Kapitel 6

Den Dienstag verbrachte Emily in Nizza, um Mitbringsel für Esther, Lena und die Köchin auszusuchen; den anderen Angestellten wollte sie Pralinen kaufen. Nach dem Lunch suchte sie noch einmal die Sehenswürdigkeiten auf, die sie bereits mit Paul besucht hatte, und ließ sich am späten Nachmittag von einer Droschke ins Hotel zurückfahren.

Als sie in ihr Zimmer kam, maß Alice sie mit einem musternden Blick und bemerkte dann, nachdem sie ihr die Päckchen und den Trenchcoat abgenommen hatte: »Sie sehen unwohl aus, Madam. Praktisch genauso blaß und spitz um die Nase wie bei der Ankunft. Ich glaube, Sie haben sich ein wenig übernommen. Vor dem Dinner sollten Sie sich auf alle Fälle ein Stündchen hinlegen; es ist doch genügend Zeit. Ach ja, welches Kleid werden Sie heute abend tragen?«.

Am liebsten hätte sie geantwortet, daß ihr das völlig gleichgültig sei, und als sie nach einer Weile sagte: »Das graue«, setzte sich Alice neben sie aufs Bett, eine Freiheit, die sich eine richtige Zofe niemals herausgenommen hätte, und erkundigte sich besorgt: »Was ist nur los mit Ihnen, Miß? Sie sehen plötzlich so traurig aus.«

Emily sah sie an und mußte wahrlich an sich halten, daß sie nicht ihren Kopf an Alices Schulter bettete und ihr das Herz ausschüttete. Das hätte einem jungen Mädchen zugestanden, das seine erste Liebe beweint, aber nicht ihr als erwachsener Frau. Und als Alice dann die Hand auf die ihre legte und ganz sachte anfragte: »Machen Sie sich Gedanken um Mr. Steerman?«, da zog sie ruckartig ihre Hand zurück und rief empört: »Alice!«

Alice, die diesen Ausruf ganz richtig als Rüge deutete, schlug sogleich die Augen nieder und begann sogar leicht zu zittern. »Es ... es tut mir leid, Miß ... äh, Madam«, stammelte sie, »aber ... da unten wird immer so viel geredet. Und die schauen mich immer so komisch an und versuchen, mich auszufragen. Nur sein Diener nicht. Dieser Walton ist ein netter Mann, beinahe ein richtiger Gentleman. Er hat sich mit mir am ersten Abend unterhalten.«

»Worüber reden sie denn?«

»Ach... hauptsächlich geht es um Mr. Steerman und seine Familie; alles alte Stammgäste, wie sie sagen. Ein oder zwei von denen wollten auch wissen, wie lange Sie schon Witwe sind und wie lange Sie verheiratet waren. Und was Sie so tun – damit meinen sie, wo Sie die übrige Zeit des Jahres verbringen. Die scheinen nämlich alle ständig von einem Ort zum nächsten zu reisen.«

»Und was hast du darauf geantwortet?«

»Oh, ich habe gesagt, daß Sie Häuser besitzen. Das war doch nicht gelogen, oder? Und daß Sie in einem davon Ihren Laden haben.«

»Einen Hutladen?«

»Nun, Miß ... ich habe es ein bißchen ausgeschmückt. Ich sagte, Sie führen einen bekannten Modesalon für Hüte und so weiter.«

»Und was haben sie daraufhin gesagt?«

Alice starrte einen Augenblick auf ihre Fußspitzen, grinste dann verlegen und antwortete: »Na, ja. So was in der Art von ... daß es sehr bedauerlich sei, daß Sie diesen großen Hut dann nicht garniert haben.«

»Ja, vielleicht haben sie damit gar nicht so unrecht«, gab Emily lächelnd zurück und erhob sich von ihrem Bett.

»O nein, Miß«, rief Alice, um sich noch im gleichen Atemzug zu verbessern: »Madam, wollte ich sagen. Komisch, manchmal ist es ganz einfach, Sie Madam zu nennen. Aber manchmal, wie jetzt, wenn wir uns unterhalten, da sind Sie für mich einfach die Miß.«

»Das werde ich ja auch bald wieder sein, Alice. Und ganz unter uns, es wird mir nicht leid tun.«

»Sagen Sie so was nicht, Miß Emily. Sie haben so hübsch ausgesehen in letzter Zeit; diese Kleider stehen Ihnen prächtig. Sie sehen besser aus als alle anderen Frauen hier. Und es hat Ihnen doch bis jetzt auch gefallen, nicht wahr? Kümmern Sie sich nicht darum, was die Leute reden. Genießen Sie die Zeit hier. Es sind doch Ihre Ferien, und jeder hat das Recht auf ein bißchen Vergnügen dann und wann, meine ich.«

»Ach, Alice.« Sie mußte sich von ihr abwenden, sonst hätte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten können. »Ich werde mich ein Weilchen hinlegen«, murmelte sie. »Und du bügelst jetzt besser das graue Kleid auf. Es knittert immer so leicht.«

»Ja, das mache ich.« Ohne ein ›Madam‹ oder ein ›Miß‹ anzufügen, wie es sich für sie geziemt hätte, verschwand Alice im Ankleidezimmer. Und Emily, die sich auf die Couch unter dem Fenster gelegt hatte, schloß die Augen und dachte bei sich: »Ich muß mich zusammennehmen. Wenn Alice bemerkt hatte, daß mit mir etwas nicht stimmte, würde das den anderen Leuten hier bestimmt auch bald auffallen und ihnen nur noch mehr Grund zum Tuscheln geben.« Und dann murmelte sie hinter vorgehaltener Hand: »Du bist selbst an allem schuld. Du wußtest genau, worauf du dich einläßt.« Doch als sie im Geiste seine Stimme hörte, so sanft wie damals in der Höhle, und sie leise wimmerte: »Aber er fühlt genauso. Er liebt mich«, da schien die Antwort darauf direkt aus Mrs. Arkwrights Mund zu kommen. »Das ist genau das, was alle Männer ihren Geliebten ins Ohr flüstern.« Und genau das hatte er ihr ja auch indirekt angetragen: Sie sollte seine Geliebte werden. Nun, sie würde niemals seine Geliebte werden, das wußte sie bestimmt – weder die seine noch die eines anderen. Nie! Niemals!

Am Mittwoch trafen sie sich am Nachmittag und saßen eine Weile gemeinsam auf der Veranda. Er sprach über die momentane Situation in London, über Parnell und die politische Lage in Irland, schwenkte dann auf die Queen über und meinte, man könne das Trauern auch übertreiben.

»Dann sind Sie also kein Royalist?« meldete sich Emily erstmals nach seinem Monolog zu Wort, woraufhin er entrüstet erklärte: »Aber ja, selbstverständlich bin ich Royalist. Ich schätze die Monarchie und besonders Prinz Albert Edward von Wales. Er ist ein hervorragender Botschafter.«

Und während er sich weiter in Lobeshymnen auf den Prinzen und seine Reisen erging, dachte sie bei sich, daß er ihn natürlich bewundern mußte: Der Prinz war bekannt für seine vielen Frauenbekanntschaften, besonders für seine Mätresse, die er überall vorzeigte und damit seine schöne Frau, Prinzessin Alexandra, dem Gespött der Leute aussetzte. Die Arme, wie mußte sie sich dabei fühlen? Wie kam es eigentlich, daß Männer diese Freiheiten für sich beanspruchen konnten, wohingegen eine Frau, die ihren Mann wegen eines anderen verließ, wenn nicht aus der Gesellschaft ausgestoßen, so doch immerhin geächtet wurde? Das war in höchstem Maße ungerecht und grausam.

Sie erinnerte sich an den guten Rat, den Mrs. Arkwright ihr damals vor der Hochzeit mit Jim Pearson gegeben hatte. »Gib dich ihm nicht hin«, hatte sie gesagt. »Denn sobald du das tust, hast du schon verloren. Und wenn er weiß, daß du schwanger bist, sucht er mit Sicherheit das Weite. Das machen die meisten. Und was ist dann? Die Mädchen verlieren ihre Stellung, und die armen Kinder sind für ihr Leben gezeichnet. Also, denk an meine Worte, bevor du dich mit ihm einläßt.«

Und sie hatte sich diese Worte wirklich zu Herzen genommen. Schwanger werden, ohne einen Ring am Finger, das hätte sie bei Gott nicht riskieren wollen.

Und hier saß Paul und lobte den Prinzen von Wales, diesen unverbesserlichen Frauenhelden, über den grünen Klee...

»Möchten Sie ein wenig durch den Garten spazieren, Mrs. Ratcliffe?«

»Ja, sehr gern.«

Als sie an den Liegestühlen vorbeikamen, trafen sie dort die Arnold-Fawcetts an, die ihnen freundlich zulächelten, und Lady Huxton und ihre Tochter, die es sich ebenfalls dort bequem gemacht hatten, sie aber nur neugierig anstarrten. Lady Huxton nahm sogar ihre Lorgnette zur Hand, um ihren weiteren Weg durch den Garten zu verfolgen, bis sie hinter eine Hecke verschwunden waren.

»Wie fühlen Sie sich?« erkundigte er sich, nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinanderher gegangen waren.

»Danke, ganz gut.«

»Ach, Emily. Lassen Sie bitte dieses unpersönliche Gehabe. Was passiert ist, ist passiert; und das kann keiner von uns mehr ungeschehen machen. Ich könnte jetzt freilich sagen, daß ich diesen Vorfall bedauere, aber das wäre ehrlich gesagt gelogen. Und auch wenn wir uns nach diesem Urlaub nicht mehr wiedersehen, werde ich Sie trotzdem nie vergessen, und das hat einen ganz einfachen Grund: Ich kann Sie nämlich nicht vergessen. Hören Sie, Emily, lassen Sie uns die nächsten Tag hier doch wenigstens wie gute Freunde verbringen.«

»Für mich ist das nicht so leicht«, sagte sie und senkte ihre Stimme. »Ich bin es nicht gewöhnt, Affären zu haben, und daher fehlt mir einfach die Praxis, so zu tun, als wäre nichts geschehen.«

»Das ist mir sehr wohl bewußt, meine Liebe. Deshalb ist diese Affäre, wie Sie es nennen, auch etwas ganz Besonderes für mich.«

Sie schaltete schnell. »Wie? Ist sie anders als die anderen Affären, die Sie hatten?« fragte sie spitz.

Er setzte ein tolerantes Lächeln auf, ging aber nicht direkt auf ihre Bemerkung ein. »Emily, ich bin ein Mann. Und ich bin nicht im Kloster großgeworden. Ich habe in meiner Welt gelebt.«

»Und nach deren Muster.«

»Ja. In gewisser Weise haben Sie damit wohl recht. Aber ich kann es nicht oft genug wiederholen: Sie sind für mich etwas ganz Besonderes. Auch wenn Sie es anscheinend nicht begreifen wollen, ist es dennoch die Wahrheit.«

»Guten Morgen«, sagte eine Stimme.

Sie gehörte einem alten Herrn, der, über einen Strauch gebeugt, zu ihnen herüberschaute. »Was für ein wunderbarer Duft. Ich habe versucht, ihn in meinem Garten zu pflanzen, aber er ist leider eingegangen. Schreckliches Gewitter gestern, nicht wahr?«

»Ja, Colonel; wirklich schrecklich.« Und als sie an ihm vorbeigegangen waren, flüsterte Paul Emily zu: »Ich wünschte, ich wäre schon so alt wie er und meine einzige Freude gälte einem duftenden Strauch.«

»Er macht mich traurig«, sagte Emily. »Er ist so alt und so einsam, obwohl er unter lauter Leuten aus seinen Kreisen lebt. Er erinnert mich an ein Gedicht, das ich in einem Buch las, welches mir ein Freund geschenkt hat. Es endet damit, daß sich zwei alte Männer begegnen, vor dem Kamin sitzend ihre Zigarren rauchen und ihren Port trinken: Und beide haben in dem anderen einen Freund gefunden.«

»Du meine Güte! Das stammt doch von Petersen. S. Petersen.«

Sie sahen sich beide erstaunt an. »Ja, das ist der Autor des Buches«, sagte sie.

»Ich habe es in meiner Bibliothek; es ist sein zweites Buch. Sehr merkwürdige Gedichte.«

»Sie kennen ihn?«

»Nicht persönlich, aber ein Freund hat mir erzählt, daß er als Psychiater in einem Irrenhaus arbeitet. Muß wohl stimmen, so wie er schreibt. Manchen seiner Gedichte mangelt es zwar gehörig an Poesie, aber das Gefühl ist da. Ich mag ihn. Soviel ich weiß, ist er Norweger.«

»Tatsächlich?«

»Ja. Ich kann mir vorstellen, daß er deshalb auch so seltsam schreibt; so unenglisch, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

Da sie nicht antwortete, blieb er stehen und sagte mit leiser Stimme, nachdem er sie mit einer sanften Handbewegung ebenfalls zum Stehenbleiben gezwungen hatte: »Sehen Sie? Wir haben tatsächlich noch etwas gemeinsam. Wer weiß, vielleicht enden wir auch einmal wie diese beiden alten Herrschaften: ich mit meinem Glas Portwein in der Hand und Sie mit einer Stickerei im Schoß.«

»Eine sehr tröstliche Vorstellung, aber ich sticke leider nicht und habe in dieser Richtung auch keinerlei Ambitionen. Diese Art von Beschäftigung ist mir zu langweilig.«

»Ach, Emily. Wir können doch Freunde sein. Ich weiß es. Ich liebe Ihre Gesellschaft. Es macht mich glücklich, nur neben Ihnen herzugehen und auf Ihre ... markigen Kommentare zu warten. Sie sind nämlich diejenige, die darauf besteht, Menschen in Klassen einzuteilen. O ja, ich weiß schon«, sagte er und wiegelte einen etwaigen Kommentar von ihr mit einer Handbewegung ab. »Es gibt definitiv zwei Klassen; nein, genaugenommen sogar drei, und die wird es immer geben. Und wenn Sie ein Mitglied jener Klasse wären, die Sie so vehement kritisieren, würde man Sie dann respektieren und fürchten...? O ja, weil niemand Sie daran hindern könnte, das auszusprechen, was Sie denken. Denn dieses Privileg steht eigentlich nur älteren Witwen oder Matronen zu.«

»Mit anderen Worten, ich habe eine bissige Zunge.«

»Nein, nein, nein. Jetzt tun Sie es schon wieder. Es ist wirklich eine schlechte Angewohnheit von Ihnen, anderen Leuten ständig das Wort im Mund umzudrehen. Eine markige Bemerkung ist etwas ganz anderes als eine bissige, denn sie hat Witz.«

In diesem Stil plätscherte ihre Unterhaltung dahin; sie verbrachte einen angenehmen Mittwoch, und auch der Donnerstag ließ sich recht heiter an.

Er hatte sich zu ihr gesellt, als sie sich ein Kricketspiel ansah, und nach dem Spiel schlenderten sie zusammen zurück zum Hotel. Sie hatte gerade das Foyer betreten – sie ging einige Schritte vor ihm –, als sie ihn nach Luft schnappen und etwas wie »O Gott, nein!« murmeln hörte, bevor er laut ausrief: »Irene! Was für eine Überraschung!« Mit ausgestreckten Armen eilte er an Emily vorbei auf die Dame zu, die sich daraufhin von ihrem Begleiter abwandte, mit dem sie eben noch in eine Unterhaltung vertieft gewesen war. »Wie schön, dich zu sehen! Ich hatte ja keine Ahnung, daß du kommst. Ich dachte, ihr fahrt nach Rom.«

»Fahren wir auch, Liebling. Am Samstag. Das Gepäck ist schon unterwegs, aber ich dachte, ich komme auf einen Sprung vorbei, um dich ein wenig aufzuheitern. Winnie DeWhit hat mich in London besucht. Sie sagte, du kamst ihr so einsam vor.«

Sie standen sich eine Weile gegenüber und schauten sich an, bis ihr Blick sich an Emily festmachte, die hinter Paul stehengeblieben war. »Ach, übrigens, das ist Mrs. Ratcliffe«, sagte er und wandte den Kopf zu ihr um. »Mrs. Ratcliffe, das ist meine Frau.«

»Angenehm«, murmelten beide Frauen gleichzeitig, nickten sich kurz zu, dann galt Mrs. Anderson Steermans Aufmerksamkeit wieder ganz ihrem Mann. »Ich habe gerade Monsieur Fonyère versichert, daß er sich keine Sorgen zu machen bräuchte, weil das Hotel ausgebucht sei. Ich hätte schon früher einmal ein Zimmer mit dir geteilt, sagte ich ihm.« Ihr helles, hohes Lachen paßte nicht ganz zu ihrer Erscheinung. Sie war zwar sehr schlank, nahezu zierlich gebaut, doch ihr pechschwarzes Haar bildete einen starken Kontrast zu ihrem blassen Teint, und die schweren Oberlider mit dem Kranz ebenso pechschwarzer Wimpern überschatteten ihre dunkelbraunen Augen.

Bevor er seiner Frau folgte, warf Paul Steerman Emily noch einen raschen Blick zu, der aber nichts preisgab. Doch Emily hatte das unbestimmte Gefühl, daß er nicht über die Maßen erfreut war, seine Gemahlin zu sehen. Nun gut, dachte sie, als sie auf die Treppe zusteuerte, das wäre damit erledigt. Soviel zu ihrem Getrenntleben. In gewisser Weise war es wohl ganz gut, daß Mrs. DeWhit so eine Plaudertasche war.

Den Freitag füllte Emily damit aus, daß sie Alice noch einmal mit nach Nizza nahm, damit diese kleine Geschenke für ihre Freundinnen zu Hause besorgen konnte. Nach dem Mittagessen zeigte sie ihr alle Sehenswürdigkeiten, die sie selbst schon besucht hatte, und zögerte ihren Aufenthalt in Nizza so lange hinaus, daß ihr nach der Rückkehr ins Hotel gerade nur soviel Zeit blieb, um sich für ihr letztes Dinner umzukleiden. Und in einem Anflug von Trotz wählte sie für den Abend das blaue Chiffonkleid, das sie bei ihrem ersten Dinner hier getragen hatte und in dem er sie immer in Erinnerung behalten würde, wie er ihr kürzlich einmal versichert hatte.

Und als sie den Speisesaal betrat und sich den Weg zu ihrem Einzeltisch in der Ecke bahnte, drehten sich einige Köpfe, und auf manchen Lippen erschien ein dünnes Lächeln: Wie würde sie wohl auf die unerwartete Ankunft seiner Frau reagieren? Winnie DeWhit hatte sich anscheinend nach ihrer Rückkehr sehr intensiv ihrer Lebensaufgabe gewidmet, die man ohne weiteres als ›Verbreitung von Skandalen‹ bezeichnen konnte. Nun, selbstverständlich widersprach das den Prinzipien ihrer Kreise; doch andererseits mußte man zugeben, daß sich das Leben ohne diese Winnies recht langweilig und öde gestalten würde.

Emily konnte diese und ähnliche Gedanken in den Köpfen der anwesenden Gäste förmlich summen hören, als sie hier und dort ein Lächeln erwiderte. Und daher gab sie sich während des Essens alle Mühe, ein freundliches Gesicht zu machen, und wechselte auch ein paar Worte mit Harry, dem Ober, der sie meistens bediente.

»Madam verläßt uns also morgen?« sagte er. Das tue ihm aber sehr leid.

Ihr auch, erwiderte Emily. Aber man könne ja nicht sein ganzes Leben lang Ferien machen.

»Nein, Madam. Das Leben kann wahrlich nicht nur aus Urlaub bestehen.« Und als er hinzusetzte: »Nicht, wenn man klug ist«, nickten sie beide in geheimem Einverständnis.

Nach dem Dinner begab sich Emily wie gewöhnlich in die Lounge, um dort ihren Kaffee zu nehmen, wo sich Kate kurz darauf zu ihr gesellte, deren Mutter es vorgezogen hatte, auf ihrem Zimmer zu essen. Sie saßen kaum, da platzte Kate schon mit der Bemerkung heraus: »Wie sich die Dinge doch wandeln!«

»Bitte, Kate.«

»Das war nur eine Feststellung. Aber jetzt wissen Sie wenigstens, wie der Hase läuft. Nun gut, kann ich Sie trotzdem besuchen, wenn ich wieder in London bin?«

»Selbstverständlich. Ich sagte Ihnen doch, daß mich das sehr freuen würde.«

»Danke. Sie werden mir nicht glauben, wenn ich Ihnen sage, daß ich Sie beneide; wie Sie sich auch gerade fühlen mögen, Sie sind zumindest frei. Sie sind Ihre eigene Herrin. Sie arbeiten für Ihren Lebensunterhalt und werden dafür bezahlt. Ich arbeite auch für meinen Lebensunterhalt. Gütiger Himmel, und wie! Aber was bekomme ich dafür? Ja, Essen, Kleidung, Reisekosten. Aber ich sehe nie einen Penny. Wissen Sie, Emily, daß ich keinen Farthing besitze?«

Emily wußte im Moment nicht, was sie darauf antworten sollte. Hier saß ihr ein Mensch gegenüber, der ihr sein Herz ausschüttete, und zwar so offen, wie es niemand je zuvor bei ihr getan hatte. Steve sprach von Freundschaft. Paul sprach von Freundschaft. Doch keiner von beiden brauchte sie wirklich. Aber diese Frau mittleren Alters hier, diese Lady – denn als solche war Kate geboren und erzogen, selbst ihre Schlichtheit und ihr plumper Körper konnten ihre Herkunft nicht verleugnen –, diese Frau beneidete sie, gestand ihr ganz offen, daß sie nicht über einen Farthing eigenes Geld verfügte.

»Mein Vater hat meiner Mutter alles überlassen, obwohl sie ihn enttäuschte, weil sie ihm keinen Sohn gebar, und sich um mich nie gekümmert. Nein, nein«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Um mich hat er sich nie gekümmert. In meinem ganzen Leben hat er kein persönliches Wort mit mir gesprochen, und mein Gejammer mag sich vielleicht anhören, als bettelte ich um Mitleid. Aber das stimmt nicht. Nein, was ich damit sagen will, ist, daß in meiner... in der gesellschaftlichen Schicht, in der Sie sich hier befinden, der Schmerz über eine solche Ablehnung schwerer zu ertragen ist als in jeder anderen. Wir müssen den Schein wahren. Es ist schlechter Stil zu jammern, und ich tue es wirklich zum ersten Mal in meinem Leben, weil ich das Gefühl habe, daß ich es in Ihrer Gegenwart unbesorgt tun kann. Sie sind so anders, so verschieden von all den anderen Menschen, denen ich bis jetzt begegnet bin, und ... und ich möchte den Kontakt zu Ihnen nicht verlieren. Sie mögen denken, ich klammere mich an Sie, und das habe ich auch tatsächlich getan. Ihnen zu begegnen war für mich, als hätte ich in der Wüste eine Oase entdeckt. Meine Wüste ist da oben«, seufzte sie und deutete mit dem Zeigefinger an die Zimmerdecke. Dann lehnte sie sich zurück, nippte an ihrem Kaffee und schwieg, bis Emily, die keine Sekunde den Blick von ihr abgewendet hatte, sich erkundigte: »Wie alt ist Ihre Frau Mutter?«

»Vierundsiebzig.«

»Und ist sie wirklich krank?«

»Sie leidet an Rheumatismus und behauptet, ihr Herz mache ihr Schwierigkeiten, aber dafür habe ich nur ihr Wort.«

»Nun, sie kann nicht ewig leben. Denken Sie daran. Vor Ihnen liegt noch ein anderes Leben.«

»Ich bin einundvierzig, Emily.«

Die Endgültigkeit, die bei diesen Worten mitschwang, rief Emily plötzlich ein Lied in Erinnerung, mit dem Jim sie gegen Ende ihrer Ehe immer geärgert hatte, wenn er betrunken aus dem Wirtshaus nach Hause gekommen war. Sie hatte sich zeitweise sogar vor ihm gefürchtet, wenn er dieses Lied sang, denn es besagte im übertragenen Sinn, daß es ihm besser gehen würde, wenn sie tot wäre.

Und aus einer spontanen Regung heraus brachte sie ihr Gesicht nahe an Kates heran und sang ihr leise dieses Lied vor:

Der Herrin im Haus,

kroch in die Bluse eine Maus.

Sie fürchtete sich so arg,

daß sie vor lauter Angst starb.

Und ich lachte wie von Sinnen,

konnte ich dadurch doch nur gewinnen.

Kate verschluckte sich, hustete, und als ihr Lachen laut und schrill durch die Lounge hallte, erstarb für einige Augenblicke jegliche Bewegung im Raum: Erhobene Kaffeetassen blieben auf halbem Weg zu den Lippen stehen, Köpfe drehten sich zu ihnen um und verharrten in dieser Position. Unter den Gästen, die sie wie versteinert anstarrten, waren auch Mr. und Mrs. Paul Anderson Steerman. Als Kates Lachen verebbte, blickten sich die Anwesenden zunächst fragend an, um gleich darauf diese Frau, die alle so gut kannten, nochmals mit indignierten Mienen zu mustern. Ihre Begleiterin, Mrs. Ratcliffe, die mit gesenktem Kopf dasaß und offensichtlich den Grund für Kates Heiterkeitsausbruch geliefert hatte, sahen sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln wischen und, eine Hand auf den Mund gepreßt, mühsam das eigene Lachen unterdrücken.

Als Emily wieder aufsah, fing sie Paul Steermans Blick auf, der keine Miene verzog; ebensowenig wie seine Gattin. Doch etwas an seinem Gesichtsausdruck ließ vermuten, daß er leicht gekränkt war. Vielleicht war er enttäuscht, daß sie ob des unverhofften Auftauchens seiner Gemahlin nicht verzweifelter reagierte, die ihre letzten, freundschaftlichen Bande so bedingungslos zu zerstören gewußt hatte. Sein Gesichtsausdruck war Balsam für ihre Seele und ließ sie einen Augenblick den bohrenden Schmerz in ihrem Herzen vergessen. Und es entging ihr auch nicht, daß seine Frau sie weiterhin anstarrte, nachdem er seinen Blick abrupt von ihr abgewendet hatte.

Jetzt zog Kate wieder Emilys Aufmerksamkeit auf sich, indem sie immer noch nach Luft ringend kicherte: »O Emily. In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so gelacht. Wie um alles in der Welt sind Sie an dieses Lied gekommen?«

»Das gehörte zum Repertoire meines Gatten, wenn er betrunken aus dem Wirtshaus nach Hause kam.«

Jetzt war es Kate, die ihre Hand auf den Mund preßte und murmelte: »Bitte, Emily, nicht schon wieder. Oder war das etwa Ihr Ernst? Hat er Ihnen das wirklich vorgesungen?«

»O ja. Aber vorgesungen ist nicht das richtige Wort: auf mich hat er dieses Lied gesungen. Er kannte eine Menge solcher Lieder, denn wenn er nicht im Wirtshaus war, verbrachte er seine Abende in Variétés.«

Kate rieb sich die letzten Tränen aus den Augen, und damit verschwand auch das Lachen vor ihrem Gesicht. »Das muß eine schreckliche Zeit für Sie gewesen sein.«

»Das war es.«

»Sie müssen sehr mutig und tapfer gewesen sein, um die Scheidung durchzusetzen.«

»Ach, mit Mut hatte das weniger zu tun, muß ich sagen; es hat nur eine Ewigkeit gedauert.«

»Ja, sich scheiden zu lassen ist eine sehr komplizierte Angelegenheit, besonders für die Frauen. Scheidungen können Karrieren zerstören und Familien auseinanderbringen. Ich habe das oft erlebt...«

Die Gäste verließen jetzt ihre Tische, um sich zu anderen zu setzen oder sich nach draußen auf die Veranda zu begeben. Und als Mr. und Mrs. Steerman an ihnen vorbeigingen, würdigten sie beide Emily mit keinem Blick.

»Sie werden ihn vergessen.«

»Kate, bitte.«

»Sie werden sich damit abfinden müssen. Das haben andere auch tun müssen.«

»Wie meinen Sie das?«

»Nun, er ist ein Charmeur. Ich habe mich auch schon damit abfinden müssen.«

»Sie?«

»Ja, ich. Er ist so unterhaltsam, so liebenswürdig; er hat die Gabe, einem das Gefühl zu vermitteln, als sei man die einzige vernünftige Frau auf der Welt. Zumindest war das bei mir so. Ich tat ihm leid; ja, er ist so ein Typ. Aber das soll nicht heißen, daß er Ihnen gegenüber genauso empfindet. Unsere Situation war eine andere; allein schon, weil ich älter bin als er. Ich habe ihm meine Gefühle natürlich nicht offen gezeigt... oh, das ist heute abend schon mein zweites Geständnis. Aber jetzt muß ich gehen; ich hasse es, wenn die Pflegerin mich nach oben zitiert wie ein Schulmädchen. Höchstwahrscheinlich werden wir in vierzehn Tagen wieder in London sein, es sei denn, meine Mutter ändert ihre Pläne.« Sie stand auf, beugte sich aber noch einmal zu Emily hinunter. »Das waren wirklich die schönsten Ferien seit langem für mich, und ich danke Ihnen dafür.«

»O Kate, ich muß mich bei Ihnen bedanken. Sie haben mir bei unserem ersten Gespräch in vieler Hinsicht die Augen geöffnet.«

»Ja, ich komme gern durch die Hintertür. Denn wenn ich offen meine Meinung kundtue, dann fühlen sich viele auf den Schlips getreten.« Und mit einem für sie ungewöhnlich breiten Lächeln fuhr sie fort. »Glauben Sie, der Trick mit der Maus könnte auch bei ihr wirken?«

»Das käme auf einen Versuch an«, entgegnete Emily lachend, worauf Kate ebenfalls zu lachen begann.

»Auf Wiedersehen, Emily.«

»Auf Wiedersehen, Kate.«

Kate ging ein paar Schritte, drehte sich dann noch einmal um und flüsterte: »Mutter wird es sich nicht nehmen lassen, sich morgen früh persönlich von Ihnen zu verabschieden, nachdem Sie so einen schlechten Einfluß auf mich hatten ... und dafür danke ich unserem Herrn. Leben Sie wohl, Emily.«

Emily blieb noch eine Weile sitzen und dachte nach. Hätte sie nur Kate hier kennengelernt, sie wäre unbekümmert nach Hause zurückgekehrt in der Gewißheit, in dieser einsamen Frau eine richtige Freundin gefunden zu haben ... Kate war auch einmal in Paul verliebt gewesen; wie viele andere vor ihr, wie sie angedeutet hatte. Ja, und jetzt gehörte sie auch zu diesem erlauchten Kreis. Wie hatte sie nur so töricht sein können? Aber es war passiert, und die Wunde schmerzte.

Emily stand im Foyer und streifte sich die Handschuhe über. Ihr gegenüber standen Mr. und Mrs. Steerman; sie lächelte sie aus ihren dunklen Augen an und sagte dann mit einer ungewöhnlich tiefen Stimme, die so gar nicht zu dieser zierlichen Person passen wollte: »Ich wünsche Ihnen eine angenehme Heimreise, Mrs. Ratcliffe. Ich hoffe, Sie haben sich gesundheitlich gut erholt, und auch, daß mein Gatte sich von seiner charmanten Seite gezeigt und ein wenig dazu beigetragen hat, daß Sie Ihren Aufenthalt hier genossen haben.«

»O ja, das hat er. Ohne seine Gesellschaft wären etliche Tage hier sehr viel trister verlaufen.« Sie zwang ein entwaffnendes Lächeln auf ihre Lippen und fuhr dann fort: »Er ist sehr unterhaltsam ... und sehr amüsant. Aber Ihnen muß ich seine Talente ja nicht ausführlich schildern. Dennoch möchte ich Ihnen danken, daß Sie mir die Gelegenheit gaben, von der leichten Seite des Lebens zu profitieren, die Ihr Gatte so perfekt zu porträtieren vermag.«

Damit wandte sie sich an Paul, der sie mit ausdruckslosen Augen ansah, und sagte, immer noch das strahlende Lächeln auf den Lippen: »Ich muß mir diese hier übliche schlechte Sitte, über Leute zu sprechen, als wären sie nicht anwesend, schnellstens wieder abgewöhnen... Auf Wiedersehen, Mr. Steerman.«

Ohne seine Antwort abzuwarten, drehte sie sich wieder zu Mrs. Steerman um. »Leben Sie wohl.«

»Auf Wiedersehen, Mrs. Ratcliffe.«

Das Lächeln war von Mrs. Steermans Lippen verschwunden, und ihre Augen schienen noch dunkler, als sie ohnehin waren. Dafür stand ihr ganz deutlich die Überraschung darüber ins Gesicht geschrieben, daß sie die Schlacht verloren hatte, in die sie so siegesgewiß gegangen war.

An der Tür wurde Emily von Monsieur Fonyère erwartet, der sich überschwänglich von ihr verabschiedete, nachdem er ihr einen Kuß auf den Handschuh gehaucht hatte, und ihr in gespreiztem Englisch versicherte, wie sehr man sie vermissen würde.

Auf dem Weg zur Droschke, die am Ende der Auffahrt bereitstand, kamen noch einige der Gäste auf sie zu, um ihr eine gute Reise zu wünschen, und während sie mit ihnen Höflichkeiten austauschte, stellte sie fest, daß Alice nicht bei der Droschke wartete, sondern sich mit einem Mann unterhielt, den Emily als Pauls Diener erkannte.

Und als sie die beiden dann einen Händedruck austauschen sah, murmelte sie: »Du liebe Güte! Das wird doch nicht das gleiche werden wie bei Mrs. Arkwright und ihrem Oscar?«

Da sie die einzigen Gäste waren, die an diesem Morgen in die Stadt fuhren, war es Alice gestattet, neben Emily Platz zu nehmen. »Ich weiß, was Sie denken, Madam«, begann sie. »Aber es ist nicht so, wie Sie glauben. Ich erzähle es Ihnen gleich, wenn wir von hier weg sind.« Und als sie den holprigen Kiesweg verlassen hatten und Richtung Stadt fuhren, öffnete Alice ihre Hand und brachte einen zerknüllten Umschlag zum Vorschein. Den reichte sie jetzt Emily mit den Worten: »Als er mir die Hand schüttelte, fand ich das da in meiner. Das ... das war auch der einzige Grund dafür. Und dann sagte er, ich solle Ihnen das geben, wünschte mir eine gute Reise und meinte, es hätte ihn gefreut, mich kennenzulernen. Mehr war da nicht. Über ein paar Worte ging es nicht hinaus; mit niemandem von denen. Und ich sage Ihnen, Miß, hier sitzt jemand, der sich wirklich freut, nach Hause zu kommen.«

Emily hatte in der Zwischenzeit den Umschlag glattgestrichen und steckte ihn ungeöffnet in ihre Handtasche. Etwas später antwortete sie auf Alices letzte Bemerkung: »Da bist du nicht die Einzige. Aber um eines muß ich dich bitten: Was immer du zu wissen glaubst, behalte es für dich.«

»Das hätten Sie mir nicht extra sagen müssen, Miß. Eine klitzekleine Andeutung, und schon zerreißen sich alle die ... na, Sie wissen schon, was ich meine.«

»Ja, Alice. Ich weiß, was du meinst. Aber was noch wichtiger ist, wir müssen beide den Anschein erwecken, als tue es uns leid, wieder zurück zu sein, und daß wir einen wunderschönen Urlaub verbracht haben.«

»Nun, das stimmt ja irgendwie auch, Miß. Für mich war es ein schöner Urlaub, denn ich habe eine Menge dazugelernt. Unter anderem, daß diese Sorte von Dienern und Zofen noch viel vornehmer tut als ihre Herrschaft. Wissen Sie, was eine von diesen Ziegen zu mir sagte? Ich solle Sprachunterricht nehmen! Na, der habe ich es vielleicht gegeben. Feuerrot war die im Gesicht, nachdem ich ihr meine Meinung über sie gesteckt hatte. Ach, Miß! Ich bin froh, bald wieder unter normalen Menschen zu sein. Und machen Sie sich keine Sorgen, wir kriegen das schon hin. Außerdem, nach einer Weile wird ohnehin niemand von uns hören wollen, was wir für einen wunderschönen Urlaub verbracht haben. Meinen Sie nicht auch?«

Emily sah dieses junge Mädchen an, das für sein Alter wirklich erstaunlich reif war. Und wieder einmal verspürte sie das Bedürfnis, ihren Kopf an Alices Schulter zu betten und sich von ihr trösten zu lassen. Zu Hause würde sie keine andere Schulter haben, an der sie sich ausweinen konnte. Und ganz sicher nicht bei Esther. Nein, Esther durfte davon nichts erfahren ... niemand durfte etwas davon erfahren. Es war vorbei. Im Foyer eben hatte sie für sich den Schlußstrich gezogen. Dieser leere, tote Ausdruck auf Pauls Gesicht hatte ihr deutlich zu verstehen gegeben, daß es vorbei war. Sie hatte sich benommen wie eine Frau seines Standes, hatte Gift versprüht und sich nicht als die Frau gezeigt, in die er sich verliebt hatte... Aber was stand in diesem Brief?

Sie geduldete sich, bis sie am Bahnhof ankamen und sich im Erfrischungsraum niedergelassen hatten, wo sie die verbleibende halbe Stunde bis zur Ankunft des Zuges warten wollten. Und in der Damentoilette holte sie dann den Brief aus ihrer Tasche und las ihn. Er war sehr kurz.

Emily, bitte, beurteilen Sie die Situation nicht nach dem äußeren Anschein. Das alles war nur Fassade. Ich muß Sie wiedersehen und Ihnen alles erklären. Ich werde frühestens in vierzehn Tagen wieder in London sein können, mich dann aber umgehend bei Ihnen melden. Glauben Sie mir, die Dinge sind nicht so, wie sie sich Ihnen darstellten. Und obgleich es mir unmöglich ist, meine Gefühle für Sie zu ändern, unterzeichne ich diesen Brief Ihrem Wunsch entsprechend als …

Ihr Freund