Freddie war auf dem Weg zum Mittagessen und wollte sich anschließend mit seinem Vater treffen. Er schlenderte gerade an der National Gallery vorbei, als der Anblick des Mädchens, das dort die breite Freitreppe herunterkam, seinen Kopf herumfahren ließ.
Er war es gewohnt, durch London zu spazieren und dort allen möglichen Typen von Menschen zu begegnen. Und dieser Typ Frau war sehr verbreitet: übertrieben geschminkt, sehr auffällig gekleidet mit extrem kurzen oder langen Röcken, je nachdem, was die kurzlebige Mode gerade vorschrieb, und dazu in schreienden Farben. Und noch etwas hatten diese Frauen gemeinsam: eine ordinäre Stimme. Für ihn gehörten sie zum alltäglichen Londoner Stadtbild. Manche halfen bei Straßenhändlern aus, die meisten arbeiteten als Verkäuferinnen. Ja, sie waren so anders als ihre Mütter, aber die Zeiten hatten sich geändert, mit dem Radioempfänger und den Tonfilmen hatten auch die Farben Einzug ins Land gehalten.
Die hier trippelte die Stufen hinunter, als ginge sie aufs Tanzparkett. Aber welche Stufen! Das hier waren die Stufen der National Gallery. Was um alles in der Welt tat sie hier? Ausgerechnet sie!
Da sie ihn anscheinend nicht bemerkt hatte, rief er ihr ein Hallo zu.
Sie drehte sich um, sah ihn etwas erstaunt an und erkannte ihn dann. »Ach, du bist’s.«
»Ja, ich bin’s.« Er sah die Treppe hinauf. »Warst du in der National Gallery?«
Sie hob das Kinn in einer affektierten Geste und flötete dann: »Ja, Sir, ich komme gerade aus der National Gallery. Und Sie möchten jetzt bestimmt wissen, was ich dort gemacht habe, stimmt’s? Ausgerechnet ich. Das wollten Sie mich doch fragen, habe ich recht?«
Freddie lachte. »Ja, das stimmt. Das wollte ich.«
»Gut, dann werde ich es Ihnen erzählen. Ich habe mir die Bilder angesehen. Denn in der National Gallery hängen jede Menge Bilder, falls Sie das nicht gewußt haben sollten, Sir.«
Er hob jetzt ebenfalls das Kinn und entgegnete geschraubt: »Doch, gnädiges Fräulein, das ist mir bekannt.«
Ihre Miene änderte sich schlagartig. »Äff mich nicht nach, das kann ich nicht leiden«, versetzte sie beleidigt.
»Na gut, Miß Birchcomb, lassen wir das. Aber verrate mir trotzdem, was du dort gemacht hast.«
»Also, Andrew und Dill unterhalten sich dauernd über Bilder, über diesen und jenen Maler und über diese Re-nais-sance, so spricht man es doch aus, oder?«
»Ja, genau so spricht man es aus.«
»Nun, ich hatte heute etwas Zeit... heute ist nämlich mein Laryngitis-Tag.«
»Wie bitte?« Er sah sie verständnislos an.
»Ich mache blau, heißt das. Aber demnächst werde ich mir eine andere Krankheit zulegen, denn diese Kehlkopfentzündung gilt nicht als richtige Krankheit, und unsere Miß Walfischkorsett – ich meine unsere Abteilungsleiterin – wird langsam kiebig. Vielleicht verlege ich mich demnächst auf Hexenschuß, an dem leiden die anderen auch des Öfteren«, lachte sie.
O Gott, diese Sprache, dieses Benehmen und diese grauenhafte Frisur! Sie könnte so hübsch aussehen, dachte er, aber in diesem Aufzug wirkte sie schlicht und einfach ordinär. Ja, sie war ordinär, im wahrsten Sinne des Wortes. Aber sie hatte noch etwas anderes an sich, eine gewisse Ausstrahlung, für die er kein Wort fand. Und sie kam aus der National Gallery ...
»Und, wie haben dir die Bilder gefallen?«
»Ach, weißt du, das ist schwer zu sagen«, antwortete sie jetzt sehr ernsthaft. »Manche Bilder hätte ich stundenlang anschauen können, bei anderen habe ich einen roten Kopf bekommen. Stell dir vor, auf zweien waren die Leute splitternackt! Weißt du, ich kann mir gut vorstellen, daß viele nicht der Kunst wegen dort hineingehen, sondern wegen der Gänsehaut, die ihnen bei solchen Bildern über den Rücken rieselt.«
»Ja, ich glaube, da hast du nicht so unrecht«, meinte er.
»Na, wie auch immer, ich wollte jedenfalls einmal wissen, was es mit dem allem auf sich hat, denn ich sitze oft dabei, wenn sich die beiden über Malerei unterhalten, und kann nicht mitreden.« Jetzt warf sie ihm einen schelmischen Blick zu. »Wir haben uns zwar erst zweimal gesehen, aber du hast bestimmt gemerkt, daß ich gerne mitrede, nicht wahr?«
»Ja, doch, den Eindruck hatte ich tatsächlich.«
»So, da sind wir«, sagte sie unvermittelt. »Ich muß hier abbiegen.«
»Warte! Hast du... hast du den ganzen Nachmittag frei?«
»Ja, schon, aber ich muß mich um meine Mutter kümmern, ihr geht es nicht gut. Komisch, immer wenn Andrew Nasenbluten hat, kriegt sie es auch.«
»Besucht Andrew seine Mutter oft?«
»Nein.«
»Nein?«
»Du hast doch gehört, nein. Sie verstehen sich nicht besonders. Und mit meinem Vater hat er überhaupt nichts am Hut; sie hatten einen Streit, und Andrew hat ihn k. o. geschlagen. Kannst dir die Geschichte ja mal von ihm erzählen lassen. Aber Tatsache ist, daß er meine Mutter nicht sonderlich ins Herz geschlossen hat.«
»Aber ... er hat sie doch so lange gesucht. Ich dachte, er wollte...«
»Ja, er wollte herausfinden, wer sie ist und wie sie ist. Aber was er gefunden hat, hat ihm nicht behagt. Seine Adoptivmutter muß wohl ein ganz anderer Typ Frau sein, nehme ich an.«
»Aber dich mag er doch sehr gern.«
»Ja, das weiß ich«, nickte sie, und auf ihrem Gesicht zeigte sich ein Lächeln, als sie sagte: »Ich... ich komme ihm irgendwie wirklicher vor. Ich gehöre mehr zu ihm – und ich bin die einzige –, und mir geht es genauso. Ich habe einen Bruder bekommen und er eine Schwester.«
Freddie warf einen Blick auf seine Uhr. Es war halb eins.
»Ich bin am Verhungern«, stöhnte er dann. Ich werde etwas essen gehen. Kommst du mit?«
»In ein Restaurant?« Sie sah ihn mit großen Augen an.
»Ja, natürlich in ein Restaurant.«
Jetzt schüttelte sie den Kopf. »Nein, danke. So gehe ich nicht mit. Mein Haar sieht unmöglich aus. Ich wollte heute nachmittag zum Friseur. Nein, vielen Dank, so nicht.«
»Es muß ja nicht unbedingt ein Restaurant sein. Wo ißt du denn gewöhnlich?«
»Bei Jonathan. Fleischpastete mit Erbsen oder Eier mit Speck. Die Portionen sind groß, und schmecken tut es auch.«
»Also gut, dann laß uns zu diesem Jonathan gehen.«
Betty blieb stehen und musterte Freddie von oben bis unten. Er sah gut aus in seinem perfekt sitzenden Anzug und dem weichen Filzhut. Man sah auf den ersten Blick, daß er zu einer anderen Schicht gehörte. In dem Schnellimbiß war er genauso fehl am Platze wie sie in einem Restaurant.
»Gut, gehen wir. Aber wenn wir dort ein paar Mädchen aus meiner Abteilung treffen, Spaten und Schaufeln, mußt du dich auf einiges Getuschel gefaßt machen.«
»Das stört mich nicht. Aber was meinst du mit Spaten und Schaufeln?«
»Die Gartenabteilung im Untergeschoß. Wenn du das Maul so aufreißt, wie ich das zu tun pflege, oder nicht viel aufm Kasten hast, dann schieben sie dich in die Gartenabteilung ab. O Gott, wie ich Gärten hasse! Und erst recht diese aufgetakelten Schnepfen, die nach einem leichten Spaten fragen, einem Damenspaten.«
»Gibt es tatsächlich Damenspaten?«
»Und ob. Halb so groß wie ein normaler Spaten sind die, genau passend für die zarte Hand einer Vorstadtlady. Die glauben, sie sind was Bess’res, schleichen sich wie Diebe in den Laden – ich arbeite bei Woolworth, mußt du wissen – und tun so, als hätten sie sich verlaufen, wenn sie einer Bekannten begegnen. Oh, diese breitärschigen Weiber mit ihren Landsitzen und Rosengärten -«
Als ihre Stimme abrupt abbrach, schloß Freddie einen Moment die Augen und hätte beinahe eine dieser Damen umgerannt, über die Betty sich gerade ereifert hatte. »Verzeihen Sie vielmals, Madam. Ist alles in Ordnung?« beeilte er sich zu entschuldigen.
Die Dame setzte nachsichtig lächelnd ihren Weg fort, und Freddie mußte einen Schritt zulegen, um Betty einzuholen, die einfach weitergegangen war. Mit gesenktem Kopf murmelte sie, als er an ihrer Seite war: »Tut mir leid.«
Er sagte nichts, denn er brachte vor unterdrücktem Lachen kein Wort heraus. Und plötzlich machten seine Gedanken einen Sprung, erinnerten ihn, daß seine Mutter gestern abend einen Selbstmordversuch verübt hatte und er sie anschließend im Krankenhaus besuchen mußte. Er schluckte ein paarmal kräftig, ehe er dann nachdenklich murmelte: »Mit dir kann ich so unbeschwert reden, du bist immer so ...« Da fuhr ihr Kopf herum.
»Ja, ich ... versuche witzig zu sein, weil das die Leute zum Lachen bringt und sie dann für einen Moment alle Trübsal vergessen«, sagte sie und blitzte ihn wütend an. »Aber das gerade war nicht witzig, das war unverschämt. Die Frau, die du beinahe umgerannt hast, die hat das vielleicht gehört und fühlt sich genauso gekränkt wie ich, wenn mich jemand als ordinär bezeichnet.« Den Blick stur geradeaus gerichtet, beschleunigte sie ihren Schritt. »Oh, ich weiß, was die Leute von mir denken: Ein bißchen ordinär und witzig, das ist Betty. Aber wenn du es genau wissen willst, ich will weder das eine noch das andere sein.«
Sie waren inzwischen in eine kleine Nebenstraße eingebogen, und da zog Freddie sie jetzt in einen Hauseingang, packte sie bei den Schultern und schüttelte sie. »Hör auf damit! Hör auf, dich zu sezieren... dich zu zerpflücken.«
»Genau das meine ich«, hielt sie ihm entgegen. »Du glaubst, ich bin so blöd und weiß nicht, was sezieren heißt, stimmt’s? Sonst hättest du es mir doch nicht erklärt.«
»Das glaube ich keineswegs.« Er sprach jetzt sehr langsam und leise. »Und ich finde auch nicht, daß du ordinär bist.« Während er das sagte, wurde ihm auf einmal bewußt, daß das nicht richtig gelogen war, und falls doch, daß es jedenfalls keine Rolle spielte. Die nächsten Worte sprudelten jetzt einfach so aus ihm heraus. »Wie du schon sagtest, wir sehen uns heute erst zum zweiten Mal, aber mir kommt es so vor, als kenne ich dich schon ewig. Ich höre dir gern zu ... und ich glaube, daß sich hinter deiner äußeren Fassade ein ganz schlaues Köpfchen verbirgt.«
Warum kam ihm plötzlich Helen Clayton in den Sinn, eine Kommilitonin aus Oxford, mit der er sich immer so gut hatte unterhalten können? Sie befanden sich intellektuell auf einer Ebene. Er mochte Helen und hatte sich erst kürzlich gefragt, wie sehr er sie eigentlich mochte. Denn er konnte sich nicht vorstellen, sein Leben mit einer Frau zu verbringen, die ihm geistig nicht gewachsen war. Und bis gestern hatte er sich sogar auf seine Rückkehr nach Oxford gefreut, in erster Linie wegen der langen Gespräche, die er dann wieder mit ihr würde führen können. Und jetzt hörte er sich sagen: »Schade, daß ich nächste Woche schon wieder zurück muß ... nach Oxford. Wir haben uns gar nicht richtig kennenlernen können. Aber fünf Tage bleiben uns ja noch.«
Er nahm ihre Hand und wechselte dann lachend das Thema: »Komm, auf zu Eiern mit Speck. Spaten und Schaufeln können warten.«
Sie antwortete nicht. Den Blick auf den Boden gerichtet, ging sie schweigend neben ihm her und nagte an ihrer Unterlippe.
Er hatte seinen Vater vom Bahnhof abgeholt und ihm noch mal etwas ausführlicher berichtet, was er ihm bereits am Abend zuvor am Telefon mitgeteilt hatte, und war einigermaßen erstaunt gewesen, daß er nur wenig dazu gesagt hatte; tatsächlich war er überhaupt sehr schweigsam gewesen.
Und jetzt standen sie beide in dem schmalen Krankenzimmer neben ihrem Bett. Die Tür war geschlossen, doch Roses Stimme mußte bis hinaus auf den Korridor gedrungen sein, denn eine Schwester steckte plötzlich den Kopf zur Tür herein und fragte: »Alles in Ordnung?« Jason nickte. »Ja, Schwester, alles in Ordnung.« Und mit einem Blick auf Rose fügte er hinzu: »Nur das übliche Familiengeplänkel.«
»Du wirst damit nicht durchkommen. Ich habe dir keinen Grund geliefert, weswegen du eine Trennung fordern könntest.«
»Und wie steht es mit der Verweigerung ehelicher Pflichten? Und zwar nicht nur die letzten sechs Jahre, sondern auch schon in den Jahren zuvor? Und Alkoholikerin bist du auch.«
»Ich bin keine Alkoholikerin.«
Jason und Freddie warfen gleichzeitig einen Blick zur Tür, dann sagte Jason leise, aber bestimmt: »Sei nicht albern, Frau. Was, glaubst du, hat dich hierhergebracht? Soviel ich verstanden habe, waren es nicht die Tabletten, sondern der Alkohol, den du vorher getrunken hast. Und du hast beide Dosen sehr genau berechnet; nur um mir Angst einzujagen, wie? Mich wieder zu erpressen? Aber alles, was ich dazu zu sagen habe, ist: Mach es das nächste Mal gründlich. Die Zeiten freundlicher Reden sind vorbei. Es ist dein Leben, Rose. Entweder befolgst du ab jetzt die Ratschläge der Ärzte und machst endlich eine Entziehungskur, oder du säufst dich zu Tode, was nicht mehr lange dauern wird, denn nach Aussage der Ärzte ist deine Leber schon reichlich angegriffen.«
»Ich zwing’ dich schon noch in die Knie«, zischte sie, und als sie hinzusetzte: »Du bist als Bastard geboren und einer geblieben«, drehte sich Jason wortlos um, und nur Freddies Hand, die ihn am Arm festhielt, hinderte ihn daran, auf der Stelle das Zimmer zu verlassen. Doch Rose zeterte inzwischen unbeeindruckt weiter: »Was willst du denn machen, wenn deine Trennung rechtsgültig ist, mein Lieber? Mit deiner Halbschwester Zusammenleben? Du hast schon immer ein Faible für sie gehabt, stimmt’s? Deine Zwillingsschwester genießt offenbar noch immer ihr unzüchtiges, verkommenes Glück, aber das werde ich zerstören, darauf kannst du Gift nehmen. Ich habe dir vor einigen Wochen gesagt, daß es nur an dir liegt, ob ich diesen Skandal an die Öffentlichkeit bringe oder nicht. Und es liegt immer noch an dir.«
Da schoß Jason herum und starrte sie mit versteinerter Miene an. »Das kannst du dir schenken, Rose, denn sie sind bereits auf deine Vergeltungsaktion vorbereitet. Aber wenn du es dennoch tust, sieh zu, daß du nüchtern bist, denn die Zeitungsleute könnten dich sonst vielleicht nicht ernst nehmen.«
Rose stützte sich in den Kissen auf und brüllte: »Ich werde dir einen Strich durch die Rechnung machen, Jason Montane, so oder so. Wenn ich gestorben bin, und den Zeitpunkt bestimme ich, wird dich mein Geist noch im Schlaf verfolgen.«
»Tu das, Rose. Tu, was immer dich glücklich macht«, war Jasons Antwort, dann verließ er das Zimmer. Freddie fühlte sich hin- und hergerissen zwischen diesen beiden Menschen, die seine Eltern waren. Der Anblick seiner Mutter, die leichenblaß, das Gesicht zu einer Fratze verzerrt, in ihrem Bett lag, erfüllte Freddie mit Mitleid, und gleichzeitig verstand er aber auch, unter welcher nervlichen Anspannung sein Vater jahrelang gestanden haben mußte.
Er trat wieder ans Bett zurück und versuchte, die zuckenden Hände seiner Mutter festzuhalten, doch sie entzog sich ihm mit der bissigen Bemerkung: »Du bist auch auf seiner Seite, habe ich recht? Natürlich habe ich recht, sonst hättest du mich nie allein gelassen. Du kennst ihn nicht. Du glaubst, er ist nett und freundlich. Nein, er ist grausam. Gleichgültigkeit ist die schlimmste Grausamkeit, die man jemandem zufügen kann. Seit jeher hat er ausschließlich an seine Halbschwester Marian gedacht und immer wieder ihre Nähe gesucht. O ja.«
»Nein, Mutter, hat er nie. Das weiß ich genau.«
Mit einem Mal lag sie ganz still. »Was heißt das, du weißt es genau?«
»Nun, ich weiß, daß er Tante Marian niemals solche Gedanken entgegengebracht hat.«
Ihre Augen wurden jetzt sehr schmal. »Wem denn dann?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich... ich weiß es nicht.«
»Doch, du weißt es schon!«
»Nein, Mama. Ich weiß es nicht. Und jetzt beruhige dich, bitte.« Er beugte sich über sie. »Sei so gut und befolge den Rat der Ärzte, es ist nur zu deinem eigenen Besten. Nach der Kur wirst du eine ganz neue Frau sein.«
»Geh! Geh mir aus den Augen. Du glaubst mir auch nicht. Warum sollte ich eine neue Frau werden wollen? Ich trinke doch nicht. Ein Glas Sherry hin und wieder, das ist doch etwas anderes als trinken, oder?«
Als eine Schwester in der Tür erschien, verabschiedete er sich hastig. »Ist gut, Mama. Reg dich nicht auf. Du brauchst Ruhe ... Idi komme morgen wieder.« Und damit eilte er hinaus.
Jason wartete am Haupteingang auf ihn. Sie tauschten einen langen Blick, und erst draußen auf der Straße fragte Jason seinen Sohn, ob er nicht irgendwo eine Tasse Tee mit ihm trinken wolle.
Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her, dann hörte Freddie seinen Vater murmeln: »Wenn ich mir vorstelle, wie sie früher war, so sanft und freundlich, puppenhaft, beinahe unterwürfig war sie ...« Jetzt sah er seinen Sohn genau an. »Denk immer daran, Freddie«, sagte er mit ernster Stimme, »Frauen haben zwei Gesichter: Sobald sie den Verdacht haben, dich nicht mehr ganz zu besitzen, verwandeln sie sich in Teufel. Und noch etwas: Bevor du eine Frau heiratest, frag dich genau, ob du es mit ihr auch dann noch vierundzwanzig Stunden am Tag aushalten kannst, wenn es hart auf hart kommt. Und wenn die Antwort ja ist, dann frage dich: Wie lange?« Er seufzte ein paarmal tief und fuhr dann fort: »Versichere dich, daß du sie willst und daß du sie brauchst... in jeder Beziehung, denn wisse, eine Frau, die dir keine Freundin sein kann, wird bald deine Feindin sein.«
Puppenhaft, sanft, unterwürfig... in Freddis Gedanken entstand das Bild von Betty. An ihr war nichts Puppenhaftes. O nein. Noch hatte er bisher Ansätze von Sanftheit bei ihr entdeckt. Und was die Unterwürfigkeit betraf, so konnte er sich nicht vorstellen, daß es je einem Mann gelänge, sie nach seinen Wünschen zu verändern. Und doch hatte sie etwas, das ... Nun, aber was?
Er konnte die Anziehung, die sie auf ihn ausübte, nicht in Worte fassen; er wußte nur, daß er sich nach ihrer Gesellschaft sehnte, ihr zuhören wollte, die Atmosphäre liebte, die sie schaffen konnte.
Doch wenn er jetzt an den Eindruck dachte, den Betty nach außen hin vermittelte, fand er es sehr bedauerlich, daß sie sich nicht ändern würde, denn sie sah einfach furchtbar aus, das mußte er zugeben – und er hatte sie für morgen abend ins Kino eingeladen ...