Golden Goal – Von blanken Brüsten und alten Männern

In der Reihe „Da hatte jemand eine saublöde Idee und die wurde auch noch umgesetzt“ wohl an der absoluten Pole-Position. Irgendeinem leicht verstrahlten Funktionär muss während eines Alptraums in den Sinn gekommen sein, den Fußball von Grund auf zu revolutionieren. Geblieben ist davon nur der „Trikot-Auszieh-Jubel“.

War es bis 1993 jeweils zu faszinierenden Spielen bei den WM- oder EM-Turnieren gekommen, wenn es nach 90 Minuten in die Verlängerung ging, sollte dies nun endlich ein Ende haben. Diejenige Mannschaft, die in der zusätzlichen Spielzeit das erste Tor schoss, gewann das Spiel, weil es gleichzeitig mit dem Treffer beendet war.

Unfassbare und unvergessliche Fußball-Dramen, wie etwa das „Jahrhundertspiel“ von 1970 zwischen Italien und Deutschland bei der WM 1970 wären niemals zustande gekommen (obwohl, da schoss Deutschland in der Verlängerung zunächst das 2:1,…. war vielleicht doch nicht so übel). Auch die dadurch entstandene Spannung erschien den meist etwas betagteren Herren der FIFA und UEFA anscheinend eine Spur zu dramatisch und wohl auch zu gesundheitsgefährdend.

„Golden Goal ist scheiße. Man weiß nie, ob man sich noch ein Bier holen soll.“

(TV-Moderator Harald Schmidt)

Im EM-Finale 1996 profitierten Deutschlands Fußball-Helden von der neuen Regel. Oliver Bierhoff, fußballerisch laut Rudi Völler eher aus Malta stammend („Maltafüße“), würgte einen Ball tatsächlich per Fuß über die tschechische Torlinie, wobei der tschechische Torwart Kuba in etwa so alt aussah wie FIFA-Funktionäre im Endstadium ihres Funktionärslebens. Der Torhüter konnte somit einen Assist zum Siegtor für sich verbuchen. Bierhoff hingegen war von sich selbst und seinem eher seltenen Trefferglück per Fuß so hingerissen, dass er in einem Anfall von innerer Hitzewallung sich seines Trikots entledigte und der Damenwelt, aber auch allen anderen, seine Heldenbrust präsentierte.

Damit waren gleich zwei neuartige Dinge in einem Moment geschehen: Das erste Golden Goal der Fußballgeschichte und – quasi zeitgleich – der „Trikot-Auszieh-Jubel“ waren geboren. Jeder Fußballer, der irgendwann einmal ein angeblich wichtiges Tor erzielt hat, sei es auf Asche in Wanne-Eickel oder im Maracana Stadion, zerrte sich nun jubelnd den Stoff vom Leib. Auch als irgendwann die gelbe Karte für den Textil-Jubler eingeführt wurde, ließ diese Unsitte nur unwesentlich nach. Offensichtlich sehnen sich Fußballer dermaßen nach betörender Freikörper-Kultur, dass die Verwarnung billigend in Kauf genommen wird.

„Durch Bierhoffs Einwechslung hat sich nichts geändert. Im Gegenteil.“

(ZDF-Reporter Bela Rethy)

Den Herrschaften der FIFA und der UEFA war dieser Umstand ein Dorn im Auge und kurzerhand wurde das Golden Goal, welches diese Form des unanständigen Jubelns ausgelöst hatte, wieder abgeschafft. Dennoch lassen sich Christiano Ronaldo und Co. die Freude nicht nehmen, ihre metrosexuell politisch korrekt rasiert-geölt-blanke Mucki-Brust nach bedeutenden Toren, für knackige Facebook-Fotos und YouTube-Clips zur Verfügung zu stellen.

„Nowotny – für mich einer von vieren, die gesetzt sind. Außer ihm noch Kahn, Bierhoff, Kirsten und Matthäus.“

(Bela Rethy, ZDF-Kommentator)

…und Auslöser waren die ehrpusseligen Funktionäre der Fußballverbände und der eher mit spröder Erotik versehene deutsche Fußballer mit dem schönen Namen Bierhoff.

Unglaublich!

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Das blieb übrig vom Golden Goal: Zum Jubeln wird das Trikot über den Kopf gezogen.