederer in ihrem Gespräch genannt? Ein Schwächling, der die Mutterinstinkte bei den Frauen weckte, oder so ähnlich. Damit hatte er auf Paul Hagens Gehbehinderung angespielt. Doch wäre er durch diese Behinderung überhaupt in der Lage gewesen, die Tat so auszuführen, die tote Frau ans Kreuz zu binden und in Brand zu stecken? »Sicher nicht allein«, sagte er laut.
»Was is los?«
Kluftinger riss die Augen auf. Vor Schreck wäre er um ein Haar vom Stuhl gekippt. In der Tür stand Luzia Beer.
»Sorry, Chef, aber ich hab geklopft, und Sie haben nicht reagiert, drum bin ich reingekommen. Alles okay?«
»Ja, alles klar. Ich war bloß in Gedanken.« Mittlerweile hatte er sich wieder gefangen und streckte die Beine wieder unter den Tisch. »Was gibt’s?«
»Nur wegen der Nummer und Adresse von Gernot Jansen.«
»Ja?«
Sie seufzte. »Die wollten Sie.«
»Ach ja, freilich. Was macht denn der Mann so?«
»Ist so’n Obermacker bei der Bundeswehr, ich habe auch seine Dienstnummer. Da müssten Sie ihn jetzt erreichen. Er wohnt in Hamburg und ist da auch stationiert.« Sie reichte ihm einen gelben Klebezettel.
»Prima, danke, Lucy. Ich meld mich da«, sagte er, und die Kollegin verschwand so lautlos, wie sie gekommen war.
»Sie rufen aufgrund des Todes meines Jugendfreundes Paul Hagen an, nehme ich an?«, fragte Gernot Jansen sofort, nachdem Kluftinger sich vorgestellt hatte.
Der Kommissar war baff. »Woher wissen Sie denn, dass …«
»Hubert Lederer hat mich informiert. Tragische Sache das. Lederer sagte, Sie hätten heute bereits eine Unterredung mit ihm gehabt?«
Man merkte dem Mann, der lupenreines Hochdeutsch sprach, nicht nur an, dass er aus Norddeutschland stammte und schon lange dort lebte, sondern an seinem unbeirrbaren Ton und seiner zackig-schnellen Aussprache auch, dass er Bundeswehroffizier war. »Stimmt. Mit Lederer und einem anderen Herrn, den Sie vielleicht kennen dürften: Klaus Kreutzer.«
»Ach, Klausi, der alte Schwerenöter. Gibt’s den auch noch? Lederer hat erwähnt, dass Sie ihn schon einmal gesprochen haben, weil es neue Ermittlungen im Fall der toten Lehrerin gibt? Das ist aber doch Jahrzehnte her, wie kann es da noch Neues geben? Und vor allem: Wie könnten Ihnen ausgerechnet ein paar ehemalige Neuntklässler helfen? Verstehe ich nicht, aber nun ja …«
Kluftinger schüttelte den Kopf. Er hatte das Gefühl, der Befragte zu sein. Das würde er schleunigst ändern. »Herr Jansen«, sagte er und verzichtete bewusst auf dessen Dienstgrad, irgendetwas mit Oberst, was er allerdings auch schon nicht mehr fehlerfrei hinbekommen hätte, »bevor ich Ihnen ein paar Antworten geben kann, stellen sich für mich einige Fragen, die wir vorab klären müssten. Sind Sie dazu am Telefon bereit?«
»Habe ich denn die Wahl?«
»Sie können auch herkommen. Mit dem Zug hat’s das in ein paar Stündchen.«
»Ich … nein, ich kann es mir telefonisch durchaus einrichten, ja.«
»Gut, dann erzählen Sie doch zuerst mal ein wenig von Ihrer Schulzeit in Altusried.«
»Ich bin 1982 zugezogen, nachdem mein Vater in die damalige Prinz-Franz-Kaserne in Kempten versetzt worden war. Auch er war in Diensten der Bundeswehr. Ebenfalls Offiziersrang, weswegen wir viel umziehen mussten. Wir fanden ein Haus zur Miete im nahe gelegenen Altusried, daher ging ich dort zur Schule. Ich war ein Spätstarter, habe erst eine Ausbildung zum Elektriker absolviert, dann meinen Wehrdienst geleistet. All meine weitere Ausbildung, mein Studium, ja meinen Werdegang und meine gesellschaftliche Stellung verdanke ich gänzlich den deutschen Streitkräften.«
Gernot Jansen antwortete in einer Geschwindigkeit und Stringenz, die Kluftinger tatsächlich Respekt abrang. »Haben Sie denn Ihre Ausbildung im Allgäu gemacht?«
»Nein, Gott bewahre.«
Der Kommissar verkniff sich nachzufragen, was er damit sagen wollte.
»Vater ist bereits im Mai 1985 weiter nach Bückeburg versetzt worden.«
»Soso.«
»Das ist in Niedersachsen, Grenze zu NRW. Große Jägerkaserne damals, wichtiger strategischer Standort. Dort habe ich schließlich auch meine Grundausbildung absolvieren dürfen.«
»Haben Sie denn schnell Fuß gefasst, als Sie Anfang der Achtziger als Bub nach Altusried gekommen sind?«
Jansen lachte kurz auf. »Ist das eine ernst gemeinte Frage? Ich bin viel rumgekommen, als Kind und dann auch als Soldat. Aber ich weiß nicht, ob es irgendwo anders schwieriger war als bei Ihnen dort unten im Allgäu. Mal abgesehen von Afghanistan und dem Kongo. Da war ich bei Auslandsmissionen.«
Kluftinger wartete, bis er weitersprach. Über das Bonmot des Soldaten zu lachen, hatte er jedenfalls nicht vor.
»Spaß beiseite: Ich war es gewohnt, der Neue zu sein, der andere – und somit auch der, der irgendwann wieder weiterziehen würde. Soldatenkind eben. Nun ja, mir hat es sicher nicht geschadet. Gelobt sei, was hart macht, und was nicht direkt zum Tode führt, dient der Abhärtung, nicht wahr?«
»Hm, wenn Sie meinen«, murmelte Kluftinger. Klassische Soldatensprüche, die er vor allem aus dem Munde seines meistgehassten Sportlehrers kannte – eines Typen, der Drill als oberstes Erziehungsziel postulierte, Schüler mit seinem Schlüsselbund bewarf und neben den Unsportlichen beim Dauerlauf herlief, während er ihnen Nettigkeiten wie »Weichei!« oder »Nur Tote scheiden aus, Schwabbel!« ins Ohr brüllte.
Jansen fuhr fort: »Hubert Lederer stand mir einmal bei, als ich noch ziemlich neu war im Dorf. Er hat mich vor ordentlich Prügeln bewahrt. So bin ich in den Freundeskreis gekommen, mit den anderen, die Sie ja bereits kennen. Aber jetzt wollen Sie sicher wissen, wo ich gestern Abend war, nicht wahr?«
»Wieso sollte ich das?«
»Na, weil Sie Lederer ja auch danach gefragt haben, wie er mir berichtet hat. Warum also nicht auch mich?«
»Hm, Herr Jansen, schau mer mal. Zuerst würde mich auf jeden Fall noch was anderes interessieren, nämlich ob Sie sich an die Tat damals noch erinnern können. An die Ermordung Ihrer Klassenlehrerin am Funkensonntag 1985.«
Kluftinger hörte, wie Jansen am anderen Ende der Leitung tief Luft holte.
»Sicher kann ich mich erinnern, wie es war, als das alles bekannt wurde. Das war ein Schock. Wir waren fast alle erst fünfzehn. Da setzt einem so was natürlich zu. Aber das war nichts im Vergleich zu dem, was ich dann auf so mancher Auslandsmission erlebt habe, seien Sie sich dessen gewiss.«
»Das bin ich, Herr Jansen.«
»Nun, und dann sind wir ja, wie gesagt, auch noch im selben Jahr weitergezogen nach NRW. Viel habe ich danach eigentlich gar nicht mehr mitbekommen. Sicher, eine Weile hielt sich der Kontakt mit den anderen Jungs noch, wir haben geschrieben, mal telefoniert, aber letztlich schlief das alles ein. Ich musste schon zweimal nachfragen, als mich Lederer antelefoniert hat. Hätte nicht gedacht, dass ich von dem in meinem Leben noch mal was höre.«
»Woher hatte er denn überhaupt Ihre Nummer? Mir hat er gesagt, Sie hätten keinen Kontakt mehr.«
»Das ist nicht allzu schwierig, ich habe nichts zu verbergen, stehe samt Beruf im Telefonbuch, und meine Frau hat die Order, meine Dienstnummer herauszugeben. Offenheit und Transparenz sind nicht nur beruflich wichtig für mich, sondern auch privat. Alles sofort erledigen, das ist am einfachsten und zeitsparendsten.«
»Verstehe.«
»Nun also zum fraglichen Abend: Ich war seit gestern Morgen um sechs bis heute Morgen um acht Uhr auf einem Überlebenslehrgang im Wasser der Elbe. Die Rettungsschwimmerstaffel veranstaltet immer wieder derartige Challenges, vor allem und ganz bewusst für Führungskader. Damit wir nicht einrosten, in unseren weichen Bürosesseln, wissen Sie?«
Wieder brummte Kluftinger ein ziemlich desinteressiertes »Mhm«.
»Aber darf ich wissen, weshalb Sie uns nach unseren Alibis fragen, wo sich Paul Hagen doch selbst getötet hat, wie Lederer sagte? Wo steckt da der Sinn?«
»Den Sinn müssten Sie schon mir überlassen, Herr Jansen. Und streng genommen hab ich das auch gar nicht.«
»Was, bitte?«
»Sie nach einem Alibi gefragt.«
»Wie? Ich habe Ihnen doch eben dargelegt, dass ich beim Vier-Stunden-Lehrgang der Kampfschwimmer war.«
»Eben. Sie haben es mir dargelegt. Aber ohne dass ich Sie gefragt hätte.«
»Na, jetzt wollen wir mal nicht spitzfindig werden, wie? Bestimmt hätten Sie es mich noch gefragt …«
»Ja? Da bin ich mir nicht so sicher …«, gab sich der Kommissar unbeeindruckt, notierte sich die Angabe dennoch auf seinem Notizblock. Vielleicht würde er sie noch überprüfen lassen. »Aber wenn wir schon gerade bei Alibis sind, hätt ich da mal eine Frage …« Erst im Verlauf des Telefonats war dem Kommissar die Idee gekommen, nachzuhaken, wo der Soldat denn am Tag des Überfalls auf ihn im Wald oberhalb von Altusried gewesen war. Schließlich hatten sie bislang maximal einen der beiden Täter gefunden. Zum ersten Mal im Laufe des Telefonats kam Jansens Antwort nicht wie aus der Pistole geschossen. Dennoch versprach er, im Kalender nachzusehen und sich dann bei Kluftinger zu melden.
»Gut, dann lass ich Sie mal weiter … befehlen«, wollte sich Kluftinger eben verabschieden, da fragte Gernot Jansen: »Eins noch: Wie hat er sich denn getötet?«
»Wie und wer Ihren Freund umgebracht hat, das würden Sie dann gegebenenfalls aus der Presse erfahren, über laufende Ermittlungen darf ich aus taktischen und außerdem aus Datenschutzgründen keine Angaben machen.«
»Also, da kann ich Sie beruhigen, als Soldat unterliege auch ich der Schweigepflicht.«
»Das mag schon sein, Herr Jansen, aber das hebt meine nicht auf.«
»Sicher. Sagen Sie – das dürfen Sie mir ja sagen –, stimmt es tatsächlich, dass Paul Anwalt war?«
»Ja. Warum?«
»Nun, ich finde das respektabel. Wir waren alle in der Hauptschule. Wobei er auch immer schon der Überflieger war. Und damit das Schätzlein, der Günstling der Lehrer. Und Lehrerinnen.«
»Sie meinen … auch bei Frau Kruse?«
Jansen seufzte tief. »Schwer zu sagen, heute. Noch dazu bei … den gegebenen Umständen. Aber ja, alles, was er machte, war gut. Unser Musterschüler Paul Hagen.«
»Meinen Sie, er hat sich körperlich zu ihr hingezogen gefühlt?«
»Kann sein. Er hatte damals diese Probleme mit dem Bein – was es ihm nicht einfach machte bei gleichaltrigen Mädchen. Vielleicht hatte die weit ältere Lehrerin da schon einen anderen Blick auf ihn. Und vielleicht weckte er den Muttertrieb in ihr.«
»Vielleicht«, wiederholte Kluftinger und kratzte sich am Kopf. Lederer hatte dasselbe gesagt.
»Huberts Mutmaßung ist … nun ja, ich will nicht als Waschweib dastehen, aber … möglicherweise hat sich Hagen selbst gerichtet, weil er die Schuld, mit der er all die Jahre gelebt hat, nicht mehr aushielt? Weil die Last ihn erdrückte?« Jansens Stimme hatte auf einmal einen anderen Klang. Weicher, empathischer. Kluftinger schwieg dennoch.
»Sehen Sie das auch so, Herr Hauptkommissar?«
»Ich sehe im Moment gar nichts, Herr Jansen. Ich muss mich auf Fakten verlassen, nicht auf Mutmaßungen und Gefühle.«
»Sicher, Fakten, Fakten, Fakten. Ganz mein Reden. Mit Gefühlen wurde noch keine Schlacht gewonnen.« Jetzt war er wieder ganz der Soldat von vorher.
»Das war’s für heut, Herr Jansen. Sie denken an die Sache wegen dem Alibi und melden sich, gell? Und ich werde auf jeden Fall wieder auf Sie zukommen, verlassen Sie sich drauf.«
»Sicher, stets zu Diensten, wenn nötig und mit dem Dienstplan vereinbar. Schönen Tag noch«, schnarrte Jansen und beendete das Gespräch.
Kaum hatte Kluftinger aufgelegt, klingelte das Telefon schon wieder. Eine Münchner Nummer. Wen kannte er denn in München? Er schlug sich gegen die Stirn. Natürlich … »Herr Lodenbacher, so eine Freude«, heuchelte er.
»Kluftinga!«, antwortete der nur. Das verhieß nichts Gutes. »So geht des fei ned.«
»Was denn, Herr …«
»I bin ned Ihre präsidiale Rufumleitung!«
»Präsi…was?«
»Hean S’, so kemma des ois ned moch’n!«
Wieder einmal verfiel sein ehemaliger Vorgesetzter in starken Dialekt. Er musste ziemlich aufgebracht sein. Kluftinger beschloss, dem demonstrative Ruhe entgegenzusetzen: »Was denn, lieber Herr Lodenbacher?«
»Die Soch, mit den präsidialen Aufgaben. I helf Eahna ja gern, und für mei Rede neulich krieg ich allweil no ein dankbares Feedback, aber Sie können au ned ois auf mi abwälzen, sonst kann i ja glei wieder zruckkemman.«
Um Gottes willen, dachte der Kommissar. Allerdings wusste er genau, was Lodenbacher meinte. Er hatte Sandy angewiesen, alles, was in Verbindung mit seinem Interimsposten zusammenhing und nach Arbeit aussah, kommentarlos an den Regierungsrat weiterzuleiten.
»Meinen S’, i hab hier gar nix anderes zum tun?«, schimpfte der Niederbayer.
Genau das meinte Kluftinger, sagte es aber natürlich nicht. »Nein, aber ich hab gedacht, ich kann von Ihnen ja nur lernen, wenn ich …«
»Papperlapapp, jetzt lassen S’ amoi des Süßholzraspeln, i bin schon verheiratet.«
Priml. Musste er sich wohl eine andere Taktik überlegen.
»Also«, fuhr sein ehemaliger Chef fort, »aktuell muss der Präsident, in dem Fall Sie, dieses Grußwort verfassen. Und wenn ich des richtig seh … Moment … ja, genau, des muss heut no raus. Da setzen S’ sich besser glei hin. Und bittschön, Kluftinga: Denken S’ dran, dass des Ganze genderneutral verfasst sei muss. Sonst kemman mir in Teufels Küche, ned?«
»Klar, kein Problem.«
»Da hab i was anderes g’hört.«
»Hm?«
»Was war’n da gestern los?«
Der Kommissar wusste genau, worauf Lodenbacher anspielte. Allein beim Gedanken an seine Blamage bekam er wieder einen roten Kopf. »Gestern? Ich weiß jetzt nicht, was Sie meinen.«
»Sie ham doch gestern bei der Amtseinführung von Eahna neuen Gleichstellungsbeauftragten g’red, n?«
»Ach, das. Ja, da … war ich.«
»Mir is berichtet wor’n, dass Sie fünf Minuten ziemlich speziell zum Thema Regelarbeitszeit referiert hätt’n.«
»So lang war das?«
»Was ham Sie sich denn dabei gedacht, Kluftinga?«
Der Kommissar wusste es auch nicht so genau. Er war unvorbereitet zu dem Termin gegangen, weil er sich sicher gewesen war, dass ihm schon ein paar warme Worte einfallen würden. Als er dann vor Ort kurz die Einladung überflogen und darin die Begriffe Regelarbeitszeit und Gleichstellungsbeauftragte gelesen hatte, hatte er eins und eins zusammengezählt und drauflosimprovisiert. Wie wichtig es sei, während dieser besonderen Tage auf die Frauen Rücksicht zu nehmen, dass die Geschichte der Menstruation eine Geschichte voller Missverständnisse sei – ein Satz, auf den er besonders stolz war, auch wenn er ihn aus einer Fernsehwerbung geklaut hatte – und dass er ja selbst verheiratet sei und wisse, dass eine Frau während dieser Zeit eben anders ticke als sonst. Als er daraufhin in versteinerte Mienen geblickt hatte, war ihm klar geworden, dass er in der Eile wohl eine falsche Analogie gezogen hatte. Was danach kam, wusste er nicht mehr genau, es verschwamm vor seinem geistigen Auge, nur Bruchstücke konnte er noch rekonstruieren: wie er versucht hatte, es als Witz erscheinen zu lassen, was die ganze Sache nur noch verschlimmert hatte, wie er Geschichten von seiner ehemaligen Chefin zum Besten gab, die aber nun vorübergehend ihm, einem Mann, weichen musste, wie er irgendwann einfach nur noch herumgestammelt und schließlich einen Anruf mit einem Notfall vorgetäuscht hatte, um sich sofort hastig zu verabschieden.
»Wissen S’, des is nimma so wie früher. Jetzt dürfen die überall mitreden. Da muss ma aufpassen! Bald brauch’ma an Gleichstellungsbeauftragt’n für uns Männer, ned?«, schwadronierte Lodenbacher und schien darüber sein eigentliches Ansinnen, den Rüffel an Kluftinger, glatt zu vergessen.
Kraftlos dankte der Kommissar seinem Gesprächspartner und beendete das Telefonat. Dann suchte er die Mail heraus, von der Lodenbacher gesprochen hatte. Editorial zum Streiflicht Iller stand in der Betreffzeile. Dem Text entnahm er, dass er ein paar Worte für die Weihnachtsausgabe dieses Mitarbeitermagazins schreiben sollte. Für das neueste Heft waren verschiedenste Themen geplant, etwa die Verabschiedung des leitenden Kriminaldirektors Müller in den Ruhestand, eine Bilanz der Einsätze des vergangenen Jahres und die Instagram-Pläne des Dienstbereichs. Schrecklich langweiliges Zeug also. Kluftinger erinnerte sich nicht, das Vorwort des Druckerzeugnisses je gelesen zu haben – was sich nun rächte.
Immerhin mussten irgendwo noch ein paar Exemplare von Magazinen aus benachbarten Präsidien herumliegen, die ihnen von dort zugeschickt wurden. Vielleicht konnte er sich da Hilfe holen, ohne gleich unter Plagiatsverdacht zu geraten. Er legte sich die Hefte zurecht und dachte nach. Was hatte Lodenbacher gesagt? Genderneutral solle er das Ganze formulieren. Er googelte den Begriff und erfuhr, dass es inzwischen nicht einmal mehr reichte, Männer und Frauen anzusprechen, es galt nun auch noch auf das dritte Geschlecht Rücksicht zu nehmen.
Also suchte er die alten Zeitschriften durch und fand tatsächlich eine Weihnachtsausgabe des Neu-Ulmer Präsidiums. Endlich einmal schien sich seine Nachlässigkeit beim Aufräumen auszuzahlen. Der dortige Präsident, ein gewisser W. Strößner, hatte in seinem Vorwort die Aufgabe bereits erfüllt, die ihm nun bevorstand. Warum das Rad also neu erfinden, dachte sich der Kommissar und begann den Text einfach abzutippen. Das heißt: Er musste das Ganze natürlich noch den aktuellen Anforderungen an die geschlechtliche Neutralität anpassen, was Herrn Strößner offenbar nicht so sehr interessiert hatte. Aber 2018 war eben noch eine andere Zeit gewesen.
Kluftinger begann also.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Er strich das aber sofort und schrieb stattdessen:
Liebe Kollegen,
Auch das löschte er wieder und schrieb dann:
Liebe diverse Kollegen (womit jetzt nicht verschiedene Kollegen gemeint sind {also schon verschiedene, aber im Sinne von alle [auch die Diversen]}), der diesjährige Präsidentenbrief trägt das Zitat: »Ich werde Weihnachten in meinem Herzen ehren und versuchen, es das ganze Jahr hindurch aufzuheben«.
Besser hätt ich auch nicht anfangen können, dachte sich der Kommissar und war besonders stolz auf seine Verwendung der verschiedenen Klammern, an die er sich noch aus dem Mathematikunterricht erinnerte, auch wenn er nicht mehr genau wusste, ob die eckige der geschweiften untergeordnet war oder umgekehrt.
Das Zitat stammt von dem Autor Charles Dickens.
Er überlegte kurz, dann fuhr er fort:
Sicher hätte es eine Autorin genauso gut sagen können, aber eine Charlotte Dickens ist mir nicht bekannt. Und Diverse waren damals noch nicht erfunden. Obwohl es sicher auch diverse andere Autoren gab, das ist klar. Das Buch jedenfalls handelt von einem gefühlskalten Geschäftsmann
Kluftinger löschte das letzte Wort und schrieb:
einer Geschäfte machenden Frau bzw. einem Mann bzw.
Er korrigierte sich:
Handel treibenden Menschinnen und Menschen (m / w / d)
Er machte auch das rückgängig und tippte:
Es handelt von allen Geschöpfen, für die Heiligabend eher ein Ärgernis ist.
Nun stand in dem Heft: Wenn der Weihnachtsmann kommt, ist das für die meisten Menschen das wichtigste und schönste Fest des Jahres. Kluftinger überlegte eine Weile, dann hellte sich seine Miene auf, und er formulierte:
Wenn der Nikolaus und das Christkind kommen und zusätzlich die Frau Holle, der Knecht Ruprecht, der ja mit dem Nikolaus zusammenlebt, und dann auch noch die kleinwüchsigen Wichtel, dann ist das für die meisten Menschen sicher das schönste Fest des Jahres. Dass wir dieses Fest beruhigt begehen können, weil es sich laut Kriminalstatistik fast nirgends sicherer wohnen lässt als in unserem Schutzbereich, dazu tragen Sie durch Ihren Dienst am Menschen – also an allen Menschen, nicht nur den männlichen – bei. Sie sind Mitglied …
Kluftinger hielt inne. War das Wort unbedenklich? Aber was hätte er sonst sagen sollen? Nein, das war ihm zu heikel.
Sie sind Teil einer außergewöhnlichen Mannschaft …
»Zefix!«, schimpfte er laut. Überall lauerten Fallstricke.
Sie sind Teil einer außergewöhnlichen Truppe, danke dafür.
Da fiel ihm eine Begebenheit ein, mit der er dem Brief gerne eine persönliche Note verleihen würde.
Neulich wurde mir der Wert der Polizei für unsere Gesellschaft auf besondere Weise bewusst. Ich war in Frauenzell …
Verzweifelt blickte Kluftinger auf den blinkenden Cursor. Sollte er die Anekdote einfach in eine andere Ortschaft verlegen? Aber die Kollegen, die dabei gewesen waren, würden sich fragen, warum er hier falsche Angaben machte. Er zermarterte sich das Hirn, löschte dann den letzten Absatz und schrieb:
Frohes Fest, auch all Ihren Partnerinnen, Partnern (m) und Partnern (d), Ihren Kindern (m / w / d) und sonstigen Familienangehörigen*innen
Ihr Interims-Polizeipräsident A. I. Kluftinger
Einigermaßen beschwingt warf Kluftinger die alten Magazine in den Papierkorb. Eigentlich war so eine Präsidentschaft gar nicht so schwer: ein paar salbungsvolle Worte hier, ein bisschen Verbreiten natürlicher Autorität dort, der Rest kam mit der Würde, die dieses Amt von sich aus verlieh. Ein bisschen wie beim Papst, der mit dem Tag seiner Wahl auch schlagartig unfehlbar wurde.
Das Telefon klingelte erneut. Diesmal erkannte Kluftinger die Nummer sofort: Sie gehörte Georg Böhm, dem Gerichtsmediziner. Grinsend nahm der Kommissar den Hörer ab: »Hier spricht Seine Majestät, der Polizeipräsident. Wer stört?«
Am anderen Ende der Leitung blieb es ein paar Sekunden still, dann tönte ein kehliges Lachen durch den Hörer. »Klufti, du bist der Beste. Erst treten wegen dir sämtliche Polizistinnen in den Hungerstreik, und dann machst du einen auf Gesalbter.«
Mist, hatte sich die Sache mittlerweile also schon bis nach Memmingen herumgesprochen.
»Höret zu, Ihro Gnaden, Ignaz der Gefürchtete, Schlächter der Emanzen: Ich rufe in dienstlichen Belangen an, leihet mir kurz Eurer hochherrschaftliches Ohr.«
»Ha, sehr gut, Georg, kannst du das bitte aufschreiben, damit ich das meinen Untertanen hier geben kann? Die lassen den nötigen Respekt bisher noch vermissen.«
»Selbstredend, Euer Hochstaplichkeit. Aber jetzt pass auf: Ich kann deine These, was den Selbstmord von diesem Paul Hagen angeht, zu … ich würde mal sagen, achtzig Prozent bestätigen.«
Kluftinger setzte sich kerzengerade hin. »Ach ja?«
»Ja, ich hab mir den Schusskanal angeschaut: Die Kugel ist von schräg hinter dem linken Ohr durch das Hinterhauptsbein eingetreten, hat den Okzipitallappen durchschlagen, bevor sie am rechten Stirnbein wieder ausgetreten ist.«
»Aha.«
»Ich entnehme deiner Reaktion, dass Ihro Unwissenheit noch nähere Erklärungen benötigen?«
»Das wär sehr nett.«
»Gut. Was zum einen gegen die Selbstmordthese spricht, ist, dass die Pistole links angesetzt wurde, obwohl er laut Schmauchspuren mit der rechten Hand geschossen hat. Das hätte ziemliche Verrenkungen erfordert. Dann verläuft der Schusskanal auch leicht abschüssig, was anatomisch zusätzlich schwierig gewesen wäre. Nicht unmöglich, aber, nun ja: kompliziert und unsinnig. Deswegen würde ich sagen: Zu mindestens achtzig Prozent hast du recht. Vielleicht auch mehr.«
»Alles klar, Georg, das reicht mir.« Kluftinger war zufrieden. Für ihn ließen die Ausführungen nur einen Schluss zu: Paul Hagen war ermordet worden. Auch die Antwort auf die Frage, von wem, lag für den Kommissar auf der Hand: Es musste der zweite Mann aus dem Wald gewesen sein. Denn wahrscheinlich hatte der, und nicht Hagen, Kluftingers Dienstwaffe all die Zeit in seinem Besitz gehabt. Vielleicht war es ja doch nicht Hagen, der etwas mit der Lehrerin gehabt hatte, sondern dieser Zweite, der Schattenmann, von dem Kluftinger nicht mehr als ein verschwommenes Bild in Erinnerung hatte. Vielleicht hatte der auch Karin Kruse getötet. Oder Hagen und der andere zusammen?
Plötzlich wurde dem Kommissar klar, dass Georg Böhm noch immer am Telefon war. »Ist noch was?«, fragte er.
»Nein, ich warte nur.«
»Worauf denn?«
»Dass Ihro Unsäglichkeit die Audienz beenden.«
»Depp.«
»Das Kompliment kann ich zurückgeben. Servus.«