Die Führungsspieler-Debatte wird vor allem deshalb so gerne und exzessiv geführt, weil sie so wunderschön personenbezogen abläuft. Anders als die abstrakte Erörterung um Taktik und Spielsystem, bei dem sich die Argumente häufig wie binomische Formeln anhören (4-3-2-1, 4-4-2, Doppelsechs, falsche Neun), strotzt der Führungsspieler-Diskurs vor prallem Leben: „Der Effenberg hat mal dazwischengehauen und gezeigt wo es langgeht!“ „Michael Ballack war einer, der mutig vorangeht!“ „Seit Matthäus nicht mehr da ist, läuft die Nationalelf kopflos herum!“
Leitwolf: Der junge Lothar, bevor er zum Kopf der Nationalelf wurde.
Dabei begegnen sich beim Stelldichein der Argumente Figuren aus der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft des deutschen Fußballs. Das ist interessant, das vermittelt jedem Fußballfan Freude, und da kann auch jener Stammtisch-Bundestrainer mitreden, der die Viererkette in der Schmuckschatulle seiner holden Liebsten vermutet.
Gerne wird halt oft von den „Zeichensetzern“ schwadroniert, die mal eben einen Gegenspieler die Schienbeine poliert haben um die eigene Mannschaft aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken. Als wäre es ein Zeichen von Führung, sein Gegenüber krankenhausreif zu treten. Wenn man in die deutsche Historie schaut, findet man beispielsweise beim „Wunder von Bern“ den allgemein als Führungsspieler bekannten Fritz Walter, der immer wieder gerne und völlig zurecht als der Spieler angesehen wird, der den Unterschied macht. Als Treter vor dem Herrn ist der sensibel-gutmütige Fritz allerdings selten in Erscheinung getreten. Er war trotzdem unbestrittener Führungsspieler.
Auch die Weltmeister von 1974 hatten mit Franz Beckenbauer nicht eben den Prototypen des Zeichensetzers in ihren Reihen. Mit Lothar Matthäus 1990 verhielt es sich ähnlich. Zwar war dem guten Lothar auch AUF dem Platz nichts weltliches fremd, aber eine Aktion, wo er dazwischengetreten hat, ist kaum in Erinnerung geblieben.
„Das habe ich ihm dann auch verbal gesagt.“ (Mario Basler) |
Somit muss man die Führungsspielerdebatte wohl eher als Zeitvertreib ehemaliger Stars, die sich immer wieder gerne in die kollektive Erinnerung bringen wollen, betrachten und akzeptieren. Da wird die kleinste Situation der Vergangenheit mit einem „Ach, weißt du noch“ Seufzer versehen und man kann sich in vergangenen Taten herum suhlen. Ist normal!
Wenn in gut 30 Jahren Marco Reus, Mario Götze und Lukas Podolski bei Fußball-Stammtischen die guten alten Zeiten hochleben lassen, dann wird es sicher wieder eine neue, aktuelle Führungsspielerdebatte geben. Und das ist auch gut so … macht ja Spaß!
Das Kaiser in jungen Jahren auf einem Sammelbild.