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E
in Rachefeldzug? Verfluchter Mist! Ich kenne die anderen Agents nicht, aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass Kendra das Ziel gewesen ist. Immerhin leitet sie die Einheit und die Frau scheint regelrecht dem nächsten Schuss Adrenalin hinterherzuhecheln. Nicht zu reden von ihrer Kaltschnäuzigkeit. Die Aktion vor zwei Jahren war auch auf eine Fehlentscheidung ihrerseits hin dermaßen aus dem Ruder gelaufen. Der einzige Grund, dass es unter den Tisch gekehrt wurde, war, dass ihre Kollegen zwei der gesuchten Waffenschieber festnehmen konnten – während Kendra blutend am Boden lag, weil ihr die verdammte Lagerhalle um die Ohren geflogen ist.« Ich plappere und plappere. Bin ich denn total irre? »Scheiße! Das sind Interna«, murre ich.
William wirft mir einen nüchternen Blick zu, bevor er an der nächsten Kreuzung links abbiegt. »Bleib locker. Nichts von dem, was du mir erzählst, gelangt auch nur in die Nähe des Chronicle.«
Ich bin ein Idiot, wie er im Buche steht. »Entschuldige, ich wollte nicht …«
»Alles gut. Das ist eine völlig normale Reaktion auf meinen Job. Ich bin das gewohnt.«
Plötzlich liegt meine Hand auf seinem Knie. Seit wann bin
ich so auf Körperkontakt aus? Aber William hat etwas an sich, das mich ständig drängt, ihn berühren zu wollen. Wie es scheint, hat er allerdings kein Problem damit. Davon abgesehen, dass er selbst fortwährend auf Tuchfühlung geht. Ein Umstand, der mir ungemein gefällt. Wenn wir uns doch nur an einem anderen Ort befänden, vorzugsweise allein.
Gute Güte, was denke ich da nur? Wir sind auf dem Weg zu meiner Tochter. T. O. C. H. T. E. R. Himmelherrgott, ich werde es vergeigen, ich weiß es einfach. Nicht nur bei Audrey, sondern auch bei William. Ich bin auf dem besten Weg dahin, wenn ich nicht langsam die Kurve kriege. »Nein, das war falsch«, gehe ich auf seinen lakonischen Kommentar ein. »Ich vertraue dir, obwohl das verrückt ist, da wir uns erst ein paar Tage kennen. Also bitte entschuldige.«
Ein ergebenes Seufzen. »Okay, wenn es dir dann besser geht. Entschuldigung angenommen. Aber zurück zu Kendra, glaubst du, sie hat mit den Typen mehr als nur ermittlungstechnisch zu tun?« Er schüttelt unwillkürlich den Kopf. »Vergiss die Frage. Es wurden bereits Cops am helllichten Tag und mitten auf der Straße abgeknallt, die irgendetwas Wichtigem auf der Spur waren und es nicht einmal wussten.«
»Na ja, ich drück’s mal so aus, Kendra ist hartnäckig und geht notfalls über Leichen, wie der Fall vor zwei Jahren beweist. Allerdings traue ich ihr nicht zu, dass sie gemeinsame Sache mit irgendwelchen zwielichtigen Gestalten machen würde. Andererseits kann ich mir gut vorstellen, dass sie im Laufe der Zeit dem einen oder anderen so richtig auf die Eier gegangen ist.« In den vergangenen Monaten stand ich selbst einige Male kurz davor, ihr eins über den Schädel zu ziehen. Metaphorisch, versteht sich. Als ich so darüber nachsinne, wird mir klar, was es bedeutet, sollte Kendra tatsächlich bei
irgendjemandem auf der Abschussliste stehen.
»Blöde Frage«, hakt William ein. »Wenn deine Leute davon ausgehen, dass es sich hierbei um eine persönliche Angelegenheit handelt, wie gefährdet sind dann Audrey und Brody?«
»Genau das Gleiche ging mir auch eben durch den Kopf.« Ich deute auf die Straße. »Du fährst. Ich telefoniere.«
Kurz darauf habe ich Bennett in der Leitung. »Agent Vega? Geduld ist wirklich nicht Ihre Stärke, hm?« Verständlich, dass er das sagt. Immerhin liegt unser letztes Gespräch gerade mal einen Tag zurück. Mir kommt es viel länger vor. Unglaublich, was innerhalb weniger Stunden alles passiert ist.
»Ich rufe nicht wegen Dunbar an. Ich benötige Ihre Unterstützung in einer anderen Angelegenheit. Es geht um den heutigen Vorfall in Seattle.«
»Die Sache mit den Waffenhändlern? Was haben Sie damit zu schaffen?«
»Wie ich erfahren habe, hat es womöglich jemand auf Agent Wolders abgesehen. Wenn dem so ist, wäre auch ihre Familie in Gefahr. Könnten Sie bitte Direktor Edwards anrufen und sich erkundigen, ob für Kendras Angehörigen Personenschutz angeordnet wurde? Ich würde es selbst tun, aber ich denke, es geht schneller, wenn Sie ihn fragen und ich mich nicht durch sämtliche Instanzen durchtelefonieren muss.«
»Wie bitte? Noch mal, was zum Geier haben Sie damit zu tun?«
»Das ist eine lange Geschichte und ich werde sie Ihnen erzählen, sobald ich zurück bin. Im Augenblick ist wichtig, dass sich jemand um Brody und Audrey kümmert. Sir, es ist wirklich dringend.«
»Vega, sagen Sie mir nicht, dass Sie in Seattle sind!« Bennett schnauft verzagt. »Edward wird Schaum vorm Mund haben,
wenn er das erfährt.«
»Doch, Sir, bin ich. Und mir liegt viel daran, dass Sie mir die Information beschaffen. Es könnte um Leben und Tod gehen. Und was Direktor Edwards Mund angeht … Ganz ehrlich, das ist mir im Moment so egal wie die Wasserstandsmeldung vom Lake Merced.«
»Das habe ich jetzt nicht gehört«, brummt Bennett, ehe er einlenkt. »Also gut. Ich melde mich gleich zurück.«
»Danke, Sir.«
»Jaja, aber Sie schulden mir was, Vega. Sie glauben gar nicht, wie tief ich nach dem nächsten Telefonat mit meinem Kopf im Dunkeln stecken werde.« Übersetzt: Er muss Edwards in den Arsch kriechen. Warum dieser Mann so ein Revierverhalten an den Tag legt, ist mir schleierhaft, im Moment jedoch nicht wirklich mein Problem.
Bennett legt auf und ich atme fürs Erste erleichtert aus, als mein Handy klingelt. Das kann nie und nimmer Bennett sein. Ich blicke aufs Display und mir wird schlagartig übel, als ich sehe, wer der Anrufer ist. »Vega hier.«
»Oh Gott sei Dank, Jeremy, du bist der Einzige, der mir eingefallen ist.« Brody klingt gehetzt.
»Was ist passiert? Wo ist Audrey?«
»Sie sitzt neben mir.«
Im Hintergrund sind Motorengeräusche zu hören. »Wo seid ihr?«
»Wir kommen gerade vom Einkaufen. Na ja, wir brauchten was zum Frühstück, wenn ihr bei uns übernachtet. Und …«
»Brody, ganz ruhig.« Er redet wie ein Wasserfall, scheint völlig neben sich zu stehen. »Bevor du mir sagst, was passiert ist, sagst du mir, wo ihr seid?« Ich muss ihn herrischer anpacken, da er sich sonst nicht auf das Wesentliche konzentriert. Das tut mir leid, doch es ist im Moment
womöglich überlebenswichtig.
»Wir sitzen im Auto. Ich bin einfach an unserem Haus vorbeigefahren.«
»In Ordnung. Wohin wollt ihr?«
»Keine Ahnung. Vielleicht habe ich auch überreagiert. Nur irgendwas stimmte nicht. Ich weiß nicht warum, aber schon als wir vom Krankenhaus wegfuhren, hatte ich das seltsame Gefühl, verfolgt zu werden. Das tat ich als Spinnerei meiner überempfindlichen Nerven ab. Dann kamen wir zu Hause an und die Grundstückstür stand einen Spalt offen. Das ist allerdings nicht möglich, da ich sie immer hinter mir abschließe und außer Kendra und Audrey niemand sonst einen Schlüssel besitzt. Keine Ahnung, ich war sofort in Panik.«
»Kannst du mir sagen, ob euch ein Auto folgt?«
»Soweit ich das beurteilen kann nicht.«
»Gut, ihr fahrt jetzt noch ein paar Minuten umher und sucht euch irgendwo ein ruhiges Plätzchen, wo ihr parken könnt, ohne aufzufallen, und bleibt im Wagen sitzen. Ich rufe euch gleich zurück.«
Ich höre, wie Brody geräuschvoll ausatmet. »Okay, machen wir.« Dann bricht die Verbindung ab. Er hat aufgelegt.
»Wie weit ist es noch?«, erkundige ich mich bei William.
»Keine zwei Minuten. Was ist denn los?«
»Brody meinte, er fühlte sich verfolgt und ihm wäre es spanisch vorgekommen, dass die Gartentür offen stand, obwohl er sie immer abschließt.«
»Glaubst du, sie sind bereits hinter ihnen her?«
»Das wäre möglich. Es könnten natürlich auch Cops gewesen sein, die versucht haben, nach ihnen zu sehen. Ich weiß es nicht. Wir werden es aber herausfinden.«
Erneut klingelt mein Telefon. Diesmal wird mir Bennetts Name angezeigt.
»Haben Sie was?«
»Edwards sagt, er hätte eine Streife vorbeigeschickt und eben die Rückmeldung erhalten, sie hätten niemanden angetroffen. Das müssen Idioten sein. Warum fahren die nicht zuerst ins Krankenhaus?«, schimpft Bennett.
Erleichtert flüstere ich: »Dann werden sie es gewesen sein.«
»Was meinen Sie?«
Ich erzähle Bennett, was mir Brody berichtet hat.
»Vega, wenn Sie in Seattle sind, können Sie genauso gut selbst dort vorbeifahren und nachsehen, ob alles in Ordnung ist.«
»Ich bin bereits auf dem Weg, Sir.«
»Aha. Auf jeden Fall hat Edwards sofort reagiert, als rauskam, dass Wolders das Ziel ist. Sie wird übrigens ebenfalls bewacht. Was man ihm vorwerfen könnte, wäre die Tatsache, keine Agents losgeschickt zu haben.«
»Dann steht es fest? Kendra sollte ausgeschaltet werden?«
»Das ist der aktuelle Stand der Dinge. Edwards reagierte sichtlich verwundert, als ich ihn diesbezüglich anrief und von Ihnen erzählte. Er wollte sofort wissen, was einer meiner Leute in seinem Revier zu tun hat, ohne dass er darüber in Kenntnis gesetzt wurde. Ich erklärte ihm, dass Sie heute früh nur als Privatperson rübergeflogen sind, um einer alten Freundin einen Krankenbesuch abzustatten.«
»Woher wissen Sie …«
»Das fragen Sie jetzt nicht wirklich, oder? Glauben Sie, ich hab den Job, weil ich zwei und zwei nicht zusammenzählen kann?«
»Sorry, Boss. Natürlich nicht.«
»Gut. Und noch etwas, ich habe Edwards unsere Zusammenarbeit angeboten, da Sie eh einmal vor Ort sind und im engen Kontakt zur Familie stehen.«
Die Übertreibung des Jahres, denke ich, sage aber keinen Ton.
»Wie dem auch sei. Ihr Urlaub ist hiermit gecancelt und Sie sind offiziell im Einsatz. So können wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Edwards ist einverstanden, dass Sie die Wolders in Ihre Obhut nehmen und alles Notwendige für ihre Sicherheit tun, und ich kann hier vor Ort eine plausible Erklärung für Ihre andauernde Abwesenheit liefern. Natürlich nur, wenn jemand
dumm fragen sollte. Und Vega …«
»Ja, Sir?«
»Zeigen Sie sich von Ihrer besten Seite. Ich will keine Klagen hören. Edwards ist immer ein wenig borniert, wenn es um seinen Vorgarten
geht. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Natürlich.«
»Gut, gut. Ach, und was die Sache mit Banks angeht, Fran scheint einen guten Draht zu ihm gefunden zu haben. Sie war heute Nachmittag mit einem Staatsanwalt bei ihm. Sie konnten einen Deal aushandeln. Jetzt muss nur noch Dunbar in die Falle gehen.«
»Das klingt vielversprechend.« Und ist mir im Moment so was von egal.
»Genau. Machen Sie da drüben Ihren Job und wir kümmern uns hier um alles. Bis dann, Vega.«
»In Ordnung, Sir.«
»Wir sind da«, setzt mich William in Kenntnis.
Kein Auto weit und breit. Wenn es Cops waren, sind sie wieder fort. Die Straße liegt ruhig vor uns. Ich war oft genug hier, um zu wissen, dass das für diese Gegend der Normalzustand ist. Selbst am Tage wirkt das Wohngebiet wie ausgestorben. Häuser, die den gut situierten Mittelstand repräsentieren, liegen hinter natürlich gewachsenen Grünanlagen. Geparkt wird nur auf den Grundstücken.
Weshalb es für mich immer recht schwierig war, ungesehen nach Audrey und Brody zu schauen. Nun ja, wie sich zeigt, war ich nicht sehr erfolgreich darin.
»Bevor ich Brody zurückrufe, sehe ich mich um. Bleib solange im Auto.«
William reißt entsetzt die Augen auf und deutet auf die halb offen stehende, gusseiserne Gartentür. »Du willst da allein rein? Du bist nicht mal bewaffnet, verdammt!«
Ich grinse William an und nicke in Richtung Kofferraum. »Glaubst du, ich würde das Haus ohne meine Glock verlassen? Ich gehe doch nicht nackt vor die Tür.«
»Du willst mir jetzt nicht erzählen, dass du ’ne Knarre in der Reisetasche mit dir rumschleppst, wo jeder Idiot rankann?«
»Ich hatte mein Baby die ganze Zeit am Mann und erst in die Tasche gesteckt, kurz bevor wir ins Auto gestiegen sind. Also bleib locker.«
William seufzt verzagt. »Ich wusste, dass ihr Bond-Typen alle einen an der Waffel habt.«
Die Lage ist keinesfalls harmlos, weshalb ich sofort wieder ernst werde. »Versprich mir, dass du dich nicht vom Fleck rührst.«
»Ja, um Gottes willen. Jetzt geh schon. Sonst sind die Kerle eher bei uns am Auto als du im Vorgarten. Wer auch immer die sind, ich hege keinerlei Verlangen, nähere Bekanntschaft mit ihnen zu machen.«
Innerhalb weniger Augenblicke bin ich am Heck des Autos, hole meine Glock heraus und stecke sie mir hinten in den Hosenbund. Eine kleine Stablampe wandert in meine Hosentasche. Meine Marke klemme ich mir an den Gürtel. Das Waffenholster trug ich bisher nicht, da ich meine Jacke in der Tasche hatte und es andere Möglichkeiten gibt, unbemerkt eine Waffe mitzuführen. Es jetzt anzulegen dauert zu lange
und wäre zu auffällig.
Im Licht der Straßenlaternen schlendere ich gelassen über die Straße, blicke mich kurz um und husche auf das Anwesen. Alles ruhig. Ich schlage mich zwischen die Bäume, die links von mir stehen, und schleiche geduckt im Schutz der Dunkelheit über das Grundstück, immer darauf bedacht, jedes Geräusch wahrzunehmen. Aber da ist nichts, außer dem leisen Rascheln vertrockneten Laubs unter meinen Schuhsohlen, das für meine Begriffe viel zu verräterisch ist. Also setze ich jeden weiteren Schritt noch vorsichtiger.
Das Haus liegt komplett im Dunkeln. Die Haustür scheint geschlossen zu sein. Eilig sprinte ich die zwei Stufen hinauf und ruckle sachte am Knauf. Jupp, verschlossen. Anschließend schlüpfe ich zwischen Büschen hindurch, welche nah an die Fassade gepflanzt sind, und schlage einen Bogen ums Haus, um einen Blick auf die Rückseite zu werfen.
Hier ist ebenfalls alles ruhig. Ich horche einen Moment in die Nacht. Nichts. Daraufhin zücke ich meine Taschenlampe und leuchte das nähere Umfeld ab. Wieder nichts. Keine Spuren oder irgendetwas, das darauf hinweisen würde, jemand wäre vor Kurzem hier gewesen.
Ich prüfe die Hintertür.
Fuck! Sie lässt sich öffnen. Aber ehe ich hineingehe, kontrolliere ich die Umgebung. Sieht alles völlig normal aus, denke ich, als ich plötzlich ein kaum hörbares Ächzen vernehme.
Reflexartig ziehe ich die Waffe und halte sie mit beiden Händen auf Brusthöhe im Anschlag, während ich in gemäßigtem Tempo auf das immer wiederkehrende Geräusch zugehe, das aus Richtung Garten kommt.
Ein Kontrollblick über die Schulter. Niemand folgt mir. Weitere fünf Schritte und das Stöhnen wird lauter. Ich bin auf
dem richtigen Weg.
Die Silhouette eines Gartenhäuschens taucht vor mir auf und ich umrunde es langsam. Als ich um die Ecke blicke, sehe ich die Umrisse einer sich am Boden befindenden Gestalt.
Mit der Stablampe in der linken Hand, die zugleich meine Waffenhand unterstützt, ziele ich auf die Schuhe des vor mir liegenden Mannes.
»FBI, keine Bewegung!«, gebe ich mich zu erkennen.
Erneut ein Stöhnen, diesmal klingt es jedoch beinahe erleichtert.
»Wer sind Sie?!«, fordere ich mit fester Stimme um Auskunft. Gleichzeitig lasse ich das Licht über seine Beine wandern. »Scheiße!«, entfährt es mir, als ich eine Uniform ausmache.
Im selben Moment stöhnt der Mann angestrengt: »Police Officer Hicks, Sir.«
Ich sichere die Glock, stecke sie zurück in den Hosenbund, hocke mich neben ihn und sehe eine schwere Platzwunde an seiner Stirn.
»Bleiben Sie liegen, Officer. Ich rufe Hilfe.« Ein weiterer prüfender Blick in die Runde, während ich das Handy aus meiner Hosentasche ziehe und den Notruf wähle.
»Officer am Boden«, poltere ich los und gebe die Adresse durch, um sofort Bestätigung zu erhalten, dass Hilfe unterwegs sei.
»Können Sie mir sagen, was passiert ist?«, spreche ich den verletzten Officer an. »Wo ist Ihr Partner?«
»Ich weiß es nicht«, höre ich ihn undeutlich antworten. »Wir hatten gerade Meldung gemacht und wollten zum Wagen, als wir angegriffen wurden. Bei mir gingen die Lichter aus. Ich kam eben erst wieder zu mir.«
»Verdammt!« Entweder haben die Mistkerle seinen Partner
mitgenommen oder der liegt hier noch irgendwo. »Kann ich sie einen Moment allein lassen? Ich bin sofort zurück.«
»Gehen Sie nur, ich glaube, es sieht schlimmer aus, als es ist.« Er will sich aufrappeln, aber ich drücke ihn sanft auf den Boden.
»Sie bleiben liegen.«
Ein erneutes schmerzhaftes Stöhnen. »Ist wohl besser.«
Ich leuchte die Umgebung ab und schaue mich um, immer mit einem Auge auf den Verletzten. Allerdings ist nirgends was zu sehen.
Als Nächstes rufe ich Edwards an, der überraschenderweise sofort ans Telefon geht und brummt: »Edwards.«
»Agent Vega hier. Ich bin am Haus der Wolders und habe einen verwundeten Officer vorgefunden. Hilfe ist bereits unterwegs und sollte jeden Moment eintreffen.«
»Verdammt! Was ist mit …«
»Mr. Stark und seine Tochter sind in Sicherheit. Allerdings weiß ich nicht, wo der zweite Officer abgeblieben ist. Ich gehe davon aus, dass dieser sich entweder irgendwo auf dem Grundstück aufhält oder in der Gewalt der Attentäter befindet, da der Streifenwagen ebenfalls verschwunden ist.«
»In Ordnung. Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich schicke Verstärkung und lasse nach dem Wagen fahnden. Wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass er als Fluchtfahrzeug genutzt wird. Die Fahrzeuge sind immerhin mit GPS ausgestattet. Das wird denen klar sein.«
»In Ordnung, Sir.«
Daraufhin rufe ich William an.
»Jeremy?«
»Es kommt gleich ein Rettungswagen. Kannst du …«
»Was ist los? Bist du verletzt? Warte, ich …«
»Nein, bleib da und führe die Sanis hinter das Haus.«
»Scheiße! Ja klar, mach ich.«
»Ich schicke dir die Nummer von Brody. Ruf ihn an und frag ihn nach seinem Standort. Wenn dieser sicher ist, soll er mit Audrey dortbleiben, bis wir ihn holen kommen.«
»Kacke! Was ist los?«
»Das erzähle ich dir, sobald ich hier wegkann. Ach, noch was. Es sind FBI-Agents auf dem Weg hierher. Sollten die dich wegen Brody und Audrey befragen, zu niemandem ein Wort über ihren Aufenthaltsort. Das übernehme ich.«
»Okay.«
»Danke.«
»Jeremy?«
»Hm?«
»Pass auf dich auf.«
Ein Lächeln schleicht sich in mein Gesicht. »Mach ich doch immer.«
William brummt noch etwas Unverständliches, ehe er auflegt.
Keine fünf Minuten später durchdringen Sirenen die nächtliche Ruhe. Kurz darauf höre ich William, wie er panisch meinen Namen ruft.
»Hier hinten.« Ich wedle mit der Taschenlampe herum, um auf uns aufmerksam zu machen.
Danach geschieht alles blitzschnell. Hicks wird untersucht, auf eine Trage verfrachtet und vom Grundstück gebracht.
Plötzlich kehrt die nächtliche Stille zurück und ich stehe einem sorgenvoll dreinblickenden William gegenüber, dessen Gesicht nur durch den Schein meiner Taschenlampe erhellt wird. Er atmet einmal tief durch, ehe ich mich in einer heftigen Umarmung wiederfinde und er murmelt: »Gott sei Dank, dir geht’s gut.«
Ich schlinge meine Arme um ihn und genieße seine Nähe, die beruhigend auf mich wirkt. Die Zweisamkeit nimmt ein jähes Ende, als die angekündigten Agents durch den Garten auf uns zukommen.
»Sind Sie Agent Vega?«, werde ich gefragt.
Ich nicke und halte ihnen meine Marke entgegen. »Sie sollten das Haus durchsuchen. Ich denke zwar nicht, dass sich dort jemand aufhält, aber ich konnte es noch nicht überprüfen.«
»Wo sind Brody und Audrey?«, will einer von ihnen wissen.
Sie sind also direkte Kollegen von Kendra. »In Sicherheit«, erwidere ich knapp.
»Was soll das heißen? Sind sie nicht hier?«
Ich schüttle den Kopf. »Wir kümmern uns um sie.«
»Das kommt überhaupt nicht infrage.«
»Sie können gerne Rücksprache mit Ihrem Direktor halten, der mir übrigens eben jene Befugnis erteilt hat.«
Einer von beiden zückt sein Handy und wendet sich zum Telefonieren von uns ab. Kurz darauf stopft er es mürrisch zurück in seine Jacketttasche und knurrt: »Edwards hat grünes Licht gegeben. Allerdings sollen Sie uns einen Überblick verschaffen, was hier genau geschehen ist.«
»Vorher sollten Sie sicherstellen, dass niemand im Haus ist. Gehen Sie nur, wir warten hier draußen«, erkläre ich so ruhig wie möglich.
»In Ordnung.« Beide verschwinden durch die Hintertür.
Ich packe Williams Handgelenk. »Komm!«
»Was? Du kannst doch nicht einfach abhauen.«
»Doch, kann ich. Ich erklär’s dir im Auto. Weißt du, wo Brody ist?«
»Ja, sie sind auf dem Weg zurück ins Krankenhaus.«
»Was?«
Kurz bevor wir das Auto erreichen, stoppt er und blickt mich traurig an. »Er hat vorhin einen Anruf von Carpenter erhalten. Kendra ist aufgewacht. Es sieht allerdings nicht gut aus, Jeremy.«
»Shit! Komm, lass uns so schnell wie möglich hinfahren.«
Warum muss alles so verdammt kompliziert sein?